Anno 1716
§ 133

[326] Gegen Michael [29. 9.] ward mein Zustand ein wenig leidlicher, und mag wohl die starke Purganz, davon ich oben [S. 308f.] Meldung getan, etwas dazu beigetragen haben. Ich glaube auch, die Purganz würde noch einen bessern Effect gehabt haben, wenn nicht an eben dem Tage, da ich laxirte, zu meinem Unglück der verwirrte Kerl, der Time, sich auf meinem[326] Saale hätte wieder antreffen lassen, und mich in neues Bekümmernis gesetzet hätte. Denn er kam von meinem Famulo heraus, und mußte also mit Betrübnis sehen, daß mein Famulus den Schwärmer noch nicht gänzlich abandonniret [verlassen] hätte, sondern mit ihm noch Bekanntschaft unterhielte, da er mich doch vor dem Jahre in solche unbeschreibliche Angst gesetzet, und ich ihm auch allen fernern Umgang mit demselben untersaget hatte. In dem folgenden 1716. Jahre waren diese Übel, so das vorige Jahr mich höchst miserable gemacht hatten, ziemlich geschwächet worden, ob sie gleich nicht ganz aufgehöret, so daß ich auch vermögend war die Predigten in einem Morgen, des Freitags, oder Sonnabends zu concipiren; welches ich sonst zu tun nicht vermögend gewesen. Weil bei solchen miserablen Zufällen [Zuständen] des Leibes und Gemütes der Mensch überaus sehr gedemütiget wird, so daß er in seine Verderbnisse ein tiefes Einsehen bekommt, und ohne Unterlaß an Gottes Gnade kleben und hangen muß, so verbrannte ich im Kar-Freitage alle meine Schriften, welche ich in den vorigen Jahren zu Papier gebracht hatte, und willens war, das folgende Jahr, oder am Jubilæo, heraus zu geben, als welche mit meinem damaligen Zustande, und mit meiner Erfahrung, gleichwie mit unserm [Glaubens-] Systemate offenbarlich stritten. Es mögen mir dieses Jahr wohl auch noch andere merkwürdige Dinge begegnet sein; weil ich aber meine Diaria [Tagebücher] Anno 1728 da man mich beredete, man würde eine Haus-Inquisition meiner Bücher und Manuscriptorum anstellen, zerrissen, und guten teils verbrannt habe, welches ich sehr betaure; so kann ich mich jetzo auf dieselben nicht mehr besinnen.

Quelle:
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. München 1973, S. 326-327.
Lizenz: