Die Liebe zu dem Evangelium hat das ganze 16te Jahrhundert hindurch das deutsche Volk getragen und ist nur erkaltet, weil sie nicht die rechte Nahrung fand und man nach Luthers Tode in seiner Form ganz erstarrte, jede verschiedene Anschauung wie die der Philippisten mit Gewalt unterdrückte und so tief in menschliche Satzungen wieder hineingerieth, daß man erst durch die Concordienformel die Reformation für gesichert und vollendet hielt. Die lutherischen Prediger zeichneten sich im Allgemeinen durch Gelehrsamkeit aus und doch kommen Beispiele vor, daß ein Prediger, als Melanchthon ihn fragte, ob er auch den Decalogum lehre, antwortete, er habe diesen Autorem nit, und späterhin Pfarrer vom Catechismus nichts wußten. Verderblich war die Abhängigkeit, in die sie bald von den weltlichen Patronen geriethen, so daß der Adel es wagen durfte die Pfarrer zu verpflichten, ihnen in allem simpliciter gehorsamen zu wollen: daher Schmeichelei und Lässigkeit in Bestrafung der Sünden. Viele Pfarrstellen waren karg besoldet, und mehere Landpfarrer kaum vor dem Verhungern gesichert, aber schon früh erhob sich auch die Klage über die Habgier der Geistlichen, die Besoldung und gute Accidentien waren die Hauptsache, nach denen die Pfarrer sich umsahen und der Zank der Collegen um diese Accidentien gab nicht selten zu Aergerniß Anlaß. Der Unterschied zwischen Laien und Geistlichen war durch die Reformation in der Theorie zwar aufgehoben, in der That aber hielten sich die Prediger eigentlich für die Kirche, was vom Ministerium ausging, das geschah im Namen der Kirche, so daß man das Ministerium auch sanctissimum nannte, obgleich der Ausdruck »heilig« in der lutherischen Kirche nicht eben beliebt war. Solche Klagen und mehere kann man in Arnolds Kirchengeschichte (Th. 2. p. 618 u. ff.) finden; wir wissen nun wohl[7] daß Arnold parteiisch ist, und daß man, um ein richtiges Bild jener Zeit zu gewinnen, auch die Wirksamkeit und den Wandel der guten Prediger diesem gegenüber stellen müßte: aber die Klagen daß die Prediger auf den Kanzeln und in ihren Schriften sich mehr herumzankten um ihre Lehrsätze, als daß sie bemüht waren das Wort Gottes in die Gemüther ihrer Gemeinden zu senken, und daß ihr Wandel einer wahren Frömmigkeit nicht entspräche, sind doch zu allgemein, als daß sie uns nicht einen verderbten Zustand offenbaren sollten. Die geringe Achtung vor dem göttlichen Wort im Vergleich mit der Ueberschätzung des Systems war auch die Ursache, daß die theologischen Studenten auf den Universitäten kaum ein paar Capitel aus der heil. Schrift in aller Breite hörten und dann meinten, sie hätten die ganze göttliche Weisheit inne. Unrecht würde es aber seyn, wollte man das Dahinsterben des evangelischen Lebens allein den Predigern zuschreiben, auch die Gemeinden ermatteten und wie jene sich auf ihre Orthodoxie verließen, so schliefen diese in falscher Sicherheit auf die Lehre vom Verdienste Christi ein, als wenn weltlicher Sinn und weltliches Leben sich damit vertrüge. Man muß die Klagen der Schriftsteller gegen Ende des 16ten Jahrhunderts über die Modesucht, über die Gastereien, das Schlemmen und Saufen lesen, wie bei guten Weinjahren sich viele zu Tode gesoffen, z.B. 1599 in Thüringen selbst viele Weiber, so daß man den Wein Mordbrenner genannt hätte. Wie ließe sich auch sonst denken, daß ein so gräßlicher Krieg wie der 30jährige von Gott über das deutsche Volk verhängt worden sey, ja daß ein solcher Krieg nicht einmal zur Umkehr bringen sollte, sondern das Volk auf die tiefste, fast viehische Stufe hinabsank. »Bei Jena fraßen sie ordentlich das Gras wie das Vieh und war mannichmal ein Aas auf dem Schindanger in einer halben Stunde rein verzehret.« Die ganze 2te Hälfte des 17ten Jahrhunderts gehörte noch dazu, bis es sich einigermaaßen wieder gehoben hatte und alle die Leiden, welche Ludwig XIV. frevelhafter Weise über das arme deutsche Volk ohne Grund und Ursache herbeiführte. Und nicht die Verfassungsformen hatten allein Schuld, sondern der Mangel an Vaterlandsliebe, das Mißtrauen und der Eigennutz der Fürsten und Völker, wodurch das Zerfallen des heil. Römischen Reichs herbeigeführt ward.
In dieser Zeit und später suchte die Helmstädter Universität, auf welcher die alte Humanistische Schule durch Caselius und Martini wieder auflebte, besonders durch Calixtus der nur Widerwillen und Haß erzeugenden Polemik entgegenzuwirken und durch ein Zurückgehen auf die Dogmatik der ersten 5 Jahrhunderte den Frieden[8] herbeizuführen; von den Gegnern ward dies Syncretismus genannt. Ein vergebliches Bestreben, wie sollte man auch, was sich einmal entwickelt hatte, fallen lassen und einen früheren Standpunkt wieder einnehmen, wobei denn doch auch ein gewisser Indifferentismus nicht geläugnet werden konnte. In die Gemeinden drang der sich hierüber entspinnende Streit wenig ein, wohl aber hatte die Art und Weise, auf welche dieser Kampf geführt wurde, nachtheiligen Einfluß, denn die Parteien reizten sich auf eine gemeine leidenschaftliche Weise, Haß erzeugte Haß von Jahr zu Jahr, so daß die Theologen auf Kanzeln und Kathedern sich um alle Liebe bei ihren Gemeinden brachten und bei ihnen selbst wie bei den theologischen Studenten Gleichgültigkeit und falsche Sicherheit auf das theologische System überhand nahmen. Zwar fehlte es auch im ganzen 17ten Jahrhundert nicht an Geistlichen und Theologen, die nicht bloß den Verstand richtig von Gott denken lehrten, sondern den ganzen Menschen zur Frömmigkeit anzuleiten suchten und selbst ein Muster derselben waren. Man denke nur an Joh. Arnd, den Generalsuperintendenten zu Celle; allein wie wurde ein solcher Mann in den verschiedenartigsten Ländern, in denen er ein Amt bekleidete, zu Ballenstädt, Quedlinburg, Braunschweig, Eisleben und Celle verfolgt und verketzert. In Braunschweig schrieb Arnd an den Bürgermeister: »Gebe E.h.W. freundlich zu betrachten, was das sey, einen öffentlich für der gantzen Gemeinde zu verketzern, zu verschwärmen, alle sein thun und predigten jockeley für hudeley zu schelten, einen nicht allein als den gröbesten, ungelehrtesten Esel, als der die theologiam nicht gelernet, auch nicht verstehet, zu beschreyen, sondern auch der lehre halber verdächtig zu machen, und die Leute für einen zu warnen, da ich doch die reine Lehre in öffentlichen verfolgungen, ungespartes leibes und gutes, ohne unziemlichen Ruhm, bekannt und verthädiget habe, und muß für Gott und E.h.W. bekennen, daß mir niemals meine harte verfolgung und verstoßung aus meinem lieben Vaterlande, dem Fürstenthum Anhalt, so weh gethan, als diese, und wenn mich nicht mein gut gewissen, und das exempel meines Herrn Jesu Christi und seiner werthen Apostel getröstet, so wäre ich des Todes gewesen. Habe auch damals meinen lieben Gott mit Thränen gebeten, mir ein ander örtlein, es sey so gering als es wolle, zu zeigen, und hätte ichs damals gewust, ich wäre auf Händen und Füßen hinausgekrochen.« Von diesem Mann sagte Joh. Corvinus zu Danzig auf der Canzel, der Teufel werde dem Arnd den Lohn geben, er begehre dahin nicht zu kommen, da der Arnd im Sterben hingefahren usw. Ein wahrhaft frommer Theologe[9] war auch der Prof. Joh. Gerhard in Jena, der die Dogmatik wieder mehr mit der Exegese zu verbinden suchte. In einem Brief vom Jahr 1614 beklagte er sich über seinen Collegen Grawerus auf folgende Weise: »Er benimmt mir alle Lust weiter auf Academien zu leben, denn ich höre, daß er meine locos theologicos mit recht schändlichen Glossen schwarz machet und den Studenten vorleget, auch überall solche emblemata dazu geschrieben hat: absurdum est, falsum est, sibi ipsi contradicit, nescit quid loquatur, non satis facit argumentum etc ... Wollte Gott, wir sorgten mehr vor die Gottseligkeit, vor das Gewissen, und die Ruhe der Kirchen.« Solchen Männern zur Seite zu stellen sind Joh. Valent. Andreae († 1654), Heinrich Müller zu Rostock († 1675), auch Praitorius, Rathmann und Scriver. Neben dieser gesunden praktischen Richtung gab es auch keine kleine Anzahl von Männern, die eben wie jene die unerquickliche Dürre der lutherischen Theologie recht gut erkannten, die aber ihrer Seits in Schwärmerei und Phantasterei verfielen, wie Weigel, Böhme, Christ. Hoburg, Friedr. Breckling, Joh. Georg Gichtel, Oliger Pauli und in der reformirten Kirche, jedoch nicht ohne bedeutenden Einfluß auf die lutherische, Joh. v. Labadie († 1674) und seine Anhängerin Anna Maria Schürmann, Antoinette Bourignon († 1670) und Peter Poiret († 1710). Alle diese Leute hatten ihre Anhänger, die sie von der Kirche abzusondern strebten, und zwar weil sie vielfach verfolgt sich an sehr verschiedenen Orten aufhielten, so sammelten sich solche separatistische Kirchlein an sehr verschiedenen Orten. So sammelten sich in Altona nach Bolten (J.A. Boltens historische Kirchen-Nachrichten von der Stadt Altona. Bd. 2. p. 1. sqq.) neben der Kirche der Dompelaers, in welcher sehr verschiedenartige Separatisten predigten, die Gichtelianer, die Labadisten, die Zioniten, die Hattemisten und die Adamiten oder die Buttlerische Gesellschaft und neben diesen hielten sich dort eine Masse von Heterodoxen und Separatisten auf. Diese Leute nun dienten den todten Orthodoxen dazu, jedes Streben nach praktischem Christenthum verdächtig zu machen, als müsse es auf Abwege führen, weshalb alle Versuche dieser Art auf fast unüberwindliche Hindernisse stießen. So erzählt man von dem Professor Balthasar Meisner in Wittenberg († 1626), dessen Wahlspruch war beati mites, und in dessen Leichenrede gesagt wird, daß er herzlich betrübt darüber gewesen sey, daß die Lutheraner zu seiner Zeit die Lehre zwar noch hätten, aber an der Gottseligkeit es fehlen ließen, von ihm erzählt man, daß er den Vorsatz gehabt habe, mit den Studenten ein Collegium practicum anzufangen und darinnen Vorschläge aufs Tapet[10] zu bringen, wodurch die Mängel in der Kirche und in dem gemeinen Leben zu verbessern oder abzuschaffen wären; allein daß ihn der Neid und andere Hindernisse davon abgehalten hätten. Er sagt: »Man könne sich kaum des Weigelianismi oder anderer neuen Schwärmereien entschütten, wenn man die Gottseligkeit mit einem gerechten Eifer treibe, und dahin vermahne, daß doch auch in Uebung gebracht werde, was man lehre.« Von Meisner kamen noch 1679 Pia desideria de quibusdam defectibus in et ab ecclessis Evangelicorum tollendis heraus. Ein Versuch, den in Hamburg 1663 einige Candidaten Volsch, Holzhausen und Döring machten, die Prediger der Stadt zu einem lebendigen Eifer für das Heil ihrer Gemeinden zu entflammen, hatte die Folge, daß die beiden letzten als Fremde die Stadt meiden mußten, obschon der Senior eingestand, kein Mensch könne läugnen, daß das Christenthum in Hamburg gar sehr verfallen sey. Die Candidaten verlangten, daß in der Schule die Pietät getrieben (Volsch sagte, er habe in St. Johannis Schule die fundamenta pietatis nicht gelernt), der Catechismus recht gelernet, auf den Kanzeln die Sünde gestraft, die Häuser von den Predigern fleißig besucht und denen die Absolution nicht ertheilt werde, an denen ein solcher fleischlicher Sinn bemerkt werde, der mit dem seligmachenden Glauben nicht bestehen könne. Sie trugen dies mit einer solchen Innigkeit vor, als von ihrem Gewissen gezwungen, daß man kaum begreift, wie die Prediger es wagen mochten darauf anzutragen, daß solche Leute die Stadt meiden müßten (die Verhandlungen verdienen nachgelesen zu werden bei Christ. Ziegra, Sammlung zur Hamburgisch. Kirchenhistorie Thl. 2. Nr. 18. p. 387 u. ff., man findet daselbst auch Heinr. Müllers Ansicht von dem damaligen Zustande der Kirche).
Da trat im Jahre 1678 Spener auf mit seinen Pia desideria, die als eine lautschallende Stimme überall aus dem Schlaf aufweckte, Spener legte auch zugleich in seinem Kreise Hand ans Werk, den Zustand der evangelischen Kirche, so viel an ihm war, zu verbessern, und die Pietistischen Streitigkeiten setzten fast bis in die Mitte des 18ten Jahrhunderts die christliche Kirche in Bewegung. Spener erkannte offenbar richtig die Mängel der lutherischen Kirche, aber er fand nicht den geeigneten Boden wie Luther. Zur Zeit der Reformation war allgemeine Sehnsucht nach einer solchen, in jedem neu hervortretenden Mann glaubte man den Reformator zu erblicken; jetzt aber war man zum großen Theil abgestumpft und gleichgültig, Spener war selbst keine herrschende, imponirende Natur, er hatte auch nicht die Aufgabe eine neue Kirche zu gründen, sondern dafür[11] zu sorgen, daß die Kirche ihren Principien gemäß wandle und gesinnt sey; dabei mußte nothwendig die Lehre von der Heiligung in den Vordergrund treten, und dies, zumal bei schwachen Gemüthern, zu denen ein großer Theil der Pietisten zu rechnen ist, mannigfaltige Schwankungen und Unsicherheiten mit sich führen. Ganz anders war es zur Zeit der Reformation, wo die Freudigkeit über die Versöhnung mit Gott, im tiefsten Herzen ergriffen, alles andere von selbst mit sich führte; Kirchlein in der Kirche zu gründen wäre Luthern schwerlich eingefallen. Auch dadurch gerieth der Pietismus in Nachtheil, daß er gar bald in einzelnen Dogmen seine Rechtgläubigkeit vertheidigen mußte und dadurch in seinen Angriffen auf die Orthodoxie, daß sie ihre Rechtgläubigkeit durch Wandel und Gesinnung beweisen solle, gehemmt und geschwächt sah. Dennoch hat der Pietismus Großes geleistet und ist lange Zeit der Träger der lutherischen Kirche gewesen trotz aller Verfolgungen und Verspottungen, die orthodoxen Theologen haben durch ihren boshaften Widerspruch die Rechtgläubigkeit selbst in einen üblen Geruch gebracht und die Pietisten endlich doch zu Kampfgenossen annehmen müssen, um die Rechtgläubigkeit vor dem Unglauben zu schützen: Da war es aber zu spät, die Kraft der Pietisten war gesunken, ja vielmehr nie zu einer rechten Gesundheit durchgedrungen und nun ins Kränkeln gerathen. Die späteren Pietisten waren scheu und furchtsam, nicht die Dinge der Welt zum Dienst des Reiches Gottes gebrauchend, sondern sich vor ihnen zurückziehend. Eine Masse von Schwärmern schlossen sich den Pietisten an, und diese fanden für ihre eigenthümlichen schwärmerischen Ansichten zu große Nachsicht, selbst schon bei Spener, wenn sie nur in der Hauptsache übereinstimmten, man war zu zart das wilde Holz zu schneiden, und gerieth doch mancher Orten in Gefahr von ihm erstickt zu werden. Wie viele exstatische Weiber traten unter den Pietisten auf: Rosamunde Juliane von Asseburg mit ihrem Bewunderer Joh. Wilh. Petersen und dessen Frau Joh. Eleonore, geborne von Merlau zu Lüneburg, die sich ebenfalls vieler göttlichen Offenbarungen rühmten, die Erfurtische Liese Anna Maria Schuchart, auch die pietistische Sängerin genannt: die Quedlinburgische Magdalena, die Blutschwitzerin Anna Eva Jacob, die Würtembergische Prophetin Christ. Regina Bader; in Lübeck Adelheid Sibylla Schwarz und in Halberstadt Katharina und Anna Margaretha Jahn usw. Spener hielt nach seiner milden sanften Weise sein Urtheil zurück, nur meinte er die Möglichkeit göttlicher Offenbarungen könne man doch nicht läugnen, andere Pietisten nahmen sich dieser Schwärmerinnen an und so gaben sie allerdings[12] den todten Orthodoxen einige Veranlaßung sie mit diesen zusammenzustellen und dadurch beim Volke lächerlich zu machen; ja Joh. Friedr. Mayer entblödete sich nicht, die Pietisten mit der durch Liederlichkeit und Unzucht berüchtigten Buttlerischen Rotte zusammenzustellen, die 1702 zu Schwarzenau in der Grafschaft Wittgenstein gestiftet war. Je heftiger überhaupt die Angriffe der Orthodoxen auf die Pietisten wurden und je deutlicher diese einsahen, daß sie eine Reformation der Kirche nicht durchsetzen würden, desto mehr trennten sie sich von ihr, die verschiedenartigsten Separatisten standen einander näher, als den Gliedern der Kirche und besonders den Geistlichen.
Die vielen Unionsversuche, die das ganze 17te Jahrhundert hindurch und im Anfang des 18ten gemacht wurden, die verschiedenen Kirchen mit einander zu vereinigen, theils von einzelnen Theologen, theils von Fürsten und Regierungen hatten durchaus keinen Erfolg. Auch Spener suchte man in diese Kämpfe hineinzuziehen, er entzog sich ihnen aber; nach seinem Tode indeß diente ein dem König Friedrich I. von den Orthodoxen vorgelegter Unions-Entwurf dazu, auch hierüber die Pietisten anzuklagen. Die späteren irenischen Bemühungen im Jahre 1719 bei dem Corpus Evangelicorum zu Regensburg hatten die Folge, daß die Aufmerksamkeit von den Pietisten abgelenkt wurde. Von dieser Zeit an fingen die Pietistischen Bewegungen an nachzulassen, ja der Vorkämpfer der Orthodoxen V.E. Löscher in Dresden suchte durch Vermittlung des milden Buddeus, der zu keiner Partei gehörte, von beiden Parteien aber geachtet wurde, eine förmliche Versöhnung zu stiften, die dann freilich nicht gelang; allein schon der Versuch zeigt, daß die Furcht vor dem Pietismus abgenommen hatte, seine reformatorische Kraft war gebrochen und die noch übrige Lebenskraft verwandte er, sich der emporkommenden Philosophie und Aufklärung im Verein mit der Orthodoxie entgegenzustellen.
Es war dies der Kampf mit der Wolfischen Philosophie, die eben in Halle, dem Sitz des Pietismus, ihr Haupt zu erheben suchte. Wolf, der sich der Theologie gewidmet hatte, hatte schon früh darüber nachgedacht, ob es nicht möglich sey, die Wahrheit in der Theologie so deutlich zu zeigen, daß sie keinen Widerspruch leide, er glaubte dazu sich der Mathematik bedienen zu können. Wolf predigte selbst mehrmal, und zwar mit Beifall der deutlichen Begriffe wegen, durch die er die Sachen erklärte und eins aus dem andern deducirte. Solche Wolfischen Predigten sagten z.B. wenn es Matth. 8. heißt: »Da Jesus vom Berge herabging folgte ihm viel Volks nach« ein Berg ist ein erhabener Ort, ein Volk ist ein[13] gewisse Menge von Leuten. Die Predigten waren daher mehr Denkübungen als Erbauungs-Mittel, das wollte man aber auch vorzugsweise und dieser rein verständigen Bildung, dieser überwiegenden Huldigung des Verstandes setzten sich Pietisten und Orthodoxen entgegen. Sie fürchteten übrigens nicht allein die Form, sondern auch den Inhalt der Wolfischen Philosophie, durch die Lehre von der prästabilirten Harmonie hielten die Theologen die Schöpfung Gottes und die Freiheit des Menschen gefährdet und wußten diese Lehre dem König Friedrich Wilhelm I. als so gefährlich darzustellen, daß Wolf in 24 Stunden die Preußischen Lande verlassen mußte. Solche Mittel nützten aber wenig, war doch der Beichtvater des Königs, der Probst Reinbeck selbst ein Anhänger der Wolfischen Philosophie, in Halle standen damals die meisten theologischen Studenten auf der Seite des Philosophen; wie allgemein verbreitet die Schriften der Wolfischen Philosophie damals waren, giebt Edelmann in seinem Moses mit aufgedecktem Angesicht Anblick 3. p. 114. an, freilich auf eine so gemeine Weise, daß man die Worte nicht anführen kann. Die Gegner der Wolfischen Philosophie, besonders die Pietisten, die diesen Vorwurf schon früher hatten hören müssen, wurden ausgeschrien als Verächter der Wissenschaft und endlich ward auch Wolf bei der Thronbesteigung Friedrich II. in einem Triumphzuge wieder in Halle eingeholt, den Beifall, den er früher gehabt hatte, fand er dann freilich bei den Studenten nicht wieder. Seine demonstrative Methode ward von Canz in Tübingen, Reusch in Jena, Carpov in Weimar in die Dogmatik eingeführt (vergl. Hagenbach Vorlesungen über Wesen und Geschichte der Reformation Thl. 5. p. 117 ff.). Im Jahre 1735 wurde die Wolfische Philosophie auch bei Uebersetzung der Bibel angewandt, in diesem Jahr kam nämlich zu Wertheim der erste Theil einer Uebersetzung der Bibel heraus, die 5 Bücher Moses enthaltend, von Joh. Lorenz Schmidt, einem Zögling der Wolfischen Schule, die dem Verfasser Verfolgung und Gefängniß zuzog und ihn zwang unter dem Namen Schröder in Hamburg und später in Wolfenbüttel als Hofmeister zu leben; er starb 1751. Die Uebersetzung rief große Bewegungen hervor, wurde 1737 auf Kaiserl. Befehl confiscirt und der Verkauf bei schwerer Geldstrafe verboten. In der Vorrede sucht Schmidt auf eine der Bibel nicht günstige Weise zu erklären wie sie zu ihrem gewaltigen Ansehen gekommen sey, verlangte jeden Verfasser der Bibel aus sich selbst zu erklären, und behauptete ein Hauptbestreben bei dem Lesen der Bibel müsse seyn, den Zusammenhang der Begriffe unter sich aufzusuchen; von den Gegnern, sagte er, sie wollten[14] die Unwissenheit ihres Vortheils wegen unterhalten. Was nun die Uebersetzung selbst betrifft, so machte er aus dem Geist Gottes 1. Mos. 1, 2. einen heftigen Wind. Die erste Verheißung 1. Mos. 5, 15. entfernte er indem er übersetzte: »und künftig soll zwischen dir und der Frau und euer beiden Nachkommen eine beständige Feindschaft seyn, dergestalt daß die Menschen den Schlangen auf den Kopf treten usw.« 1. Mos. 12, 3. übersetzte er die Worte: »in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden, Jedermann auf der Welt wird sich wünschen so glücklich zu seyn wie du.« In den Anmerkungen, deren es 1592 giebt, sucht der Verfasser dem Leser die Wolfische Deutlichkeit beizubringen; so heißt es in der 272. Anmerkung: »Das Thor an einem Palaste ist eine Oeffnung, durch welche der Besitzer und seine Bedienten aus und eingehen;« zum 3. Mos. 18, 7. heißt es: »eine Mutter ist eine Frau, welche in Gesellschaft ihres Mannes Kinder erzeugt und auferziehet;« zu 1. Mof. 1, 9. sagt er, »der Ausdruck zusammenfließen heißt, wenn die Sache in einem engern Raum gesehen wird, da sie vorher einen größeren einnahm u.s.w.«
So gerieth man gleich anfangs als man das kirchliche System verließ, in eine schreckliche Dürre hinein, aber man hatte sich freilich um einzelne Dogmen so stumpf und matt gekämpft, daß man dies nicht wahr nahm und sich freuete einmal was Neues zu hören. Seitdem man einmal auf dem Abwege war, ging es im Zweifel und Unglauben immer schneller und schneller. Das 18te Jahrhundert war ausgezeichnet an tüchtigen Männern in allen Fächern der Literatur, ja auch în allen Zweigen der theologischen Wissenschaften wurde viel gearbeitet, hätte man die neue Belebung, die in dem Pietismus dargeboten wurde, richtig benutzt, so hätte diese geistige Blüthe segnend auf die Völker Deutschlands wirken müssen, da man sie aber verwarf, so wich die göttliche Gnade immer mehr zurück, und man fand sich endlich bei aller Wissenschaftlichkeit so dürr und leer, daß man durstend lechzte nach dem Quell des göttlichen Worts, aber nun war es so leicht nicht Wissenschaft und Theologie mit einander zu versöhnen und noch schwerer in den Gemeinden die Wahrheit zur Anerkennung zu bringen, daß der natürliche Mensch verderbt sey und vor Gott nicht bestehen könne. Ist jener Kampf zwischen Wissenschaft und Theologie auch zu Ende geführt, so dauert dieser doch noch fort und wie zu den Heiden muß man in die Gemeinden Boten der Mission senden, um sie wieder für das Christenthum zu gewinnen. Bei andern Völkern, den Engländern und Franzosen, war man ihnen im Unglauben auch schon vorangeeilt, wir dürfen[15] nicht die Schuld des Unglaubens in Deutschland beimessen, die Luft war überall verpestet und auch in Deutschland der Weg zum Unglauben mit der Verwerfung des Pietismus von selbst gegeben, beschleunigt haben jene freilich den Proceß, und indem die englischen Deisten von den deutschen Theologen bekämpft wurden, wurde eben dadurch nachtheilig auf die christliche Kirche gewirkt, weil sich theils keine Fülle des Lebens in der Bekämpfung aussprach, theils aber auch die Masse sich viel begieriger nach den Einwürfen gegen das Christenthum umschauete als nach der Vertheidigung. Die französischen Freigeister aber, die sich in Schaaren in Deutschland um den König drängten, der die deutsche Nationalität wieder hub, haben oberflächlich und seicht wie sie waren durch ihre Frivolität und durch die Autorität, welche ihre Stimme in Deutschland hatte, reichlich so nachtheilig auf den christlichen Glauben in Deutschland eingewirkt wie die englischen Deisten, aber sie haben, wie gesagt, doch nur befördert, was nicht mehr zurückzuweisen war. Mosheim sagte 1750 seinen Zuhörern »Es hat sich die ganze Verfassung der evangelischen Kirche im jetzigen Jahrhundert umgesetzt, und diese Veränderung gehet immer weiter, und wird, wenn nicht besondere Dinge dazwischen kommen, endlich so weit gehen, daß sie in eben die Verfassung gerathen wird, in der die reformirte Kirche in diesen Zeiten stehet. Wenn wir unsere Kirche von der Seite der Wissenschaften ansehen, so hat sie sehr vieles in unserm Jahrhundert gewonnen. – Allein wenn man unsere Kirche als eine Gesellschaft betrachtet, die an einander hängt, so müssen wir ganz anders urtheilen, und bekennen daß unsre Kirche sehr viel verloren habe. Eine geistliche Gesellschaft, die an einander hängen und bestehen soll, muß Mittel zur innerlichen und äußerlichen Verbindung haben. Diese Mittel der Vereinigung sind in den vorigen Zeiten in unserer Kirche gewesen, aber in unserm Jahrhundert sind sie überaus schwach und kraftlos geworden, und es hat das Ansehen, daß sie allmählig ihre Kraft ganz verlieren, und eine Zerrüttung in der Gesellschaft der evangelischen Kirche entstehen werde. Mosheim meint mit den Mitteln der Vereinigung besonders die symbolischen Bücher, sagt, deren Ansehen sinke, und muthmaßet, man werde zur Toleranz seine Zuflucht nehmen, den Weg zur Seligkeit erweitern und viele Grundartikel für solche Lehren erklären, die zum Grunde des Glaubens nicht gehören.« (Vergl. Mosheims Kirchengeschichte fortgeführt von J.A. Chph. von Einem Thl. 9. p. 7 ff.)
In diese Zeit fällt nun das Leben des berüchtigten Edelmanns (so wurde er im vorigen Jahrhundert gewöhnlich genannt), das von[16] ihm selbst erzählt wir in dem folgenden Werke dem Leser vorlegen. Wir können ihm keine so große Bedeutung zuschreiben wie er sich selbst beilegt, wenn er meint daß er dem Unglauben, oder wie er sagt der Freiheit die Bahn gebrochen habe, aber freilich hat er das Seinige gethan um zu zerstören und niederzureißen, und wohl noch mehr in den Kreisen, in welchen er sich persönlich bewegte, als durch seine Schriften, denn diese waren theils zu gemein und unanständig, als daß sie nicht vielfach verletzt haben sollten, und doch war Edelmann eigentlich ein höflicher Mann, von glatter Oberfläche, aber er hielt sich für einen 2ten Luther, auf dessen Geschichte beständig Anspielungen und Anwendungen auf sein eigenes Leben vorkommen, wie er sich denn auch nicht entblödete sich mit den Aposteln, ja mit dem Herrn selbst zu vergleichen, daher glaubte er auch eine solche ungestüme Sprache wie Luther führen zu müssen, dann aber war er auch von grimmigem Haß gegen Bibel und Priester erfüllt, weil er so lange von ihnen seinen Verstand hatte gefangen nehmen lassen. Seine Bedeutung scheint uns darin zu liegen, daß er von Gott als eine Warnung hingestellt wurde wohin man gelangen würde, wenn man auf diesem Wege fortfahre. Sein frecher Unglaube ging für die damalige Zeit noch zu weit, als daß er bei vielen seiner Zeitgenossen auf Beifall rechnen durfte, er entwickelte sich aber aus seinem eigenen Lebensgange und aus der Nahrung, die er aus häretischen Büchern sog, das waren aber weniger die Engländer, denn da er kein Englisch verstanden zu haben scheint, lernte er diese nur aus französischen Uebersetzungen und deutschen Widerlegungen kennen, mehr nahm er an von den französischen Freigeistern, am meisten von den deutschen Heterodoxen, vorzüglich von Dippel, wozu dann später Spinoza kam. Joh. Conrad Dippel, auf den Edelmann sehr viel hielt, ward geboren 1673 zu Darmstadt, er studirte Theologie, Jurisprudenz und Medicin durcheinander, erklärte sich zuerst für die Orthodoxen gegen die Pietisten, und führte deshalb aus Opposition ein wildes Studentenleben, aber der Pietismus erhielt Gewalt über ihn, er vertiefte sich in den religiösen Mysticismus und verband diesen mit Astrologie, Chiromantie und Alchymie. Er führte ein unstätes, flüchtiges Leben, kam nach Berlin, Holland, Altona, ward in Ketten nach der Insel Bornholm geführt, später nach Stockholm berufen und starb plötzlich 1734 auf dem Schloße zu Wittgenstein. Dippel kämpfte gegen die Rechtfertigungslehre, gegen das Ansehen der symbolischen Bücher, die er einen papiernen Gott nannte; er erklärte der Christus in uns, das sey der wahre Christus für uns. In der Lehre von Gott näherte er sich dem Pantheismus, den Sacramenten[17] sprach er alle Wirksamkeit ab, die Kindertaufe hielt er für Mißbrauch, Beichte und Absolution für Gaukelspiel, die wahre Kirche, behauptete er, müsse aus lauter Frommen bestehen. Er lehrte, der Mensch könne selbst durch Verläugnung die Sünde in sich tilgen, worin Christus vorangegangen sey. Daher verwarf er auch die Lehre von der Genugthuung Christi. Er trug schon den Satz vor, auf den Edelmann immer zurückkommt, in Gott dem seligen Wesen könne kein Zorn seyn, deshalb könne er auch nicht beleidigt werden, wohl aber könne das die Menschheit in ihrer Dürftigkeit, daher fände auch keine Gerechtigkeit Statt zwischen Gott und der Creatur, wohl aber zwischen Creatur und Creatur. Es sind das lauter Lehren, die man bei Edelmann wiederfinden wird, Dippel aber glaubte das alles in der Schrift zu finden und suchte seine Satzungen ihr unterzulegen, während Edelmann sich gradezu von ihr lossagte.
Edelmann, in drückender Lage erzogen, war als Kind ein leidenschaftlicher rachgieriger Junge, ein großer Freund von Disputationen. Als Student hielt er sich zu der Schule des Prof. Buddeus, den er sehr hoch schätzte und der lange einen wohlthätigen schützenden Einfluß auf ihn behalten hat, ein näheres Anschließen an ihn scheint jedoch nicht Statt gefunden zu haben. Da Edelmann vorherrschend Verstandesmensch war, dabei unmäßig eitel, ehrgeizig und im höchsten Grade empfindlich, alles sehr äußerlich auffassend, und diese Fehler in seinen Augen, wenn er sich ihrer bewußt war, sehr gering und unbedeutend waren, so konnte die Frömmigkeit ihn nicht ganz durchdringen, noch viel weniger sagte ihm der Pietismus zu, die Aengstlichkeit desselben war seinem nach unumschränkter Freiheit strebenden Geist durchaus zuwider, auch scheinen die Pietisten, bei denen Edelmann in Wien lebte, wirklich bigotte Personen gewesen zu seyn. Heuchelei aber stieß ihn, der sich bestrebte, was wir rühmend anerkennen wollen, wahrhaft zu seyn, gewaltig zurück. Diese Wahrhaftigkeit suchte dann freilich manchmal sich einen Ausweg durch Sophistereien zu bahnen. Mit großer Begierde sog Edelmann damals schon die überall auftauchende natürliche Theologie ein. Zum Prediger fühlte er sich nicht geeignet, bei seiner vorherrschend verständigen Richtung wurde es ihm sehr schwer eine erbauliche Rede zu halten, aus freiem Ergusse konnte er gar nicht sprechen, sondern er mußte das mühsam Ausgearbeitete mühsam auswendig lernen. Edelmann rechnete sich noch zu den Pietisten wiewohl mit innerem Widerstreben, da kam er in Sachsen zu einem orthodoxen Prediger, der eben nicht lauter lebte, es stiegen Zweifel gegen die Rechtgläubigkeit der Kirche in ihm auf, zunächst in Bezug auf die Kindertaufe, er suchte Christen der apostolischen[18] Zeit und meinte ein Wiedergeborner müsse nach 1 Joh. 3, 9 durchaus keine Sünde begehen, so nahm er jetzt schon einzelne Sprüche der Bibel aus dem Zusammenhange heraus und in Johanneische Anschauungen konnte er sich gar nicht finden. Er glaubte sein Ideal eines Christen bei den Mennoniten, Gichtelianern und Herrnhutern zu finden, aber überall fand er sich in seinen Erwartungen getäuscht, daneben beschäftigte er sich mit allen möglichen heterodoxen und haeretischen Büchern und fing endlich selbst an seine Unschuldigen Wahrheiten zu schreiben. Schon in der ersten Unterredung suchte er nachzuweisen, daß man in jeder Religion selig werden könne, freilich hielt er Christum noch fest, aber auf mystische Weise, als das Licht der Welt, das jeden Menschen innerlich erleuchten könne, und so sank das Ansehen der Bibel schon sehr bei ihm, er berief sich für seine Ansicht auf die Kindertaufe, die er freilich selbst nicht mehr billigte; so berief er sich auch später auf Aussprüche der Bibel während er zugleich auf sie schmähte und sie lästerte, sein Eifer seine Ansichten zur Anerkennung zu bringen überwog seine Wahrheitsliebe, er raffte zusammen was ihm irgend dienlich war. Schon in diesem ersten Stück erklärte er es auch für unnöthig, sich durch den Glauben Christi Verdienst anzueignen, da Christus auch von den Heiden, die seinen Namen nicht anrufen, gefunden werde Jes. 65, 1. Im 2ten Stück spricht Edelmann von der Gleichgültigkeit der Religionen und der Toleranz; von derselben im 3ten Stück so wie von der wahren christlichen Kirche. In dem 4ten von dem einigen Kennzeichen der wahren Kirche, nämlich von der Liebe und dem daher abzunehmenden Verfall der heutigen Christenheit, wobei er seinen bittern Klagen über die Geistlichkeit Luft macht und zugleich auf den Widerspruch aufmerksam macht, daß ein Wiedergeborner nicht sündigen könne und doch alle Vierteljahr die Sünde aufs neue vergeben werde; bei welcher Gelegenheit er seine hohe Idee von der Wiedergeburt und seine Sehnsucht nach Heiligkeit ausspricht.
Die folgenden Stücke, die ich zur Ansicht nicht habe bekommen können, handeln nach Mich. Lilienthal: Auserlesene Bibliothek, Theil 2, p. 366. 5) Von dem heiligen Beruf der Prediger. 6) Von etlichen in der evangelischen Kirche am meisten verdunkelten Grundwahrheiten. 7) Von der Wiedergeburt. 8) Von der Rechtfertigung. 9) Von den Sacramenten. 10) Von der Kindertaufe. 11 u. 12) Vom Abendmahl. 13) Von der Unsündlichkeit der Wiedergeborenen. 14) Von der Wiederbringung aller Dinge. Die späteren Unterredungen schrieb er erst in Berleburg; als er in diese Stadt einzog, warnte ihn Gott vor Fortsetzung des betretenen Weges, eine schreckliche[19] Angst, deren er nicht Herr werden konnte, überfiel ihn, er hörte aber nicht, gerieth in Berleburg mit den Separatisten der verschiedensten Art in Verbindung, schloß sich endlich den Inspirirten an und als er auch dies satt hatte, war aller Autoritätsglaube bei ihm geschwunden, nur die Vernunft galt ihm jetzt etwas. Der Kampf mit dem Haupt der Inspirirten hatte dies zum Durchbruch gebracht. Edelmann schildert seinen Zustand vor diesem Durchbruch in dem Brief an F. in seiner Schrift die Göttlichkeit der Vernunft p. 216 ff. auf folgende Weise: »Was ich nun Zeit währender dieser Blindheit, da meine Seele stets was Gewisses suchte, vor Angst und Marter ausgestanden, wenn Scrupel oder andere mir verdächtige Dinge vorkamen, das kann ich Dir mit keiner Feder beschreiben; die Desperation war manchmal nur einen Schritt von mir. Denn ich hatte keinen Gott, zu dem ich hätte ein Hertz haben können, und alles, was man mir von seiner Liebe und Barmhertzigkeit vorschwatzte, davon fand ich immer gerade das Gegentheil: ja wenn mir der getreue Gott gleich durch das Licht der Vernunft zu Hülfe kommen und mich durch ein heiteres und wohl gegründetes Raisonnement oder Urtheil aus meiner Finsterniß gnädiglich herausführen wolte, so bat ich ihn doch immer in meiner Dummheit, wie ich war gelehret worden, nehmlich, daß Er mir doch aus Gnaden Kraft schenken wolle, meine so gar sehr speculirende Vernunft unter den Gehorsam Christi gefangen zu nehmen; ich konnte ja vor derselben zu keiner Gewißheit kommen, indem sie sich schier augenblicklich mit ihren Einwürfen meldete, daß ich ganz untüchtig zum Glauben wurde. Er wisse ja, und erkenne an mir, daß ich nichts als Ihn allein suchte, Er möchte sich doch nur aus Gnaden zu erkennen geben, damit ich prüfen könne, ob Er würcklich der Herr mein Gott sey, der durch die Inspirirten redete. Ich wollte ja gerne meine Vernunft gefangen nehmen, Er solte mir doch eine Kraft schenken solches zu thun. Je mehr ich aber so bath, je weniger Stimme und Aufmerken war da, sondern es regte sich vielmehr ein gar kräfftiger Widerspruch in mir, daß ich nicht recht betete, worüber mir vollends alle Kräfte vergiengen, daß ich in diesem höllenmäßigen Zustande mein Bette gar oft mit den bittersten Angst-Thränen netzte und den Tod gern hätte kommen sehen, wenn er sich nicht weit mehr vor mir, als ich mich vor ihm gefürchtet hätte usw.« Man sieht, der Glaube ist nicht Jedermanns Sache; er wollte mathematische Gewißheit für seinen Verstand, aber er wollte sich nicht beugen in Demuth, das Bewußtsein der Sünde und die Reue über dieselbe mangelt, weil er in seinem Streben, als[20] heilig vor den Leuten geachtet zu werden, nicht zur Selbsterkenntniß kommen konnte, und doch führte ihn dies und Verachtung der Kirche in alle diese Separatistischen Gesellschaften hinein. Keine Spur ist davon zu finden, daß er sich seit der Zeit, nachdem er mit Zinzendorf gebrochen hatte, irgend einem frommen Geistlichen genähert hätte, vielmehr sonderte er sich selbst da ab wo er einen größeren Freigeist fand, als er selbst war, wie er denn erzählt, daß er den Briefwechsel mit einem Frauenzimmer, das sich wohlthätig gegen ihn bewies, bloß deßhalb aufhob, weil sie weiter sah als er, d.h. weil sie weniger glaubte. Das Streben nach einem heiligen Schein und sonderbaren Wesen gab er später auf, als er sich unter seinen deistischen und pantheistischen Freunden wohlbefand, da er unter ihnen als ihr Haupt dagestanden zu haben scheint, was ihm schmeichelte. Die Sinnlichkeit, die früher mächtig in ihm gewesen zu seyn scheint, hat später der Herrschaft seines Verstandes und seines Willens weichen müssen. Uebrigens kennen wir sein späteres inneres Leben nicht und wissen nicht, wie weit seine Selbstgenügsamkeit und Selbstgerechtigkeit ihn von der menschlichen Gesellschaft isolirte, wir können nur beklagen, daß er die wahre Freiheit der Kinder Gottes nicht kennen lernte, und so in seiner Feindschaft nur als ein Werkzeug gebraucht werden konnte die alten menschlichen Formen, die nicht mehr dienen konnten, zu zerstören.
Als er das südliche Deutschland im Jahre 1746 verließ, gab er sein Glaubensbekenntniß heraus, von dem wir in aller Kürze eine Skizze mittheilen wollen.
Edelmann beginnt mit der Behauptung, daß kein Mensch ein Recht über des andern Glauben habe, Gott allein sey Richter der Gedanken; Gott, den er erkenne, nicht nach Hörensagen glaube, sey nach Natur und Vernunft das in allen Dingen gegenwärtige, einige, ewige unveränderliche Seyn oder Wesen. Was in den Creaturen Reales, Würckliches, Gutes sey, das sey Gott selbst in ihnen, weil er das Wesen aller Creaturen sey, ungereimt sey die Annahme von Personen in Gott. Gottes Wesen könne keiner in seiner gegen wärtigen Unvollkommenheit ganz übersehen, daher sey jede Erkenntniß von ihm Stückwerk; zu diesen Stückwerken der Erkenntniß gehöre auch die Bibel, eine Sammlung alter Schriften, deren Urheber nach dem Maaß ihrer Erkenntniß von Gott geschrieben, ein gar gutes Buch, dessen Originalien aber wahrscheinlich verloren gegangen. Das A.T. sey von Esra zusammengestoppelt und von dem N.T. hätte man schon von Constantins Zeit an die Originalien nicht mehr gehabt, gegen die Abschriften müsse man die Augen offen halten, und da[21] jede Secte die Bibel wie eine wachserne Nase drehe, so sey es thöricht, seine Seligkeit auf so ungewisse und widersprechende Leute ankommen zu lassen, sondern man solle sich selbst zu Gott nahen, der sich auch jetzt nicht vor uns verstecke. Der Gehorsam gegen die Stimme Gottes im Gewissen giebt uns den Himmel, die Widerspenstigkeit die Hölle. Die Welt ist von Ewigkeit her und ewig geschaffen, sie ist Gottes Schatten, Gottes Sohn, Gottes Leib, und wird auch eben so wenig, wenn auch mannigfach verändert, ganz zerstört werden. Die Glückseligkeit fängt schon in diesem Leben an, wird nach dem Tode fortgesetzt und höher getrieben, denn der Geist wird nach diesem Leben nicht aufhören, sondern ernten nachdem er gesäet hat; wahrscheinlich, denn es ist eine schwierige Frage, wird er in einen andern Körper übergehen, die ewige Verdammniß ist ein Hirngespinst der Pfaffen. Von Christo, den die heillosen Pfaffen vergöttert haben, glaube er, daß er ein wahrer Mensch gewesen sey, mit ausnehmenden Gaben und Tugenden ausgerüstet, darum ist er von den Jüngern Sohn Gottes genannt worden, Christus hat wie wir Gott seinen Vater genannt, seine Hauptabsicht ist gewesen die durch vielerlei thörichte Meinungen von Gott getrennten Gemüther in Liebe wieder zu vereinigen und alle Religions-Zänkereien gänzlich aufzuheben, er wollte keine neue Religion anrichten, sondern den Grund aller vorgehenden einreißen, namlich den, daß die Menschen einen über ihre Sünden erzürnten Gott auf eine oder die andere Weise wieder begütigen müßten, denn der Mensch ist noch in derselben Vollkommenheit, in der er erschaffen worden ist, Christus wollte ihnen zeigen, daß sie zwar unter einander sich selbst, aber nimmermehr die unverletzliche Majestät ihres Schöpfers beleidigen könnten, in sofern hat er die Sünde zwischen Gott und den Menschen auf ewig aufgehoben und die Menschen erlöst. Den Tod hat er erlitten, weil die Pfaffen besorgten, er möchte den Pöbel von ihnen abwendig machen und ihre Einkünfte schmälern, während er den Pöbel doch zu den Priestern wies, was auch Edelmann und alle seine wahren Nachfolger gethan hätten. Christus ist nicht nur aus den Todten, unter denen er damals lebte, dem Geiste nach wieder auferstanden, sondern kommt noch täglich in viel Tausenden seiner Zeugen wieder. Der jüngste Tag breche bei jedem Menschen an, der aus dem Schlafe seiner Irrthümer aufwache, auf daß Gott sey Alles in Allem. Die Lehre vom Teufel sey eine abgeschmackte, unvernünftige Lüge und auch die Lehre von den Engeln zu verwerfen.
Edelmann hat dieses Glaubensbekenntniß mit sehr ausführlichen Anmerkungen begleitet, in denen er seinen Glauben aufs breiteste zu[22] belegen sucht. Eine große Belesenheit kann ihm nicht abgesprochen werden, aber es fehlt ihm, wie schon Schröckh sagt, Gediegenheit des Urtheils, er ist zu oberflächlich und weiß überall zu finden, was er finden will, so daß nicht einmal die jetzigen Freigeister seine Schriften benutzen können, da die Wissenschaft nicht zugeben würde, daß die Profanscribenten auf solche Weise benutzt werden dürften. In der Bibel kann ihn die geringste chronologische Schwierigkeit, wie z.B. daß Hiskia geboren seyn soll als sein Vater 10 Jahr alt war, dahin bringen, ihre Göttlichkeit zu verwerfen, oder die Verschiedenheit der Lesarten im N.T. die Behauptung hervorrufen, man könne sich nicht auf sie verlassen. Wie seine Exegese beschaffen sey, kann man daraus abnehmen, daß er seine Lehre von der Unsündlichkeit der Menschen in Beziehung auf Gott durch die Stelle Joh. 9, 3 zu begründen sucht, wo Christus von dem Blindgeborenen sagt »es hat weder dieser gesündiget, noch seine Eltern (Glaubensbekenntniß p. 162), oder daraus, daß er aus der Zusammenstellung von 1 Chron. 22, 1 mit 2 Sam. 24, 1, wo die Zählung des Volkes Israel durch David einmal auf Gott zurückgeführt und in der andern Stelle vom Satan abgeleitet wird, das Resultat zieht, Gott werde in der Bibel Satan genannt1, und solcher Beispiele ließen sich eine Masse zusammenstellen.
Die Schriften Edelmanns gehen, so weit wir sie besitzen, bis zum Jahr 1759, auch seine Collectaneen sind nur bis zu diesem Jahre fortgesetzt. Es ist demnach wahrscheinlich, daß er die letzten 8 Jahre seines Lebens aus irgend einem Grunde die Lust und Liebe zum Schreiben verloren habe oder kränklich geworden sey. Da in seiner Biographie seine Bücher sämmtlich genannt sind, so will ich zum Schluß noch die Manuscripte Edelmanns, die sich auf der hiesigen Stadtbibliothek befinden, etwas näher angeben. Es sind dies lauter Abschriften, und zwar größtentheils von derselben Hand und recht gut geschrieben. Der Abschreiber hat sehr häufig die Zeit, wann er seine Arbeit beendigt, hinzugefügt, von dem Verfasser ist überall am Ende geschrieben G.A.D.E., d.i. Gott allein die Ehre.
Außer der Biographie sind die auf unserer Bibliothek befindlichen Manuscripte folgende:
1. a) Moses mit aufgedecktem Angesicht (die ersten 3 Anblicke sind gedruckt, es fehlt uns also der 4te) 5ter Anblick 1756 d. 1sten May. Am Schluß steht: Finis den 22sten April 1756. Edelmann[23] sucht zu beweisen, daß Esra das alte Testament zusammengestoppelt hat.
b) 6ter Anblick. Am Schluß Finit. Mei d. 6ten Julii 1754.
Edelmann untersucht, ob Strabo oder Esra die wahrscheinlichsten Umstände von seinem Mose vortrage.
c) 7ter Anblick. Am Schluß Finit. Autoris d. 31sten December 1753, Finit. Mei den 20sten Octob. 1754.
Widerlegung der Schrift des A.G. Masch, Abhandlung von der Religion der Heyden und Christen, in Bezug auf seine Ansicht von Moses und dessen Schriften.
d) 8ter Anblick. Im Anfange:
Aut. Incept. d. 4. Ian. 1754.
Mei Incept. d. 20. Oct. 1754.
Fortsetzung der Widerlegung des Herrn Masch, besonders über die Angaben der Mosaischen Schriften im Verhältniß zu denen der Profan- Scribenten.
2. a) Moses mit aufgedecktem Angesicht 9ter Anblick. Im Anfange: Incept. Autor. 16. Febr. 1754. Finit. Autor. 19. Mart. 1754.
Zeigend, daß die Zeugnisse der weltlichen Schriftsteller, die eines Moses gedenken, von nichts weniger als von dem Moses der Juden handeln usw. Endlich wird gezeigt, daß die Nation der Hirten, die Josephus für seine Vorfahren ausgiebt, niemand weniger als die Juden gewesen.
b) 10ter Anblick. Im Anfange: Incept. Autoris den 21. Mart. 1754. Mei Copia den 26. Febr. 1755. Finit 7. Mai 1754.
Ueber die Aussätzigen, ferner daß Josephus seinen Moses ganz anders beschreibt als die Bibel, daß die Juden vor Esra kein abgesondert Volk gewesen, daß vor dessen Zeiten noch keine Bücher Mosis gewesen, daß sich die Juden mit ihren Sachen nicht ans Licht gewagt, daß Osarsiphus nicht Moses gewesen.
c) 11ter Anblick. Im Anfange: Aut. Incept. den 9. Mai 1754. Mei Copia den 7. Mart. 1755. Am Schluß: Aut. Finit. d. 30. Juni 1754. Mei Finit. d. 28. Mart. 1755.
Widerlegung der Behauptung des Hrn. Masch, daß Moses den ältesten weltlichen Schriftstellern bekannt gewesen sey und Beleuchtung der Schrift eines Hrn. Koch: Pharos oder die Jüdische Geschichte belegt durch die Aegyptische. Lemgo 1741.
d) 12ter Anblick. Im Anfange. Aut. Incept. den 1. Juli 1754. Mei Copia den 6. Apri1 1755 Am Schluß: Finit. Autoris den 13. Aug. 1754. Finit. Mei den 18. April 1755.[24]
Fernere Darlegung der Widersprüche der Profan- Scribenten und der alt-testamentlichen.
3. a) P. 1–143. Sendschreiben eines ehrlichen Weltweisen an einen ehrlichen Christen, Namens Theophilus, betreffend die Geschichte des h. Pauli und dessen Gemüthsbeschaffenheit, veranlaßt durch die Betrachtungen, die Hr. Gilbert West über die Bekehrung und den Beruf dieses Apostels zum Apostelamte anstellt. Anfangs aus dem Englischen ins Französische und hernach aus der französischen Uebersetzung getreulich ins Deutsche gebracht. Im Jahr 1750.
(Es ist dies die Schrift eines englischen Theologen Peter Annet gegen das Werk eines Freundes von Gilbert West, George Lyttleton: Observations on the Conversion and Apostelship of St. Paul in a letter to Gilb. West. London 1747. Annet's Schrift hieß: The History and Character of St Paul, examined in a letter to Theophilus, a Christian Friend. Cf. Lechler Geschichte des Englischen Deismus. Stuttgart und Tübingen 1841 p. 316.)
b) 3 Pagg. Ein Gedicht: der Freigeist in einem Sendschreiben an den Herrn Consistorialrath und Hofprediger Aug. Friedr. Wilh. Sack in Berlin von J.C.E.
c. Pag. 1–71. Joh. Chr. Edelmann 2tes Sendschreiben an seine Freunde, die Geschichte des Varenne und La Serre verfolgend und dem Herrn Senior Wagner einige vorläufige Fragen wegen der Nichtigkeit der angegebenen Abschieds-Rede Jacobs vorlegend. 1749.
Am Schluß: Meiner werthesten Freunde schuldigster Diener
M.
J.C. Edelmann.
den 2. Juni 1749. geendigt den 5. Nov. 1756.
d) 6 Pagg. Gedichte und zwar 1) Die Flucht der Pfaffen aus der Hölle, als daselbst der abgeschiedene und verklärte Geist des S.T. Herrn J.C. Edelmanns auf seiner Reise nach dem Himmel denenselben im Vorbeifahren das Evangelium zu predigen ankam. 2) Der begeisterte Priester, oder die Zurückkunft der Pfaffen aus der Hölle auf unsern Erdboden. Den Schluß macht ein Madrigal mit der Unterschrift: Neumeister, Regensburg den 19. Mart. 1722 und eine Parodie, unterschrieben K. geb. S.
e) Die andere Epistel St. Harenbergs. Am Schluß:
dero dienstwilliger Freund
Joh. Chr. Edelmann.[25]
M. den 2. Octob. 1748.
Eine Nachschrift hat am Schluß: Finis den 22. Sept. 1756. Dies Datum bezieht sich auf den Abschreiber, da die Nachschrift unmittelbar nach der Epistel geschrieben ist. Diese Epistel ist eine Antwort auf das 2te Schreiben des Joh. Chr. Harenbergs, Probsten des St. Lorenzstiftes vor Schöningen und Prof. am Carolinum zu Braunschweig gest. 1774. Es enthält eine Vertheidigung des Pantheismus.
4. Joh. Christ. Edelmann drittes Sendschreiben an seine Freunde, darinnen er seine Gedanken von der Unsterblichkeit der Seele eröfnet. Am Schluß:
dero ergebenster
J.C. Edelmann
M.d. 3. Nov. 1749.
Ende den 5. April 54.
5. Die in diesem Bande vereinigten Schriften waren ungebunden und sind erst neuerdings zusammengebunden worden. Sie entbehren aller Ueber- und Unterschriften, die 2te und 3te sind unvollendet.
a) Pag. 1–35. Eine Abhandlung, einer Gesellschaft vorgelegt, über metaphysische Begriffe.
b) Pag. 1–67. Fragment vom 3ten Theil der Autobiographie Edelmanns.
c) Moses mit aufgedecktem Angesicht 28ster Anblick.
Ueber die Sibylle und Sibyllinischen Weißagungen.
Außerdem besitzen wir auf der Stadtbibliothek noch einige Maunscripte, die eben so eingebunden sind und von derselben Hand geschrieben, die wahrscheinlich auch von Edelmann herrühren, von denen es sich jedoch nicht mit Gewißheit behaupten läßt. Es sind dies folgende:
1. Des Herrn Annet Betrachtungen über die Frage, ob der Glaube Pflicht sey. Anfangs aus dem Englischen ins Französische übersetzt von einem gelerten Politico, hernach aber aus dieser frantzösischen Uebersetzung getreulich ins Deutsche gebracht von Einem Wahrheit liebenden Theologo. 1750.
Am Schluß: Finis den 14. Febr. 1755.
2. a) Unpartheiische Prüfung der Untersuchung, die ein guter Freund über seines Herrn Bruders Glaubensbekenntnis durch seinen Herrn Beichtvater anstellen lassen. In dessen Namen aufgesetzt von Eugenio im Jahre 1753. Am Schluß: Berlin den 27. Mertz A. 1753. Finivi den 16. Septemb. Ao. 1759.
b) Untersuchung der Auferstehung Jesu statt einer Antwort auf das von Hrn. Dr Sherlock, Bischoff in dieser Sache angestellte[26] Zeugen-Verhör. Aus dem Englischen des Hrn. Annet. Anfangs ins Französische übersetzt, und aus der französischen Handschrift getreulich ins Deutsche gebracht im Jahr 1751.
Am Schluß: G.A.D.E. Finivi d. 3. Augusti 1759.
3. a) Eines gelehrten Engländers Untersuchung des Canonischen Ansehens des Evangelii St. Matthäi der Wahrheit zu Steuer, aus einer frantzösischen Handschrift ins Deutsche übersetzet. Gedruckt in Deutschland im Jahr 1749. Die Vorrede unterschrieben M.d. 17. Sept. 1748. Am Schluß G.A.D.E. geschrieben 1753.
b) Eines gelehrten Franz. Abts historischer Discurs von dem Canonischen Ansehen der Offenbarung St. Johannis, seiner Vortrefflichkeit wegen aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt 1749.
Die Vorrede des deutschen Uebersetzers ist unterschrieben: M.d. 5. Mai 1749. Ergebenster Diener der Uebersetzer.
Zu derselben Sammlung gehört, wie die Gleichheit des Einbandes zeigt, ein mit Papier durchschossenes und mit reichen handschriftlichen Anmerkungen versehenes Exemplar der Schrift: Historische Nachrichten von Joh. Chr. Edelmanns Leben, Schriften und Lehrbegriff, wie auch von den Schriften, die für und wider ihn geschrieben worden, gesammelt und eingetheilt von Joh. Heinr. Pratje. Hamburg 1753. 8. Der Schluß der Anmerkungen ist unterzeichnet B. den 4. Octob. 1753. Der Verfasser spricht zwar von Edelmann in der 3ten Person und scheint sich von ihm zu unterscheiden, scheint mir aber so genau mit Edelmanns Leben nicht nur, sondern auch mit seinen Gedanken und Absichten bekannt und seine Schreibart so ganz und gar die Schreibart Edelmanns zu seyn, daß ich Edelmann selbst für den Verfasser halten möchte, der wie zur Zeit der Reformation Glossen zu den ihm feindlichen Schriften machte.
Aug. Anton Friedr. Büsching in seinen wöchentlichen Nachrichten von neuen Landcharten, geographischen, statistischen und historischen Büchern und Sachen Jahrg. 3 (1775) p. 253 erzählt von einem Manuscript Edelmanns, das er gekauft habe, unter dem Titel Promptuarium seu Bibliotheca portabilis etc. ein Collectaneenbuch Edelmanns, angefangen 1715 zu Lauban – 1735 zu Dresden aus 1309 Columnen in Folio bestehend und diese wiederum durchschossen zu 1309 Columnen und fortgesetzt bis zum Jahre 1759. Büsching sagt über dieses Werk: »Es zeuget von großer Wißbegierde und Belesenheit, von einem außerordentlichen Fleiß, von einer großen Aufmerksamkeit und zugleich von guter Beurtheilungskraft. – Er hat kein[27] Bedenken getragen, unter dem Artikel seines Namens, die harten Urtheile, welche über ihn in Büchern gefället worden, zu sammeln und wenn er bisweilen eine Anmerkung dabey gemacht hat, so ist sie sehr gelinde abgefasset.« Ob das Werk noch vorhanden ist, wissen wir nicht.
1 Moses mit aufgedecktem Angesicht. Anblick II. p. 128.
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