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[443] Noch ehe Edelmann sein Evangelium St. Harenbergs (datirt den 7. April 1747 zu Glückstadt; es ist gerichtet gegen eine Lebensbeschreibung Edelmanns in der gelehrten Altonaer Zeitung No. 18 p. 141 und so betitelt, weil er jenen Aufsatz einem Schul-Probsten Harenberg in Braunschweig zuschrieb) herausgegeben hatte, erschien das in jener Lebensbeschreibung der Altonaer gelehrten Zeitung angekündigte Buch des Probsten Joh. Christoph Harenberg: »Die gerettete Religion oder gründliche Widerlegung des Glaubensbekenntnisses, welches Joh. Chr. Edelmann in kleiner und hernach in weitläufiger und erläuterter Form vernünftigen Gemüthern vorzulegen ihm unterstanden. Braunschweig und Hildesheim 1747.« Er erklärte sich deßhalb in einer Nachschrift, jedoch nur kurz gegen dies Buch und versprach eine ausführliche Widerlegung. Diese begann er noch in demselben Jahr unter dem Titel: die erste Epistel St. Harenbergs. Daß diese Epistel, datirt A. den 31. Juli 1747 in Altona geschrieben sey, ist nicht zweifelhaft, weil in den Anmerkungen zum Pratje, die jede Kleinigkeit rügen, hier nicht widersprochen wird. Damit stimmt auch die ausführliche Darstellung der Beziehungen Edelmanns zu Altona in »Joh. Ad. Bolten historische Nachrichten von der Stadt Altona und deren verschiedenen Religionsparteien Altona 1791.« Bd. 2 p. 116 u. ff. Bolten schreibt »Er hielt sich in dieser Stadt bey einem großen Verehrer seiner Meynungen, dem Doctor der Medicin Gottfried Polycarp Kunad, welcher hier bereits vorher als ein Lästerer der Religion in Anspruch genommen war, auf,« und über diesen heißt es in den Anmerkungen: »Dieser D. Kunad war auch ein Freund und fleißiger Zuhörer von dem jungen Separatisten Ludovici, welcher der Zeit die Predigten der Dompelaers-Kirche hielt. Mit dem Schwedischen Separatisten Sägerholm hatte derselbe ebenfalls Bekanntschaft. Er ist hier 1755 am 12. Juli in einem Alter von 48 Jahren gestorben.«
Von Edelmanns Aufenthalt in Altona theilt Bolten nach der[443] handschriftlichen Nachricht eines Augenzeugen mit: »Ich bin mit diesem Joh. Chr. Edelmann einige Monate in einem Hause und Tische gewesen. Er war ein Melancholico-cholericus und damals schon über 46 Jahr alt, von mittelmäßiger Größe, vollem Gesicht und steifen Zügen, hatte schon viel graue Haare, studirete fleißig und meist ganz entkleidet und doch rann ihm der Schweiß vom Gesicht. Er ging niedrig gekleidet, meist ernsthafter Miene. Er und sein Hauswirth, der Dr. Medicinae und ein sehr glücklicher Practikus in Altona war, discurirten bey jeder Mahlzeit über ihr Glaubens-System. Sie waren doch auch oft uneinig und am meisten darüber, daß sie nicht gleich gesinnt waren, wie es mit ihrem Körper nach dem Ableben solle gehalten werden. Einer verlangte, gleich verbrannt und der andere mit ungelöschtem Kalk umgeschüttet zu werden, damit der Körper geschwind wieder ins vorige Nichts zurückkehrete. Sie hatten an der Regierung Gottes auszusetzen, daß, da sie schon oftmalen in der Welt gewesen, ihnen nicht mehr bekannt wären die Vortheile, die hier durch Schaden und Nachtheil erlangt werden, um nicht jedesmal an ein und derselben Klippe zu scheitern. Keiner von ihnen hat mich jemalen angemahnet, mit ihnen gleich zu denken, wohl aber gab mir Edelmann sein Buch: Moses mit aufgedecktem Angesicht zu lesen. Am meisten satyrisirten sie über das, was ich ihnen aus Neumeisters Predigten sagte. Endlich ging Edelmann selbst mit mir in dessen Predigt. Wir nahmen den nächsten Stand der Kanzel gegenüber. Herr Neumeister sah steif auf uns und weil er mich kannte, ließ er mich einige Tage darnach rufen. Edelmann hatte sich nicht anders als Licentiat Kunad genannt. Wen hatten Sie bey sich? frug Neumeister. Ich nannte ihn Kunad. Was, sagte er, dieser ist Edelmann, der Religionsspötter. Auf des Predigers Zureden verließ ich Altona. Es währte nicht lange, so wurde Edelmann von den Reepschlägers-Jungen und Knechten, die zwischen Altona und Hamburg arbeiten, sehr verhöhnt und dermaßen scheu gemachet, daß er seine Briefe, die er gewohnt war, alle Zeit selbst von Hamburg zu hohlen, auf dem Wege dahin nicht sodern konnte. Endlich wurde das Geschrei allgemein, daß er sich gar nicht mehr getrauete und von Altona nach Berlin ging.« Pratje und mit ihm die Acta ecclesiastica und Bolten setzen hinzu, daß er zuletzt bloß des Abends von den benachbarten Dörfern, wo er die Tage zubrachte, zu seinem obgedachten Patron und andern altonaischen Brüdern zu kommen wagte. Bolten theilt endlich noch von seinem Einfluß auf Altona folgende interessante Notiz mit aus dem 1748 von dem damaligen Probst an den[444] König über das dasige Religionswesen abgestatteten Bericht: »Hier findet sich schon eine Gesellschaft, die wohl ein paarmal in der Woche zusammenkömmt, des Edelmanns gottlose Schriften mit einander zu lesen, und wenn einer noch ein Dubium dabey hat, sollen sie solches von dem Stuhr, der auch das Abendmahl ein Teufelsmahl nannte und deßwegen vor 2 Jahren ins Zuchthaus gesetz ward, auflösen und benehmen lassen. Allein, setzt Bolten hinzu, es nahm hier mit dieser Gesellschaft ein baldiges Ende.« Ich bemerke nur, daß die Beziehung von Edelmanns Freunden zu diesem Stuhr mehr als unwahrscheinlich ist, da nach einem bei Bolten in den Anmerkungen abgedruckten Briefe desselben er zwar die Kirche und die Orthodoxie bekämpfte, aber aus der heiligen Schrift, deren Autorität er also bestehen ließ. Fast möchte man in diesem Stuhr einen Mann erkennen, mit dem Edelmann früher schon in Verbindung gestanden, den er aber nicht von seinen Ansichten überzeugen konnte, obgleich er bei seinem Aufenthalt in Altona die Beziehungen zu ihm erneuerte; so daß dieser Stuhr durch den Bruder Fidicen bezeichnet wäre, der in der Autobiographie Theil II § 218 erwähnt wird. Hier bezieht sich Edelmann auf die der Göttlichkeit der Vernunft No. 2 und 3 angehängte Antwort auf Herrn F. Brief de dato Altona 28. Febr. 1740 und 13. April 1740.
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Selbstbiographie
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