Von Geburts- und Namenstagen.

[123] Eine ganz besondere Gattung der Visiten bilden die Gratulationsbesuche zu Geburts- und Namenstagen, und wir halten es daher für zweckentsprechend, denselben ein besonderes Capitel zu widmen.

In sehr vielen Häusern ist es üblich, die Geburts-und Namenstage der Familienglieder, welche in die Gesellschaft eingeführt sind, festlich zu begehen, und zwar nicht bloß im engern Familienkreise, sondern unter Zuziehung einer größern Anzahl von Gästen.

Pflegt auch oft dem Geburtstage des Hausherrn weniger Aufmerksamkeit gezollt zu werden, so werden dagegen die der Hausfrau und der erwachsenen Töchter um so mehr honorirt, und in vornehmeren Häusern läßt man dergleichen Tage selten ohne irgend eine Feier.

Sobald man in ein Haus eingeführt ist, erkundigt man sich, – natürlich mit aller Discretion, – nach den[123] Geburtstagen der Damen, namentlich nach dem der Hausfrau, damit man nicht Gefahr läuft, einen derselben unwissentlich mit Stillschweigen vorübergehen zu lassen, wenn er erscheint, denn dieß würde als eine kaum verzeihliche Vernachlässigung betrachtet werden.

Diese Vorsichtsmaßregel ist um so nothwendiger, da selbst bei förmlichen Einladungen zu einer Geburtstagsfeier die Veranlassung der Einladung nicht angegeben zu werden pflegt, und zwar aus dem Grunde, weil das ziemlich so aussehen würde, wie der Wink: »Es ist mein Geburtstag, folglich hast Du mir ein Geschenk zu machen!«

Uebrigens wird es nicht schwer sein, das Datum der verschiedenen zu beachtenden Geburtstage zu erfahren, denn da sie jedes Jahr gefeiert werden und alle in das Haus Eingeführten ein Interesse dabei haben, den Tag nicht zu vergessen, ist derselbe so ziemlich einem öffentlichen Geheimniß gleich zu achten. Denn ganz offen wird davon nicht gesprochen, oder doch nur von den vertrauteren Freunden des Hauses, die vielleicht irgend eine Aufführung, Tableaux, Theater etc. zu der Feier besprechen. Die Uebrigen flüstern nur davon, doch laut genug, um von Jedem gehört zu werden, der die Ohren offen halten will.

Ist der wichtige Tag erschienen, so werden dazu Morgenvisiten gemacht, um die Gratulation abzustatten, und es ist kaum erlaubt, seinen Glückwunsch darzubringen, ohne daß man dabei ein Geschenk überreicht, wenn es portativ genug ist, oder es mit seiner Visitenkarte voraussendet, um es durch die Angehörigen oder die Dienerschaft auf die Tafel legen zu lassen, welche die Geschenke der eigenen Familienmitglieder trägt, aber groß genug sein muß, um auch noch für die Gaben der Liebe und Achtung Raum zu bieten, welche von allen Seiten dargebracht werden.

Es ist gerade nicht unbedingt nöthig, die Gratulation mit einem Geschenke zu begleiten, jedenfalls aber ist es besser, durch eine Gabe seine Aufmerksamkeit oder Achtung zu beweisen, und zwar um so mehr, weil kostbare[124] Geschenke von andern Personen, als den Verwandten und vertrautesten Freunden, namentlich von einem Herrn einer Dame gemacht, unter Umständen eher eine Beleidigung, als eine Aufmerksamkeit sein können.

Es kömmt daher bei einem solchen Geschenke zu dem Geburts- oder Namenstage weit weniger auf den reellen Werth desselben an, als auf die Aufmerksamkeit gegen den Beschenkten, die sich durch die Wahl der Gabe ausspricht, indem der Geber dadurch irgend einen abgelauschten Wunsch erfüllte, irgend einer bekannten Liebhaberei oder Laune der Empfängerin Rechnung trug. Deßhalb kann auch die außerordentliche Mühe, welche die Herbeischaffung der größten Kleinigkeit verursachte, einen größern Dank verdienen und gewinnen, als der hohe Werth eines Geschenkes, bei dem der Geber weiter nichts zu thun hatte, als in den nächsten besten Laden zu gehen und den geforderten Preis zu bezahlen.

Werden zu einer Geburts- oder Namenstag-Feier Vorträge, Darstellungen etc. arrangirt und die Angehörigen oder andern Personen, welche das Arrangement leiten, fordern zur Theilnahme daran auf, so muß man dieß als eine besondere Auszeichnung und Artigkeit anerkennen, und es würde daher eine große Unart sein, die Theilnahme abzulehnen.

Wo man besondere Verpflichtungen hat, da giebt es zur Entledigung derselben keine bessere Gelegenheit, als irgend eine geistreiche Ueberraschung zu dem Geburtstage, eine geniale Feier desselben, eine mit Zartgefühl dargebrachte Huldigung.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 123-125.
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