Ich schreibe diese Erinnerungen in meinem 80. Lebensjahr, mit Ausnahme zweier Kriegserlebnisse vollständig aus dem Gedächtnisse. Dadurch mag wohl in dem langen Zeitraume manche Jahreszahl ungenau sein. Ich bin zwar der Meinung, über den Werdenden gibt er selbst die beste Auskunft – über den Gewordenen sprechen andere besser. Trotzdem habe ich nicht die Absicht, philosophisch über eigene psychologishe Entwicklung zu berichten, sondern nur einfach Erlebtes zu erzählen. Man muß doch seinem Biographen auch etwas überlassen. Notgedrungen muß ich jedoch in der Darstellung meiner Jugendjahre meiner Bescheidenheit einigen Zwang auferlegen und nur von mir sprechen. Später will ich von anderen berichten, mit denen ich in Berührung kam und von denen zu reden sich lohnt.
Karl Goldmark[10]