[35] Diese Formulierung stammt nicht von mir. Irgendwo habe ich sie einmal gelesen. Sie wurde von einem Manne getan, der ein Liebling Fortunas gewesen sein muß, prominent, kultiviert, gebildet und begütert zugleich. Und der Alltag zeigt bekanntlich recht eindringlich, daß Wohlstand und Kultiviertheit keineswegs miteinander gekoppelt zu sein brauchen. Nicht wenige Menschen stehen auf dem Standpunkt, daß Geld Rechte gebe und dafür der Pflichten gegenüber sich selbst und der Umwelt so ziemlich entbinde.
Nun – jener Prominente machte eine rühmliche Ausnahme. Von ihm wird berichtet, er sei zu Hause dann und wann während eines Gespräches aufgestanden und mit versonnenem Gesicht durch zwei ineinandergehende Wohnräume geschlendert, habe hier seine Hand traumverloren über die Lehne eines Barocksessels [35] gleiten lassen und dort wie geistesabwesend ein Buch aus einem Regal genommen. Als ihn daraufhin ein guter Freund einmal einer gewissen Nervosität verdächtigte, sagte er nur entschuldigend: »Weißt du – ich wohne so gern ...
Vielleicht fällt mir noch ein, wo ich das gelesen habe.
Wir sollten uns angewöhnen, dann und wann – und nicht allzu selten – mit offenen Augen einen Spaziergang durch ein Zimmer zu machen. Ein ganz bestimmtes Zimmer. Unser eigenes nämlich.
Nicht nur sonnabends und sonntags. Vielleicht auch an einem ganz gewöhnlichen späten Alltagsnachmittag, wenn wir der Rechenmaschine, dem Ladentisch, den Akten oder dem Pflug den Rücken gekehrt haben und nach Hause kommen. In eben unser Zimmer. Selbst wenn es das einzige ist.
Nun sind wir allein, vielleicht zu zweit. Auf jeden Fall allein mit uns und unserer Umgebung. Vier Wände nur, aber sie umschließen unsere eigene Welt.
Worauf fällt unser Blick zuerst?
Auf eine ungemachte Schlafcouch? Ach so – die Zeit war etwas knapp heute morgen, nicht wahr? Dem Schlafanzug sieht man jetzt noch an, wie sehr er sich heute früh geärgert hat, als er so lieblos über die Stuhllehne gefeuert wurde. Und die Krawatte! Zugegeben – ihr helles Silbermuster harmoniert recht gut mit dem warmen Blau der Nachtbekleidung. Aber diese Tatsache allein entschuldigt doch das Arrangement noch nicht. Wo waren wir denn gestern abend überhaupt? Im Konzert, aha. Aber das Hemd, das weiße mit dem angestärkten Kragen, ist weggeräumt. Wenigstens etwas. Ich fürchtete schon, wir hätten es heute noch einmal angezogen.
Hoppla – beinahe gestolpert. Gehören eigentlich Hausschuhe so mitten in das Zimmer? Sieht direkt nach Flucht aus. Was schimmert denn dort unter dem Tisch? Ein Taschentuch. Bravo. Man hat morgens also auch das frische Taschentuch nicht vergessen. Aber – hätte das gebrauchte nicht auch gleich in den Wäschebeutel wandern können wie das Hemd? Erstaunlich, daß einem die Taschentücher immer erst unmittelbar vor dem Verlassen des Zimmers einfallen, nicht?
Übrigens, wir haben doch stets zwei solcher Apparate bei uns. Selbstverständlich in sauberer Ausführung. Eines tragen wir in der Hosentasche – es ist für den diskreten direkten Gebrauch bestimmt. Das zweite findet seinen Platz in der inneren Brusttasche des Jacketts und hat, sagen wir, repräsentative Zwecke [36] zu erfüllen – wie etwa das Abtupfen des Mundes nach einem Schluck guten Kognaks. (Leute mit Bart kommen da ohne schon gar nicht aus.) Und es sollte eigentlich stets ganz frisch aussehen.
Was liegt denn da rechts auf dem Bücherregal? Eine Mitteilung – offen und jedermann zugänglich. Etwa für uns?
Lieber Kurt!
Ich finde es wenig schön von Dir, daß Du mich gestern abend ...
Sie brauchen mir dieses wohl von zarter Hand empörten Sinnes geschriebene Dokument nicht so stürmisch zu entreißen! Ich hätte ohnehin nicht weitergelesen. Immerhin sollten Sie Ihre Umwelt, sofern sie Zutritt zu Ihrem Zimmer hat, nicht in Versuchung führen. Manche Menschen sind von Natur aus neugierig. Kein schöner Zug, sicherlich nicht. Aber was wollen Sie machen? Ich weiß – der Brief enthielt vermutlich einen Vorwurf. Und der Vorwurf war natürlich ungerechtfertigt. Ungerechtfertigte Vorwürfe aber haben die Eigenschaft, den Empfänger in Zorn zu versetzen. Zorn wiederum will sich entladen. Und so feuert man den Schrieb mit einem gezischten »Diese Frau macht mich noch rasend ...!« irgendwohin. Wo er dann liegenbleibt. Neugierigen zu schädlicher Freude und überflüssiger Information.
Dabei wäre im Schreibtisch noch genügend Platz gewesen. Oder – notfalls – im Ofen.
Ein Glück, daß heute kein Besuch kommt. Sonst hätte es jetzt wieder eine fürchterliche Hetze gegeben. Allein das Geschirr, das natürlich heute morgen auch nicht fortgeräumt und schon gar nicht abgewaschen wurde. Lachen Sie nicht – ich kenne das aus eigener Erfahrung. Wenn man dem Teerand in der Tasse oder gar den Spiegeleiresten einen ganzen Tag Zeit läßt, sich mit sich selbst zu beschäftigen, dann trocknen sie ein. Aus Langerweile teils, teils aus Rache dafür, daß sie morgens übersehen wurden. Von wegen mit kaltem Wasser! Nein, nein, abends ist ziemlich kompliziert, was morgens spielend einfach gewesen wäre.
Einfach noch einmal benutzen, meinen Sie? Hatten wir uns nicht vorgenommen, uns auch im eigenen Hause so zu benehmen, als seien wir ...?
Ich finde, Ästhetik sollte auch in den eigenen vier Wänden nicht so stiefmütterlich behandelt werden. Da fällt mir einer meiner Lehrer ein. Ein Germanist, der anläßlich eines Abstechers in die griechische Philosophie auf Epikur zu sprechen kam – den er nicht sonderlich mochte – und den Satz prägte: »Ästhetik, meine Herren, kümmert mich einen Dreck!« Kurz darauf ertappte er meinen Nebenmann, der während des Unterrichts ein Schmalzbrot verzehrte, das auf seinen Lippen glänzende Spuren hinterließ. Worauf besagter Lehrer sich [37] an das Fensterkreuz lehnte, in weite Fernen schaute und meinte: »Mein lieber Müller, meine theoretische Absage an die Ästhetik ist für Sie noch lange kein Freibrief, unästhetisch auszusehen!« Dieser Erzieher steckte übrigens in mehrfacher Hinsicht voller scheinbarer Widersprüche. So war er angeblich überzeugter Atheist, schwärmte aber für Bach und besuchte jedes große Orgelkonzert.
Zurück vom Schul- in unser Wohnzimmer. Sollten wir uns nicht entschließen, künftig morgens nach dem Aufstehen alles auf- und fortzuräumen, dessen Anblick uns und andere, die wir vielleicht mitbringen, abends stören könnte? Ist nicht ein sauberes, ordentliches Heim in den Abendstunden eine erholsame Belohnung für jene zehn Minuten, die wir morgens früher aufgestanden sind?
Frauen haben erfahrungsgemäß einen größeren Ordnungssinn. Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Und wenn sie wirklich einmal ein abends rasch durchgeschwenktes Wäschestück an der Heizung hängengelassen haben, dann vergessen sie zumindest nicht, es mit raschem Griff unauffällig verschwinden zu lassen.
Muß übrigens der Schreibtisch so aussehen? Selbst wenn man ihn laufend benutzt, könnte er ein wenig aufgeräumter sein. Unordnung mag zwar genial aussehen, ob es der für sie Verantwortliche ist, bleibt dahingestellt. Und die abendliche Säuberung der Aschenbecher klärt nicht nur die Luft, sondern erhöht die Atmosphäre reiner Behaglichkeit, die uns nach des Tages Arbeit empfangen sollte.
Darf ich übrigens die Bilder einmal etwas näher betrachten? Au! Vermutlich im Mietpreis einbegriffen. Aber über den Fall sprechen wir noch ausführlicher.
Von Blumen und Pflanzen halten Sie nicht viel, wie mir scheint. Dabei können sie dem Zimmer eine so freundliche, private, herzliche Note geben. Wenn ich mich so umschaue, dann entdecke ich dort rechts zwischen dem Bücherregal und dem Biedermeiersekretär ein Fleckchen, auf dem sehr wohl eine mittlere Bodenvase stehen könnte mit etwas Hübschem darin. Nein, nein – keine meterlangen Flieder- oder Kirschblütenzweige, die wären natürlich zu teuer, wenngleich sie bezaubernd aussehen. Aber wie wäre es denn mit Buche oder Eberesche oder Haselnuß? Irgend etwas Grünes jedenfalls sollte dahin. Selbst Nadelzweige können sehr hübsch aussehen. Natürlich ein bißchen pflegen: alle zwei Tage das Wasser wechseln – das Wasser nicht direkt aus der Leitung entnehmen, sondern abstehen lassen und mit einer kleinen Prise Salz versehen! – und die Zweige an den Schnittflächen anfrischen. Sie werden es danken.
Kennen Sie übrigens Bast? Natürlich – die innere Rindenschicht mancher Pflanzen. Für nicht einmal eine Mark bekommt man so viel davon, daß man sich eine sehr hübsche Hülle daraus flechten (lassen) kann – mit einem langen Aufhänger.
[38] In die Hülle kommt dann eine munter vor sich hinwachsende Hängepflanze, vielleicht eine bunte Judenkirsche, und das Ganze baumelt freundlich und gar nicht stillos an der Wand oder in einer Ecke.
Morgen ist ohnehin Sonnabend. Laut Wetterbericht sollte es ein sonniges Wochenende geben, folglich wird es regnen, und wir bleiben zu Hause. Könnten wir da nicht einmal ein wenig in uns gehen? Alles ein wenig netter herrichten? Etwas ordentlicher? Vielleicht verliert sich dann die »Budenangst«. Und unser kleines Zimmer ist mehr als nur eine Schlafstelle, der wir am Tage fern sind, weil wir arbeiten, und der wir abends den Rücken kehren, weil wir glauben, ausgehen zu müssen? Billiger wird übrigens das Leben durch das ständige Außer-Hause-Sein auch nicht ...
Auch die Kunst des Wohnens will gelernt sein, doch ist es ein recht vergnügliches Studium. Und wenn man es hinter sich hat, beginnt man plötzlich einzusehen, was man eigentlich schon lange hätte tun können. Sich selbst zur Freude. Es macht nämlich wirklich Spaß, sich abends gemütlich in einen Sessel zu setzen, eine hübsche, vielleicht schmiedeeiserne Stehlampe anzuknipsen, behaglich ein Abendessen zu verzehren und dann, nachdem der Tisch abgeräumt – und das Geschirr abgespült! – ist, sich zu erholen. Vielleicht erklingt im Radio leise Musik, vielleicht steht vor uns ein Glas Wein und – vielleicht sitzt uns gegenüber sogar ein geliebtes Wesen, das uns die bescheidene und doch geschmackvolle Umgebung noch gemütlicher macht.
Und all das auf wenigen Quadratmetern! Aber diese Quadratmeter haben es in sich, wenn man mit ihnen umzugehen weiß.
Mathematiker werden zu der Behauptung neigen, ein Quadratmeter sei ein Quadratmeter und somit ein feststehendes Flächenmaß. Das mag daran liegen, daß diese Magier der Zahlen fast immer größere Wohnungen haben und daher niemals gezwungen sind, aus Raumersparnisgründen ganze Flächen zeitweilig verschwinden zu lassen. Sie ahnen sicherlich, worauf ich hinaus will. Ein Eßtisch beispielsweise, der genau einen Quadratmeter groß ist, braucht überhaupt keinen Platz wegzunehmen, wenn man ihn – einfach an die Wand klappt und hinter einem Vorhang verschwinden läßt, sobald er nicht gebraucht wird. In ähnlicher Manier kann man übrigens auch ein Bett tagsüber fortzaubern.
Eines Tages natürlich wird uns ein Zimmer zu wenig sein, sind wir doch nur selten mit dem Erreichten zufrieden. Für die Wohnung gelten im wörtlichen ebenso wie im übertragenen Sinne Schillers Worte: »Im engen Kreis verengert sich der Sinn, es wächst der Mensch mit seinen größeren Zwecken.« (Erinnern wir uns anläßlich dieses Zitates ganz nebenbei, daß es aus dem 1798 zur Wiedereröffnung der Weimarer Schaubühne gesprochenen Prolog zu »Wallensteins Lager« stammt.)
[39] Wir möchten gern so bald wie möglich ein richtiges »Zuhause« haben, um dann voller Stolz sagen zu können: Wir bummeln durch die Wohnung. Durch die eigene Wohnung, in der uns jedes einzelne Stück gehört. Dieses haben wir uns erarbeitet, jenes haben wir ererbt, und manches haben uns gute Freunde geschenkt. Mitten darin leben wir, und alles trägt unsere persönliche Note. Nichts ist betrüblicher, als wenn sich eine Wohnung trotz ihrer vielleicht wertvollen Einrichtung in keinem Winkel von der Dekoration des Schauraumes eines guten Möbelhauses unterscheidet.
Dieses eigene Zuhause bringt in unser Leben so etwas wie eine erzieherische Note herein. Jetzt gelten keine Entschuldigungen mehr für Attacken gegen den guten Geschmack, die unvollendetes Stil- und Formgefühl ebenso gern reiten wie Denk- und Empfindungsfaulheit. Jetzt können wir keine Vermieterin mehr verantwortlich machen für den »Waldbach«, der auf der Diele in schwarzem Rahmen vor sich hingurgelt und jedem Besucher zuzuwispern scheint: »Schütt mich zu ...!«
Und da wären wir schon in der Diele. Hier enthüllt sich dem Besucher erstmals ein Stück jener Persönlichkeit, deren Wohnung er betritt. Wohl die meisten Menschen sind mehr oder weniger gespannt, wenn sie zum ersten Male in eine fremde Wohnung kommen. Da hat man sich irgendwo kennengelernt und ist nun eingeladen worden. In welcher Umgebung wird die neue Bekanntschaft leben? Ich finde derartige Entdeckungsfahrten in die ureigene Welt anderer immer ungewöhnlich aufregend, zumal sich die meisten Wohnungen in der Raumaufteilung voneinander unterscheiden und so ihre Besitzer zwingen, in Anordnung und Ausstattung jeweils eine eigene individuelle Lösung zu finden.
Die Diele sollte so etwas sein wie eine Ouvertüre. Die Ouvertüre einer Wohnung. So wie das Vorspiel die Hauptthemen einer Oper, einer Operette aufklingen läßt und einen musikalischen Vorgeschmack dessen gibt, was zu erwarten steht, ebenso sollte der Vorraum bereits einiges von dem Stil der gesamten Einrichtung widerspiegeln. Hier schon können wir uns selbst ebenso wie jene, die uns besuchen, gefangennehmen durch Charme, Geschmack und Individualität. Der Preis des Mobiliars spielt dabei keineswegs die entscheidende Rolle.
Die mit Liebe und Gefühl ordnende Hand allein ist maßgebend.
Da öffnet sich die Tür, und der Blick fällt auf die Kleiderablage. Sie ist unumgänglich notwendig. Nichts ist komischer und peinlicher, als wenn sich Hausfrau oder Hausherr die Mäntel, Hüte und Schals der Gäste über den Arm packen und im Schlafzimmer verschwinden müssen, wo die Sachen dann in der Reihenfolge des Eintreffens der Besucher – über die Betten gebreitet werden. Erstaunlicherweise aber sind diese Kleiderablagen Stiefkinder der Wohnungsausstattung [40] geworden, und das, obwohl die Erstellung dieser Einrichtung heute geradezu Vergnügen macht und keineswegs übermäßig viel kostet. Früher erstand man sogenannte »Flurgarderoben« – entsetzliche Monstren, die den hoffnungslosen Ehrgeiz hatten, praktisches Möbel und wichtiges Zierstück zugleich zu sein.
Was ist denn schon groß nötig? Ein Stück Wandbespannung von etwa zwei Meter Höhe in der Breite des für die Kleiderablage vorgesehenen Platzes, also – je nach durchschnittlicher Besucherfrequenz – ein bis zwei Meter. Als Material kann man ebensogut Bastgeflecht wie einen nicht allzu weichen Stoff nehmen. Wenn die Diele bereits einen hellen, heiteren Charakter haben soll, eignet sich wohl ein fröhlich gemusterter Chintz oder einer der neuen abwaschbaren Kunststoffe. Nur bedarf es da gewisser Vorsicht, damit sich dessen Buntheit nicht etwa mit dem farbenfrohen Muster des Teppichs oder der geblümten Pracht eines alten Tiroler Bauernschrankes beißt.
Stoff oder Bast werden fest an die Wand gespannt und mittels einer schmalen, einfachen Leiste eingerahmt. Dann bringt man in einer Höhe von etwa 1,75 m die Hängegarderobe an, deren Oberseite die Hüte aufnimmt, während sich an der Unterseite Haken für die Kleiderbügel befinden. Und diese Kleiderbügel wollen wir auch nicht vergessen! Jeder Gast, der von Hause daran gewöhnt ist, seine Garderobe pfleglich zu behandeln, wird für diese Aufmerksamkeit dankbar sein.
Seitlich von dieser Anordnung findet dann ein Spiegel Platz. Seine Breite ist weniger wichtig als seine Länge. Die meisten Menschen lieben es, ihre gesamte Erscheinung einer letzten Kontrolle zu unterziehen, ehe sie sich in Gesellschaft begeben. Besonders die Damenwelt wird den langen Spiegel zu schätzen wissen, hat sie doch nicht selten hier an einem Rüschchen zu zupfen und dort einem Tüchlein in der Taille den letzten frechen Schwung zu geben.
Und Licht – Licht muß sein! Die nette Deckenampel allein tut es da nicht. Wie wäre es mit zwei beiderseits des Spiegels etwa in Augenhöhe angebrachten Leuchtern, die es in den modernsten ebenso wie in den antiksten Ausführungen gibt?
Unter den Spiegel gehört irgendeine Ablagemöglichkeit. Das kann ebensogut ein kleines Wandtischchen sein wie ein zierliches Hängemöbel. Wer Glück hat, erwischt irgendwo günstig eine nette Truhe, deren Deckel – sofern er nicht gerade stark gewölbt ist – den gleichen Zweck erfüllt. Schließlich muß doch eine Dame vor Überprüfung des Make-up ihre Handtasche ablegen können.
Unauffällig sollte in der Nähe der Kleiderablage ein Schirmkorb stehen. Früher enthielten die »Flurgarderoben« unten eine Art eingelassener Wanne, nach oben [41] mit Geländer versehen, in die man Schirm oder Stock praktizierte. Heute steht statt ihrer ein kleines körbchenähnliches Gebilde, das zwar eine magische Anziehungskraft auf Blumenstraußpapier ausübt, seiner eigentlichen Bestimmung nach aber kein Papierkorb, sondern ein Schirmständer ist.
Irgendwo sollte – falls genügend Platz vorhanden – ein Stuhl nicht fehlen. Damen sowohl als auch Herren pflegen während der feuchten und kalten Jahreszeit Überschuhe zu tragen, deren man sich im Sitzen leichter entledigt als mit Hilfe eines storchenähnlichen Einbeinbalanceaktes.
Natürlich kann man noch mehr tun: Etwa die gesamte Kleiderablage mit einem Vorhang abschirmen oder an Stelle der Hängegarderobe einen hübschen antiken oder Bauernschrank aufstellen, der nur für die Gästeüberkleidung bestimmt ist und der Diele das Aussehen eines Garderobenraumes nimmt, insbesondere wenn noch Platz für ein Arrangement mit zwei Sesseln und einem kleinen, niedrigen Tischchen übrigbleibt. Eine solche Lösung hat den großen Vorteil, daß sich ein paar Leute, die vielleicht einige Minuten ernsthaft miteinander reden wollen, ungestört zurückziehen können.
Jetzt fehlen eigentlich nur noch die Deckenbeleuchtung, netter Wandschmuck und irgend etwas Teppichähnliches. Doch bummeln wir zunächst einmal weiter, ehe wir untersuchen, wie man die Deckenleuchten anbringen, den Boden bedecken und die Wände schmücken kann.
Betreten wir das Wohnzimmer. Jenen Raum, in dem sich ein großer und in seiner Bedeutung entscheidender Teil des Wohnens abspielt. Hier verbringen wir mit den Unseren und nicht selten wohl auch mit Freunden Stunden, in denen wir uns erholen, neue Kräfte für den Alltag und seine Aufgaben sammeln und den Akkumulator des Körpers und der Seele immer wieder aufladen. Hier sind wir »zu Hause«.
Der Name »Wohn«-zimmer allein umreißt bereits die speziellen Anforderungen, die an seine Ausstattung zu stellen sind. Behaglichkeit sei oberstes Gesetz für diese freundliche Stätte der Entspannung. Behaglichkeit – sie ist ohne Geschmack nicht denkbar, läßt sich darüber hinaus aber vorzüglich mit Zweckmäßigkeit vereinen. Bequemlichkeit heißt das zweite Gebot. Wer einen Nachmittag lang in einem Windsor-Stuhl sitzen mußte, ist sicherlich zu der Überzeugung gelangt, daß der englische Kunstschreiner Chippendale bei einigen seiner Stuhlkompositionen mehr an das Auge als an behagliche Geselligkeit gedacht hat. Jedenfalls wird die Freude an der schlichten Linienführung des Meisters Chippendale zumindest bei den Sitzmöbeln ein wenig getrübt. Das gilt übrigens nicht nur für diesen englischen Kunststil, der um die Mitte des 18. Jahrhunderts von Worcestershire ausging. Bequemlichkeit wurde in verschiedenen Stilepochen recht klein geschrieben.
[42] Und doch ist sie eine der wesentlichsten Voraussetzungen für Wohnharmonie. Ich bin sicherlich nicht der einzige, dem Denken schwerfällt, wenn er unbequem sitzt. Je tiefer der Sessel, desto profunder die Gedanken. Die von der Mechanik des Sitzens auf unbequemen Stühlen geforderten körperlichen und seelischen Energien fehlen in der Unterhaltung und mindern die zerebrale Brillanz. Wer hier ohnehin nicht auf ausreichende Reserven zurückgreifen kann, ist gesellschaftlich von vornherein gehandicapt.
Darum sollten die bequemsten Sitzgelegenheiten gerade gut genug sein. Alle Probleme des Alltags lösen sich leichter aus der Ebene einer gut gepolsterten (Stuhl- oder Sessel-) Sitzfläche.
Nur Kriegserklärungen werden stehend übermittelt.
Wie also richtet man sich ein? Modern? Antik? Kombiniert?
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten des Stils sowohl als auch des Arrangements. Und nichts wäre verfehlter als etwa der Versuch, ein alleinseligmachendes Rezept aufstellen zu wollen. Gerade die persönliche Note ist es ja, die einer Wohnung das Einmalige, Unnachahmliche geben soll.
Man muß sich also, wenn man schon helfen will, jemandem sein Heim zu einer Stätte gemütlicher, bequemer und ästhetischer Behaglichkeit zu machen, auf einige allgemeingültige Hinweise beschränken.
[43] Der Stil ist eine Frage des Geschmacks, des hauptsächlichen Wohnzwecks, der persönlichen Lebenseinstellung und – wenn auch nur bis zu einem gewissen Grade – des Geldbeutels. Die Behauptung, antik sei teuer, ist zumindest stark verallgemeinert. Ich kenne genügend Leute, die mit dem Instinkt eines Urwaldtieres von Auktion zu Auktion, von Antiquitätenladen zu Antiquitätenladen bummeln und für wenig Geld bezaubernde Möbel erstehen – hier einen Biedermeiersekretär mit Kirschbaumfurnier für noch keine zweihundert Mark und dort die ansehnliche Kopie eines Schreibtisches aus der Zeit des XV. Ludwig, deren Schönheit für den Preis eines runderneuerten Reifens in ihren Besitz übergeht.
Geld allein muß also keineswegs den Ausschlag geben.
Wesentlicher sind persönlicher Geschmack und unsere Einstellung zum Leben. Nicht wenige Leute lieben es, dem beruflichen Tempo unserer schnellebigen Zeit zu Hause etwas von der beschaulichen Ruhe vergangener Zeiten entgegenzusetzen. In der Tat hat es seinen Reiz, dem Presto des Alltags daheim ein Ritardando sostenuto folgen zu lassen.
Eine glückliche Kombination können antik und modern bilden. Sie hat den Vorzug, die liebenswürdige Verspieltheit ruhigerer Jahrhunderte mit der technischen Raffinesse, sprich Bequemlichkeit, neuester innenarchitektonischer Erkenntnisse zu verbinden. Die Vielfalt der Möglichkeiten läßt sich hier nur andeuten. Ein Gesetz aber wollen wir uns merken, sobald wir uns entschlossen haben, schönes Altes mit reizvoll bequemem Neuen zu vereinen: Schränke, Vitrinen und Sekretäre alt – Sitzgelegenheiten modern. Umgekehrt kommt selten etwas wirklich Harmonisches zustande.
Selbstverständlich ist auch absolute »Stilreinheit« möglich – so man über das entsprechende Fingerspitzengefühl verfügt. Die »Antike« läßt sich ebenso stilrein beschwören wie die »Moderne«.
Sorgfältige Überlegung erfordert die Frage der Anordnung.
Früher neigte man allgemein dazu, auch das Wohnzimmer zu überladen. Nur zögernd hat sich die glückliche Tendenz durchgesetzt, die Zahl der Möbel weise zu beschränken. Und der Kreis jener, die da unruhig werden, solange nicht jedes freie Fleckchen mit irgendeinem Möbel vollgestellt ist, wird immer kleiner. Seien wir froh!
Das Geheimnis eines nett und gemütlich eingerichteten Wohnzimmers liegt in der Kunst, es so zu möblieren, daß es – unabhängig von der Zahl der Anwesenden – nie zu leer und nie zu voll ist. Man erreicht dies sehr einfach, indem man die Mitte frei läßt. Diesen Grundsatz sollte man um so eher befolgen, je kleiner der Raum ist. Die offene, unbestellte Zimmermitte gibt auch beschränkten [44] Räumen etwas von Weite, sie täuscht eine gewisse Raumtiefe vor, die nicht nur ein tatsächliches »Sichbewegenkönnen« ermöglicht, sondern auch kein peinliches Gefühl des Aufeinanderhockens aufkommen läßt.
Was Anzahl und Art der Möbel angeht, so gilt auch hier das Gesetz des ersten, entscheidenden Eindrucks. Bemühen wir uns um eine anheimelnde Atmosphäre, die uns selbst ebenso wie unsere Besucher beim Betreten des Zimmers immer wieder gefangennimmt und zum Verweilen einlädt. So muß denn der erste Blick durch die Tür möglichst ungehindert auf den reizvollsten, anziehendsten Platz fallen. Und dieser Platz wird fast immer eine Sitzecke sein. Eine Zimmerecke, in die es jeden mit fast magischer Gewalt zieht.
Eine große, gemütliche Couch, ein modern, das heißt bequem geformtes, viereckiges Sofa, oder wie immer man dieses Möbel bezeichnen will, bietet drei Personen spielend Platz. (Die Engländer nennen so etwas »lounge« – ein Wort, das zugleich Verbum ist und soviel wie »faulenzen« bedeutet.) Möglicherweise läßt sich, sofern nämlich Platz und etwas mehr Geld zur Verfügung stehen, die Couch auch verdoppeln und über Eck aufbauen. Ein solches Arrangement schafft weitere Sitzplätze, rundet das Bild der Ecke harmonisch ab und ermöglicht bei plötzlichem Logierbesuch die schnelle Errichtung zweier improvisierter Schlafmöglichkeiten.
Vor eine solche Ecke gehört natürlich ein Tisch.
Es gibt Leute, die hohe Tische lieben. Und andere, denen Tische gar nicht niedrig genug sein können. Diese sind meine Freunde, während ich jene im Verdacht habe, daß sie noch keine Gelegenheit fanden, festzustellen, wie vergnüglich der Alltag sein kann, wenn man ihn getrost einmal auf einer anderen Ebene genießt – und sei es auch nur die Ebene eines kaum fünfzig Zentimeter hohen Tisches. Natürlich – solange man der wenig schönen Angewohnheit huldigt, Kuchen und Gebäck in den Kaffee zu tauchen und dann – von wegen der fallenden Tropfen – mit kühnem Schwung in den Mund zu befördern (wobei man sich vorsorglich über die Tasse neigt, auf daß nichts verlorengehe), nun – so lange freilich wird man den hohen Tisch zum Nachmittagskaffee nicht entbehren wollen. Aber wer täte das, solange er auch nur die Spur ästhetischen Empfindens hätte. Und deshalb nochmals ein Lob dem niedrigen Tischchen in der gemütlichen Sitzecke! Die Erfahrung lehrt immer wieder, daß der Mokka – und noch mehr die Schwenkschalen mit edlem Weinbrand – viel mehr Vergnügen bereiten, wenn sie aus einer Etage tiefer genossen werden.
Wir machen ja einen Bummel durch eine Wohnung, und so dürfen wir bei diesen Überlegungen wohl voraussetzen, daß für »ordentliche« Mahlzeiten ein anderer Raum mit einem »ordentlichen« Tisch zur Verfügung steht.
[45] An die beiden der Ecke abgewandten Tischseiten gehören weitere Sitzgelegenheiten. Nach Möglichkeit tiefe, bequeme Sessel. Dabei ist es durchaus nicht nötig, diese Sessel in Form und Farbe der Einfach- bzw. Eckcouch sklavisch anzugleichen. Es können sehr gut Einzelstücke sein. Nur – man sollte behaglich darin sitzen können. Daß sie sich farblich mit der Liegestatt ebenso ergänzen wie etwa mit dem Teppich und den Gardinen, ist allerdings Voraussetzung.
Irgendwo in der gemütlichen Ecke oder ihrer unmittelbaren Umgebung darf natürlich eine Leselampe nicht fehlen, die es in unzähligen modernen ebenso wie konservativen Ausführungen gibt. Reizvoll können Deckenstrahler sein, deren indirektes von oben reflektiertes Licht weit streut und dem Raum eine gedämpfte, warme Helligkeit gibt. Die zum eigentlichen Lesen notwendige Lampenstärke ist dann abhängig vom Helligkeitsgrad des Schirmes.
Natürlich wollen wir nicht vergessen, daß Deckenleuchten moderne Raumgestaltungsmittel sind, die nur zu modernen Möbeln passen. Wer »alt« ein gerichtet ist, wird sich auf Wandleuchten und Stehlampen beschränken. Und eines sollte man tunlichst vermeiden: bei niedrigen Räumen – und die meisten Neubauzimmer sind niedrig – riesige Kronleuchter zu wählen.
Gemütlichkeit ist für viele nur schwer denkbar ohne Rauchzeug und – ohne eines jener Getränke, die den Geist teils milde streicheln, teils feurig umarmen (wobei Nichtraucher und Antialkoholiker seltene, nichtsdestoweniger rühmliche Ausnahmen bilden). Doch selbst wenn einer keinem dieser beiden »Laster« frönt, wird er dennoch um das Wohl des Partners, Gastes oder Freundes besorgt sein und jenem gestatten, was ihn selbst nicht zu reizen vermag. Und so macht sich denn ebenfalls in der Nähe der Plauderecke ein Tischchen recht gut, auf dem ein Leuchter, Zigarren, Zigaretten, Pfeifen, Pfeifenhalter, Tabak und Aschbecher Platz finden und auch Flaschen abgestellt werden können. Sehr hübsch kann sich statt des Leuchters auch ein alter Wachsstock ausnehmen. Unglücklich sieht dagegen fast immer ein »Rauchservice« aus.
Ein solches Tischchen ist auch dann nicht überflüssig, wenn eine Hausbar existiert, die all das enthält, was Genießern Freude macht. Ein kleiner Tip für die Anschaffung dieses Schränkchens der Fröhlichkeit: Der Eisbehälter sollte darin nicht fehlen. Schon gar nicht, wenn Sie und Ihre Freunde für Kognak schwärmen! Oder für Sekt. Oder für Mixed Drinks, die Sie vor den Augen Ihrer Gäste mit dem Mixbecher zaubern. (Es lohnt sich, die Standardrezepte auswendig zu lernen und die Kunst des Mixens vor dem ersten »öffentlichen« Auftreten einige Male allein zu üben. Da hier ein ähnliches Prinzip gilt wie auf den Kochschulen unserer seligen Großmütter, muß das so Bereitete auch vom Erzeuger vertilgt werden. Und dieses Prinzip sichert dem Lernbeflissenen einige zwar einsame, deshalb jedoch nicht minder vergnügliche Abende.)
[46] Wie gesagt – Eisbehälter mit gut schließendem Ablaufhahn zur mühelosen Entfernung des Schmelzwassers sollte schon sein. Andernfalls bliebe die »Bar« ein offen ebenso wie geschlossen zwar nett anzusehendes, aber keineswegs wirklich einsatzbereites Zierstück.
Die Leselampe brennt bereits – fehlt also nur noch die Lektüre. Da wären zunächst einmal die Zeitungen und Zeitschriften, deren es unendlich viele gibt. Vom Boulevardblatt, das von der reißerisch-spekulativen Überschrift lebt, bis zur Universalzeitung mit internationalem Ruf, die auf allen Gebieten des politischen und wirtschaftlichen, des geistigen und kulturellen Lebens etwas zu sagen hat. Von der Wochenendpost, die mehr oder weniger anspruchslos an der Oberfläche dahinplätschert, bis zur anspruchsvollen Monatszeitschrift höchsten geistigen und literarischen Niveaus.
Das deutsche Zeitungswesen wird übrigens in wenigen Jahren seinen 350. Geburtstag feiern. 1609 erschienen die ersten deutschen Zeitungen: in Augsburg die »Avisa« und in Straßburg die »Relation«. In diesem Zusammenhang ist vielleicht die Tatsache einer Erinnerung wert, daß beide Zeitungen bereits Vorläufer hatten – die Fuggerschen Nachrichtenblätter. Und daß ihre Herausgabe von einer kaiserlichen bzw. landesherrlichen Genehmigung abhängig war. Und – daß sie sich zumeist auf auswärtige Nachrichten zu beschränken hatten, da politisches »Räsonnieren« nicht geduldet wurde.
Die große Zeit der Tageszeitungen begann erst nach dem Sturz Napoleons. Im Jahre 1848 wurde endgültig die Vorzensur aufgehoben und das Anzeigenwesen freigegeben.
Die Leselampe brennt also.
Vergnüglich und entspannend zugleich kann es sein, abends oder sonntags in einem bequemen Sessel zu sitzen und die Welt schwarz auf weiß an sich vorüberziehen zu lassen. Doch sieht es weniger schön aus, wenn Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierte nach dem Lesen lieblos gefaltet in irgendeine Ecke gelegt werden, wo sie das Bild der Raumordnung nicht gerade verschönern. Wie wäre es mit einem Zeitungsständer? Wenn man lesen will, stellt man ihn neben sich – ist man fertig, dann kommt er wieder auf seinen Platz, wo er nicht stört und als harmonisches Einrichtungselement sogar einen innenarchitektonischen Zweck erfüllt.
Nachdem wir uns über das Geschehen in der Welt – der kleinen ebenso wie der großen – ausreichend unterrichtet haben, greifen wir gern zum Buch.
Immer sollten Bücher im Wohnzimmer zur Hand sein. Vielleicht steht unter einem Fenster ein niedriges, breites Bücherregal. Oder aber hinter oder neben der Sitzecke wächst ein Gestell empor.
[47] Jahrzehntelang war es Mode, sogenannte »Bibliotheken« als Bücherschränke aufzustellen. Natürlich glasverkleidet. Erstaunlicherweise landete in den für die Bücher vorgesehenen Fächern auf Grund eines unerforschlichen Naturgesetzes zumeist das Kaffeegeschirr, fürchterlich ergänzt von den Nippes unserer Altvorderen. Kurz und gut: Wer Bücher, den Schrankmaßen entsprechend, nach Metern kauft und zu dekorativen Zwecken benutzt, nun, der möge sie hinter Glas zwängen. Es hält den Staub fern. Wer aber wirklich lesen, vielleicht auch nur regelmäßig – und zwar sooft es seine Zeit gestattet – blättern oder schmökern will, der lasse das Glas fort. Es wäre hindernde Schranke zwischen ihm und einer geliebten Welt.
In erreichbarer Nähe der gemütlichen Ecke wird auch das Radiogerät seinen Platz finden müssen. Es sei denn, wir gehören zu der selten gewordenen Zunft beschaulicher »Systemhörer«, die sich zunächst an Hand des Rundfunkprogramms für ein Konzert, eine literarische Sendung, eine Oper oder auch für dezente Tanzmusik entscheiden und dementsprechend gewillt sind, diese Darbietung ganz zu hören, vielleicht sogar zu genießen. Dann können wir es uns leisten, den Apparat in einer anderen Ecke des Zimmers aufzustellen, wo er möglicherweise akustisch günstiger steht. Wir stellen das Gerät ein, nehmen Platz und – hören. Die anderen aber, denen grundsätzlich kein Programm länger als fünf Minuten gefällt, die innerhalb einer Stunde ein gutes Dutzend Sender ausprobieren müssen, weil der Gedanke sie beunruhigt, über einem Wiener Walzer des eigenen Senders vielleicht den heißen Mambo einer anderen Station zu versäumen – jene tun gut daran, den Apparat in Griffnähe aufzubauen. (Einige Änderungen wird das Arrangement der gemütlichen Ecke erfahren müssen, sobald das Fernsehen bei uns ähnliche Ausmaße erreicht hat wie in den USA. Noch aber ist es nicht soweit wie etwa in Chikago, der Fünf-Millionen-Stadt, in der man in der Reihenfolge sehen – hören – baden lebt. Gibt es dort doch 1,36 Millionen Fernsehapparate, 1,32 Millionen Telefonanschlüsse und – 1,26 Millionen Badewannen.)
Bis jetzt haben wir nur an die Behaglichkeit gedacht. Es gilt aber auch, praktisch zu wohnen. Besonders die Hausfrauen werden in dieser Richtung zahlreiche Wünsche haben. Sie, die tagsüber in nimmermüder Schaffensfreudigkeit die Voraussetzungen dafür erarbeiten, daß wir uns abends »wie zu Hause« fühlen, haben eine Unmenge von Dingen ordentlich unterzubringen, die wir Männer ein wenig verächtlich als »Kram« zu bezeichnen pflegen. Geschirr, Gläser, Flaschen, Tischwäsche, Flickzeug und – aber nur Frauen wissen da genau Bescheid. Männliche Wesen bekommen nur bei eventuellen Umzügen eine ungefähre Vorstellung dessen, was zu einem Haushalt gehört.
Schränke und kleine Kommoden müssen also sein. Und sie können neben ihrem praktischen Zweck auch recht hübsch aussehen. Wie wäre es etwa mit einem kombinierten [48] holländischen Barockschrank – unten Kommode, oben Vitrine. In den Schubladen kann man unendlich viele Dinge unterbringen, sein oberer, verglaster Teil nimmt Geschirr auf. Ein derartiges Möbel kann eine Wand beherrschen und ein schönes Gegengewicht zu dem übrigen Mobiliar bilden.
Und vielleicht erübrigen wir irgendwo eine Ecke, einen Winkel für einen kleinen Sekretär, an dem die Hausfrau ihre Korrespondenz erledigen, ihre Rechnungen ordnen und möglicherweise ihr Wirtschaftsgeld so raffiniert einteilen kann, daß ein außerplanmäßiger Hut herausspringt.
Wenn uns Glück und Wohnungsamt hold waren, erlaubt uns unsere Wohnung die Errichtung einer »Domäne des Hausherrn«. Ich meine das Arbeitszimmer des Hausherrn, einst stolz Herrenzimmer genannt.
Diese Stätte hohen männlichen Gedankenfluges hat ihre eigenen Gesetze. Hausfrauen werden das bestätigen. Hier riecht es nach Pfeife, deren dicke Rauchwolken in stetem Kampf mit der fast körperlich spürbaren Dichte profunder Gedanken zu liegen scheinen. Ordnende Frauenhände werden mißtrauisch verfolgt. Wie leicht könnte mit dem Staub auch ein Partikelchen geistiger Substanz fortgewischt werden.
Männer müssen so sein. Niemand wird uns ändern. (Und in jenen Fällen, da das doch gelingen sollte, können wir diesen Raum ohnehin getrost vermieten.)
Natürlich wird die Einrichtung eines solchen Zimmers immer vom Beruf des in ihm wirkenden »Herrn« abhängig sein. Je größer die geistigen Ambitionen, um so liebevoller und eigenwilliger die Ausstattung des Raumes, in dem der Hausherr viele Stunden konzentrierter Arbeit, schöpferischen Denkens oder auch nur wissensdurstigen Forschens verbringt. (Wußten Sie schon, daß sich die meisten Menschen zwischen zwanzig- und vierzigtausend Stunden ihres Lebens mit Büchern beschäftigen?)
Da wäre also der Schreibtisch, der einfühlende Behandlung durch Dritte verlangt. Bücherregale – offen natürlich – wo immer sie Platz haben, oder ein breites, bequemes Sofa ohne »Umbau« – wir lieben es, schwierige Probleme dann und wann aus der Horizontalen zu überdenken. Honni soit qui mal y pense!
(Erinnern Sie sich noch jener Legende, die die Entstehung dieses empörten Ausrufes erklärt? Eduard III. von England, Sohn des ersten »Prince of Wales«, im 14. Jahrhundert genau fünfzig Jahre lang auf dem englischen Thron, hob der Königin einmal während des Tanzes ihr zu Boden gefallenes Strumpfband auf. Was einige Hofleute zu mokantem Grinsen veranlaßte. Worauf Eduard ausrief: »Ein Schuft, der Schlechtes dabei denkt!« und hinzufügte, das Strumpfband werde gar bald so zu Ehren kommen, daß sich viele glücklich preisen würden, [49] es tragen zu dürfen. Und wenig später schuf der König tatsächlich den »Order of the Garter«, den »Hosenbandorden«, der noch heute Englands höchster Orden ist.)
Wo eine Couch steht, dürfen ein paar bequeme Sessel nicht fehlen. Und ein für typisch männliche Belange berechneter Tisch mit Rauchgeräten und -materialien. Vielleicht auch eine Bar? Viele Männer schätzen das Geistige auch dann, wenn es ihnen statt in gebundener Form auf Flaschen gezogen dargeboten wird.
Für umfangreiche Korrespondenz ebenso wie für Manuskripte werden die Schreibtischfächer nicht immer ausreichen und durch einen unauffälligen Aktenschrank, der keineswegs an ein Büro zu erinnern braucht, ergänzt werden können.
Vorsichtige Leute schließlich, vor allem solche, die große materielle und geistige Werte zu schützen haben, schlafen ruhiger, wenn sie alles in einem Safe aufbewahrt wissen, das man jedoch zweckmäßigerweise in eine Wand einbauen lassen und durch ein Bild verdecken sollte (wie im Film).
Während das Herrenzimmer ausschließlich männlichen Belangen zu dienen hat, vereinigt das Eßzimmer – so vorhanden – mehrmals täglich die ganze Familie zu den gemeinsamen Mahlzeiten. Darüber hinaus wird es dann und wann auch Gäste sehen. Auch seine Einrichtung ist heute – und dafür seien wir den modernen Innenarchitekten dankbar – nicht mehr so überladen, wie sie dereinst war. Das »Büfett«, dieses wenig schöne, unpraktische Möbel mit unendlich vielem Schnörkelwerk, mit zahllosen Fächern und Schubladen, mit Vorbauten, auf denen kristallene Obstschalen den Staub magnetisch anzogen, mit angeschliffenen Scheiben und unruhigem Zierat – es ist im Schwinden. An seine Stelle tritt heute die lange, niedrige sogenannte Anrichte, die mit der Ruhe ihrer schlichten Formen dem Raum die beherrschende Note gibt. Auf ihr finden rechts und links zwei hübsche silberne oder Porzellanleuchter Platz, die während des Essens – zumindest aber bei festlichen Anlässen – auf dem Eßtisch stehen sollten. Auch ein einfaches Mahl schmeckt noch einmal so gut im warmen Schein leuchtender Kerzen!
Über der Anrichte muß nicht unbedingt ein Bild hängen. An seine Stelle kann sehr gut ein hübscher Wandbehang treten. Freue sich, wer für diesen Zweck einen echten Gobelin hat!
Die Mitte eines »reinen« Eßzimmers wird zumeist der Eßtisch einnehmen. Ich hoffe, nicht auf Widerspruch zu stoßen, wenn ich behaupte, daß ein runder Tisch immer feierlicher, festlicher und hübscher als ein eckiger wirken wird. Zudem nimmt die runde Form jeder Tischordnung ihre Strenge – man fühlt sich zwangloser. Nicht zuletzt aber lassen sich auch ungerade Gästezahlen symmetrisch aufteilen.
[50] Wer häufig Gesellschaften für mehr als acht Personen gibt, wird gut daran tun, den Tisch durch eine zusätzlich anzubringende Platte verwandelbar zu machen. Eine solche Vergrößerung kann entweder durch Teilung des Tisches in zwei Halbkreise und Einfügung eines rechteckigen Zwischenstückes oder durch Anfügung zweier halbelliptischer Ansatzstücke erfolgen.
(Ein Rat für Liebhaber antiker Möbel: Tische für Eßzwecke sollten grundsätzlich nicht furniert, sondern massiv sein, da Furnier die Tendenz hat, sich unter Wärmeeinwirkung zu werfen.)
Eßzimmerstühle haben, wenn sie schön und praktisch zugleich sein sollen, steilere und auch höhere Lehnen als ähnliche Möbel in anderen Zimmern. Wenn sie leicht gepolstert sind, wird das die Freude an einem guten Mahl nur steigern. Gut essen und bequem sitzen – welch ein Triumph der Behaglichkeit!
Eine harmonische Ergänzung der sparsamen Speisezimmereinrichtung bilden kleine Kommoden, deren man nie genug haben kann, und ein oder zwei Abstelltische, von denen aus die personallose Hausfrau oder der dienstbare Geist servieren können, falls keine Anrichte vorhanden ist.
Schließlich aber kann ein großes, liebevoll gepflegtes Blumenfenster auch diesem verhältnismäßig sachlichen Raum eine heiter-beschwingte Note geben.
Wir tun ja bei unserem Bummel durch die Wohnung so, als hätten wir genügend Räume. Selbst wenn, oder vielleicht gerade weil diese Wohnung vorerst noch in unserer Phantasie existiert. Also müssen wir uns auch mit dem Allerheiligsten befassen. Werfen wir also einen Blick in das Schlafzimmer. Um diesen intimen Raum kreisen die Gedanken der meisten jungen Menschen, die sich eine Wohnung einzurichten beginnen. Ist es ein Wunder? Wer jung ist, träumt von der Reise auf die Insel Cythera, in das Reich der Venus – jener Reise, die Dominique le Bourg einmal mit all dem gewagten Charme beschrieben hat, dessen wohl nur eine französische Literatin fähig ist.
Ein Doppelbett? Zwei Einzelbetten? Hier müssen wieder einmal die jeweiligen Gegebenheiten entscheiden. Wenn ein Partner die Tendenz hat, nicht ganz lautlos zu schlafen, spät zu Bett zu gehen oder noch lange zu lesen, dann werden zwei Einzelbetten – in einem gewissen Abstand voneinander aufgestellt – zweckmäßiger sein. Sie haben zudem den Vorzug, in Krankheitsfällen die zuweilen notwendige räumliche Trennung zu ermöglichen.
Andererseits wird niemand den hübschen Anblick eines Doppelbettes, etwa im Chippendalestil (über seine Betten läßt sich schon eher reden als über die Stühle!), in Abrede stellen wollen. Und ein Rat: Wenn Sie sich für ein Stilbett entschieden haben, dann verzichten Sie unter allen Umständen auf sogenannte Nachtschränkchen. Sie passen in gar keinem Falle! Erstehen Sie statt ihrer zwei [51] passende Kommoden gleichen Stils. An und für sich genügen sogar ganz einfache Tischchen. Denn – welchen Zweck haben diese Möbel zu erfüllen? Ein paar Bücher liegen da vielleicht, Zeitungen und Zeitschriften – und der Inhalt männlicher Taschen. Möglicherweise steht darauf noch eine Lampe, falls man es nicht vorzieht, diese oberhalb des Bettes an der Wand anzubringen. (Bei Stilbetten nicht à la Picasso bzw., sprachlich korrekter, au Picasso!)
Ja – und dann müßte da wohl ein Kleiderschrank stehen. Solche Schränke können nicht groß genug sein! Einmal sind Frauen auch dann, wenn sie nichts anzuziehen haben (und welche Frau hätte schon je genügend Kleider gehabt?), spielend in der Lage, einen Kleiderschrank allein mit Beschlag zu belegen. Zum anderen lieben es weder Anzüge noch Kleider, im Ölsardinenstil aufbewahrt zu werden. Jedes Kleidungsstück will, nachdem es einige Stunden getragen wurde, aushängen. Kräfte, die wir für den kommenden Tag während des Schlafes sammeln, erneuert der Stoff im Hängen. Gönnen wir also auch ihm genügend Platz. Daß wir getragene Sachen nicht sofort in den Schrank hängen, sondern erst über Nacht am geöffneten Fenster auslüften lassen, ist selbstverständlich.
Achten wir auf die Schranktiefe. Sie ist für die männliche Garderobe von besonderer Bedeutung und sollte nicht weniger als 65 bis 70 cm betragen.
Sehr hübsch, praktisch und billig herzustellen kann, vor allem in Mansardenräumen, ein Wandschrank sein, dessen Türen mit der Zimmertapete verkleidet sind.
Ein Spiegel, hoch und lang – vielleicht an der inneren Schranktür angebracht – ist unerläßlich. Er dient nicht so sehr der Eitelkeit als vielmehr der täglichen Kontrolle unserer äußeren Erscheinung, die nun einmal das erste ist, was die Umwelt von uns aufnimmt. Praktisch sind mehrteilige Spiegel, ermöglichen sie doch auch eine sorgfältige Überwachung unserer Rückfront, die keineswegs weniger Aufmerksamkeit verlangt, nur weil wir die Augen vorn haben.
In wenigstens einem Seitenteil des Schrankes befindet sich ein Wäscheabteil, das genügend Fächer haben sollte, um einen Teil der Vielzahl grundsätzlich verschiedener Wäschearten aufnehmen zu können. Jede geschickte Hausfrau entwickelt hier ihr eigenes System der Ordnung. Empfehlenswert ist die säuberliche Trennung der Wäschestücke nach Art und Häufigkeit ihres Gebrauchs. Kein Mann macht seiner Frau bereits am Frühstückstisch Komplimente, wenn er wenige Minuten zuvor hinter Bettbezügen ein halbes Dutzend Frottiertücher hervorzerren mußte, um an jene Stelle heranzukommen, wo er die Taschentücher vermutete, die jedoch zwei Fächer tiefer lagen, dort also, wo seiner Erinnerung nach die Strümpfe hätten liegen müssen.
Männer lassen sich durch derartige morgendliche Erlebnisse nur allzu leicht aus der Ruhe bringen. Und so schuf man die Herrenwäschekommode. Wenn er sie [52] morgens aufreißt, weiß er zumindest eines: Was ich jetzt durcheinanderwühle, sind meine persönlichen
Sachen. Diese Erkenntnis bremst das Temperament zumeist. Nehmen Sie sich, meine Damen, einmal eine Viertelstunde Zeit – je früher in der Ehe, desto besser – und lassen Sie sich seine Wünsche hinsichtlich der Schrankordnung vortragen. Lächeln Sie verbindlich – nicht etwa überlegen – wenn er Ihnen zu beweisen sucht, daß die Unterwäsche in den oberen, die Oberhemden dagegen in den unteren Fächern liegen müßten. Vielleicht ist er morgens beim Anlegen der ersten Kleidungsstücke noch nicht munter genug, um sich tiefer zu bücken.
Natürlich hätten Sie es wesentlich zweckmäßiger und »handgreiflicher« eingeräumt, aber – er ist ein Mann, und es gibt bekanntlich nichts, was Männer nicht besser verstünden.
Und wenn Sie auch in dieser Richtung seine ungewöhnlich praktische Hand gebührend bewundert haben, wird er sich leicht dazu bewegen lassen, Ihnen das Pendant – eine Damenkommode – zu bewilligen. Und damit ist der Idealzustand erreicht. Die Reviere sind getrennt.
Vor allem für Sie, gnädige Frau, ist der Toilettentisch bestimmt. Dort, vor dem möglichst dreiflächigen Frisierspiegel, geben Sie in Ruhe Ihrem Äußeren den letzten Hauch jener Gepflegtheit, die Ihr Lebensgefährte jeden Tag aufs neue an Ihnen bewundern möchte. Natürlich bringt er seine Bewunderung nur selten[53] zum Ausdruck, aber es kann zuweilen schon sehr viel sein, wenn er sich jeder Kritik enthält. Fassen Sie das auf, wie es zumeist gemeint ist – als stummes Einverständnis mit Ihnen und Ihrem Aussehen.
(Viele Männer ähneln jenem kleinen elfjährigen Berliner Jungen, dem Vater, Mutter, Onkel, Tante und Großmama einen herrlichen weihnachtlichen Gabentisch bereiteten – mit einer Eisenbahn, einem Fahrrad, einem halben Dutzend Karl-May-Bücher, einem Cowboy-Kostüm und vielen, vielen anderen Sachen, die sein Herz hätten höher schlagen lassen müssen. Doch der Kleine blieb stumm. Aufmerksam besah er sich ein Stück nach dem anderen. Gewiß – in seinen Augen stand blanke Freude. Doch er sagte kein Wort. Jedes Familienmitglied wartete gespannt auf einen Jubelschrei. Nichts. Der Vater ließ die Lokomotive anfahren. Keine Reaktion. Nur der Blick folgte dem kleinen Schnellzug. Die Oma nahm den »Schatz am Silbersee«: »Sieh doch mal – hier!« Und dann wurde es dem Onkel zu dumm. Er klingelte ein paarmal ungehalten mit der Fahrradklingel und polterte dann: »Na, und das Rennrad hier? Freust du dich denn gar nicht?« Worauf der also Beschenkte, ohne die Augen von dem rollenden Zug zu lassen, sehr sachlich meinte: »Wenn ick nischt sage, is et jut!«)
Übrigens läßt sich ein solcher Damenfrisiertisch auch selbst anfertigen. Er wird dann wesentlich billiger und kann zudem sehr reizvoll und persönlich sein. Jeder biedere Tischler fertigt uns einen nierenförmigen Tisch mit einem Zwischenfach. Wir bespannen die Tischoberseite mit Stoff und legen eine entsprechend geschnittene Glasplatte darüber. Man kann die Tischplatte auch mit einem der sehr hübschen abwaschbaren Kunststoffe überziehen lassen und so die Glasplatte sparen. Ein vorn geteilter Vorhang aus dem gleichen Material wie der Bezug der Tischplatte schließt das Ganze ab. Auf diesem Frisiertisch steht der Spiegel, der sich, auch wenn er dreiteilig ist, mit einem Holzrahmen verkleiden läßt, der ebenfalls mit Stoff überzogen wird.
Ein weiteres kleines Möbelstück sollte nicht fehlen: der Schuhschrank. Genügend breit und genügend tief. Mehrere Fächer übereinander. In wenigen Zentimetern Höhe durchlaufende Messingstangen, in die die Schuhe mit den Absätzen eingehängt werden. Und alle Schuhe ausnahmslos auf den passenden Spannern, ja? Nun fehlen nur noch zwei Sitzgelegenheiten, je eine in der Nähe eines jeden Bettes, damit man sich zum An- und Ausziehen der Schuhe und Strümpfe nicht unbedingt auf den Bettrand zu setzen braucht. Und, falls Platz vorhanden, eine Liegestatt, auf der auch die Hausfrau während des frühen Nachmittags einmal ungestört Siesta halten kann. Dieses überaus nützliche Ding, das die Franzosen »Bergère« nennen, muß durchaus nicht sklavisch am Fußende der Betten stehen. Ein solches Arrangement wirkt nicht nur antiquiert – auch dann, wenn die »Bergère« selbst nicht antik ist –, sondern erinnert zu stark an die Einrichtungen mittelmäßiger Seebad-Pensionen.
[54] Lassen Sie die Phantasie walten. Wenn genügend Platz vorhanden ist, warum soll Madame nicht malerisch mitten im Raum ruhen? Mehr als dreimal pflegt man nicht hinunterzurollen ...
Das Kinderzimmer wird – besonders an Regentagen – ein Mehrzweckraum sein müssen. Hier haben die Junioren ihr Reich. Hier wohnen sie. Sie schlafen in diesem Raum nicht nur, sondern spielen dort auch, nehmen dort vielleicht sogar einen Teil ihrer Mahlzeiten ein und erledigen daselbst, wenn schulpflichtig, ihre Arbeiten. So verlangt denn die Vielseitigkeit der Aufgaben, denen das Kinderzimmer dienen soll, eine sorgfältige Planung bei seiner Ausstattung.
Als infolge der nachkriegsbedingten ungeheuren Knappheit an Wohnraum Notlösungen gang und gäbe waren, wurden Kinderbetten aus Gründen der Quadratmeterersparnis nicht selten übereinandergestellt. Kein Idealzustand natürlich. Einmal aus hygienischen Erwägungen, da sich die ungesunde, verbrauchte Luft in der oberen Zimmerhälfte sammelt. Zum zweiten trotz aller Sicherungsmaßnahmen nicht ungefährlich wegen der Möglichkeit eventueller Stürze. Und schließlich sehr unpraktisch in Fällen von Erkrankungen, insbesondere dann, wenn eine Isolierung ratsam erscheint.
Raum kann man auch anders gewinnen. Etwa durch die Aufstellung von Klappbetten, die tagsüber hinter einer gefälligen Wandverkleidung verschwinden und Platz schaffen. Selbstverständlich ist das erst möglich, wenn die Kinder größer sind, also etwa vom 5. bis 6. Lebensjahr, da man sie zwischen den Mahlzeiten sich selbst und ihrem Spiel überlassen kann.
Mit einigem Geschick gelingt es unschwer, den Kleinen mit dem Kinderzimmer ein Reich zu schaffen, in dem sie sich wohl fühlen und gern aufhalten, sofern Wetter und Jahreszeit oder die Stadtwohnung ein Spiel im Freien nicht erlauben. Helle, fröhliche Farben der Möbel ebenso wie der Gardinen schaffen jene sorglose Atmosphäre, die der Unbeschwertheit des kindlichen Alters entspricht. Ein lustig bemalter Schrank nimmt die Garderobe auf. Eine breite, etwa einen Meter hohe Kommode mit mehreren tiefen Fächern enthält die Wäsche. Sie sollte eines der ersten Einrichtungsteile des Kinderzimmers sein, da sie zugleich auch vorzüglich als Wickelkommode dienen kann.
Ein weiteres Schränkchen ist für die Aufbewahrung der Spielsachen bestimmt. Je früher man die Kinder hier an Ordnung gewöhnt, um so eher wird ihnen das später so notwendige Gefühl für Korrektheit in Fleisch und Blut übergehen. Nichts ist leichter, als in den Kleinen bereits frühzeitig eine gewisse Freude an der Harmonie ihrer eigenen kleinen Welt zu wecken. Wer mit Kindern umzugehen weiß, wird sehr bald merken, wie empfänglich das gesunde Kind für lobende Hinweise auf seinen Ordnungssinn ist.
[55] Voraussetzung hierfür ist natürlich, daß die Einrichtung des Kinderzimmers dieser Erziehung entgegenkommt. Wenn man rechtzeitig beginnt, das Verantwortungsbewußtsein für die Ordnung zu wecken und zugleich die technischen Voraussetzungen zu ihrer Aufrechterhaltung schafft, werden die Kleinen schon früh zu gesunder Selbständigkeit erzogen.
Außer dem »Spielschrank« sollte man den Kindern ein Tischchen und ein paar Stühle aufstellen, wobei keines der Möbel scharfe Ecken haben darf, die bei jugendlichem Ungestüm leicht zu Verletzungen führen könnten.
Helle Tapeten mit lustigen Mustern vervollständigen die heitere Note dieser Stätte jugendlicher Sorglosigkeit. Sie sind heute in unempfindlicher, d.h. abwaschbarer Ausführung zu haben, so daß Flecke und kindliche Wandgemälde jederzeit leicht entfernt werden können. Und da kommen wir auf den jugendlichen Hang des »Malens« – der nicht selten bis ins hohe Alter hinein anhält. (Die Notizblöcke würdiger Generaldirektoren mit einer Anzahl anatomisch durchaus nicht immer richtiger »Männchen« beweisen das.) Sicherlich wird in irgendeiner Zimmerecke oder an einem freien Wandstück genügend Platz zur Anbringung einer größeren Wandtafel sein, auf der die Kleinen mit bunten Kreiden ihren künstlerischen Ambitionen nachgehen können.
So wird ein Kinderzimmer, zweckmäßig ausgestattet und vor allem auf kindliche Belange abgestellt, in idealer Weise mehreren Aufgaben gerecht werden können. Es wird zunächst das Reich des Kindes sein, ein Reich, dessen harmonische Atmosphäre dem Wachstum des Körpers und der Seele gleichermaßen zuträglich ist. Hier hat der junge kleine Mensch seine Welt, in der er in vernünftigen Grenzen nach eigenem Gutdünken schalten und walten kann, weise und unauffällig gelenkt von der elterlichen Hand. Hier aber vermag ihn auch die Mutter zu betreuen, ohne mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe den täglichen Lebensablauf in den anderen Wohnräumen zu belasten.
Eine wichtige Frage entsteht bei fortschreitendem Lebensalter in der Trennung der Geschlechter. Sie sollte spätestens mit dem 12. Lebensjahr erfolgen, um jede sittliche Gefährdung auszuschließen. Die Frühreife der heutigen Jugend, der in Nachkriegsperioden regelmäßig zu beobachtende Verfall der Moral zwingen zu erhöhter Aufmerksamkeit, wenn schwerwiegende und zuweilen nicht mehr gutzumachende seelische Schäden verhindert werden sollen. Je früher eine natürliche Scham und das gesunde Bewußtsein der notwendigen Distanz gegenüber dem anderen Geschlecht in die kindliche Seele gepflanzt werden, um so widerstandsfähiger wird sie gegenüber den zahllosen Versuchungen, die das Leben früh genug an sie heranzutragen pflegt.
Besondere Aufmerksamkeit ist der Führung aller elektrischen Leitungen im Kinderzimmer zu schenken. Von Steh- und Tischlampen wird man absehen, da sie [56] nicht nur allzuoft dem jugendlichen Ungestüm ausgesetzt sind, sondern darüber hinaus zu nicht ungefährlichem Spiel verleiten. Steckdosen sollten grundsätzlich nicht in Bodennähe, wo sie nur allzu leicht die kindliche Neugier reizen und eine Gefahrenquelle darstellen, sondern in für die Kleinen unerreichbarer Höhe verlegt werden.
In einiger Entfernung der Kinderbetten empfiehlt sich die Anbringung eines kleinen blauen Lämpchens, mit dessen Hilfe ängstliche Kinder die nicht seltene Furcht vor der Dunkelheit überwinden. Zudem gestattet eine derartige Nachtbeleuchtung die ständige Überwachung der Kleinen, ohne daß sie durch hellen Lichtschein gestört werden, was sich insbesondere in Krankheitsfällen ausgezeichnet bewährt. Größeren Kindern schließlich sollte man einen für Schularbeiten geeigneten Tisch oder ein Arbeitspult in Fensternähe aufstellen.
Sicherlich werden die wenigsten von uns in der Lage sein, ständig ein Gästezimmer in Bereitschaft zu halten. Derartigen räumlichen Luxus vermag sich zumeist nur zu leisten, wer das Glück hatte, ein eigenes Haus über die Kriegszeiten gerettet oder inzwischen neu erarbeitet zu haben. Hoffen wir also, daß uns bald ähnliches möglich sein werde, und überlegen wir uns in großen Zügen heute, wie wir ein solches Gästezimmer ausstatten, auf daß es für den Gast wirklich eine Stätte der Gastlichkeit sei.
Besuch und Glück kommen zuweilen über Nacht.
Grundgedanke der Einrichtung dieses Raumes, in dem wir Verwandte oder Freunde für einige Zeit recht behaglich unterbringen wollen, ist das Bemühen, sich unseren Gast »wie zu Hause« fühlen zu lassen. Dazu ist persönliche Atmosphäre erforderlich, wie sie auch das feudalste Hotelappartement kaum je aufzuweisen hat. Wenn wir den Besuch herzlich willkommen geheißen und in jenem Zimmer zunächst einmal allein gelassen haben, dann wird die neue Umgebung einen ersten Eindruck auf ihn machen. Und dieser Eindruck soll besagen, daß gastfreie Menschen Freude daran hatten, einen Raum für »Außenstehende« mit der gleichen Sorgfalt, dem gleichen Einfallsreichtum auszustatten wie jene Zimmer, in denen sie selbst wohnen.
So nimmt eine Schlafcouch, in deren Bettkasten tagsüber die Bettwäsche verschwindet, dem Raum jeden Charakter eines Schlafzimmers. Ein schräg vor das Fenster gestellter moderner Schreibtisch – einfach aus einer Platte ohne massive Seitenteile bestehend – mit einem bequemen Sessel davor, erlaubt dem Gast die Erledigung eventueller Korrespondenz oder anderer schriftlicher Arbeiten. Sehr praktisch ist im Gästezimmer ein »Herrenschrank«, der auf der einen Seite offene Regale mit Büchern aufweist, während die an dere Seite Garderobe, Wäsche und Schuhe aufnimmt. Er heißt zwar Herrenschrank, doch leistet er weiblichen Gästen die gleichen Dienste. Irgendwo findet ein tiefer Polstersessel [57] Platz, in dem der Gast – sich selbst überlassen – untertags einmal eine halbe Stunde ungestört seinen Gedanken nachhängen oder die Zeitung lesen kann.
Nicht ohne weiteres zu entscheiden ist die Frage eines Waschbeckens mit Glasplatte, Spiegel, Lampe und Handtuchhalter. Natürlich hat eine derartige Waschecke den Vorzug, den Gast auch in dieser Richtung vom übrigen Haushaltsablauf unabhängig zu machen. Andererseits nimmt sie dem Zimmer einen Teil seines wohnlichen Charakters und erinnert stark an eine Pension.
Nun ist es nicht jeder Hausfrau Sache, das Bad mit Gästen zu teilen. Auch erfordert das morgens unter Umständen komplizierte und störende Zeit-Neueinteilungen, insbesondere wenn Kinder pünktlich abgefertigt werden müssen.
In Neubauten wird es sich daher empfehlen, diesem Problem bereits bei Baubeginn die entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken. Die zweckmäßigste Lösung ist zweifellos ein in einer Zimmerecke ausgesparter Duschraum. Wer die morgendliche Dusche gewöhnt ist, wird sie auch außerhalb des eigenen Hauses nur ungern missen.
Sollte jedoch die Verwandlung eines Raumes in ein Gästezimmer erst zu einem Zeitpunkt erfolgen, da die Errichtung eines Duschraumes nicht mehr oder nur mit hohem Kostenaufwand möglich wäre, dann lassen sich immer noch Lösungen finden, die ebenso reizvoll wie praktisch und billig sind. Ich denke da vor allem an die Verkleidung der Waschecke. Das kann man liebevoll und originell zugleich machen.
So habe ich einmal helfen dürfen, das Gästezimmer eines bezaubernden Sommerhauses am Strand von Usedom in dieser Richtung zu verändern. Der Raum, nicht allzu groß, aber außerordentlich reizvoll möbliert, war ganz und gar mit dunklem Fichtenholz getäfelt und strahlte eine warme Behaglichkeit aus. Nur eines störte – das weiße Waschbecken in der Ecke. Worauf wir kurzerhand zu Hammer und Säge griffen, einen kleinen Dachfirst zimmerten und in zwei Meter Höhe über dem Waschbecken an der Wand befestigten. Über die »Dachsparren« nagelten wir dicke Pappe, die dicht mit geschnittenem, gebundenem Dünengras bedeckt wurde. Das Ganze sah aus wie das Dach eines schleswigholsteinischen reetgedeckten Bauernhauses. An den beiden zum Zimmer hin offenen Seiten lief ein lustig gemusterter Vorhang, der der Ecke etwas Heiter-Geheimnisvolles gab. Insbesondere dann, wenn man hinter dem Vorhang die Spiegelbeleuchtung brennen ließ. Und da in diesem gastfreien Hause Humor und Freude an originellen Einfällen groß geschrieben wurde, kam wenige Stunden nach Fertigstellung der Verkleidung der Hausherr mit einem großen ausgestopften – Raben, den wir auf die ins Zimmer ragende »Dachkante« setzten, wo er mit schiefem Kopf skurril und würdig zugleich auf den Gast herabblickte. [58] Das störende Waschbecken aber hatte sich in kurzer Zeit dank einigen Nachdenkens in einen der reizendsten Blickpunkte des Zimmers verwandelt.
Nun wird es kritisch. Unser Bummel durch die Wohnung führt in einen Raum, in dem Männer normalerweise nichts zu suchen haben – in die Küche. Es sei denn, sie hätten das von manchen Hausfrauen hochgeschätzte Bedürfnis, beim Geschirrspülen und -abtrocknen behilflich zu sein. Doch nicht in jedem Manne steckt ein Kind, das spülen will! Um so weniger werden die Leserinnen geneigt sein, sich für die zweckmäßigste Ausstattung ihres ureigensten Reiches männlicherseits Ratschläge geben zu lassen.
Zugegeben, meine Damen – wir Männer schätzen im allgemeinen die Küche nur insoweit, als sie Werkstatt Ihrer Kochkünste ist, mit deren Erzeugnissen Sie uns jede Mahlzeit zum Vergnügen machen. Andererseits aber bindet diese Werkstatt Sie für viele Stunden des Tages – Stunden, die Ihnen auch nicht unbedingt nur Freude machen, Stunden, in denen Sie sich, wenn Sie könnten, angenehmeren Beschäftigungen hingeben würden. (Zum Beispiel der Beschäftigung mit uns.) Es gilt also, jene Zeit, die Sie, verehrte Leserinnen, in der Küche zubringen müssen, möglichst kurz zu halten, ohne daß die Qualität des Essens und die Sorgfalt der Hausfrauenarbeit darunter leiden. Und weil hier Zeit eingespart werden kann, deshalb darf ich mit Ihnen ein wenig über die Küche sprechen. (Es waren nämlich Männer, die da Erstaunliches herausgefunden haben.)
Zunächst einmal: Haben Sie gewußt, daß die Küche – Ihr Reich – der Arbeitszeit nach die größte Werkstatt der Welt ist? Daß die von Ihnen, den fleißigen Hausfrauen, in der Küche geleisteten Arbeitsstunden die Gesamtarbeitszeit der Industrie und des Handels eines Landes übersteigen? Kein Wunder also, wenn wir uns darüber einig geworden sind, daß hier etwas geschehen müsse! Ein Institut für Bauforschung hat längere Zeit hindurch praktische Versuche angestellt, um die zweckmäßigste Küchengröße zu ermitteln. So wurden zahlreiche Versuchsgerichte in verschieden großen Küchen hergestellt und die bis zur Fertigstellung der Mahlzeit zurückgelegten Wege genau vermessen. Dabei ergab sich in einer 13 qm großen Küche ein »Arbeitsweg« von 380 m. Das gleiche Gericht erforderte in einer Küche von 10 qm nur noch 260 m und benötigte in der 6-qm-Küche nur noch ein Drittel, nämlich 130 m!
In der kleinen Küche – und das ist das ganze Geheimnis – sind an die Stelle der »Wege« einfach »Griffe« getreten.
Und wenn wir von Griffen sprechen, dann darf noch ein Untersuchungsergebnis nicht unerwähnt bleiben. Man hat eindeutig festgestellt, daß die Länge der hausfraulichen Arbeitszeit in der Küche neben ihrer räumlichen Größe entscheidend von der arbeitstechnisch richtigen Anordnung der einzelnen »Elemente« abhängig [59] ist. Wenn es im wahrsten Sinne des Wortes »schnell von der Hand« gehen soll, dann muß diese Anordnung von rechts nach links folgendermaßen aussehen: Herd, Arbeitstisch mit eingebauten Regalen und vielleicht einem Hängeschrank darüber, Spültisch, Ablaufbrett. Zu betonen wäre noch, daß dieser ideale Aufbau für Rechtshänder gilt, während er für Linkshänder in umgekehrter Reihenfolge erfolgen müßte.
Auch Licht – so wollen es die um Verkürzung der hausfraulichen Arbeitszeit besorgten Männer – muß in genügendem Maße zur Verfügung stehen. Das Küchenfenster soll die Größe von etwa einem Achtel der Küchengrundfläche haben. Und außer der Deckenbeleuchtung wird unbedingt eine Arbeitsplatzleuchte empfohlen, die über den Arbeitstisch, also zwischen Herd und Spülstein gehört. Im übrigen beweisen die sorgfältigen Innenausstattungen moderner Fabrikationsräume, wie hoch man die arbeitspsychologische Bedeutung richtiger Beleuchtung einschätzt. Daß schließlich helle Kacheln an den Wänden und auf dem Fußboden die Lichtverhältnisse nachhaltig verbessern, versteht sich von selbst. Darüber hinaus haben sie den großen Vorzug, die Sauberhaltung des Raumes wesentlich zu erleichtern.
Vielleicht, meine Damen, können Sie mit dem Gesagten, soweit es Ihnen noch nicht bekannt war, über kurz oder lang etwas anfangen. Sei es, daß eine neue Wohnung in Aussicht steht, deren Einrichtung überlegt sein will, sei es, daß Sie den Herrn des Hauses an Hand dieser wissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse zur Anschaffung einer neuen »Anbauküche« veranlassen können, die sich Stück um Stück erwerben und passend erweitern läßt. Bis eines Tages die Arbeit so mühelos von der Hand geht, daß nur mehr ein Teil der früher notwendigen Zeit in der Küche verbracht werden muß. Sie ist jetzt zu jeder Tageszeit ein blitzsauberes Schmuckstück und wird die Hausfrau vermutlich ebenso glücklich machen wie ein »in Anerkennung hausfraulicher Tugenden« überreichtes Armband.
(Falls Sie, meine Herren, diese Stelle lesen und auf die Idee kommen sollten, mit der Modernisierung der Küche sei alles getan, dann irren Sie sich! Wenn Sie sich von der Ausgabe erholt haben, können Sie getrost wieder einmal die Pretiosen Ihrer Frau Gemahlin um ein nettes Stück bereichern! Damit Sie nicht behaupten können, Sie wüßten nicht, was das sei: Pretiosen sind Kostbarkeiten, Geschmeide, Schmuck! »Précieuses« nannte man im 17. Jahrhundert die vornehmen und gebildeten Frauen. Seither hat sich die Bedeutung des Begriffes allerdings ein wenig gewandelt. Lassen Sie es sich, meine Herren, also nie einfallen, eine Gesellschaft zu betreten und nach artiger Begrüßung mit bewunderndem Blick in die Runde begeistert auszurufen: »Oh – lauter Preziösen! Und an der Spitze, wie immer, Sie, verehrte gnädige Frau!« Inzwischen ist nämlich die Preziöse zur – gezierten Gans geworden. An Pretiosen jedoch darf nach wie vor gedacht werden.)
[60] Jetzt sind wir doch wieder einmal etwas abseits gelandet. Wir stehen immer noch in der Küche, reden aber von – Schmuck. Aber wir hatten uns ja vorgenommen, auch unsere Gedanken dann und wann bummeln gehen zu lassen. Ich übrigen sind wir mit unserem Spaziergang durch die Wohnung nahezu fertig. Nahezu. Ein Raum fehlt noch. Sie wissen, was ich meine. Und so folgt jetzt, den Bummel beschließend, ein Lobgesang auf das Bad. Eine Wohnung, sagte mal einer, sollte ein Bad sein mit einer Anzahl netter Räume darum herum. Hier im Bad pflegen wir täglich den äußeren Menschen. Und äußere Hygiene ist Voraussetzung innerer Sauberkeit. Das wußten bereits die alten Kulturvölker. Auf dem Gebiet der Körperpflege war die Antike vorbildlich. Und wir zollen – auch wenn wir es fast vergessen haben – den Gottheiten der griechischen Mythologie noch heute ihren Tribut. Der Äskulapstab mit der Schlange gilt als Symbol ärztlicher Kunst. Und der Begriff Hygiene geht auf Hygieia, des Heilkundegottes Äskulap Tochter, zurück. Sie war Sinnbild dessen, »was der Gesundheit dient«.
Übrigens waren die Griechen keineswegs die einzigen, die um die Zusammenhänge zwischen ärztlicher Wissenschaft und einer aus Schönheitssinn und ästhetischem Bedürfnis geborenen Körperpflege wußten. Auch der Prophet Mohammed forderte von seinen Gläubigen Reinlichkeit. Die Waschungen sind bis zum heutigen Tage ein wesentlicher Teil des religiösen Zeremoniells der Mohammedaner geblieben. Nicht anders ist es mit der Lehre Zarathustras, die den Persern die Hygiene nahebrachte.
Französische Archäologen haben vor noch nicht einmal zwanzig Jahren am Euphrat ein prunkvolles Königsschloß freigelegt. Fünftausend Jahre alt. Mit weitläufigen baulichen Anlagen, prächtigen Aufenthaltsräumen und – hygienischen Einrichtungen von erstaunlich hohem technischem Niveau. Da gab es riesige Badezimmer, Duschräume und Toiletten mit fließendem Wasser. Bewundernswert die Technik an sich, noch bewundernswerter aber die Haltbarkeit der Anlage. Man beseitigte den Schutt, und alles funktionierte wie vor fünf Jahrtausenden.
Die Epoche der Reinlichkeit währte Tausende von Jahren, bis in die ersten Jahrhunderte christlicher Zeitrechnung. Und es ist erstaunlich, welche merkwürdigen und häufig gegensätzlichen Taten den Ruf eines Menschen durch die Geschichte tragen. Caracalla war ein römischer Kaiser, der in die Geschichte einging, weil er erstens mit grausamer Hand regierte, zweitens im Jahre 217 n. Chr. an dem Dolch eines Empörers starb und drittens die berühmten nach ihm benannten Thermen erbaute: Bäder von neunzigtausend Quadratmetern Grundfläche. Ihr Hauptgebäude maß 220 zu 115 Meter und ermöglichte 2300 Badegästen, gleichzeitig warme, temperierte und kalte Bäder zu nehmen.
[61] Und eine Stadtchronik aus der Zeit des großen Konstantin – des späteren Gründers von Konstantinopel – erwähnt um das Jahr 300 in Rom mehr als 850 öffentliche Badehäuser.
Gewiß – diese Badepaläste gingen trotz ihrer Pracht als Stätten des Lasters in die Sittengeschichte der Menschheit ein. Und doch waren sie einst Tempel der Reinlichkeit und Hygiene.
Sie versanken mit dem Niedergang Roms, das seine Rolle an Byzanz abgeben mußte. Und der Einmarsch des Westgotenkönigs Alarich im Jahre 410 vollendete den Verfall. Einer nach Tausenden von Jahren zählenden Epoche der Reinlichkeit folgte ein »Jahrtausend des Schmutzes«. Das Mittelalter brachte die Zeit der großen Seuchen. Ärztliche Kunst erlag dem Wunderglauben. Während der Renaissance blieben die medizinischen Begriffe verworren. Und wenn Barock und Rokoko auch im Zeichen prunkvoller Garderoben standen – nicht einmal die Hofparfümeure vermochten trotz aller Erfindungskünste jener üblen Gerüche Herr zu werden, die sich ausbreiteten, da Puderschicht auf Puderschicht, Salbe auf Salbe, Parfüm auf Parfüm kam, ohne daß jemals ein reinigendes Bad die eigentliche Haut an das Licht der Sonne gebracht hätte.
[62] Und wenn wir uns diese Zustände in all ihren unerfreulichen Einzelheiten vor Augen halten, dann lieben wir jenen kleinen, blitzsauberen Raum mit den blanken Hähnen und dem makellosen Weiß der Wanne doppelt. Hier sind wir Menschen, zweimal täglich, morgens und abends – hier dürfen wir es sein. Unser Arzt wird uns bestätigen, daß ein tägliches Bad, und sei es auch nur unter der Dusche, die Erkältungsmöglichkeiten weitgehend einschränkt. Daß Wasser erfrischend, vorbeugend, heilend sein kann. Mit einem Wort, daß Hygiene der Schlüssel zur Gesundheit ist.
Wir sprachen vom spiegelnden Blank des Badezimmers. Wissen Sie, daß auch hier die Farbpsychologen erstaunliche Feststellungen getroffen haben? Daß man heute genau weiß, wie ein Badezimmer aussehen müßte? Wenn Sie zufällig gerade jetzt, da Sie diese Zeilen lesen, über die Farbgebung des Badezimmers Ihrer neuen Wohnung nachdenken sollten, dann merken Sie sich vielleicht folgendes: Seegrün bis Türkisblau symbolisieren zusammen mit Sonnen- bis Strohgelb die Zweiheit »Sonne und Wasser«. Wenn dagegen die Wände weiß sind, dann ruft das zwar Sauberkeitsvorstellungen hervor, nur sind dieselben mit Frostempfindungen gepaart. (Bade in Grün, sonst wirst du blau!) Behauptet das deutsche Institut für Farbenpsychologie. Gelb dagegen erzeugt »illusionäre Wärmewirkung«. Und wenn Sie ein übriges tun wollen, dann lassen Sie die Decke des Badezimmers ebenfalls sonnengelb tönen, was automatisch »naturfrohe Stimmung« erweckt.
Ich persönlich finde Schwarz am hübschesten (was mir sicherlich seitens vieler Hausfrauen ein mitleidiges Kopfschütteln eintragen wird, das durchaus berechtigt ist, denn sehr praktisch ist Schwarz gerade nicht).
Einigen wir uns also darauf, daß die Farbe Frage des persönlichen Geschmacks ist. Dagegen gelten im Bad eine Anzahl ungeschriebener Gesetze, über die man kaum noch verschiedener Meinung sein kann. Zu ihnen gehört in erster Linie das Gebot der blitzblanken Sauberkeit. Nichts wäre widersinniger, als Körperpflege an einem Ort betreiben zu wollen, der selbst erst einmal der Reinigung bedarf. Dieses Gesetz gilt für die Gesamteinrichtung, den Boden, die Wände, das Waschbecken ebenso wie für die zahlreichen Gegenstände, die der Hygiene dienen.
Wenn eine Wanne einen dunklen Schmutzrand hat, so beweist das nicht nur, daß der letzte Benutzer ein Bad dringend nötig hatte (was durchaus nicht immer eine Schande zu sein braucht), sondern zeigt auch, daß er wenig Sinn für Ästhetik besitzt und zudem gegenüber der Umwelt recht rücksichtslos zu sein pflegt. Dabei ist nichts einfacher, als die Wanne nach der Benutzung mit Hilfe der Brause, einer Bürste oder eines Lappens in jenen Zustand zu versetzen, in dem man selbst sie jederzeit vorzufinden wünscht. Auch das tägliche Bad, das Schmutz [63] im eigentlichen Sinne gar nicht aufkommen läßt, hinterläßt einen Rand des seifenhaltigen Wassers, der, einmal angetrocknet, schmutzähnlich und wenig schön aussieht.
Wir aber wollen jederzeit, auch in scheinbar unwichtigen Regionen, um die korrekte eigene Weit bemüht sein. Auf daß uns immer jenes unaufdringliche Fluidum umgebe, dem wir Beliebtheit und Erfolg verdanken (wenn wir derartige an sich selbstverständliche Rücksichtnahme schon nicht um ihrer selbst willen üben).
Das für die Wanne Gesagte gilt in gleichem Maße für das Waschbecken. Gewöhnen wir uns auch hier bereits zu Hause an peinliche Sauberkeit! Um so weniger werden wir bei anderen, deren Gäste wir sind, unangenehm auffallen.
Und damit kommen wir zur Seife. Man sollte meinen, über die Benutzung eines Stückchens Seife erübrige sich jede Diskussion. Man wäscht sich Hände, Gesicht, Körper – und damit gut. Irgendwelche »Verstöße gegen die Etikette« sind kaum denkbar, da doch Zweck und Handhabung dieses seit langer Zeit gebräuchlichen Reinigungsmittels eindeutig festliegen. Ein Trugschluß! Immer wieder läßt sich feststellen, daß wenigstens die Hälfte aller Menschen sich auch hier der Umwelt gegenüber wenig korrekt verhält. Indem sie nämlich die Seife benutzt und dann wieder in den Seifennapf zurücklegt, ohne sie zuvor unter dem Leitungsstrahl kurz abgespült und vom Schaum befreit zu haben. Dieser Schaum aber – der, wenn die Hände schmutzig waren, ebenfalls schmutzig ist – trocknet ein und bietet dann einen wenig erfreulichen Anblick für den nächsten. Und man weiß nie, ob es nicht einmal sehr wichtig sein kann, gerade von diesem Nächsten für einen allseits korrekten Menschen gehalten zu werden.
Deshalb sollte uns diese kleine Handbewegung, mit der wir die Seife unter den Wasserstrahl halten, zur Selbstverständlichkeit werden.
Und noch mit anderen Dingen wird gesündigt. Sicherlich waren Sie schon einmal zwecks Händewaschens in einem fremden Badezimmer. Und vermutlich haben Sie während dieser Prozedur erst einmal ein paar Sekunden mit Ihrem Spiegelbild kokettiert. (Nichts liegt – im wörtlichen Sinne – näher!) Und dann ist der Blick über all die Toilettenartikel geglitten, die da auf der Glasplatte unmittelbar vor Ihren Augen aufgebaut waren. Vielleicht haben Sie vorübergehend sogar mit dem Gedanken gespielt, ein paar Tropfen Kölnischwasser zu stiebitzen, das Sie ja zu Hause auch zu benutzen pflegen. Wie man eben so in Versuchung gerät. Und während man bereits zum Handtuch greift, gleitet der Blick fast unbewußt über diese kleine Ausstellung hygienischer Artikel. Ah – da liegt ja so eine Draht-Haarbürste, wie ich sie mir immer schon einmal kaufen wollte. Und Haarwaaser nimmt er auch. Sicherlich er – denn sie hat Dauerwellen. Und so registriert das Unterbewußtsein, ohne daß wir uns viel dabei [64] denken. Bis man plötzlich hellwach wird. Der Blick hat die Zahnputzgläser bzw. die Wandhalter mit den Zahnbürsten erfaßt. Und eben diesen Zahnbürsten sieht man an, daß sie zwar benutzt, selbst jedoch höchst mangelhaft gereinigt werden. Ersteres ist erfreulich, letzteres unappetitlich.
Fehlt nur noch, daß Kamm und Bürste Spuren eines ebenso sorglosen Gebrauchs zeigen und den Handtüchern die nötige Frische (sprich: Weiße) fehlt – dann hat man plötzlich ein ungutes Gefühl. Und ungute Gefühle sind selten gut, das besagt schon der Name. Trifft man derartige Beobachtungen bei einem Vorgesetzten, dann mindert sich die Ehrfurcht. Ist es ein Untergebener, dann setzt leises Mißtrauen ein (»Wenn der im Dienst auch so schlampig ist wie zu Hause ...«), und bei einem guten Freund macht sich augenblicklich ein leises Gefühl der Enttäuschung bemerkbar.
Ist das nötig? Ist die Sauberhaltung der Zahnbürste, der Zahnputzgläser, der Seife, des Kamms, der Haarbürste, des Handtuchs so schwierig? Handtücher werden nun einmal schnell schmuddelig. Und sollten deshalb häufig gewechselt werden, und zwar, wenn es nötig, und nicht erst, wenn eine Woche um ist. Besonders dann, wenn Gäste kommen. Ein »Hand«-Tuch bleibt länger sauber, wenn neben der Seife auch eine Handbürste liegt und regelmäßig benutzt wird. Dann erst verschwinden Staub und Schmutz der Hände wirklich unter dem fließenden Wasser im Abfluß, während sie sonst im Handtuch landen. Worüber weder der Nachkommende noch die Hausfrau sonderlich begeistert sind.
Zur »Standardausrüstung« des Bades gehören ferner – und zwar so, daß sie auch den Gästen zugänglich sind – ein Nagelreiniger, eine Nagelfeile und eine Hautschere. Nicht jeder trägt ein kleines Taschenmanikürezeug bei sich.
Wenn nun noch die Körpertücher sauber und ordentlich auf den Handtuchhaltern hängen, der Spiegel keine Spritzer hat und freundliche Vorhänge jede Einsicht von außen unmöglich machen, dann ist das Bad jene Stätte, die es sein sollte: der Altar, an dem wir der Göttin Hygieia gedenken.
Man kann über das Bad nicht reden, ohne auch ein Wort über die Toilette zu sagen. Halten wir es mit dem liebenswürdigen Spötter Heinrich Spoerl und »sprechen wir ruhig darüber!« Heikle Themen erledigen sich nicht von selbst, indem man sie totschweigt. Und dieser kleine Raum bleibt nun einmal trotz seines nicht gern diskutierten Zwecks eine Visitenkarte auch der bescheidensten Wohnung. Dabei genügen anderthalb Quadratmeter völlig, um das Clo, eventuell die Zentralheizung, das unerläßliche Waschbecken, den Handtuchhalter und einen Spiegel aufzunehmen. Boden und Wände sind mit Fliesen ausgekleidet, die die Reinigung äußerst einfach machen. Der Toilettenpapierhalter sollte – das ist die Empfehlung eines Rauchers – oben als Aschenbecher ausgebildet sein.
[65] Keinesfalls fehlen dürfen eine Stielbürste sowie jener mit Handgriff versehene Apparat, der der Sauberhaltung des Sitzes dient. Diese Utensilien sind unerläßlich, denn an diesem Ort – den sogar gekrönte Häupter zu Fuß betreten müssen – ist jeder für Reinlichkeit verantwortlich. Die Beseitigung irgendwelcher Benutzungsspuren von Dritten – und sei es auch das Hauspersonal – verlangen, hieße das Gesetz der Menschenwürde mißachten.
Und noch ein Hinweis sei erlaubt: Während und nicht erst nach der Benutzung wolle man sich der berühmten Kette bedienen. Dieses Gesetz gilt um so eiserner, je kleiner und hellhöriger die Wohnung ist. Danken wir der Technik, daß sie uns mit der Wasserleitung ein Mittel zur diskreten Neutralisierung unerwünschter Geräuschkulissen in die Hand gegeben hat. Womit Deutliches undeutlich, doch hoffentlich nicht unmißverständlich angedeutet werden sollte.
Am Fenster wird zweckmäßigerweise eine Lüftungsklappe angebracht sein, die ständig Frischluft zuführt. Sehr gute Dienste leistet auch ein Luftreiniger, der für wenig Geld erhältlich ist.
»Räucherwerk« zur Vertreibung übler Gerüche war übrigens schon früher in Gebrauch. Nur – damals half es wenig. Die geheimnisvollen Erker, die an Bauten des 18. Jahrhunderts zuweilen noch unsere Aufmerksamkeit erregen, waren nichts anderes als Aborte, die man einfach aus der Hauswand herausgebaut hatte. Erstaunlicherweise regte das »Odeur«, die stete Begleiterscheinung dieses allgemein üblichen Verfahrens, zu keiner anderen Lösung an. Versitzgruben und Abflußrohre, seit Jahrhunderten bekannt, waren in Vergessenheit geraten. Statt ihrer versuchte man die Geruchsnerven mit Räucherwerk zu schonen. Eine Zeitchronik berichtet, daß am Hofe der Königin Elisabeth von England – der »jungfräulichen Königin«, die ihre Halbschwester Maria Stuart hinrichten ließ – die Pagen mehr als einmal ohnmächtig geworden seien, obwohl man große Mengen Wacholder verbrannt hatte, um die Luft einigermaßen erträglich zu gestalten.
Beschließen wir den kurzen Abstecher in die Kulturgeschichte mit einer anderen degoutanten Erinnerung, die uns jedoch die kleinen und allzu menschlichen Pflichten um so leichter erledigen lassen wird: Am Hofe von Versailles tat man nichts anderes, als es bereits Generationen zuvor getan hatten: jedermann benutzte, wann immer er ein kleines Bedürfnis verspürte, ungeniert den – Kamin.
Da wir uns nun ein wenig ausführlicher über das Badezimmer und seine notwendige Ausstattung unterhalten haben, darf ich vielleicht noch auf ein kleines Schränkchen hinweisen, dessen Vorhandensein zwar nichts mit »Etikette« zu tun hat, dennoch aber zur korrekten eigenen Welt gehören sollte – aus Gründen[66] der Zweckmäßigkeit in dringenden Fällen: Die Hausapotheke. Verhältnismäßig wenig Menschen wüßten, wenn man sie auffordern würde, sich eine Hausapotheke zusammenzustellen, was dieses Schränkchen enthalten sollte. Und so habe ich denn einen guten ärztlichen Freund um eine Aufstellung jener Mittel und Medikamente gebeten, die zur ersten Unfallhilfe oder gegen kleine, ungefährliche Anfälligkeiten notwendig sind.
Verbandstoffe und Hilfsmittel für Verletzungen
Sterile WatteSchere
Sterile GazePinzette
MullbindenSicherheitsnadeln verschiedener Größe
BrandbindenFieberthermometer
ElastischeBinden Hansaplast
Heilmittel für äußeren Gebrauch
Jodtinktur (für offene Wunden)
Wundpuder (für feuchte Wunden)
70%igen Alkohol (für Umschläge bei Entzündungen)
Wundbenzin (für Wundränder-Reinigung)
Essigsaure Tonerde (für Umschläge)
Lysoform oder Sagrotan (zur Desinfektion)
Wasserstoffsuperoxyd oder Mallebrin (zum Gurgeln bei Halsentzündung)
Schnupfensalbe
Frostsalbe
Lebertran-Heilsalbe
Heilmittel für den inneren Gebrauch
Mittel für Schwitzkuren, gegen Fieber
Mittel gegen Kopf- und Zahnschmerzen
Mittel gegen Grippe
Mittel zur Verhütung von Halsentzündungen
Mittel gegen rheumatische Schmerzen
Baldriantropfen (zur Herzberuhigung)
Abführmittel (gegen Verstopfung)
Tierkohle (gegen Durchfall)
Kamillentee (gegen Magenkolik)
Pfefferminztee (gegen Leibschmerzen)
Brusttee (gegen Husten)
Bullrichsalz (gegen Sodbrennen)
Das alles wird schön säuberlich in dem Hausapothekenschränkchen untergebracht. Und das Schränkchen wird verschlossen, sobald Kinder im Hause [67] sind, auf die buntbeschriftete Schachteln und Fläschchen eine magische Anziehungskraft ausüben. Achten wir schließlich darauf, daß alle Aufschriften dem tatsächlichen Inhalt entsprechen!
So – und damit ist unser erster Bummel durch die Wohnung beendet. Wir sind uns doch, hoffentlich, noch immer einig über gewisse Ordnungsprinzipien. Über Gesetze der Sauberkeit, der Korrektheit, der Ästhetik, der Rücksichtnahme – eben der inneren wie der äußeren Ordnung. Das soll nicht heißen, daß man nur so und nicht anders wohnen könne.
Natürlich kann man. Man kann die Zimmer anders einrichten. Und als ich bei der gemütlichen Ecke des Wohnzimmers von einer breiten Couch sprach, wußte ich sehr wohl, daß man mir vielleicht entgegenhalten würde, es sei eine Qual, auf der Kante so eines Möbels sitzen zu müssen – ohne Lehne.
Muß man ja gar nicht. Man kann sich ruhig zurücklehnen, wenn man nicht gerade der Jüngste und »Rangniederste« ist. Oder zwischen zwei würdigen Damen sitzt (aber die sitzen ohnehin im Sessel). Oder von seinem Vorgesetzten eingeladen wurde. Oder einen Antrittsbesuch macht und versehentlich dorthin placiert wurde, was wiederum unwahrscheinlich ist. Außerdem gibt es Kissen.
Es gibt auch richtige Sofas. Schmaler und damit bequemer für offizielles Sitzen. Dann aber kaum noch in provisorische Schlafstätten zu verwandeln.
Der Stil sollte umrissen werden. Nicht im antiken Sinn, sondern im Sinne derer, die da wohnen. Der Stil der Persönlichkeit. Und deshalb mögen mir die weiblichen Leser verzeihen, wenn sie auf Dinge stoßen, die offensichtlich mit den Augen eines Mannes gesehen sind. Und nicht mit den Augen einer Frau.
»Mit den Augen einer Frau« – ein Roman von Zsolt von Harsanyi. Nun ja. Immerhin – damit sind wir bei Büchern. Und man kann mir vorwerfen, daß ich gegen glasverkleidete Bücherschränke sei. Aber das ist nur eine sehr persönliche Meinung, der man sich durchaus nicht anzuschließen braucht. Immerhin bin ich recht froh, zu wissen, daß auch recht bekannte, kluge Leute etwas gegen das Einsperren von Büchern haben. Daß sie dem sachlichen hausfraulichen Hinweis auf den Staub das Wort eines berühmten Mediziners entgegenhalten: »Staub, der liegt, schadet nicht.«
Man könnte ganze Bücher über Bücher schreiben. Über den Umgang mit Büchern, über die Art, sie aufzubewahren, zu behandeln, zu beurteilen und zu lesen. Doch wäre das nur eine Einzelmeinung, denn jeder liest nach anderen [68] Gesichtspunkten. Jeder hat zu Gedrucktem ein anderes Verhältnis. Dem einen ist es Schlüssel zur Welt, zur geistigen, zur geographischen oder zur Umwelt. Dem anderen ist es der Hammer, mit dem er die Zeit totschlägt.
(Apropos: Ein gewisser Mr. Le Tourneau hat einmal gesagt, Zeit könne man am besten totschlagen, indem man sie zu Tode arbeitete.)
Ob Johann Gensfleisch von Gutenberg, der nach zwanzigjährigem Experimentieren 1450 in Mainz eine Druckerei eröffnete, geahnt hat, daß seine Erfindung den Boden bereiten würde für eine neue Lebensform? Nun endlich konnte das gesprochene Wort durch das gedruckte ersetzt werden. Es wuchs die Kunst des Lesens und Schreibens. Jetzt galt, was Siebel in der Schülerszene von Goethes Faust in die Worte kleidete: »Denn, was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.« Gewaltig, verführerisch und nicht ganz ungefährlich waren die neuen, größeren Möglichkeiten der Meinungsbildung. Das Wort begann zu regieren – der Mensch aber, der einst leiblich hinter diesem Wort stand, trat zurück. Das gedruckte Wort nahm seinen nicht immer segensreichen Einfluß, auf die höchste Obrigkeit nicht weniger als auf das Individuum. Aus dem Vertrauen in die Ehrlichkeit eines Handschlages wurde der Glaube an die Gültigkeit des Buchstabens.
Der Glaube aber wurde im Verlauf der Jahrhunderte immer häufiger erschüttert.
Drei Männer wohl waren es, die der Epoche der Neuzeit ihr entscheidendes Gesicht gaben: Kolumbus, der auf vier Expeditionsreisen das Weltbild erweiterte, Luther, der Reformator, und – Johann Gensfleisch, der Buchdrucker.
Und so sind denn Bücher etwas Schönes. Sie regen an, auf oder ab. Vermitteln, festigen oder korrigieren Wissen. Und schenken, selbst wenn sie schlecht sind, zumindest noch das Gefühl der Überlegenheit.
Nach welchen Gesichtspunkten ordnen Sie Ihre Bücher?
Nach der Größe, der Farbe des Einbandes, nach den Autoren, nach dem Stoff? Nach dem Alphabet, der Reihenfolge ihrer Anschaffung – oder überhaupt nicht?
Man kann praktisch jedes Grundsystem verteidigen. Ich bin, wenn ich zum ersten Male zwischen fremde Bücher gerate, immer furchtbar neugierig, ob sich ein System entdecken läßt. Da fällt der Blick zum Beispiel – das passierte mir neulich – auf Christian Morgensterns »Stufen«, eine Sammlung von Tagebuchnotizen und Aphorismen des grotesk-melancholischen Lyrikers. Man denkt unwillkürlich: »Sieh da!« (Wenn es die »Galgenlieder« gewesen wären – Sie wissen doch: der auf Terrassen hockende Schnupfen, das sich selbst gutenachtsagende [69] Mondkalb, das reimbesessene, inmitten Bachgeriesel auf einem Kiesel sitzende Wiesel und so weiter – bei den »Galgenliedern« also hätte man gedacht: »Natürlich!«) Denn »Stufen« – das ist der andere, weniger bekannte, weniger zitierte und doch so tiefe Morgenstern. Und man wird neugierig. Was steht daneben? »Das Sonnengebet« – Joga-Übungen für jedermann von Shrimant Pratinidhi. Das vierte philosophische System des Hinduismus, die Technik der Askese, als Lehrbuch. Neben Morgenstern. So weit entfernt und doch so dicht beieinander. Und dann? Ein Kriminalroman von Leslie Charteris. Jetzt murmelt man: »Nanu?«
Doch des Staunens kein Ende. Da steht Schenzingers »Abitur am Niagara« und daneben Hans-Joachim Störigs »Kleine Weltgeschichte der Philosophie«. Und so bunt geht es weiter. Goethes Gespräche mit Eckermann neben dem »Pentateuch«, den fünf Büchern der Weisung. Ernst Feders geschliffene »Begegnungen« neben Robert Jungks »Die Zukunft hat schon begonnen«. Gunter Grolls »Magie des Films« lehnt sich an »Götter, Gräber und Gelehrte« von Ceram. Und »Bambi« von Felix Salten fürchtet sich nicht im geringsten unter dem Schatten der »Gotischen Kathedralen in Frankreich«.
Oberwelt, Umwelt und Unterwelt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – nebeneinander, auf gleicher Stufe. Und das alles Hunderte, Tausende von Malen.
Im Hintergrund der Hausherr. Vergnügt schmunzelnd und jeden zweifelnden Gedanken von der gerunzelten Stirn des Betrachters mit stiller Heiterkeit ablesend.
»Sie vermissen das System? – Mein System ist die Systemlosigkeit! Meine Bücherregale sind wie die Auslagen eines anspruchsvollen Delikatessengeschäftes. So wie wir dort entlangbummeln und uns vom Geschmackszentrum beraten lassen, so lasse ich Tag für Tag die Titel der Bücher, völlig wahllos, auf mich einwirken. Und wähle nach dem jeweiligen geistigen Appetit. Diese Art der Auswahl hat viel für sich, glauben Sie mir.
Früher herrschte bei mir ein System peinlicher Ordnung. Da kam zunächst das Konversationslexikon. Dann folgten die Sprachwörterbücher. Und dann kamen die Klassiker. Angefangen bei Griechen und Römern. Von Aischylos, Aristophanes und Euripides über Homer, Sappho, Catull, Vergil, Horaz und Ovid zu den Italienern. Von Dante, Petrarca und Boccaccio bis zu Alessandro Manzoni, der fünfhundert Jahre nach dem Schöpfer des ›Decamerone‹ lebte. Dann folgten die Spanier, von Cervantes ›Don Quijote‹ bis zu Calderons ›Richter von Zalamea‹. Und dann kamen wir, die Deutschen. Von Bettina von Arnim über Goethe, Kleist, Novalis, Schiller bis zu Adalbert Stifter. Neben uns die Franzosen. Die begannen mit Balzac und Baudelaire, André Gide stand etwa in der[70] Mitte, und ganz rechts beendeten Paul Valéry und Arouet de Voltaire die Parade französischen Geistes.
In einem weiteren Schrank folgten dann die Engländer. Francis Bacon am einen, Bernard Shaw am anderen Ende. Auch die Russen fehlten nicht: Dostojewski und Gogol, Puschkin und Tolstoi, Turgenjew und Tschechow.«
Der Hausherr deutete in eine Ecke des großen Raumes.
»Sehen Sie – von dort aus konnte man einen Ausflug in die schillernde Welt des Geistes machen. So nach meinem System. Schritt für Schritt. Da stand zunächst einmal jene Literatur, die sich mit dem Menschen befaßt. Da standen ›Der Mensch‹ von Fritz Kahn und ›Der Mensch‹ von Arnold Gehlen gewissermaßen Rücken an Rücken. Zusammen mit den ›Charakteren‹ von Theophrast nahmen sie die ›Physiognomischen Fragmente‹ Lavaters in ihre schützende Mitte. Und Pestalozzi stand neben David Hume, und ich fragte mich immer, was der Engländer wohl gesagt hätte, wenn ihm Gustave le Bons ›Psychologie der Massen‹ in die Hände gekommen wäre. Natürlich hatte auch Freud in jener Region seinen Platz, direkt neben Ernst von Aster, die beide die Psyche analysierten, wenn auch aus verschiedenen Blickwinkeln.
Natürlich durfte auch ein bißchen Heilkunde nicht fehlen. Sie lenkte über zu Religion, Philosophie und fernöstlicher Dichtung. Albert Schweitzer fand man dort, Blaise Pascal, Franziskus von Assisi, Friedrich Schleiermacher und noch einige andere. Klassische Philosophen ebenso wie moderne. Aristoteles, Heraklit und Epikur, Erasmus von Rotterdam, Baruch Spinoza und Rousseau, Schopenhauer, Kierkegaard und Nietzsche. Und – ganz logisch – schlossen Jaspers und Sartre, Bertrand Russell und Martin Heidegger diesen Kreis. Der ferne Osten war vertreten durch eine ›Lyrik des Ostens‹ und ›Die Reden Buddhas‹, durch ›Das Tibetanische Totenbuch‹ und den ›Turm der fegenden Wolken‹. Nicht einmal ›Tao Te King‹ fehlte, das Buch vom Sinn und Leben, das Laotse vor zweieinhalb Jahrtausenden schrieb.
Muß ich Ihnen«, fuhr der Hausherr fort, »noch sagen, daß die Romane ebenso sorgfältig gegliedert waren? Nach Nationalitäten? Daß auch die Kunst ihren festen Platz hatte?«
»Kaum«, erwiderte ich. »Aber – warum sind Sie von dieser mustergültigen Ordnung abgekommen?«
»Weil die Maler da waren, als ich gerade verreist war! Natürlich hatte mir meine Frau von den Renovierungsplänen nichts gesagt, wohl weil sie die feste Absicht hatte, alles wie gehabt wieder einzuräumen. Nun – die Maler fingen zwei Tage später als versprochen mit ihrer Arbeit an, und ich kam drei Tage zu früh von der Reise zurück. Etwa zwei Stunden vor meinem Eintreffen rief ich [71] zu Hause an und vernahm nur ein gestammeltes ›Ach du lieber mein Gott ...!‹, was mich ob seiner ungewöhnlichen Formulierung einigermaßen erstaunte.
Als ich dann zu Hause eintraf, wurde mir alles klar. Die Gute hatte 1134 Bücher in knapp zwei Stunden eingeräumt. Wie man sie ihr zugereicht hatte. Sehen Sie – und so stehen sie heute noch. Jeden Tag entdecke ich etwas Neues, nur weil es an einem anderen Platz steht. Selbst in dem Bücherregal neben meinem Bett finde ich jetzt nicht mehr wie vorher Literaturgeschichte, mit der ich mich als passionierter Bettleser abends immer eine Stunde lang zu beschäftigen pflegte. Auch dort steht jetzt alles durcheinander. Und ich finde es außergewöhnlich reizvoll. ›Tagebuch eines Landpfarrers‹ von Bernanos neben Stendhals ›Rot und Schwarz‹. Knaurs Schachbuch neben Selma Lagerlöfs ›Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgerson‹ und Dschuang Dses ›Wahres Buch vom südlichen Blütenland‹ neben Edgar Wallaces ›Frosch mit der Maske‹. Ist es da nicht ein fast symbolischer Zufall, daß sich mitten hinein ›Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke‹ geschlichen hat ...?«
Dieser Mann hatte das, was belesene Leute den »Anstand vor Büchern« nennen. Er liebte sie, und es schien, als erwiderten sie seine Liebe. Er gestattete ihnen, sich im Spiel des Zufalls ihren Platz zu wählen, und sie dankten ihm diese Freiheit, indem sie sich ihm täglich in neuer, bunter Vielfalt darboten.
[72] Und so wollen wir denn die Frage »System oder Systemlosigkeit?« jenseits jeder Etiketteregel entscheiden. Völlig nach eigenem Geschmack, lediglich diktiert von den persönlichen Ambitionen. Dem einen mag es darauf ankommen – vielleicht aus beruflichen Gründen –, jedes seiner Bücher in Sekundenschnelle zu finden. Der andere legt nicht den geringsten Wert darauf, daß Schiller neben Goethe steht. Und doch sind beide glücklich. Jener, weil seine Bücher ständig, man möchte sagen, Wachtdienst halten – dieser, weil er es lustig findet, statt in Dreyers »Amerikanischer Tragödie« am Ende in Flauberts »Madame Bovary« zu schmökern.
Für beide aber gilt das Wort Erasmus' von Rotterdam: »Nicht diejenigen haben Bücher sehr lieb, welche dieselben unberührt in ihren Schränken aufbewahren, sondern welche sie Tag und Nacht in Händen haben, und daher beschmutzet sind, Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.«
Und wir wollen nur eines nicht vergessen – auch diese Regel hat eine Ausnahme: sie gilt nicht für geliehene Bücher ...
Bücher sind gute Freunde. Bilder sind es nicht minder. Dennoch: Vorsicht mit Bildern! Nicht, daß sie einem auf den Kopf fallen könnten. Das passiert vorwiegend in unlustigen Lustspielfilmen und heißt in der Filmsprache »Gag«. Aber sie können erdrückend wirken. Was bildlich gemeint ist.
Wenn sie nämlich nicht mit der übrigen Raumeinteilung harmonieren.
Oder wenn sie am falschen Platz hängen.
Und, natürlich, wenn sie schlecht sind.
Wie vermeidet man derartige Disharmonien?
Das ist gar nicht so schwer. Ein Drittel Gefühl, ein Drittel Geschmack und ein Drittel Verstand genügen zumeist, um grobe Fehler zu vermeiden.
Man weiß, daß helle, einfarbige Wände jeden Raum größer erscheinen lassen. Und das kann grundsätzlich nicht schaden in einer Zeit, da Wohnraum knapp und somit beschränkt ist. Helle Wände aber sind wiederum der beste Hintergrund für Bilder. Stellen Sie sich einmal vor, Renoirs »Nach dem Bade« hinge vor einer heiter-bunt gemusterten Tapete! Was bliebe übrig von den fast durchsichtigen, hauchzarten Farben des großen französischen Impressionisten?
Die Zeit, da man die Wände so farbenfreudig wie möglich tapezierte, dann mit kostbaren Gobelins schmückte und auf diese noch Bilder hängte, ist vorüber. Ein Glück! Wir haben mehr Geschmack als unsere Altvorderen, denen es weniger um wirkliche Schönheit ging als um Demonstration des Besitzes.
[73] Wenig – das Wenige aber richtig aufhängen! Ein größerer Fleck kann zuweilen mit nur einem Bild wesentlich stilvoller und harmonischer wirken als mit einer ganzen Galerie.
Welche Technik? Öl, Tempera, Aquarell, Federzeichnung, Radierung, Holzschnitt, Linoldruck? Welche Motive? (»Sujets« würde der Franzose sagen.) Porträt, Landschaft, Gegenständliches? Welche Kunstrichtung? Klassisch, romantisch, impressionistisch, kubistisch, expressionistisch, abstrakt, surreal?
(Picasso stand eines Tages vor einem seiner neuesten Werke und schüttelte mißbilligend den Kopf: »Die Nase ist hundsmiserabel«, murmelte er vor sich hin. »Dann ändere sie doch!« riet ein Freund. »Leicht gesagt«, seufzte der geniale Schelm, »ich finde sie doch nicht mehr!«)
Bilder sind so verschieden wie Menschen und Menschen so unterschiedlich wie Lebensräume. Da gibt es kein seligmachendes Rezept, sondern nur die Entscheidung der Persönlichkeit. Vielleicht sollte man den Ausspruch einer kürzlich verstorbenen Malerin beherzigen: Bilder müssen den Blick jeden Tag erneut magisch anziehen, und an jedem Tag muß man eine neue, unbekannte, liebe Stelle in ihnen entdecken!
Da ist auch die Frage »Original oder Reproduktion?« – Warum sollte man sie nicht zugunsten des Druckes entscheiden, wenn einem das Original versagt bleiben muß? Goya, der größte spanische Romantiker, hat seinen verdienten Platz im Louvre. Und doch kann er uns täglich erfreuen, wenn wir uns nämlich einige seiner wunderbaren Graphiken als Drucke an die Wand hängen, mögen es nur zeitsatirische Aquatintablätter der »Caprichos« oder einige Blätter der »Disparates« sein. Glauben Sie nicht, daß es einen kunstverständigen Besucher angenehm berührt, wenn er Ihre Wohnung betritt und auf diese überzeugenden Beweise der Liebe zu guten Bildern stößt? Sogar die berühmte »Maja« wird dann erschwinglich. (Goya malte sie zweimal – einmal bekleidet und einmal als Akt.)
Überhaupt eröffnet die neuerdings bis zur Vollendung entwickelte Kunst der Reproduktion erfreuliche Perspektiven. Ermöglicht sie uns doch das stete Zusammensein mit Kunstwerken von Weltruhm. Degas' Tänzerinnen, Renoirs Landschaften, Manets »Olympia«, Lithographien von Käthe Kollwitz oder Max Slevogt – es gibt so vieles, wofür man sich begeistern könnte. Und wem die Klassiker nicht liegen, nun, der gehe in eine der modernen Kunstausstellungen und schaue sich um. Doch in Ruhe! Denn Bilder sollen länger erfreuen als Krawatten. Nicht was modern ist, muß dauernd gefallen. Nur was dauernd gefällt, macht ein Leben lang Freude. Und das sollen Bilder!
Ein Wort noch zur Frage der Bildbegrenzung, zum Rahmen. Seine Aufgabe ist [74] nicht aufzufallen, sondern das Bild in sich abzuschließen und als geschlossenes Ganzes harmonisch in die Umgebung einzubeziehen.
Wir kennen das Passepartout, jenen weißen oder dezent getönten Papierrand, der ein Bild vom Rahmen trennt. Er ist unerläßlich bei Aquarellen, Graphiken, Radierungen und Zeichnungen. Bei Ölgemälden dagegen verzichtet man auf ihn.
Der Rahmen soll im allgemeinen in einem gesunden Größenverhältnis zum Bild stehen. Ausnahmen bilden vielleicht kleine Ölgemälde alter Meister, deren Wirkung durch einen schweren Rahmen unter Umständen erhöht werden kann.
Rahmen, die nach außen abfallen, heben uns das Bild entgegen und nehmen ihm die Tiefe. Wenn das Rahmenprofil dagegen zum Bild hin abfällt, erhöht sich der Eindruck räumlicher Weite. Man wird also beispielsweise Porträts nach dem ersten, Landschaften dagegen nach dem zweiten System rahmen.
Vielleicht darf ich aus eigener Praxis hinzufügen, daß es mir auch heute noch Freude macht, mir die Rahmen selbst zu gestalten (soweit es sich um neue Bilder handelt). Ein guter Tischler wird uns jedes gewünschte Rahmenprofil herstellen, und die Farbgebung besorgen wir eigenhändig, wenn wir den farblich sicheren Blick dafür haben. Da im allgemeinen der Hauptfarbwert des Bildes dem des Rahmens gleichen sollte, wählt man immer mehr lichte Tone. Sie müssen keineswegs rein sein. So kann zum Beispiel zu einem kräftig getönten Aquarell oder Temperabild (Tempera weist besondere Leuchtkraft auf) ein weißer Rahmen mit kleinen Goldspuren (das Gold mit trockenem Pinsel auftragen!) einen reizvollen Gegensatz bilden.
Das alles können natürlich nur Hinweise und Vorschläge sein, aber vielleicht brachte es Sie auf die Idee, sich all Ihre Bilder wieder einmal gründlich anzusehen. Vielleicht hängen Sie dieses an einen anderen Platz, geben jenem einen neuen Rahmen und anderen neue Passepartouts. Wer weiß – vielleicht ändert sich plötzlich das Gesicht Ihres ganzen Zimmers? Denn auch hier haben, wie so oft, kleine Ursachen große Wirkungen.
Übrigens: Eine Art von Bildern wollen wir nach Möglichkeit nicht aufhängen – unsere eigenen Fotografien.
Lampen, Lüster, Leuchter: Ein guter Freund von mir ist Fotograf. Ein Mann mit einem begnadeten Blick für Motive, wo gar keine zu sein scheinen. In Amerika ebenso bekannt wie bei uns. Dazu mit einem selten trockenen Humor begabt. Wir verstehen uns glänzend. Nur in einem Punkt streiten wir uns immer [75] wieder – in der Frage des Helligkeitsgrades, den ein Zimmer haben muß, wenn man sich »gemütlich« unterhalten will. Sowie er die Wohnung betritt, besteht er dar auf, daß alle Deckenbeleuchtungen eingeschaltet werden. »Ich will meine Umwelt nicht ahnen – ich will sie sehen, so deutlich wie möglich!«
Vermutlich hängt das mit seinem Beruf zusammen.
Von mir aus brauchte es nämlich in Wohn- und Eßzimmern überhaupt keine Deckenbeleuchtungen zu geben. Sie sind mir zu hart. Dagegen tauchen indirekte, an verschiedenen Punkten des Zimmers angebrachte Lichtquellen den Raum, seine Einrichtung und die Anwesenden in ein weiches, streichelndes Licht. Und es dürfte feststehen, daß eine schöne Frau im zarten Schimmer indirekter Beleuchtung noch reizvoller aussieht als im harten Glanz direkten Lichtes.
Natürlich kann man über den Gusto nicht disputare. Und doch ist es Tatsache, daß direktes, noch dazu weißes Licht kalt wirkt. Sachlich und beinahe diskussionshemmend. Mit einem Wort: nicht sonderlich gemütlich.
Vielleicht muß an der Decke ein Beleuchtungskörper hängen, weil der Stil des Raumes es verlangt. Es gibt da zum Beispiel alte Lüster, die bezaubernd wirken und sich harmonisch in ein Zimmer einfügen, in dem schöne Antiquitäten stehen. Und doch kommt es vor, daß eben dieser Lüster an Wirkung verliert, wenn man ihn einschaltet, während er sehr gut an Wirkung gewinnen könnte, wenn er sich darauf beschränkt, andere Lichtquellen in seinem geschliffenen Glas zu spiegeln.
Das grelle Licht elektrischer Kerzenbirnen sollte man stets mit kleinen Schirmchen dämpfen.
Ein Raum kann durchaus genügend erhellt sein, ohne daß eine direkte Deckenleuchte brennt. Da steht etwa in der einen Ecke eine hübsche Stehlampe, deren Schein indirekt wirkt und gemildert wird, weil er gegen die Wand oder zur Decke gerichtet ist. An einer anderen Stelle hängt eine alte Messingblake, deren Wachskerze neben ihrem dekorativen auch einen nützlichen Zweck hat. Sie verzehrt den Rauch.
Auf einem Schreibtisch oder Sekretär könnte wiederum eine andere Lichtquelle stehen, etwa eine vollbauchige Leselampe mit pastellfarbenem Seidenschirm.
Und wer sich von Zeit zu Zeit in kleinen Antiquitätenläden umschaut, entdeckt immer wieder zu durchaus erschwinglichen Preisen Dinge, die ebenso hübsch wie originell sind. So beneide ich beispielsweise einen befreundeten Maler glühend um ein Etwas, das ihm neulich auf einem Trödlermarkt in die Hände fiel und über Nacht eines der reizvollsten Stücke seiner Bibliothek wurde: eine Original-Stallaterne Friedrichs des Großen. Sie steht jetzt, mit einer Kerze versehen, auf [76] einem Bücherschrank und beschwört fast fühlbar die Atmosphäre von Gesprächen, wie sie der Alte Fritz und Voltaire in Sanssouci geführt haben mögen. Obwohl die Laterne einst in einem Stall hing.
Heizungskörper, Öfen und Kamine sollten mehr als nur Wärme spenden. Sie sollten den Reiz eines Zimmers, seine persönliche Note, dezent unterstreichen. Das ist weder schwer noch sonderlich teuer. Es erfordert lediglich ein wenig Nachdenken oder – wenn solches nichts fruchtet, was zuweilen vorkommen soll – den Rat eines Innenarchitekten. Dieser Innenarchitekt kann sehr wohl weiblichen Geschlechtes sein, denn Frauen haben gerade in Fragen einer gemütlichen Atmosphäre eine glückliche Hand. Und Wohnungen, insbesondere schöne, reizvolle Wohnungen sind nun einmal Domäne der Frau.
Natürlich sind Zentral- und Warmluftheizungen unendlich bequem. Sie werden vom Keller oder der Küche aus versorgt, und wenn man mit ihnen umzugehen weiß, spenden sie eine angenehme, gleichmäßige Wärme. Ein geschickter Tischler vermag sie mit Holzgittern formschön zu verkleiden, so daß die etwas nüchternen Rippen der Zentralheizung auch ein empfindsames Auge nicht stören.
Wie aber, wenn wir uns mit einer Ofenheizung begnügen müssen?
Nun, auch Öfen können sehr hübsch aussehen. Allen voran der von einem Ofensetzer den Raumverhältnissen entsprechend aufgestellte Kachelofen. Und welche Möglichkeiten bietet das Spiel mit den Kacheln, jenen gebrannten Tonplatten, die weiß oder bunt glasiert, glatt oder rauh gemustert sind. Haben Sie schon einmal auf der Ofenbank des Kachelofens einer schwäbischen Bauernstube gesessen? Wenn ja, dann werden Sie verstehen, warum sich neuerdings diese im Bauernstil errichteten Öfen immer größerer Beliebtheit erfreuen: sie schaffen eine Atmosphäre der Behaglichkeit, die kaum zu übertreffen ist.
Und wer etwas besonderes Hübsches haben will, der lasse sich den Ofen mit Delfter Kacheln setzen. Delft, eine Stadt in der Nähe Den Haags. War um 1700 herum berühmt für ihre Fayenceindustrie, die auch heute noch in Blüte steht.
Ein Wort über Kamine.
Wenn die Lampen erloschen sind, die Buchenscheite prasseln, ein würzigherber Duft durch den Raum zieht und flackerndes Licht sich im matten Glanz gefüllter Gläser spiegelt – wenn Sie sich bequem in einen Ohrensessel oder einen tiefen Fauteuil sinken lassen – dann, Freunde, dann sprühen nicht nur die Funken im Kamin, sondern auch die des Geistes. Wes Kopf hier leer bleibt, der ist ein [77] Stiefkind der Natur. Hier schwingt sich der Geist empor zu höheren Ebenen. Probieren Sie es! Greifen Sie nicht nur zum Glas – greifen Sie auch zum Kaminbesteck. Stochern Sie gedankenverloren mit der Zange in den Scheiten, und Sie werden plötzlich begreifen, warum Beethoven die »Wut über den verlorenen Groschen« komponierte, Sie werden erkennen, daß Schopenhauer einiges gegen Lord Byron haben mußte. Daß Louis Armstrong singen kann, obwohl er gar keine Stimme hat. Und daß auch Edgar Wallace kombinatorische Schnitzer beging.
Bei uns gelten Kamine noch immer als Luxus. Dabei ist ihre Anlage billiger als man gemeinhin glaubt. Schwieriger als der Preis ist das Problem seiner technischen Gestaltung. Man sagt den Engländern nach, nur sie könnten Kamine bauen. Tatsache ist, daß englische Kamine vorzüglich ziehen. Und die Lösung des Rätsels ist einfach. Ein Kamin darf keinesfalls an andere Abzüge angeschlossen werden, wenn er guten Zug haben soll. Er muß also seinen eigenen Schornstein, zumindest seinen eigenen Kaminschacht haben. Und das haben die Engländer schon lange erkannt.
Wollen Sie Ihre Wohnung nicht einmal auf die Einbaumöglichkeit für einen solchen Kamin überprüfen? Vielleicht geht es sogar im Vorraum, in der Diele? Drei bis vier Tage lang müssen Sie natürlich ziemlichen Schmutz in Kauf nehmen. Aber dieser Preis lohnt sich: Ein Leben lang Freude und Behaglichkeit. Es sei denn, Sie ziehen vorher aus.
So – bis jetzt haben wir in puncto Heizung unsere Phantasie spazierengehen lassen und mit schönen Möglichkeiten gespielt. Kamine, Kachelöfen, Delfter Porzellan – all das trägt zur Verschönerung der Innenausstattung unserer vier Wände bei. Doch es geht – wie immer – auch einfacher. Und der gute, solide »Allesbrenner«, der bei einer Höhe von ungefähr sechzig, einer Breite von fünfzig und einer Tiefe von vierzig Zentimetern spielend fünfundsiebzig und mehr Kubikmeter Raum mit wohliger Wärme erfüllt, läßt sich ebenfalls durchaus harmonisch in die übrige Zimmereinrichtung eingliedern. Er ist heute in neutralen Farben erhältlich, die sich ohne weiteres auf die Farbwerte des Zimmers abstellen lassen.
Auch hier kann man mit Liebe und Geschmack mehr tun als den Ofen nur aufstellen. Man kann ihn nämlich durch einen entsprechenden »Rahmen« ebenfalls zu einem Blickpunkt des Zimmers machen. Wer handwerklich geschickt ist, bedarf dazu nicht einmal irgendwelcher Hilfskräfte. Er besorgt sich einfach einige Ziegel-, Klinker- oder Backsteine und zieht zu beiden Seiten des Ofens je eine Wand hoch. Beide Wände werden dann oben durch eine Steinplatte querverbunden. Mit einem solchen Rahmen wird der Ofen zu einer geschlossenen Einrichtungseinheit und erhält sogar so etwas wie ein kaminähnliches Aussehen. [78] Die Steinplatte wird zum Kaminsims, der durch Aufstellung weniger guter Kunstgegenstände (etwa einer alten Uhr) abermals eine »liebe Stelle« im Zimmer schafft.
Für den Fall, daß jemand diese Möglichkeit gleich einmal näher überlegen möchte: Ein Ziegel ist normalerweise 24 cm lang, 11,5 cm breit und 5,2 cm hoch. Viel Vergnügen!
Teppiche und Gobelins: Wenn wir von Teppichen sprechen, dann pflegen wir um so mehr zu seufzen, je schmaler die Geldbörse ist. Weil wir an den Orient denken, die Heimat prachtvoller Fußbodenbeläge, in denen man lautlos versinkt. Teppiche gehören zu den frühesten Prachtstücken des orientalischen Luxus. Schon Babylon war berühmt ob seiner Teppiche, die in brennenden Farben leuchteten. Betten und Sitze waren mit ihnen umhüllt. Der weichliche Orientale liebt es, in seinem Harem nur auf Teppichen zu wandeln. Und selbst das Grab des Cyrus war mit Purpurteppichen ausgeschlagen.
Wir brauchen an dieser Stelle nicht besonders zu betonen, daß die Farbgebung des Teppichs mit der des Raumes harmonieren muß. Nun zeichnen sich besonders die echten Orientteppiche häufig durch verwirrenden Farbreichtum aus. Wer hier also Farbenpracht liebt, wird sich bei den Farbwerten der Möbelbezüge und Gardinen weise zurückhalten müssen. Wenn Sie also vor den Fenstern bereits einen heiteren Chintz hängen haben und irgendwo günstig einen Perser, einen Smyrna oder auch einen der bezaubernden chinesischen Seidenteppiche erobern könnten, dann prüfen Sie zweckmäßigerweise zuvor sorgfältig, ob die Farben harmonieren. Denn allzu bunt macht unruhig. Und diese Unruhe wird durch das Bewußtsein, daß immerhin ein »echter Orientale« dafür verantwortlich ist, kaum gemildert. Außerdem sollen auch unsere Freunde nicht denken: Gewiß – echt, aber nicht sonderlich geschmackvoll ...
Rufen wir uns schnell noch einmal ins Gedächtnis, welche hauptsächlichsten Teppicharten es gibt.
Da wären zunächst die Knüpfteppiche. Es sind dies meist Orientteppiche. Sie sind um so wertvoller, je mehr Knoten (Schlingen) sie haben. Ihre Knotenzahl geht bei besonders schönen Exemplaren bis zu 400 000 Stück pro Quadratmeter! Sowohl Perser- als auch Smyrnateppiche sind zweifädig, d.h. jeder Knoten ist um zwei Kettfäden geschlungen. Der Perser ist jedoch weicher als der Smyrna.
Man hat sich im Sprachgebrauch daran gewöhnt, bei dem Wort »echter Teppich« grundsätzlich an den Orient zu denken. Das ist aus Wertgründen verständlich und andererseits doch ungerecht. Wer einmal Gelegenheit hatte, durch eine [79] deutsche Handweberei zu gehen und sich deutsche, handgeknüpfte Teppiche an zusehen, ihre außerordentlich geschmackvolle, bei allem Mut zur Musterung doch dezente Farbgebung zu bewundern, der wird durchaus nicht den Eindruck gewonnen haben, vor etwas »Unechtem« zu stehen. Im Gegenteil – er wird häufig festgestellt haben, daß die z.T. meisterliche Beschränkung in der Auswahl der Muster ebenso wie der Farben in vorbildlicher Weise unserem modernen Raumgefühl Rechnung trägt. Imitierte Perserteppiche dagegen sind nicht jedermanns Sache.
Die Folgerung: Natürlich ist ein echter Orientteppich zumindest wertvoll, vielfach auch schön. Das bedeutet jedoch nicht, daß ihn ein echter deutscher Knüpfteppich nicht ohne weiteres ersetzen könnte, ohne dem Raum an Wirkung zu nehmen.
Ebenfalls handgearbeitet sind die »gewirkten Teppiche«, die jedoch keinen plüschartigen Flor haben, da die farbigen Schußfäden mit der Hand mittels einer Spule flach in die Kette eingeführt werden.
Die ausgezeichnete deutsche Teppichindustrie bietet für jeden Geschmack etwas – ob Sie nun »Brüsseler« oder »Tournay«, »Tapestry«, »Velours« oder »Velvet« verlangen. Und wenn die Geldbörse ganz schmal ist, tut es ein »Haargarnteppich« auch. (Hier werden statt der Wollketten Kuh- oder Ziegenhaare verwendet.) Voraussetzung ist und bleibt die farbliche Harmonie.
Gobelins sind Wandteppiche, in die – wenn sie echt sind – ebenfalls mit der Hand Bilder, Figuren oder Ornamente eingewebt wurden. Es gibt heute noch erhaltene ägyptische Gobelins aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. Damals hießen sie freilich noch nicht so. Der Name Gobelin stammt von den berühmten Scharlachfärbern Gebrüder Gobelin, die zur Zeit des Hugenotten-Königs Heinrichs IV. in St. Marceau bei Paris lebten.
Wer das Glück hat, einen echten Gobelin zu besitzen, sollte ihm an einer großen lichten Wand einen Ehrenplatz einräumen und auf den Versuch verzichten, seine Wirkung durch großformatige Bilder zu beiden Seiten noch zu unterstreichen. Ein solcher Versuch mißlingt fast immer.
Gobelins dulden nichts in ihrer Nähe.
Es hängt an der Wand und ist – kein Bild! Neulich hatte ich Gelegenheit, einem alten Gelehrten – der aus der Stadt auf ein kleines Dorf zog, um dort seinen wissenschaftlichen Neigungen zu leben – beim Einräumen seiner neuen Wohnung ein wenig zur Hand zu gehen. Und mir fiel auf, wie stark sich doch bereits[80] der Geschmacksunterschied zwischen uns und der vorigen Generation ausprägt. Ich habe nach den ersten mißlungenen Versuchen, hier und dort einen Rat hinsichtlich der Wanddekoration zu geben, nur mehr geschwiegen und gehorsam alles so angehängt, wie es den antiquierten Vorstellungen des alten Herrn entsprach. Da mußte an die Stelle eines wonnigen Barockengels das vergilbte Foto einer Urgroßtante treten. In schwarzem Ebenholzrahmen. Der Engel landete in der Abstellkammer. Wenn er ihn mir wenigstens geschenkt hätte.
Ein französischer Farbstich des alten Berlin aus dem 18. Jahrhundert wurde ebenfalls verbannt. Diesmal zugunsten eines fünfzig Jahre zurückliegenden Gehversuches des alten Herrn mit Pinsel und Palette. »Oh – wie interessant!« war das einzige, was sich mit reinem Gewissen beim Aufhängen dieser zwar liebens-, aber keinesfalls ausstellungswürdigen Jugendtorheit murmeln ließ. Ich bin überzeugt, daß der alte Herr nichts von meinem Entsetzen gemerkt hat.
So wurde ein schönes Stück nach dem andern ausgeschieden. Als das mit wertvollen Truhen, Vitrinen und antiken Schränken eingerichtete Zimmer schließlich fertig war, glich es einer Galerie im wahrsten Sinne des Wortes verblichener Ahnen. Und ausgerechnet auf einem wertvollen Schminktischchen aus der Biedermeierzeit thronte ein zuckersüßes Porzellanreh vom Typ Bambi. Doch das war wohl mehr meine Schuld – ich hätte es ja rechtzeitig aus entsprechender Höhe fallen lassen können.
Mit all dem soll nichts gegen den ebenso liebenswürdigen wie klugen alten Herrn gesagt werden. Nur gegen das Gedankenphlegma, das uns zu überfallen droht, wenn wir Zimmer eingerichtet haben und dann die Wände schmücken.
Es gibt außer Bildern, über die wir ja schon sprachen, noch andere hübsche Sachen. Wandleuchter können eine Lücke, einen schmaleren Streifen zwischen zwei Möbelstücken, zwischen Tür und Zimmerecke schließen und dort Platz finden, wo auch ein kleines Bild nicht mehr passen würde. Ein Kerzenhalter. Eine Hängepflanze. Kleinigkeiten, die füllen, ohne zu überladen.
Doch nicht nur Kleinigkeiten. Was für herrliche Sachen haben begnadete Hände aus Holz geschaffen! Eine holzgeschnitzte gotische Madonna kann ebenso christliches Symbol sein wie Blickpunkt eines liebevoll ausgestatteten Raumes.
Und so muß denn nicht jede Wand eines Zimmers unbedingt nur Bilder haben. Bummeln Sie einmal offenen Auges durch Ihre Räume. Nehmen Sie hier ein Bild fort, halten statt seiner ein anderes, vielleicht sogar weniger prunkvolles Schmuckstück hin und prüfen Sie, ob sich nicht neue, noch unentdeckte Möglichkeiten finden lassen. Es macht Freude, hütet vor dem Verfall in die Schablone und steigert auch hier das, was wir anstreben wollen – die geschmackvolle, persönliche Note.
[81] Die Spielecke: Es gibt weniger geschworene Kartenfeinde, als man glauben sollte. Und mehr Kartenspieler, als es sich der Durchschnittsmensch vorzustellen vermag. Der Staat weiß das sehr genau, denn er hat das Spielkartenmonopol und sichert sich an Ihrer harmlosen Spielfreude seinen klingenden Anteil.
Es gibt sogar Rekorde – im Dauerkartenspiel. So wurde vor einigen Jahren ein gewisser Joao Smit de Bareira in ein Hospital von Buenos Aires eingeliefert. Er starb trotz aufopfernder ärztlicher Bemühungen, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Nach seinem Tode stellte man fest, daß er 256 Stunden pausenlos Canasta gespielt und damit einen neuen Weltrekord im Dauerkartenspiel aufgestellt hatte.
Trotz seiner offensichtlichen Gefährlichkeit vermochte sich Canasta innerhalb weniger Jahre die halbe Welt zu erobern. Und wenn sein Siegeszug so weitergeht, dann dürfte der Tag nicht mehr fern sein, an dem sich die wenigen noch verbliebenen Skat-, Tarock-, Schafkopf-, Bridge-, Rommé-, Whist- und Pokerspieler in Interessengemeinschaften zur Wahrung alten Kartenbrauchtums zusammenschließen.
Nun geht ja, finde ich wenigstens, nichts über einen zünftigen Skat. (Persönliche Meinung eines miserablen Bridgespielers.) Wobei unter »zünftig« die liebevolle Vorbereitung des Skatabends durch den Gastgeber ebenso verstanden sein will wie der reibungs-, sprich kommentarlose, harmonische Ablauf (ohne die entsetzlichen »Leichenreden«).
Skat ist ein ausgesprochenes Männerspiel. Kein Wunder also, daß es zahlreiche Frauen gibt, die es vorzüglich beherrschen. Und entsprechend vorbereiten.
Nur wenige haben ein eigenes nettes Haus mit einer (möglichst im Keller versteckten) holzgetäfelten Bauern-Trink-Spielstube. Mit rauchgebräunten Paneelen, mit Holzbänken und -sesseln, auf denen bunte, weiche Kissen liegen, mit einem um die Wände laufenden Bord, auf dem Zinnkrüge und Kupferteller stehen, mit einem glatten Spieltisch, in dessen vier Ecken Vertiefungen für das Spielgeld eingelassen sind und – last not least – ausschwenkbare Halter für Biergläser und Aschenbecher.
Irgendwo in der Ecke hat dann die Hausfrau bereits ein kleines kaltes Büfett mit Schinkenbroten angerichtet, zu denen es (aber nur hierzu) für jeden einen eiskalten Steinhäger gibt.
Wie gesagt, so wäre das natürlich ideal.
Und doch – ein »Grand ohne Vier« läßt sich mit dem gleichen Vergnügen in einem zur Spielecke ernannten gemütlichen Winkel des Wohnzimmers gewinnen. Zwei Voraussetzungen sind zu erfüllen: Zunächst darf das erste As nicht gleich [82] weggestochen werden. Einer meiner Skatbekannten pflegt, wenn ich ihm stolz ein blankes As mit den Worten serviere: »Zur Kasse bitte – der Herr!«, mit dem klassischen Zitat zu stechen: »Da kennen Sie Buchholtzen schlecht!« (Wissen Sie noch, wer Buchholtz war? »Königlicher Trésorier« Friedrichs des Großen, der mit dieser stehenden Redensart Geldforderungen abwies.)
Also – zunächst einmal dürfen nicht beide Gegenspieler in je einer Farbe »renonce« sein, sonst geht der Grand in die Binsen. Und dann muß alles so nett und handlich vorbereitet werden, daß auch das Bedienen mit Getränken und Rauchzeug keine Unterbrechung des Spiels mit sich bringt. Nichts stört die Gemütlichkeit mehr, als wenn dauernd irgend etwas fehlt – ein Glas, ein Aschenbecher, Feuer, Bleistift, Papier (falls geschrieben wird).
Selbstverständlich wird bei einem gemütlichen Kartenspiel auf keinen Fall
geschimpft (weder über die miserablen Karten noch über das miserable Spiel des Partners),
gemogelt, geschielt oder mit Zeichensprache gearbeitet (Ausnahme ist bei manchen Leuten ein zünftiger Doppelkopf mit »Gucken«),
bei Verlust ein wütendes Gesicht gemacht (man nehme sich die Engländer und ihr unbewegtes »Poker face« zum Vorbild!).
Wissen Sie, was »Aquaristik« ist? Erinnert irgendwie an ein Aquarium, nicht? Stimmt auch! Es ist die Kunde von der Züchtung von Fischen und Wasserpflanzen in Glasbehältern. Und da wir doch nun einmal dabei sind, uns zu überlegen, wie man sein Heim möglichst nett und gemütlich gestalten könnte, dürfen wir auch die Stummen im Glas nicht vergessen. Man stelle sich eine schöne Bibliothek vor. Bücher über Bücher, bis an die Decke. Und irgendwo in der Mitte, vielleicht vor einem kleinen Fenster, ausgespart ein Platz für das Aquarium. Ein Schimmer unbekannter Schöpfungswunder inmitten der Enge unseres Alltags. Zaubervolle, rätselhafte Natur. Bewohner tropischer Traumländer. Glanz der Ferne.
Gegen die verdeckte Lichtquelle schaut man die Märchen des Wassers.
Da tummeln sich in munterem Liebesspiel jene Wesen, denen man Fischblut nachsagt, und die sich doch in die schönsten Farben kleiden, wenn sie dem Gesetz der Natur gehorchen. Da gibt es neben den Einheimischen herrliche Exoten aus den entlegensten Teilen der Welt, die uns ein Wunderreich seltener Farbpracht offenbaren.
[83] Die Technik der modernen Verkehrsmittel hat Transportmöglichkeiten erschlossen, die die Anschaffung auch der fernöstlichen Zierfische, deren es unendlich viele gibt, erschwinglich machen. Und das moderne Zimmeraquarium ermöglicht es dem Zierfischfreund – wie ein bekannter Zoologe schrieb – »den Lebensbedürfnissen seiner Pfleglinge, ja, ihren Wünschen und Launen« Rechnung zu tragen.
So empfangen wir jeden »funkelnden Sendboten« aus anderen Regionen neugierig und zugleich in dem Bewußtsein, ihm seine speziellen Lebensbedingungen bieten zu können. Wir holen das geheimnisvolle Element Wasser zusammen mit den Lebewesen aus lockenden Fernen in unser Zimmer, machen unser Aquarium zum leuchtenden Mittelpunkt des Heims und lernen, die glückliche Verbindung von Natur und Kunst unter immer wieder anderen Gesichtspunkten zu sehen.
Und wenn wir gebannt und gedankenverloren dem heiteren Spiel unserer stummen Freunde zuschauen, dann geht es uns vielleicht so wie dem bekannten Kritiker Gunter Groll, der sein Aquarium mit den exotischen Bewohnern heiß liebt. Er deutete einmal auf ein paar gerade erworbene chinesische Kampffische und meinte: »Sehen Sie, das sind mir die liebsten alten Kämpfer!«
Wer schon ein Aquarium hat, wird dieses Lob verstehen. Und wer noch keines besitzt, der mag sich so etwas einmal in Ruhe anschauen und überlegen, ob er damit sich und seiner Familie nicht eine große und ganz neue Freude bereiten könnte.
Den verehrten Leserinnen aber, die da Bedenken haben sollten, sei gesagt, daß das Aquarium mit seinen Pflanzen ein Komplex ist, für den ausschließlich der Mann verantwortlich zeichnet. Wenn er diese Verantwortung übernimmt, dann – lassen Sie ihm das Vergnügen. Auch Sie selbst werden bald Spaß daran haben, wenn Ihnen ein »alter Kämpfer« aus der Hand frißt ...
Nein, keine Angst, ich habe sie nicht vergessen, unsere vierbeinigen Freunde. Wie könnte man sich auch über die eigenen vier Wände, ihre Gesetze und ihre Bewohner unterhalten, ohne ein Loblied auf jene zu singen, die uns durch ihre Anwesenheit, ihre Ergebenheit, ihre Treue, ihren unerschütterlichen Glauben an die Güte unseres Herzens täglich aufs neue Freude machen und zuweilen – beschämen. Deren Bescheidenheit sie dankbar sein läßt für jeden guten Blick, jedes freundliche Wort, jede Geste der Zusammengehörigkeit.
Hunde und Katzen. Man muß sie lieben.
Vielleicht bin ich da ein wenig voreingenommen, da sie doch in der Abgeschiedenheit meiner ersten Kinderjahre die einzigen Spielgefährten waren. Und doch [84] bin ich dankbar, daß mir diese unvergeßliche Zeit das Herz geöffnet hat für das, was unseren vierbeinigen Freunden in den Augen geschrieben steht, da ihnen die Sprache versagt blieb.
Katzen – nicht jeder mag sie gern. Der Grund ist einfach: der Mensch ist auf seine Vollkommenheit stolz und ein wenig eitel und fühlt sich der Kreatur überlegen, deren Wesen er nur schwer zu erfassen vermag. Aber nur, weil es ihm mißbehagt, anerkennen zu müssen, daß auch Tiere Charakter haben können.
Katzen haben einen zumeist unbeugsamen Charakter. Hunde dagegen haben eine treue Seele. Und wir Menschen den Verstand, der nicht einsehen will, daß Katzen Persönlichkeiten sind. Daran mag es liegen, daß sich nicht alle Leute mit Katzen anfreunden können. Eben weil sie immer sie selbst bleiben und ihre Persönlichkeit wahren. Ist Ihnen schon einmal eine Katze begegnet, die auf Pfiff reagiert? Mir nicht. Wenn die Mieze zu ihnen kommen soll, dann müssen Sie diesen Wunsch in die Form einer liebenswürdigen Bitte kleiden. Nur dann – vielleicht – kommt sie.
Vor einiger Zeit stieß ich auf eine wunderhübsche amerikanische Geschichte über Katzen. »Katzen, die ich kannte« von Hazel Goodwin. Die Verfasserin erzählt darin von ihrer Bekanntschaft mit mehr als einhundert Katzen, »deren jede eine Persönlichkeit war«.
»Ich bin«, so schreibt Hazel Goodwin, »in meinem Leben verdrießlichen und fröhlichen Katzen begegnet. Katzen, die mir nichts, dir nichts fett wurden, und Katzen, die schlank blieben, egal wieviel sie fraßen. Katzen, die eingebildete Dandies waren, und Katzen, die mit ihrer Pfote nie das Fell berührten. Katzen, die drei Viertel ihrer Energien zum Schnurren verbrauchten, und Katzen, die ihre Stimmbänder grundsätzlich nicht strapazierten. Katzen, die einen absonderlichen Geschmack hatten, und Katzen, die sich genau an die Ernährungsvorschriften ihrer Rasse hielten. Katzen, die, scheinbar tief schlafend, auf einer sonnenwarmen Abfallkanne lagen und doch im Bruchteil einer Sekunde einen mehr als meterhohen Satz machten und mit Sechsmetersprüngen davonpreschten. Vertrauensvolle Katzen, die man, während sie auf öffentlichen Straßen schliefen, anstoßen konnte, weil man glaubte, sie seien tot. Katzen, die abends mit Vergnügen unter die Bettdecke schlüpften, und Katzen, die – nachdem man sie zart in ein Bett gelegt hatte – zwischen den Bettdecken zu toben begannen und nicht eher Ruhe gaben, bis sie wieder draußen im eiskalten Zimmer waren. Katzen, die eifersüchtig waren, und Katzen, die anderen Katzen freundlich begegneten. Katzen, die Hunde haßten, und Katzen, die sich an der Brust eines jeden Hundes rieben, als wollten sie sagen: »Du bist ein Mordskerl, wir werden uns gut verstehen!« Katzen, die sich auf jede Ratte stürzten, und Katzen, die beim Anblick einer winzigen Feldmaus einen entsetzten Satz machten und zu Tode erschrocken flüchteten. Katzen mit dem Verstand eines [85] Pantoffeltierchens und Katzen, deren schwerfälliger, eulenhafter Feierlichkeit man ansah, daß sie in ihren Geistesübungen gerade bei Einstein und Ortega y Gasset angelangt waren. Katzen – aber warum fortfahren ...?«
Soviel – oder sowenig – Katzen.
Länger und nachdenklicher noch könnte ich über Hunde sprechen. Denn ich bin ein Katzenfreund, aber ein Hundenarr. Und ich vermeine jetzt noch die blanken Augen meines pechschwarzen Springerspaniels »Whisky II« erwartungsvoll auf mich gerichtet zu sehen, wenn er geduldig – nur dann und wann leise fiepend – neben dem Schreibtisch saß, seinen alten Tennisball im Fang, auf den ersehnten Spielspaziergang wartend. An seinem ersten Geburtstag habe ich ihn begraben. Er war trotz umfangreichster ärztlicher Bemühungen, trotz unermüdlicher Pflege, trotz modernster Medikamente, trotz künstlicher Ernährung innerhalb von vier Wochen jener tückischen Hartballenkrankheit erlegen, bei der sogar Aureomycin versagte.
Ich erinnere mich an meinen roten Setter »Allan«, der auf Jagdurlaub immer vor meinem Bett schlafen durfte und mir regelmäßig einmal in der Nacht die Pfote ins Gesicht legte, wohl zur Kontrolle, ob ich noch da wäre. Er wartete stets, bis ich ihm einmal durch die Behänge fuhr und dazu ein verschlafenes »Schon gut, du alter Esel!« murmelte. Dann ließ er sich mit einem fürchterlichen Krach fallen, stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus und schlief weiter. Während ich putzwach war.
Oder an »Whisky I«, einen fast weißen Cocker, der wie ein Zirkusclown aussah, weil ihm die Natur eine rote Brille aufgesetzt hatte. Ein ganz schlanker, [86] zäher Kerl mit einem tapferen Herzen. Ich bekam keinen schlechten Schreck, als er eines Tages einen groben Keiler hochmachte, sich in dessen Teller verbiß und mit ihm abfuhr. Beziehungsweise der Keiler mit ihm. In diesem Augenblick hätte ich keinen Pfifferling mehr für sein Leben gegeben, zumal ich nicht die geringste Möglichkeit hatte, einen auch nur einigermaßen sicheren Schuß anzubringen. Nach zehn Minuten konnte ich ihn zurückpfeifen. Er war nicht einmal lädiert. Und wer ihn gesehen hätte, wäre nie auf den Gedanken gekommen, einen tapferen »Saupacker« vor sich zu haben.
Er lief in Saloniki unter einen Lastwagen.
Auch ich könnte, wie Hazel Goodwin von Katzen, stundenlang von Hunden erzählen.
Hunde und Katzen sind unsere vierbeinigen Freunde, mit denen wir die Hausgemeinschaft teilen. Achten wir in ihnen die göttliche Kreatur, die sich im Vertrauen auf unsere Überlegenheit zu uns gesellt. Geben wir ihnen korrekte Lebensbedingungen, wie wir sie auch für uns in Anspruch nehmen. Nicht die gleichen natürlich, aber die sinnentsprechenden.
Wir sind für ihre Nahrung verantwortlich. Für ihre körperliche Pflege. Sie ist um so notwendiger, je überzüchteter und damit empfindlicher die jeweilige Rasse ist. Gewöhnen wir sie an die gleiche Ordnung, die wir für uns verlangen. Tiere, die regelmäßig ihr Futter bekommen, betteln nicht bei jeder Gelegenheit, Hunde, die ihr ständiges Lager haben, werden nicht auf Sessel, Sofas und Betten springen, was man ihnen aus hygienischen Gründen grundsätzlich nicht gestatten sollte. (Katzen – nun, da wird man wohl trotz bester Vorsätze mit derartigen Erziehungsversuchen scheitern.)
Auch gehören die Tiere während der Mahlzeit nicht an oder unter den Tisch. Und schon gar nicht, wenn Gäste da sind. Daß wir uns vor jeder Mahlzeit die Hände waschen, ist ohnehin selbstverständlich. Es ist doppelte Notwendigkeit, wenn wir Tiere haben.
Man kann die vierbeinigen Freunde glühend lieben, ohne diese Liebe durch einen gemeinsamen Teller dokumentieren zu müssen. Sie stecken ihre Nase nun einmal in Dinge, die außerhalb der menschlichen Sphäre liegen. Und bei diesen von der Natur gezogenen Grenzen wollen wir es belassen.
Und damit beenden wir den Bummel durch die Wohnung. Wir sind ohnehin etwas später zurückgekommen als vorgesehen. Aber es liegt ja in der Natur des[87] Bummelns, daß man hier und dort einmal stehenbleibt und genauer hinguckt. Und irgendwie kommt man doch immer wieder auf neue Ideen, auf andere Gedanken und noch unentdeckte Möglichkeiten.
Alle aber dienen dem einen Ziel: die eigene Welt so korrekt wie möglich zu gestalten, ohne dabei in starren Formen oder störrischer Pedanterie zu versinken. Der Mut zur Originalität, zur Entwicklung einer ganz und gar persönlichen Note braucht sich nur mit Geschmack, Gefühl und einer feinen Empfindung für gesunde Grenzen zu paaren, und schon steht unser Heim als »buen retiro«, als schöne, gemütliche Klause wie ein sicherer Hafen in der Unbill der Welt. Uns eine Quelle für Frische, Erholung und Schaffenskraft – unseren Freunden der Inbegriff kultivierter Behaglichkeit.
Und wenn Sie demnächst den Bummel wiederholen – nur mit Ihrem Lebensgefährten und ohne einen störenden Dritten – dann werden Sie noch auf ganz andere, vermutlich sogar bessere Ideen kommen, wie man hier und dort die Gemütlichkeit abermals steigern könnte.
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