[98] Salmiak, (Sal. ammoniacum) ist ein in Feuer völlig flüchtiges Salz von 1,420 spezifischem Gewichte aus 52 Theilen Kochsalzsäure, 40 Theilen flüchtigem Alkali und 8 Theilen Wasser zusammengesetzt, welches beim Frostpunkte sich in einer Menge Wasser wie 112 zu 480, bei einer Wärme von 50° Reaum. in einem Verhältnisse wie 127 zu 240, bei der Siedehitze in gleichen Theilen Wasser und wie 17 zu 240 in kochendem Weingeiste auflößt, auf nassem und trocknem Wege Zink, Eisen und Kupfer unter Absonderung seines Ammoniaks auflößt und bei der Sublimation in kleinen Verhältnissen mit sich auftreibt. Sein Geschmack ist durchdringend, salzig beißend. Es schießt in federartigen, leichten, biegsamen Krystallen an.
Der erste Salmiak kam aus Egypten, und kömmt noch jezt daher (der neuerlich hie und da[98] in Europa errichteten Fabriken ungeachtet), in runden, ein Paar Daumen dicken, festen Kuchen (Broden), deren konvexe Seite schmutzig und rußig ist, worauf der feste, sehr durchsichtige, aus Spießen zusammengefügte, reinste Theil folgt. Er soll aus dem Ruße des Kameelmistes, vielleicht mit kochsalzigen Zusätzen, sublimirt werden.
Reiner ist der in deutschen, englischen und andern europäischen Fabriken sublimirte, in dünnern, kleinern, aber durchscheinend weißen Kuchen.
Der in Braunschweig bereitete besteht, aus weißen, undurchsichtigen, nicht allzu festen Broden von der Größe kleiner Zuckerhüte. Er wird durch Krystallisiren bereitet, wahrscheinlich indem der künstlich aus Kupfer und Schwefel bereitete blaue Vitriol aufgelößt, durch milden ammoniaklaugensalzigen Geist (aus verfaultem Harne) niedergeschlagen, (der Niederschlag als Braunschweiger Grün verkäuflich) der entstandne Vitriolsalmiak aber mit Kochsalz durch Krystallisation in der Kälte in zwei Salze getrennt wird, deren eines das so häufig aus dieser Fabrik verkaufte Glaubersalz, das andre der genannte braunschweiger krystallisirte Salmiak ist.
Andre Fabriken zersetzen Gyps oder gemeinen Vitriol mit Harngeist und sublimiren den entstandnen Vitriolsalmiak mit Kochsalze. Ob in England bloß Steinkohlenruß und Kochsalz genommen und zusammen aufgetrieben werde, ist noch unausgemacht.
Den ägyptischen ausgenommen, sind die andern sublimirten Sorten so rein, daß man sie ohne fernere Reinigung anwenden könnte. Man verordnet aber immer noch den gereinigten Salmiak oder die Salmiakblumen (flores salis ammoniaci simplices, Sal ammoniacum depuratum). Diese ehedem durch eine sehr gelinde Wiederauftreibung des käuflichen Salmiaks mühsam bereiteten lockern Salmiakblumen erhält man jezt leichter, vorzüglich im Winter, indem man gepülverten Salmiak mit gleichen Theilen Wasser bis zur Auflösung siedet, die Lauge durch Papier seihet und in der Frostkälte mehrere Stunden stehen läßt. Doch bleibt auf diese Weise (bei Gefrierkälte) etwa der vierte Theil des angewendeten Salmiaks noch in der Lauge, den man aber vollends daraus in Blumen absondern kann, wenn man die Lauge wieder bis zum vierten Theile einsiedet und die Lauge abermahls in die Frostkälte hinstellt.
Die positiven Kräfte des Salmiaks im menschlichen Körper sind zuverlässig sehr ansehnlich, aber noch gänzlich unbekannt; ob man ihm gleich sehr willkührlich aus Muthmaßung, alterirende, auflösende, Schleim zertheilende, und Gott weiß, welche unbestätigte Eigenschaften sonst noch beilegte. In Wechselfiebern hat man ihn vorzüglich gelobt; einige von ihnen hat er schnell gehoben, andre nicht, und wieder andre verschlimmert. Worin aber diese Fieber von einander verschieden waren, ist eben so unbekannt,[99] als wie diejenigen Fieber geartet waren, in denen er half. Aeußerlich soll er, aufgelößt, angewandt, zertheilende Kräfte bewiesen haben; man mischte aber gewöhnlich Essig darunter, daher man nicht weiß, welches von beiden Dienste that, wo ja die Mischung zu helfen schien.
Man bedient sich des Salmiaks häufig, um das flüchtige Laugensalz daraus abzusondern. Um das trockne, mit Luftsäure gesättigte Ammoniaklaugensalz (flüchtiges Salmiaksalz, Sal volatilis salis ammoniaci, Alcali ammoniacum, s. ammoniacale, Ammonia praeparata) zu erhalten, vermischt man Einen Theil fein gepülverten Salmiak mit zwei Theilen feingepülverter, alter Potasche, trägt die Mischung in die unter Destillation gezeichnete Retorte, verdichtet die Fugen wohl mit angefeuchteter Blase und giebt gelindes Feuer, welches man so lange erhält, bis man kein Salz sich mehr anlegen sieht, worauf man es eine halbe Stunde lang verstärkt. Man erhält dreizehn bis vierzehn Unzen reines Ammoniaklaugensalz. Weniger davon erhält man, wenn man Kreide statt der Potasche (etwa in dem Verhältnisse von fünf Theilen getrockneter Kreide gegen vier Theile Salmiak) nimmt, und es gehört etwas stärkere Hitze zum Austreiben.
Wenn zu jenen zwei Theilen Potasche und einem Theile Salmiak noch sechs Theile Wasser in die Retorte gegossen werden, so steigt ebenfalls das flüchtige Laugensalz zuerst trocken auf, es wird aber von dem nachgängig überdestillirendem Wasser aufgelöst, und man findet in der Vorlage den gemeinen Salmiakgeist (Spiritus salis ammoniaci vulgaris, s. aquosus, Alcali ammoniacum aquosum, Lixivium ammoniacale commune, Aqua Ammoniae), welcher folglich nichts anders als eine Auflösung des reinen Ammoniaklaugensalzes im Wasser ist.
Da die Austreibung der Produkte aus den Hörnern eigne, große Vorrichtungen, und viel Feuerung erfordert, die nicht in jedem Laboratorium möglich ist, so läßt sich mit leichterer Mühe das Hirschhornsalz (→ unter Hirsch) künstlich verfertigen, wenn man bei der Austreibung des flüchtigen Salmiaksalzes, z.B. zu 16 Unzen Salmiak und 32 Unzen Potasche noch eine Unze Hirschhornöl in die Retorte thut, da dann das Uebergetriebene von wahrem Hirschhornsalze auf keine Weise verschieden befunden werden wird.
Das sublimirte Ammoniaklaugensalz enthält in hundert Theilen seines Gewichts 40 bis 43 Theile reines Laugensalz, 53 bis 45 Theile Luftsäure, und 7 bis 12 Theile Wasser, je nachdem es bloß sublimirt oder krystallisirt ist; es schießt in Krystallen an, die undeutlich achtseitig sind, mit vier abgestumpften Ecken, löset sich in Wasser bei 59° Fahr. nach einem Verhältnisse von 360 zu 480, bei 50° Fahr. aber wie 240 zu 480 auf, und sublimirt sich bei einer Wärme, die noch unter 180° Fahr. ist. Es ist von flüchtigem Geruche und beißend stechendem, laugenhaftem[100] Geschmacke, und scheint große Heilkräfte zu besitzen, in einigen Arten von Wechselfiebern, Gicht, Rachitis, Wassersucht und schleimigen Brustkrankheiten, als ein mächtiges Reizmittel zu wirken, welches zugleich Säure dämpft; vermuthlich auch in einigen Arten von Typhus dienlich. Es wird zu 6 bis 30 Gran auf die Gabe aufgelöst, genommen, am besten in Flüssigkeiten, welche Luftsäure enthalten, in schaumendem Biere, oder in mit Luftsäure gesättigtem Wasser.
Vermischt man eine gesättigte Auflösung des flüchtigen Salmiaksalzes in Wasser mit starkem Weingeiste, so verdichtet sich dieses Salz zu einer weichen, weißen Masse (offa Helmontii, w.s.) die man fälschlich für etwas Seifenartiges (Sapo chemicus) ausgegeben hat, da sie nichts als das in Weingeist unauflösliche Ammoniaklaugensalz ist.
Treibet man aber das Ammoniaklaugensalz aus dem Salmiake mit kaustischem Gewächslaugensalze oder gebranntem Kalke aus, so kömmt es nicht in fester krystallinischer, sondern in flüssiger, Gestalt, das ist, ätzend zum Vorscheine. Zu dieser Absicht löscht man acht Unzen gebrannten Kalk, rührt ihn mit sechs und dreißig Unzen Wasser zum dünnen Brei an, den man in die (unter dem Artikel Destillation gezeichnete) Retorte füllt, schüttet dann vier Unzen fein gepülverten Salmiak dazu, mischt es durch Schütteln der Retorte unter einander, legt das weiter unten gezeichnete Vorlagegeräth an, verdichtet die Fugen mit nasser Blase und zieht bei gelindem Feuer zwölf Unzen ätzendes Ammoniak (kaustischen Salmiakgeist, ätzendes flüchtiges Laugensalz, Alkali fluor, Spiritus Saiis ammoniaci causticus s. calcareus, s. cum Calce viva, s. ad extra, Alcali ammoniacum causticum, ammoniacum purum, Lixivium ammoniacale causticum) oder wenn er gehörig stark werden soll, nur acht Unzen über. (Wenn man zu dem Gemisch noch so viel Kochsalz setzt, als der Salmiak betrug, so kann der Rückstand beim Erkalten die Retorte nicht so leicht zerreißen, läßt sich auch leichter mit Wasser ausspühlen). In der größten Stärke ist er beträchtlich leichter als destillirtes Wasser, so daß ein halbes Unzenmaaß nur 224 bis 220 Gran davon faßt. Sein Geruch ist erstickend stechend, sein Geschmack unerträglich fressend und beitzend. Er verfliegt sehr schnell. Aus der Atmosphäre nimmt er sehr leicht Luftsäure an, und sättigt sich damit zu mildem, aber schwachem Salmiakgeiste, weshalb er in Gläsern mit eingeriebenen Glasstöpseln, die vorher in weißes Wachs (mit etwas Oel gemischt) getaucht worden, aufbewahrt und nur zu kleinen Vorräthen verfertigt werden muß. Von seiner völligen Kausticität überzeugt man sich durch Eintröpfelung von etwas salzsaurer Kalkerde (Kalköl) in eine Probe desselben. Ganz luftsäurefreies, ätzendes Ammoniak trübt dieselbe nicht.
Da das ätzende Ammoniaklaugensalz sich in Weingeist auflöst, so darf man nur zu acht[101] Unzen gelöschtem Kalke sechs und dreißig Unzen Branntewein mischen, ehe man in der Retorte vier Unzen gepülverten Salmiak darunter rührt, und bei gelindem Feuer zwölf Unzen überziehen, um den besten geistigen Salmiakspiritus (versüßten Salmiakgeist, Spiritus salis ammoniaci vinosus, s. dulcis, Alcali ammoniacum vinosum, Lixivium ammoniacale vinosum) zu erhalten. Wenn man hier Potasche statt des gebrannten Kalkes nimmt, so kann kein kräftiger Geist erfolgen, da hier bloß das wenige kaustische Ammoniaklaugensalz durch das wenige ätzende Laugensalz in der Pottasche entbunden, in die Verbindung des Weingeistes eingehen kann.
Werden zu dem weingeistigen Einsatze in der Retorte noch Substanzen gesetzt, welche ätherisches Oel bei der Destillation von sich geben, Anies oder Fenchelsamen, so geht der Anies oder Fenchelsalmiakgeist (Spiritus Salis ammoniaci anisatus, foeniculatus) über, oder wird Stinkasant zugesetzt, der stinkende Salmiakgeist (Spiritus volatilis foetidus).
Wie der ätzende geistige Salmiakspiritus mit Bernsteinöl und Seife das berühmte Eau de Luce bilde, sehe man unter Luciuswasser nach.
Ueberhaupt ist der ätzende Salmiakgeist eins der stärksten Reizmittel zum Riechen bei Ohnmachten. Aeußerlich und (mit vielem Wasser verdünnt) innerlich ist es gegen den Biß giftiger Schlangen und andrer zornigen Thiere, und, auf beiderlei Art angewandt, in einigen hartnäckigen Geschwüren, auch vor sich äußerlich mit Wasser verdünnt zur Stillung der Blutungen und zur Zertheilung der Milchstockungen in den Brüsten gerühmt worden. Zum innerlichen Gebrauch zieht man den geistigen Ammoniak vor.
So viel vom ätzenden Salmiakgeiste unter Baumöl gerieben, bis die Mischung wie Milchrahm wird, entsteht das seifenartige flüchtige Liniment (Linimentum volatile, Unguentum album resolvens), welches zur Zertheilung in kalte Geschwülste und auf schmerzhafte, entzündungslose Stellen eingerieben wird.
Vermischt man mit einem aus sechs Theilen frisch gelöschten Kalke und hinlänglich viel Wasser angerührten, dünnen Breie zwei Theile Salmiak und einen Theil Schwefel, (beides fein gepülvert) in einer Retorte, und destillirt bei gelinder Hitze so viel herüber, als der Salmiak wog, so erhält man Boylens oder Beguins flüchtigen Schwefellebergeist (Spiritus salis ammoniaci sulphureus, spiritus fumans Beguini s. Boylei, Hepar sulphuris volatile, sulphur ammoniacum) welcher rothgelblich von Farbe, an freier Luft weiße Dämpfe ausstößt, welche einen stechend und erstickend hepatischen Geruch verbreiten. Eine wahre Schwefelleber mit ammoniaklaugensalzigem Grundtheile. Er ist in ältern Zeiten mit drei Theilen Weingeist gemischt (Liquor antipodagricus Fr. Hoffmanni) zu dreißig bis vierzig Tropfen[102] innerlich gegeben, und mit Kampher verbunden äußerlich aufgelegt wor den beim Podagra.
Bei allen diesen Destillationen geht das Ammoniaklaugensalz größtentheils nur in Gasgestalt über, und löset sich erst in der Vorlage zur tropfbaren Flüssigkeit in der übergetriebenen Feuchtigkeit auf. Um nun die Zerreißung der Gefäße durch die Luftarten zu vermeiden, und zugleich den Verlust des flüchtigen Produkts zu verhüten, muß die unter dem Artikel Destillation gezeichnete Geräthschaft angewendet werden, die man doch um Vieles vereinfacht, wenn man nach der hieneben gezeichneten Vorrichtung an der abgekehrten Seite der Vorlage (in a) ein Loch bohrt, hier eine winkelartig gebogne, tief herabsteigende, etwas weite (C) Röhre ankittet und in eine halb mit Wasser (oder Weingeist) angefüllte, offne kleine Arzneiflasche (B) stellt, etwas entfernt vom Boden. Der Flüssigkeit muß aber nur so viel, und die Röhre muß so lang und weit seyn, daß letztere von ersterer nicht ganz angefüllt werden, folglich nichts von dieser Flüssigkeit in die Vorlage wieder zurücktreten kann, wenn die Retorte zu Ende der Destillation erkaltet.
Der Rückstand in der Retorte, wenn Potasche zum Zersetzungsmittel des Salmiaks angewendet ward, ist Potaschkochsalz (→ Digestivsalz), wenn aber Kalkerde dazu gebraucht ward, Kalkkochsalz (→ Kalköl).
Wenn gepülverter Salmiak mit Feilspänen von Eisen oder Kupfer, oder mit ihren Kalken gemischt, übergetrieben wird, so sind die aufsublimirten Salmiakblumen mit einem salzsauren Eisen- oder Kupfersalze vermischt (Flores Salis ammoniaci martiales, venerei) → unter Eisen und → Kupfer. Die in flüchtigem Salmiaksalze aufgelösten Kupferkalke geben Kupfersalmiak, w.s. unter Kupfer.
Vereinfachter Vorlag-Apparat zu Destillationen mit gasartigen Dämpfen.
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