Schlehenkirsche

[156] Schlehenkirsche, Prunus spinosa, L. [Zorn pl. med. tab. 4] mit einzelnen Blumenstielen, lanzetförmigen, glatten Blättern und dornichten Aesten, ein fünf bis acht Fuß hoher Strauch in trocknen, bergichten Gehegen, wo er im Aprill und Maiweiß blüht.

Die Blumen nebst den Blumendecken (Flores Acaciae, nostratis, germanicae, vulgaris) haben frisch einen lieblichen, auch bei der Destillation mit dem Wasser übergehenden Geruch, der aber beim Trocknen verloren geht, und frisch so wie getrocknet, einen bitterlichen, den bittern Mandeln ähnlichen Geschmack; Zeichen, die den Blumen der Traubenkirsche fehlen, die oft statt jener den Apothekern verkauft werden, wenn die Schlehen sparsam blühen. Man bedient sich ihrer größtentheils nur als Hausmittel im Aufgusse zur Frühlingslaxanz der Kinder vorzüglich in unbestimmten Hautausschlägen; Erwachsene werden wenig oder gar nicht davon bewegt. Die bekannten Früchte, die Schlehen, (Fructus Acaciae germanicae, nostratis) werden vor eintretendem Froste, das ist, unreif gesammelt, denn blos durch den Frostreifen sie. Unreif enthält ihr grünes Fleisch einen herbsauern, sehr zusammenziehenden Saft (vermuthlich aus der Herbsäure der Quitten und aus Zitronsäure zusammengesetzt), welcher so schleimig ist, daß man ihm beim Stampfen etwas Wasser zusetzen muß, um ihn auspressen zukönnen. Ehedem ward dieser Saft in Apotheken eingedickt (Schlehenmus Succus Acaciae germanicae, nostratis) aufbewahrt. Er löset sich eben so wohl in Weingeiste als in Wasser auf, macht die Eisenauflösungen nicht schwarz und ist in ältern Zeiten in Durchfällen (am besten gallichten), und in Blutflüssen innerlich, so wie zum Gurgeln bei Halsgeschwulst gebraucht worden; könnte auch noch jezt in diesen Beschwerden, so wie überhaupt in[156] mehrern Arten von Gallenfiebern mit Erfolg gebraucht werden.

Da die Steine der Schlehen einen der Kirschkernen ähnlichen Kern enthalten, so bekömmt der mit zerstampften Schlehen infundirte Franzwein (dann Schlehenwein, Vinum pruneolorum sylvestrium genannt) einen lieblichen Bittermandelgeruch und Geschmack (und eine rothe Farbe von den Schalen) und soll harntreibende Wirkungen äussern.

Die innerlich gilbliche, zähe Rinde (Cort. Acaciae nostratis, germanicae) besitzt zwar keinen Geruch, aber einen bitterlich adstringirenden Geschmack, und viel Galläpfelstoff; sie ist in zusammenziehenden Gurgelwassern und adstringirenden Bädern gebraucht worden.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 156-157.
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