Thymsaite

[321] Thymsaite, Cuscuta Epithymum, L. [Flor. dan. tab. 427] mit stiellosen, fünftheiligen Blumen, und pallisadenartigen Deckblättchen, eine niedrige, einjährige Schmarozerpflanze, welche, kaum aus der Erde entsprossen, sich um die niedern Gewächse, Thymian, Gliedkraut, Sophienrauke, Dosten, Lavendel, Andorn und vorzüglich um die Heidearten schlingt, und, während ihre Erdwurzel abstirbt, ihre wurzelnden Stengelknötchen in die Rinde dieser Gewächse senkt, um aus derselben ihre Nahrung zu ziehen. Vorzüglich auf den Felsen des wärmern Deutschlands blüht sie im Brachmonate.

Das dünne, rothe Kraut mit seinen Beeren (Hb. Epithymi) ist geruchvoller als die Flachssaite, und sein Geschmack ist schärfer, prickelnder, im Gaumen anhaltender, mit etwas Kühlendem vermischt. Auch zogen es die Alten der Flachssaite vor und rühmten es in melancholischen und hypochondrischen Beschwerden, im Scharbock, im Schwindel und der Fallsucht, so wie gegen die (oft eingebildeten) Verstopfungen der Gefäße des Unterleibes. Man glaubte, es führe die schwarze Galle aus, und sei harntreibend. Sollten auch diese Lobsprüche sich blos auf empirische Muthmasungen gründen, so läßt doch die ganz eigne, mit besondrer Kühlung vermischte, im Munde sehr anhaltende Schärfe der frischen Flachssaite und Thymsaite, die ich bei keinem andern Gewächse angetroffen zu haben mich erinnere, allerdings auf eigenartige, vielleicht noch fehlende Arzneikräfte schließen, die ein beobachtenderes Jahrhundert erwarten.

In der trocknen Destillation erhält man viel Säure daraus.

Die Alten gaben diesem Kraute unnöthigerweise verschiedne Nahmen, je nachdem es auf dieser oder jener Pflanze angetroffen ward, Epithymbrum, Epimyrtus, Epidictamnus, Epilavandula, Epimarrubium, u.s.w. wiewohl diese Pflanzen die Natur der Thymsaite offenbar nicht verändern.

Man brachte es ehedem trocken, (mit Thymiankraute vermischt) von gelbgrünlicher Farbe aus Kleinasien und Kandien (Epithymum creticum); der Dicksaft aus dem frischen, eben Beeren tragenden Kraute, und, wenn es nicht zu haben ist, aus der Flachssaite, scheint die vorzüglichste Form zu seyn, und von dem trocknen die Tinktur.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 321.
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