Kleidung

[67] Sie soll nie extravagant sein. Eine wirkliche Dame, ein wahrer Gentleman machen nicht jede Modenarrheit mit, sie sind lieber etwas hinter dem letzten Modeschrei zurück als voraus.

Eleganz ist die Harmonie des Ganzen; also genau genommen, kann auch ein Schornsteinfeger elegant wirken, während neben ihm ein Geck mit auffallender Krawatte, aufreizender Kleiderfarbe und leuchtenden Strümpfen unfein wirkt.

Natürlich muß die Kleidung sich der Jahreszeit anpassen, und man wird nicht im leichten, hellen Anzug durch ein Schneetreiben wandern. Wer sich nicht allerlei Anzüge leisten kann, tut gut, sich mit dunkleren zu versehen; die kann man fast immer tragen, zum Besuch, ins Theater, auf der Straße. In kurzen Hosen aber, und wären es die schicksten Sporthosen, darf man nicht Besuche machen.

Die Abendkleidung macht dem Herrn heute, gottlob, viel weniger Sorge als einst. Auch ohne Frack und ohne Smoking kann man tadellos angezogen sein. Dem Smoking haben wir hier auf dem Kontinent übrigens etwas zuviel Ehre angetan. In seinem Heimatland England ist er ein wenig zeremonielles, bequemes Kleidungsstück für Gelegenheiten, die zwar gute Haltung verlangen, aber ein gewisses Sich-gehen-lassen nicht ausschließen. Smoking ist ein »Rauchrock«, er soll intim und nicht zeremoniell wirken.

Ein wundervolles »Mädchen für alles« ist an seiner Statt der dunkle Sakko zur helleren, gestreiften Hose, den man überall,[67] im Theater, im Konzert, im Tanzlokal tragen kann und der noch bessere Dienste leistet als der Smoking.

Der Frack hingegen ist aus dem Kleiderschrank des heutigen Durchschnittsbürgers nahezu verschwunden. Immer mehr wird er durch das Jackett mit der gestreiften Hofe ersetzt. Bei Hochzeiten, beim offiziellen Besuch hoher Persönlichkeiten trägt man immer öfter das Jackett.

Im Alpenland besonders haben sich Landestrachten mit langer Hose durchgesetzt. Man darf sie zum Besuch, im Festsaal, auf der Straße, im Büro, mit einem Wort, überall tragen, nur die Lederhose ist auf Freiluft verwiesen, also für Bergpartien, Wanderungen und dergleichen. Was eine richtige Lederhose ist, hält auf sich und begibt sich nicht in Salons, Büros, Geschäftsladen, wo sie nicht hingehört.

Die Frau hat es manchmal leichter als der Mann, sich richtig zu kleiden. Das Schneiderkleid leistet bei jeder Gelegenheit gute Dienste. Je nach der Bluse, sportlich oder festlich betont, ist die Frau auf der Straße, bei Besuchen oder kleinen Festlichkeiten damit immer richtig angezogen. Auch ein dunkles, unauffällig geputztes Seidenkleid ist vielseitig verwendbar, selbst bei zeremoniellen Angelegenheiten.

Kann man sich mehrere Toiletten leisten, so wählt man wohl auch bunte Farben, nur darf man nicht übersehen, daß ein grelles Gelb oder Blutrot oder Silber oder Gold auffällt und daher nur selten getragen werden kann. Eine reife Frau kann zwar ruhig Weiß tragen, doch kaum Rosa oder Blaßblau; solche zarte Farben sollen nur zarte, junge Wesen wählen. Satte Farben wieder passen für robuste und brünette Menschen.

Alles an der Kleidung einer Frau muß untereinander und mit ihr selbst im Einklang fein und natürlich auch mit ihrer sonstigen Lebenshaltung. Nie soll man etwas vortäuschen wollen,[68] was man nicht ist. Zur Harmonie der Erscheinung gehört natürlich auch die richtige Farbenzusammenstellung. Es ist das einfachste und immer elegant, sich auf eine Farbe zu beschränken, also Hut, Kleid, Schuhe und Handschuhe zueinander abzustimmen. Zur Belebung darf ein kleiner, gut angebrachter Fleck in passender anderer Farbe dazukommen, sei es als Krawatte oder Aufschlag, am Kragen oder sonst irgendwo. Verschiedene Stilarten zu mischen, muß man sich hüten. Zum festlichen Pelzmantel paßt weder die Sportmütze noch der Röhrenstiefel. Wir sind, gottlob, nicht in Rußland.

Was übrigens die Röhrenstiefel betrifft, so wüßte ich gerne, an welchen Heiligen man sich wenden muß, um von ihnen erlöst zu werden. Der Stiefel gehört zum Manne, der hat ihn wirklich manchmal nötig, aber man wird sich vergeblich bemühen, uns zu beweisen, daß die Dame in unseren gepflegten städtischen Straßen diese plumpe Fußbekleidung braucht. Und für die Bergpartien haben wir unsere Genagelten.

Die wirklich elegante Dame wird sich auch nicht mit Schmuck behängen, ganz besonders nicht für die Straße oder in Sportkleidung. Es ist zwar Mode geworden, sich mit klirrenden Halsketten, dicken Armbändern und ähnlichem reichlich zu behängen, damit aber nähert man sich dem Geschmack des Negers. Man muß alles mit Maß betreiben. Sicherlich gibt es schönen Schmuck aus einfachem Material, der ästhetische Reize hat. Reizende Dinge macht man zum Beispiel in Tirol aus heimischen Halbedelsteinen und aus Bergkristall. Aber selbst dort, wo der Schmuck schön und volksecht ist, soll man Maß halten, besonders auf der Straße. Kostbarer Schmuck paßt überhaupt nicht zum Straßenkleid, nicht einmal die Boutons in den Ohrläppchen. Solche Dinge gehören ausschließlich zum Prunkkleid und auf den festlichen Abend.[69]

Der Handschuh ist nicht mehr so unbedingtes Zubehör festlicher Geselligkeit. Er ist ein praktisches Kleidungsstück, das uns vor Kälte, Nässe und Schmutz bewahren soll, als zeremonielles Zubehör der Toilette gilt er aber nur mehr bei hochoffiziellen Anlässen. Möglicherweise wird er auch da langsam abkommen. Schön ist es ja nicht, wenn man gute Männerhände und wohlgeformte Frauenarme in diese weißen Wursthäute zwängt. Man sieht schon heute häufig auf Abendunterhaltungen, beim Tanz, im Salon viele schöne, gepflegte Hände ohne Handschuhe, und nicht zu ihrem Nachteil.

Übrigens, meine Damen, Sie entblößen den Hals, die Schultern, ja den Rücken der Festlichkeit zuliebe, warum verstecken Sie so schamhaft Ihre unschuldigen Hände?

Etwas anderes ist es bei Reisen im Auto oder in der Eisenbahn, wo man den Handschuh schon aus Gründen der Reinlichkeit trägt. Gutangezogene Menschen stimmen den Handschuh, ob er nun aus Leder, Wolle oder Seide ist, farbig mit der Kleidung zusammen, und er soll nicht dunkler, eher heller sein als diese.

Was ist elegant, was ist Kitsch?

Die wirkliche Eleganz ist Harmonie des Gesamteindruckes, eine Harmonie, die sich aus dem Adel der Linie und der Übereinstimmung der Farben ergibt. Eine Bäuerin in ihrer Heimattracht kann viel eleganter wirken als eine nach dem letzten Modenblatt angezogene Dame. Die ist nicht elegant, denn ihr fehlt die persönliche Note, die zur wahren Eleganz gehört. Wenn man zuerst das Kleid der Dame wahrnimmt, hinter dem ihre Gesamterscheinung verschwindet, so ist sie bestimmt nicht elegant, sondern im besten Fall auffallend. Das Kleid muß mit seiner Trägerin ein untrennbares Ganzes geben, und dann wird sie es auch[70] zu tragen wissen. Man wird daher keine übertriebenen Formen wählen, keine grellen Farben, und alles auf die Person abstimmen.

Die einzelnen Teile der Kleidung müssen zusammenstimmen. Shorts und Stöckelschuhe passen ebensowenig zueinander wie ein Abendkleid und Straßenschuhe. Eine Mütze paßt nicht zum Seidenkleid oder zum Pelzmantel.

Eleganz fügt sich dem gegebenen Raum und der Gelegenheit ein. Man geht nicht in großer Toilette auf Reisen, und ebensowenig geht man als eleganter Mensch in Abendtoilette am Nachmittag spazieren. Auch die Zweckmäßigkeit gehört zur Eleganz. Das beliebte norwegische Skikostüm ist im Schnee ebenso elegant wie die lockere Bluse der Matrosen auf einem Segelschiff. Und wer wollte leugnen, daß der weiße Ärztemantel in der Ordinationsstunde elegant wirkt? Wenn er gut geschnitten ist, natürlich.

Kitsch in der Kleidung ist alles, was vortäuschen will, was es nicht ist, außerdem alles, was in seiner Wesenheit verlogen, protzig oder widersinnig ist. Die Dame, die bei glühender Hitze ihre Silberfüchse spazieren führt, ist kitschig, auch wenn hundert Modeblätter das als schick vorschreiben. Auch echter Schmuck wirkt kitschig, wenn er im Übermaß und zur Unzeit getragen wird.

Das Kino hat uns, besonders aus Amerika, sehr viel Modekitsch gebracht. Schmachtende, schleierartige, federgeschmückte Negligés, aus denen nackte Beine verführerisch hervorsehen, pompöse Teekleider, die an Pagoden, Krönungskleider oder Kirchengewänder erinnern. Kitsch trotz edelsten Materials und wunderbarer Arbeit.

Kitsch die Abwandlungen der alpenländischen Trachten, die[71] nicht nur ein Privilegium der Ausländer sind, sondern häufig genug von unseren Damen kreiert werden. Sie meinen es gut, aber sie haben keine Ahnung von echt und unecht, und wenn sie in Salzburg oder am Wolfgangsee damit spazierengehen, so kichern die Spatzen. Elegant ist nur die echte Tracht. Dirndln auf »Holywood« hergerichtet, sind nur Maskerade und sind meist jüdischem Gehirn entsprungen. Man weiß nicht, soll man lachen oder weinen, wenn man »Dirndln« in Lederhosen mit eingestickten Herzen am Magen, phantastischen Joppen mit hüpfenden Gemsen, einem Geißbubenhut mit langer Feder und dazu einem japanischen Sonnenschirm begegnet. Schön, es ist nicht immer so arg, aber eh sich einer ländlich kleidet, mag er daran denken, daß die Tracht auch achtenswerte Volksüberlieferung ist, die wir nicht verhöhnen, versüßlichen oder lächerlich machen dürfen.


»Volkstracht« (S. 73)
»Volkstracht« (S. 73)

Um aus der Eleganz keinen Kitsch zu machen, muß man eben den Sinn für Maßhalten und das mitbringen, was man früher »distinguiert« nannte, eine Mischung aus Zurückhaltung in den Mitteln und Vornehmheit im Denken und Gehaben.

Zum Händedruck streift man natürlich den Handschuh ab. Es wäre unhöflich, jemanden, der uns seine warme Hand reicht, mit dem Handschuh anzufassen. Dieser Pflicht darf sich nur eine ältere Dame winters im Freien entziehen oder zwei sehr gute alte Bekannte.[72]

Quelle:
Haluschka, Helene: Noch guter Ton? Graz 1938, S. 67-73,75.
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