Viertes Kapitel

Die Kammersängerin und Frau v. Löwenstern (1797–1798)

Mein Einfluß auf das Weimarische Theater war ohne Plan und Vorsatz ein sehr guter, denn meine Tätigkeit erfreute die in Mißmut und Gleichgültigkeit, wohl auch in zu große Selbstzufriedenheit versunkenen Talente und reizte den weiblichen Teil, mich zu verdunkeln und auszustechen, so daß ein heilsames, von Hof und Publikum angenehm empfundenes Zusammenwirken entstand. Durch die Veränderung meiner Lage war ich den trüben Eindrücken aus meiner Kindheit nicht völlig enthoben, wurde im Gegenteil durch Ort und Stelle um so lebendiger daran erinnert, es kam mir deshalb oft unfaßbar vor, wenn ich Leuten, die mir einst in unerreichbarer Höhe erschienen waren, jetzt gesellschaftlich nähertrat. Herdern zum Beispiel, den ich früher nur am Altare gesehen hatte, lernte ich in seiner Häuslichkeit kennen, wo ich ihm die herrlichen Melodien der Iphigenia vorsang und seine Ergriffenheit mit Vergnügen wahrnahm. Nicht, daß er sich nicht auch an leichterer Musik erfreute, aber Ernst war der Hauptzug seines Charakters, dem ein edler Anstand zur Seite trat; die damalige Perückentyrannei, der besonders Geistliche und Lehrer unterworfen waren, hatte er für seine Person gemildert und entsprach den Anforderungen der Zeit, ohne den guten Geschmack zu verletzen. Mit Rücksicht auf seine bischöfliche Würde trug er meist violette Kleider und zeigte in seiner ganzen äußeren Erscheinung eine solche ideale Höhe, wie sie keiner seiner Nachfolger wieder erreichte. Seine Stimme war weich und milde, doch konnte er sie auf der Kanzel im Unwillen über eine Störung zu imponierender Stärke erheben; auch eine gewisse Bitterkeit und Satire war manchmal nicht zu verkennen, doch war sie keine ursprüngliche Eigenschaft und wohl nur durch besondere Verhältnisse, die ich nicht beurteilen kann, verschuldet. Seiner Gattin, einer zarten Gestalt mit feinen, obgleich nicht regelmäßigen Zügen und geistvollem Ausdruck des von aschfarbigen Locken umgebenen Gesichts, konnte man[103] bedeutenden Einfluß auf die Stimmung des Generalsuperintendenten zutrauen, der so viele schöne und gute Werke entstammten. Ihre Tochter Luise, wenige Jahre jünger als ich, und ihr ältester Sohn Gottfried, bereits praktizierender Arzt, und dessen junge Frau waren mein intimer Umgang in diesem Hause; erstere glich in den äußeren Formen einer lieblichen Hebe und war nach dem inneren Gehalte letzterer weit überlegen, die langsam in die Vornehmheit der Schwiegereltern hineinwuchs. Mein kleiner Feind August war irgendwo der Bergwissenschaft beflissen, es war also lauter Güte und Liebe, die ich in dieser Familie genoß.

Auch Korona Schröter war eins der Wesen, die mir in meiner Kindheit als unerreichbare Sterne erschienen und nun zu mir – oder ich zu ihnen – herantraten. Ihre äußere Erscheinung hatte noch immer etwas Ideales; ich habe selten wieder eine so vollkommene Gestalt gesehen als die ihrige. Nicht regelmäßige, aber Verstand und Anmut ausdrückende Züge, verbunden mit der Kunst der Toilette, hatten sie einst zur Schönheit des Tages gemacht, durch Goethes Vermittlung war sie von Leipzig als Hofsängerin nach Weimar gekommen, doch war der Gesang gerade das, was ihr am meisten abging. Mit der ihr eigenen poetischen Natur trat sie immer mit Anstand und Grazie aus den Schranken der steifen Geschmacklosigkeit ihrer Zeit, ihre Toilette erinnerte mehr an die Griechheit als an die französische Mode. In den ersten Regierungs- und Ehestandsjahren des Herzogs wurde sie der Magnet, von dem er sich mächtig angezogen fühlte; Goethe benutzte diesen Umstand, um den Geist des jungen Fürsten angenehm zu unterhalten und in die Einförmigkeit des Hofwesens einiges Leben zu bringen. Ich hatte so viel von jenen Tagen des Glanzes der Schröter gehört, daß ich mich wunderte, als ich sie näher kennen lernte, daß man keine Spur vom Anteil sowohl des fürstlichen feurigen Anbeters als auch dessen, der früher an dem kleinen Hofe seine Kränze mit den ihrigen tauschte, und der ihr Gedächtnis in seinen Werken feierte, sich auf dem stillen Pfad ihres jetzigen Lebens zeigte. Beide sahen sie nicht mehr und hatten sie vergessen, nur die regierende Herzogin sah sie zuweilen bei sich, und bis an ihren Tod genoß sie der allgemeinsten[104] Achtung. Da ich bislang über die gesellschaftlichen öffentlichen Unterhaltungen geschrieben habe, könnte man auf die Idee kommen, die weimarische Jugend sei in einer Brüder- oder Schwestergemeinde erzogen worden, wo Tanz und ähnliche Frivolitäten aus dem Leben gestrichen sind. Dem war nicht so, es wurde gern und viel getanzt, in den anmutigen Unterhaltungen, welche die Klubgesellschaft eingerichtet hatte, versammelte sich der vornehmere Teil des Mittelstands, zu dem auch Adelige hinzutraten, aber wegen der Spannung zwischen beiden Ständen nur als Konterbande, über die man ein Auge zudrückte, weil sich die besten Tänzer darunter befanden. Übrigens war meine Porträtgalerie seit meiner Rückkehr nur durch einen Jenenser Musensohn vermehrt worden, der mir überall, im Park und im Theater, in Gesellschaften und auf Bällen begegnete und durch seine rührende Beharrlichkeit die Gunst aller mir attachierten Mädchen erworben hatte; meinetwegen hat der Stud. med. unzählige Kollegia versäumt. Ein anderes originelles Bild bot der Violinvirtuose Durand, der konzertierend herumreiste, wegen seiner Verschwendungssucht und seines Leichtsinns ebenso berühmt als wegen seines Talents. Sehr oft verließ er die Schauplätze seiner Triumphe mit Hinterlassung seines Instruments und mußte in der nächsten Stadt auf einer elenden Geige so lange den Enthusiasmus erwecken, bis er das Pfand auslösen konnte. Als ich seinem Brautwerber erwiderte, daß ich Bedenken trüge, ihm mein Schicksal anzuvertrauen, erwiderte er mir brieflich, Boileau habe den einen Narren genannt, der sich über eine fehlgeschlagene Hoffnung nicht tröste, er ließ mir also bei seiner Abreise nach Petersburg die Beruhigung zurück, daß ich kein Menschenleben auf dem Gewissen hatte.

Als die Zeit des Lauchstädter Gastspiels herangekommen war, beschloß der Hofkammerrat, mich mit seiner Schwester und Nichte zu begleiten. Er wählte aus dem Marstall, dessen Benutzung ihm zu Gebote stand, vier junge, feurige Rappen, um sie bei dieser Gelegenheit an Disziplin zu gewöhnen, und wir fuhren an einem schwülen Julitag gegen Abend einem drohenden Gewitter entgegen. Amalia lachte über meine Angst vor einem Unfalle, dafür schufen ihr bald Oberons Lilienstengel und andere[105] Requisiten Ungemach, eine Fahne drückte den Hofkammerrat im Rücken, und mich ließ ein veritabler Totenkopf, der in einem Stück gleichen Namens seine Rolle spielen sollte, nicht zum Sitzen kommen, kurz unser Wagen paßte in den Train einer herumziehenden Truppe. Als die Unterhaltung sich wieder etwas belebt hatte, begannen rötliche Blitze die Nacht zu erhellen, schlimmer als das, fühlte ich meine Beine im Wasser stehen, das alsbald die Haut berührte, und die anderen wurden wenigstens von gleicher Betrübnis erfaßt, als sich herausstellte, daß die mitgenommenen Bierflaschen sich ihres Inhalts entledigt hatten. Inzwischen ergoß sich der Regen in Strömen, und unter krachenden Donnerschlägen erreichten wir den »Kalten Hasen«, dessen Wirtin der Hofkammerrat wie ein schmachtender Liebhaber mit den glänzendsten Versprechungen um eine Unterkunft anging. Die komischen Seiten unseres Abenteuers ließen uns bald die gute Laune wiederfinden, und nachdem sich der Himmel ausgeweint hatte, setzten wir anderen Tags unsere Reise durch eine erquickende Morgenluft fort, bis mir bei der Ankunft in dem ländlichen Lauchstädt als erstes Haus ein Schafstall ins Auge fiel, den der Hofkammerrat für Thaliens Tempel erklärte. Ich bedachte, daß die Ahnen unserer Kunst ihr Talent in gleichen Räumen produziert hatten, und versöhnte mich in der Zurückversetzung in jene interessante Zeit mit der Geringfügigkeit unseres Schauplatzes. Ein reinliches Logis mit weißgestrichenen hölzernen Möbeln nahm uns auf, aber solche Einfachheit herrschte dort in den meisten Häusern und tat dem Frohsinn der kleinen Lauchstädter Badewelt keinen Eintrag. Ich spielte auch hier als erste Rolle den Oberon, der Mut wollte mir aber fast entsinken, als ich bei der Probe mit meinem Wolkenwagen an den Dachbalken anstieß und wie ein Taschenmesser zusammengeknickt wurde. Bei der Vorstellung am 2. August 1797, einem drückendheißen Tage, verursachte mir der Aufstieg entsetzliche Rückenschmerzen und einen derartigen Blutandrang nach dem Kopfe, daß ich fürchtete, mein Fuhrwerk nicht gesund verlassen zu können; doch als ich zur Erde kam, trat ich dem Publikum unbefangen und fröhlich entgegen, als ob mich Rosenblätter herabgetragen hätten. Da ich mich zu Hause angekleidethatte, trug die einzige vorhandene Portechaise mein in Couleur de chair und Flor eingenähtes Persönchen ins Theater, aber nach Schluß der Vorstellung ließ der eine Träger vergebens warten, und ich mußte mich entschließen, im entgötterten Zustand, von meinen Freunden eskortiert, das vollzählig auf der Straße versammelte Publikum zu durchschreiten, das mich – es war noch heller Tag – mit Bravorufen bis zu meiner Wohnung geleitete. Ich betrat die Bühne nie ohne Angst, um so befriedigter legte ich mich diesmal nach kurzgefaßtem Souper mit Amalia zu Bett; wir hatten uns aber kaum in die hochgetürmten Federpfühle versenkt, die nur mit Hilfe eines Stuhls erstiegen werden konnten, als donnerähnliches Getöse uns aufschreckte, eine solenne Nachtmusik ertönte, und unter Pauken und Trompeten ein dreimaliges Lebehoch ausgebracht wurde. Aller guten Sitte zuwider trat der Hofkammerrat im Schlafrock und mit der langen Pfeife in unser Schlafgemach und sprach in meinem Namen dem Publikum aus dem Fenster den Dank aus. Unter nochmaligem Vivat und Musiklärm zerstreute sich die Menge, wir aber beschlossen bei einem Glase Punsch den festlichen Tag, dem bei meinem ferneren Auftreten nicht minder angenehme folgten.

Mein Ehrgeiz fand volle Befriedigung, und ich fuhr fort, mit allen Kräften an meiner künstlerischen Ausbildung zu arbeiten; als aber in meiner neuen Lage ein Stillstand eingetreten war, begann ich die Erinnerungen an meinen früheren Aufenthaltsort zu klären und aufzuhellen. Da alle, an denen ich mit schwärmerischer Anhänglichkeit gehangen hatte, Mannheim verlassen hatten, war es für mich ein fremdes Land geworden, aber das Herz will seine Sehnsucht haben. Das Trübe war vergessen, und nur das Erfreuliche lebte in der Phantasie weiter, um es zu einer wehmütigen, beinahe heiligen Erinnerung zu gestalten. Die gastfreundliche Aufnahme, die sich jeder Fremde von Rang und Verdienst von unserem Hofe versprechen durfte, hatte einen hochgebildeten Franzosen, Mounier, bewogen, ein großartiges Institut hier zu errichten, ebenso eine livländische Familie v. Löwenstern, in Weimar ihren Wohnsitz zu nehmen und ihre beiden Söhne jener Anstalt zu übergeben, die hauptsächlich von vornehmen Engländern besucht wurde.[109] Wiederholte Einladungen lehnte ich ab, weil ich die Ehre der Bekanntschaft nicht damit bezahlen wollte, daß ich die Abendzirkel der reichen Leute mit meinem Gesange unterhielt. Da klopfte eines Abends Herr v. Löwenstern an meine Tür, entschuldigte seine Zudringlichkeit mit dem Wunsche seiner von einer schweren Krankheit genesenen Gemahlin, mich kennen zu lernen, und zeigte dabei so viel Herzlichkeit, daß ich wohl oder übel zusagte. Sie empfing mich mit freudiger Überraschung und zeigte so viel menschliches Wohlwollen ohne den Stolz, der so oft mit Rang und Reichtum verbunden ist, daß ich mich angenehm berührt fand. Sie war eine feine Gestalt im Anfange der dreißiger Jahre, ohne sonstige Schönheit, drückten ihre dunkelblauen Augen jede innere Regung beredt aus, schleuderten mit großer Lebhaftigkeit flammende Blicke und tauten wieder sanfte Tränen des Mitgefühls und der Rührung. Oft war sie hart und schroff in ihren Urteilen, aber tief im Herzen lag manch schönes Gefühl, das sich vor den Stürmen des Lebens und den Kämpfen einer nicht glücklichen Ehe gerettet hatte. Da ihre Heftigkeit ihr keine Verstellung erlaubte, ließ sie sich rücksichtslos gehen, konnte gegen Leute, die ihr nicht gefielen, bitter und abstoßend sein, wen sie aber gewinnen wollte, der mußte sie lieben, und wen sie liebte, durfte sich eines dauernden Gewinnes rühmen. Sie hatte blühende Kinder, zwei Söhne von vierzehn bis fünfzehn Jahren und eine Tochter Gustchen, die für ihr Alter von dreizehn Jahren ein Wunder an Kraft und Größe war. Ihre Glieder, nichts weniger als zart, zeigten edle Formen, das frische Jugendblut ergoß sich bis in ihre graziös zugespitzten Finger und gab dem Teint eine Färbung, als ob sie ein Kind der Lüfte oder Wälder wäre; wenn sie bei Spielen, die der Hof auf den Wiesen des Parks veranstaltete, den Spieß warf oder im Wettlauf nach dem Ziele lief, so konnte man auf die Idee kommen, eine aus der Fabel entsprungene Nymphe Dianens zu sehen.

Herr v. Löwenstern konnte etwa fünfundvierzig Jahre sein, eigentlich ein hübscher Mann, der aber weder auf mich noch andere diesen Eindruck machte. Mit dem großen Reichtum kontrastierte die Anspruchslosigkeit der Wohnung und Einrichtung, denn außer einer glänzenden Equipage mit vier[110] schönen Pferden und reichen Livreen war nichts Außergewöhnliches zu erblicken, aber die glanzlosen Räume des beschränkten Logis vereinigten allabendlich Personen aus der guten Gesellschaft Weimars und interessante Fremde der höheren Stände und von künstlerischer Bedeutung. Da zu der bekannten Gastfreiheit des livländischen Adels eine besondere Liebenswürdigkeit und eine große Liebhaberei für die Musik hinzukam, hatte das Löwensternsche Haus große Anziehungskraft, und jedermann verließ die Schwelle mit dem Wunsche, sie bald wieder zu betreten. Frau v. Löwenstern hatte für mich große Neigung gefaßt, und jeder Tag brachte mir eine Einladung für den Mittag oder Abend, bald durch sie selbst, bald durch ihren Gatten, und so herzlich ausgesprochen, daß ich schwer widerstehen konnte, obwohl mich immer eine heimliche Abneigung gegen eine völlige Hingabe beschlich. Die Entschuldigung, daß ich Rücksicht auf meine übrigen Freunde nehmen müsse, ließ Frau v. Löwenstern nicht gelten und zog alle, mit denen ich liiert war, in ihre Zirkel, und da diesen der Aufenthalt ebenso angenehm wie schmeichelhaft erschien, ließ ich mich bald ohne Widerstand an das Haus fesseln. Herr v. Löwenstern, dessen Denkungsart sonst mit seiner Gemahlin nicht selten disharmonierte, hatte das gleiche Wohlwollen für mich, nur glaubte ich darin ein fremdartiges Interesse erkennen zu müssen. So wollte er mir einmal eine Rolle Louisdor schenken, daß ich mir ein Klavier kaufen sollte, ich erklärte ihm jedoch, daß ich sie nur aus den Händen seiner Gattin annehmen würde, eine Handlungsweise, die mir ihre verdoppelte Neigung gewann und mir die Möglichkeit, ihr tröstend und versöhnend beizustehen. Von ihr bis zu dem letzten Dienstboten seufzte alles unter der Laune des Hausherrn, der seine Tyrannei mit dem freundlichsten Lächeln ausübte; deshalb wehte ein frischer Wind, wenn er öfters nach Livland verreiste, bis mit seiner Rückkehr Scherz und Lust wieder verstummten. Einmal, als er nach Leipzig gefahren war, fiel es der Frau v. Löwenstern in der Fröhlichkeit ihres Herzens ein, mich und meine Schwester in seinen Kleidern zu überraschen; es dauerte aber nicht lange, als sich die Tür öffnete und der abwesend geglaubte[111] Despot mit grimmigem Blick hereintrat. Die in ihrer guten Laune gestörte Frau riß den Federhut herunter und schleuderte ihn in Ermangelung eines Donnerkeils nach dem Eindringling, dessen Zornausbrüchen wir Unbeteiligten mit Gleichmut standhielten. Dennoch muß ich, um gerecht zu sein, bekennen, daß er gegen mich immer gleich gütig und freundlich geblieben ist, während ich meinen Dank dadurch abzutragen suchte, daß ich manche harte Maßregel zu mildern, Mißverständnisse auszugleichen und Versöhnungen herbeizuführen strebte, bei denen die rätselhafte Erscheinung zutage trat, daß der Barbar weinen konnte wie ein Kind.

Die Soireen bei Löwensterns wurden immer interessanter und glänzender, die fürstlichen Kinder erschienen zu den Konzerten und Bällen, und endlich fand sich auch der Herzog ein, der Geist und Originalität der Frau v. Löwenstern, die er an seinem Hofe und dem seiner Mutter kennengelernt hatte, nach seinem Geschmacke fand. Seine Persönlichkeit übte mit der fürstlichen Haltung und zu Herzen sprechenden Freundlichkeit auf alle einen bezaubernden Eindruck; er wußte gute Gedanken und fröhliche Scherze auf eine Art zu erwidern, daß jeder aus sich herausging und die Unterhaltung einen lebendigen Verlauf nahm. Am Teetisch der Frau v. Löwenstern war sein beständiger Platz und die Plauderei mit ihr am flottesten; sie gewöhnte sich auch derart an seine Gegenwart und Aufmerksamkeit, daß sie merklich stiller und einsilbiger war, wenn er an einem Abend nicht erschien. Selbst wir jungen Mädchen flüsterten einander unser Bedauern zu und sandten unsere Blicke die Straße entlang; wenn er aber endlich doch noch kam, erleuchtete ein Freudenstrahl die Züge der Hausfrau und der Gäste, und die vorher gelähmte Konversation geriet in flotte Bewegung. Durch mein hübsches Talent trat ich oft aus dem Kreise meiner Freundinnen hervor und verschaffte mir eine bedeutende Geltung in der Gesellschaft, indem nicht nur gesungene, sondern auch gesprochene Worte den Leuten gefielen und den Herzog zu unterhalten schienen. Es ist eine der beglückenden Wirkungen der dramatischen Kunst, daß sie ihren Jüngern einen Nimbus verleiht; der Eindruck einer schönen Rolle trägt sich auf den[112] Künstler über, und eine Reihe von guten Leistungen macht ihn zum Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit und des fortdauernden Interesses. Dazu vermehrte es das Empressement der Gesellschaft, daß der Herzog mich viel und gern in die Unterhaltung zog, und so wendeten sich alle mir zu, wie die Sonnenblumen der Seite, wo die Sonne aufgeht. Endlich gab die Ankunft des Prinzen Friedrich von Gotha, der bei Löwensterns vom Herzog eingeführt wurde, den Zirkeln, und die Auszeichnung, die mir von ihm zuteil wurde, meiner Person ein weiteres Relief. Der Prinz besaß ein unbeschreiblich gutes Herz und einen gebildeten Geist, die ihn zu einem Phänomen gemacht haben würden, wenn nicht, wie sich nach seinem Tode herausstellte, ein organischer Fehler seine freie Entwicklung hintangehalten hätte. Seine äußere Erscheinung war von so eigentümlicher Art, daß schwerlich ein anderer mit ihm verglichen werden konnte, es müßte denn sein Bruder, der als Original bekannte Herzog August, gewesen sein. Die große Gestalt hätte man auch eine kräftige nennen dürfen, wenn diesem Begriff nicht ein kalkweißer zarter Teint und ein blasses Auge widersprochen hätten, in dem ein opalartiger Schimmer die blaue Grundfarbe beinahe gänzlich überzog; seine Augen waren stets nach oben gerichtet und bewegten sich unaufhörlich wie der Perpendikel einer Uhr. Über der weißen Stirn erhob sich ein dichter Wald von gelblich blonden, beinahe weißen Haaren, nicht vom Alter gebleicht, denn der Prinz zählte zwanzig Jahre, sondern einem Naturell entstammend, das sich in die Gothaische Fürstenfamilie aus dem Geschlecht der Albinos verirrt hatte. An seinen wunderschönen weißen Händen trug er geschmackvolle, meist antike Ringe, sogar am Daumen, und darauf war er so eitel, daß er sie oft zu seinen Augen emporhielt, sich der Schönheit zu erfreuen, da er abwärts nicht fixieren konnte. Er sang einen dünnen hohen Tenor, der an sich nicht viel bedeutete, aber seine Leidenschaft für Musik vermehrte. Er wandte mir damals seine besondere Gunst zu und hat mir dieselbe erhalten, solange er denken konnte; denn lange vor seinem Ende fiel er in einen Zustand der Umnachtung.

In dieser angenehmen, bewegten Zeit sollte noch ein Ereignis[113] mich in freudige Bewegung versetzen, Ifflands Ankunft zu Gastrollen. Ich hatte ihn nur in hoheitsvoller, kalter Haltung gesehen und war gespannt, wie die veränderten Verhältnisse auf ihn wirken würden; um ihm aber meinerseits meine dankbare Erinnerung zu beweisen, offerierte ich ihm meine Wohnung, und der Hofkammerrat, der für seine Unterkunft zu sorgen hatte, war darüber hocherfreut, während Böttiger, der enthusiastische Verehrer des Meisters, mich einstweilen in sein Dachstübchen auf nahm. Iffland kam mit seiner Frau, und das Wiedersehen versetzte mich in innige Bewegung. Zeit und Umstände hatten mir eine gewisse Sicherheit gegeben und mich von der respektuösen Beklemmung befreit, in der ich dem sonderbaren Mann in Mannheim gegenübergestanden war; auch er zeigte sich mir von der liebenswürdigen, nicht mehr der imposanten Seite. Und welche Erinnerungen weckte das Wiedersehen mit Luise Greuhm, seiner nunmehrigen Frau! Sie besaß unter einer ernsten, trockenen Außenseite tiefes Gefühl und war eine edle Natur, die durch ein schönes Auge denen ihr Inneres aussprach, die diese stille Sprache verstanden, aber meist mißverstanden, auch von ihrem Manne verkannt wurde. Ich war aus der früheren Untergeordnetheit zu ihr herangewachsen, sie gefiel sich mit mir, und ich wurde ihr herzlich attachiert. Die Anwesenheit beider war für mich ein Fest und erhielt mich in der freudigsten Aufregung. Die Natur hatte in seinen Zügen eine so frappante Originalität ausgeprägt, daß mir niemand vorgekommen ist, bei dem man von einer Ähnlichkeit hätte sprechen dürfen. Sein dunkles, durchdringendes Auge hätte gegenüber den feinen Zügen zu groß erscheinen können, wenn nicht die reichlich volle Peripherie seines Gesichts einen Ausgleich bewirkt hätte. In der Beweglichkeit seiner Physiognomie lag eine Sprache, die oft die Worte entbehrlich machte, und selbst in seinen Händen ein Ausdruck, so daß zuweilen das Heben eines Fingers hinreichte, einen Effekt hervorzubringen, den andere mit dem Aufgebot aller ihrer Mittel nicht bewirken konnten. Seinen feinen Lippen fehlte zwar der Hintergrund der Zähne, aber nicht eine der gewöhnlichen nachteiligen Folgen war zu bemerken. Sein Organ war nicht das günstigste, und doch konnten seine Töne rühren und erschüttern, wie iches bei allen seinen Nachfolgern nicht bemerken konnte, weil er aus dem Herzen sprach. Schade, daß seine Figur schon frühzeitig etwas zu stark geworden war und ihn aus den jüngeren Rollen in das Fach der komischen, ernsten und heroischen Alten gedrängt hatte, doch wußte er sie so glänzend darzustellen, daß er neben aller Jugend und allem Talent immer die allgemeine Bewunderung auf sich zog.

Die Zeit, während der uns Iffland mit seinen herrlichen Leistungen entzückte, ging wie ein schöner Traum vorüber. An den Tagen, an denen er auftreten sollte, war die Stadt ungewöhnlich von Fremden belebt, und an den freien Tagen wechselte ein heiteres Fest mit dem anderen; man strebte, dem liebenswürdigen Künstler das Vergnügen einigermaßen zu vergelten, das er mit besonderer Vorliebe dem weimarischen Publikum gewährte. Der Herzog ließ es sich angelegen sein, ihm seine Anerkennung zu beweisen, und sah ihn gern in seiner Nähe, denn er war als Gesellschafter ebenso interessant wie als Künstler. Ein Frühstück an einem herrlichen Maimorgen im Römischen Hause, dem reizenden Sommersitze des Fürsten, nahm einen besonderen Platz unter Ifflands Weimarer Erinnerungen ein. Der Himmel hatte die schönsten Strahlen seiner Sonne ausgewählt, um über das junge Gesträuch und helle Grün der Wiesen das Mosaik der Frühlingsblumen mit dem Farbenspiel der Tautropfen auszubreiten, die frische Natur in ihrer unbeschreiblichen Schönheit herauszuheben und die mit ebensoviel Pracht als Geschmack ausgestatteten Innenräume der im römischen Stile erbauten und ausgestatteten Villa zu verschönern. Ich wandelte darin mit feierlicher Stimmung einher und betrachtete ehrerbietig die Fülle der Gegenstände, in der sich der hohe Stand, die Einfachheit und das vielseitige Interesse des Besitzers auf das Anziehendste aussprachen. Der Ort, den der Landesfürst zur Freude und Erholung nach Sorge und Zwang sich geschaffen hatte, erregte mein höchstes Interesse, da ich von Jugend auf die Würde dieses Standes mit einer Art Religiosität zu empfinden gewohnt war. Die guten Fürsten, von denen es nach meinen Kindervorstellungen drei gab, nämlich Friedrich den Großen, Joseph den Zweiten und unseren Herzog, kamen in meinen Augen gleich nach dem lieben Gott,[117] und die bösen betrachtete ich als Gottesgeißeln, denen man keinen Widerspruch entgegenzusetzen vermag, bis sie vorüberziehen. Die Ermordung Ludwigs XVI., die ich in Mannheim erlebte, hat mir unendliche Tränen verursacht, und des gräßlichen Frevels am Kaiser Paul denke ich immer noch mit Entsetzen. Den Tod jenes Fürsten konnte man beweinen als Opfer eines wahnsinnig gewordenen Volks, aber dieser Kaisermord erschloß einen trostlosen Ausblick in unbegrenzte Möglichkeiten. Ein zweites Fest wurde der Gesellschaft von dem Herzoge im Jagdschloß Ettersburg bereitet. Das kleine Schloß im altfranzösischen Stile umgibt ein Wald von majestätischen Buchen, die trotz manchen Sturmes, der über ihre Häupter hinwegging, frisch und stark wie Riesenjünglinge das zu ihnen emporstrebende Gesträuch mit ihren Armen schützen und beschatten. Gegenüber dem ziemlich hoch liegenden Gebäude erhebt sich terrassenartig ein Tannenwald, mit dessen finsterer Größe sich das jugendlich grüne Laubholz heiter mischt, während der weite Himmel, an diesem Morgen von azurner Färbung, einen prächtigen Hintergrund abgibt. Am Fuße des Schlosses nahm eine Plattform die Versammlung auf, neben Karl August die Prinzessin Karoline und den Erbprinzen, den Prinzen Friedrich von Gotha und seinen Kammerherrn, v. Haack, Iffland, Goethe, Wieland, Einsiedel, Herrn und Frau v. Löwenstern und Gustchen, Kirms mit Amalia, Böttiger und Loder aus Jena mit seiner schönen Frau, der Tochter des Göttinger Augenarztes Professor Richter, wie andere Männer und Frauen aus der Hofwelt. Sie vereinigten sich in heiterster Stimmung auf dem grünen Teppich der Wiese oder nahmen im kühlen Schatten der dichtbelaubten Kirschbäume Platz, welche die Plattform von einem schmalen, üppig bewachsenen Tale in der Richtung nach dem Tannenwald scheidet. Die Liebenswürdigkeit des Herzogs versetzte alle in wohltuende Behaglichkeit, bis die Ankunft eines Reitenden die Aufmerksamkeit ablenkte, der ein großes Papierpaket emporhielt; der Herzog nahm es ihm selber ab und entfaltete ein Bukett der schönsten Blumen der Treibhäuser von Belvedere. Ich glaubte zu erraten, daß es auf eine Überraschung für Frau v. Löwenstern abgesehen war, aber zum allgemeinen Erstaunen überreichte der[118] Fürst mit dem ihm eigentümlichen freundlichen Ernste und herzlichem Wohlwollen mir das Angebinde. Ich war so konsterniert, daß ich zu danken vergaß; aller Augen sah ich freundlich mir zugewandt, nur bei Frau v. Löwenstern begegnete ich einem glühenden Blicke. Aus meiner sorglosen Fröhlichkeit ward ich in eine mir unbekannte Unbehaglichkeit versetzt und war froh, als sich die Gesellschaft trennte, mit Ifflands statt mit den livländischen Herrschaften nach Hause fahren zu können. Heute ruhen alle Teilnehmer jener Szene im Grabe, samt dem teuren Manne, der mir die Blumen reichte; nur der jetzige Großherzog und Gräfin Gustchen Coudenhoven in Wien weilen noch im Lichte.

Als mich Iffland zu Gastrollen in Berlin einlud, dachte ich, obwohl frei von Dünkel und Anmaßung, an keine Schwierigkeit, an kein Wagnis, neben den Lieblingen des Berliner Publikums, der Schick, Unzelmann, Eunicke und Fleck, selbst in deren Rollen aufzutreten, nicht an die Möglichkeit des Mißlingens; ich hatte nur das Angenehme und Ehrenvolle der Sache vor Augen und machte unter innerem Jubel die kleinen Anstalten zur Reise. Mein Vater schrieb mir in das Ausgabebuch, das er mir eingerichtet hatte: »Ich reise am 20. August 1798 nach Berlin, komme Ende September zurück und bringe kein Geld mit, aber Schulden.« »Nein, mein guter Vater, diesmal irrst du dich, ich wohne bei Iffland und mache keine Einkäufe« – mit diesen fröhlich hingeworfenen Worten nahm ich Abschied und bestieg mit meinem hübschen Dienstmädchen – denn von jeher habe ich angenehme Umgebung geliebt – den Wagen, um meine große Laufbahn zu beginnen. Über holprige Gleise und Baumwurzeln, unter ewigen Stößen und Schwankungen ging die Reise langsam vorwärts, nicht selten lag ich wie ein vom Sturm bewegtes Schiff auf der einen Seite beinahe am Boden und litt wirklich an der Seekrankheit. Die Ungeduld hielt mich munter, die Ergebung schläferte mich ein, und so kam ich unter Wachen und Schlafen allmählich bis zur Havel, die meine heiße Stirne mit erfrischender Luft kühlte und mit ihren freundlichen Umgebungen mein Auge erquickte. Alle Müdigkeit war verschwunden, ich konnte mich nicht satt sehen an den Naturerscheinungen und Denkmälern einer großen[119] Vergangenheit. In meiner Jugend las man in den Zeitungen, die ich im väterlichen Hause studierte, beständig von Friedrich dem Großen, nun sah ich den Ort, wo er lebte, das Schloß, das er bewohnte, und meine Phantasie hatte mal wieder reichen Stoff zur Beschäftigung, während ich den langweiligen letzten Teil des Weges zurücklegte, um in der glücklichsten Stimmung die Schwelle des hinter einem Akazienbaum halb versteckten Ifflandschen Wohnhauses vor dem Potsdamer Tore zu überschreiten. Ich fand den freundlichsten Empfang, denn man schien meine Gastfreundschaft in verstärktem Maße erwidern zu wollen, und fühlte mich in der neuen Umgebung bald behaglich, die für den Zuschauer äußerst interessant war. Der dramatische Dichter Iffland brauchte seinen Blick nur auf seine häuslichen Ereignisse zu richten, um das vollständige Personal für seine Stücke beisammen zu haben; schwerer würde es ihm gefallen sein, sich selbst mit all seinen Bizarrerien, seinen glänzenden Vorzügen und Schattenseiten darzustellen, denn so sehr er die Menge mit seiner Kunst, Einzelne und oft auch seine Hausgenossen durch Liebenswürdigkeit und originelle Einfälle seiner frohen, oft kindlichen Laune entzückte, so brauste er doch auch wieder wie ein Sturmwind durch die Zimmer und schleuderte der armen Luise grimmige Blicke zu, die diese Aufwallungen ohne die geringste Ahnung über die Gründe mit der größten Ruhe über sich ergehen ließ. Die Anlässe wechselten beständig: eine Aufmerksamkeit, die ihn gestern rührte, konnte ihm heute als Zudringlichkeit erscheinen, oft vermißte er Rücksichten, die ihm erst lästig gewesen waren, er konnte über eine Kleinigkeit vor Freude jubeln, und eine Kleinigkeit konnte ihn zur Verzweiflung bringen. So konnte die arme Luise mit der Herzogin von Friedland sprechen:


Denn gleichwie an ein feurig Rad gefesselt,

Bracht' ich ein angstvoll Leben mit ihm hin,


es gab aber soviel sublime Augenblicke in diesem Leben, daß sie es nicht gegen ein ruhiges vertauscht haben würde. Auch ließ der sonderbare Gatte es nicht an Aufmerksamkeiten für sie fehlen, und bei besonderen Gelegenheiten, besonders ihrem Geburtstage, war ihm an Blumen und Früchten, Stoffen und Putz nichts zu teuer.[120]

Außer seiner Frau, deren ruhiges Wesen er Herzlosigkeit, deren ökonomisches Talent er Geiz nannte, obwohl seiner Genialität gegenüber etwas Prosa nicht übel angebracht war, gehörte Karoline, seine Schwägerin, und Fritz, sein Schwager, zum engeren Familienkreis. Die ganze Familie Greuhm war von ausgesuchter Häßlichkeit, der größere Teil dieser unangenehmen Naturgabe aber Karolinen aufgebürdet, obwohl eine der Grazien, wenn auch nicht die geschickteste, bei ihrer Toilette mitwirkte. Ihre kleine, niedliche Figur hatte einen leisen Anflug von Koketterie, der selbst im Hausgewande nicht zu verkennen war, und durch das griechisch aufgewundene spärliche Haar schlangen sich beflitterte Bänder von Sammet und Seide in immer neuen überraschenden Formen. Standhaft, duldsam und verschwiegen stand sie in jungfräulicher Schüchternheit und mit gesenktem Blick dem chamäleonischen Schwager gegenüber und war dennoch eine starke Stütze für ihre Schwester, denn sie besaß viel Verstand und etwas Intrigengeist, den sie jedoch nur zur Behauptung des Luisen und ihr spärlich genug zugemessenen Terrains benutzte. Ich war der gutmütigen, sanften und freundlichen Person sehr attachiert und habe bis zu ihrem Tode in treuer Anhänglichkeit mit ihr verkehrt. Fritz, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, war in seinem Äußeren nicht aus der Art geschlagen, aber der kluge Blick, freundliche Zug um die Lippen, angenehme Witz und die gebildete Rede ließen die Häßlichkeit des kleinen Mannes vergessen. Dabei behauptete er mit diplomatischem Talent und taktvoller Ruhe in den vielfach sich bekämpfenden Interessen des Hauses eine neutrale Stellung, war der einzige, der Iffland imponierte und von ihm aufrichtig geliebt wurde; er starb lange nach ihm als Gesandter in Amerika. Um schließlich auf die Hausfreunde zu kommen, so verkehrten bei Iffland der Kapellmeister Anselm Weber und Friedrich Bethmann, ein junger Schauspieler von ziemlich hübschem Äußeren, aber geringem Talent. Obgleich ein reger Geist und die Flamme des Genies aus Webers Augen strahlten, daß er in beständiger Exaltation zu sein schien, war er mir keine angenehme Erscheinung; für die altfranzösische Musik, die Gluckschen Opern und die ähnlichen Stils enthusiastisch eingenommen, richtete er jetzt seinen ganzen[121] Haß wider die Franzosen und war in dieser Beziehung mit Iffland ein Herz und eine Seele. Nach der französischen Revolution lebten wir bis zu den Napoleonischen Kriegen in friedlichem Zustande, jene beiden ließen aber noch immer Truppen marschieren und Schlachten liefern, und jeder, der sich im Franzosenhasse einer Lauheit schuldig machte, wurde wie ein Paria behandelt. Aus diesem Grunde schloß sich Weber der Greuhmschen Partei an, die den Protegé Ifflands stürzen wollte, da er nicht den Takt besaß, zu bemerken, daß sein tägliches Erscheinen zu Tische und jeder beliebigen Zeit der Hausfrau mißfiel, die ihm vom Hausherrn zugewandte Gunst der übrigen Umgebung unangenehm wurde. Auch mochte Weber, der für mich einiges Interesse zu haben schien, Unwillen empfinden, daß Bethmann in dieser Beziehung seine Ansicht teilte. Meine ersten Schritte führten mich zur Königin Luise, die ich in Mannheim als junge Prinzeß gesehen hatte; sie empfing mich mit Huld und Teilnahme, zeigte mir die Geschenke, die ihr von den Provinzen überreicht worden waren und von ihr neuerdings mit kindlichem Gemüte betrachtet wurden, und sprach ihre Freude aus, meinen Oberon wiederzusehen. Dann ging ich zu den ersten Bühnenkünstlerinnen, die mich alle freundlich begrüßten, um zu Hause neue scherzhafte und ernste Überraschungen zu genießen. Iffland brachte den ganzen Morgen im Theaterbureau und in den Proben zu, daß es ihm nie, von seiner eigenen Unterhaltungsgabe abgesehen, an buntfarbigem Stoffe zur Konversation bei Tische fehlte. Man mußte seine Rastlosigkeit bewundern, denn früh neun Uhr fingen seine Theatergeschäfte an, von denen er meist abgespannt und müde um ein Uhr zurückkehrte; nach Tische erlaubte er sich kaum eine Stunde, mit dem Pöbel – so nannte er in liebenswürdiger Laune seine Hausgenossenschaft – auf dem »Gebirge« den Kaffee einzunehmen. Dieses Gebirge war ein zusammengetretener Sandhaufen unter der Akazie, mit der Aussicht auf die Chaussee, und wenn sich der Hausherr dahin begab, war es schon ein Zeichen von der guten Stimmung, in der er unbeschreiblich angenehm sein konnte. Diner und Kaffeestunde waren die einzigen Zeiten, die er seiner Umgebung widmete; dann ging es wieder ins Theater, mochte er spielen oder nicht, wiewohl[122] er meist alle Tage in der Woche spielte. Dort war ein Kämmerchen in der geheimnisvollen Nachbarschaft der Versenkungen für die Feen- und Geisterwelt, nach seiner Form Kapuze genannt, sein deliziöses Plätzchen; dort machte er seine Theatertoilette, gab seine Anordnungen, lernte seine Rollen, empfing Besuche. Begreiflicherweise war seine Stellung als Oberhaupt eines so komplizierten Instituts mit vielen Anstrengungen und Sorgen verbunden, aber der anstrengendste Teil seiner Geschäftsführung wurde ihm leicht, das ganze Personal war ihm so ergeben, daß ein freundliches Wort hinreichte, die größten Opfer zu erlangen. Schnelles Einlernen, plötzliche Übernahme einer Rolle, Durchführen einer undankbaren Aufgabe belohnte er durch ein verbindliches »Ich danke Ihnen«, »Sie haben mir aus einer großen Verlegenheit geholfen«, »Das vergesse ich Ihnen niemals«, und das nächste Mal fanden sich die Künstler ebenso bereit und willig. Es war eine Fortsetzung des Mannheimer Tons, die ich hier wiederfand, und wenn ich Ifflands Geschichte schreiben wollte, könnte ich rührende Beweise seines veredelnden Einflusses auf das Ganze des Berliner Theaters anführen, deren sich die späteren Intendanten, die Intendanten der deutschen Bühnen überhaupt, nicht rühmen können.

Ich war noch nicht aufgetreten, als das Herbstmanöver seinen Anfang nahm; Ifflands fuhren hinaus, und wir teilten mit einer unendlichen Reihe von Wageninsassen die frohe Erwartung, die angebetete Königin zum ersten Male nach ihren Wochen willkommen heißen zu dürfen. Ihr Wagen kam langsam angefahren; ein weißer Strohhut mit Feldblumen beschattete das heitere Antlitz, das mit unbeschreiblicher Lieblichkeit und Anmut nach allen Seiten grüßte. Als sie in kurzer Entfernung von uns hielt, sandte sie uns nicht nur einen huldvollen Gruß zu; ein Wink befahl mir, mich zu ihr zu verfügen. Als ich in den offenen Wagenschlag hinaufgestiegen war, empfing ich von der hohen Frau und der Prinzessin Louis, ihrer Schwester, die ich in Mannheim als aufkeimende Rosenknospen gekannt hatte und nun als herrlichste Blüten wiedersah, die schmeichelhaftesten Zeichen ihres Anteils. Man denke sich die vielen Zeugen dieser Begrüßung, und man wird den[123] vorteilhaften Eindruck auf das Publikum begreifen. Im fröhlichen Genuß des Guten, was mir der Himmel gab, ging ich von einem Tag in den anderen, und die nahe Aussicht auf mein Auftreten an der Bühne war, fern von aller Angst, eine Vermehrung meiner Freude. Ich hatte Iffland die Wahl der Rollen überlassen, er wählte für den ersten Abend den kleinen Gott mit dem Lilienstengel, dessen Zauberkraft mich bisher so gnädig beschützt hatte. Iffland war so freundlich, mir zur Garderobe seine allerliebste Kapuze anzuweisen, Luise leistete mir die angenehmste Unterhaltung und begleitete mich mit den besten Wünschen, als ich mich in den Wolkenwagen verfügte. Sie erfüllten sich in vollem Maße, denn als ich hoch in den Lüften schwebte, empfing mich ein allgemeines Applaudissement. Ich bebte vor freudiger Überraschung und schaute auf unzählige freundliche Gesichter herab, die ihre Blicke alle auf mich richteten. Auf der Erde hatte ich mich einer gleich glänzenden Aufnahme zu erfreuen und wurde am Ende einstimmig hervorgerufen; die Mode, fünf- bis sechsmal während der Vorstellung an der Rampe zu erscheinen, war damals noch nicht über die italienische Grenze herübergekommen; es war eine seltene Auszeichnung, die mir zuteil wurde, und auf der Bühne wie in der Kapuze drängte sich alles an mich heran, mir Lob und Glückwünsche darzubringen. Nach so glücklich vollbrachten Taten war der Nachgenuß mit Iffland, den Seinigen und einigen Freunden ein prächtiger Abschluß, und am anderen Tage drückte mir die Königin mit der hinreißenden Güte, die nicht zu beschreiben ist, ihren Beifall aus. Ein glückliches Geschick waltete in den entscheidenden Momenten meines aufgehenden Kunstlebens: in Mannheim war es die nun verklärte Frau Pfalzgräfin, die mich bei meinem ersten Auftreten ermutigte und beglückte, und jetzt war es die allgeliebte Königin, die ein so unverkennbares Wohlwollen an den Tag legte, daß man sich über die Auszeichnung, die ich in Berlin fand, nicht wundern darf. Ich sah bei ihr den Prinzen Georg, ihren Bruder, späteren Großherzog von Mecklenburg-Strelitz, bei dem mich meine angeborene physiognomische Kenntnis wiederum den rechten Weg führte. Er war damals ein vollkommen schöner Jüngling von[124] schlankem, kaum vollendetem Wüchse; seine Züge, ganz verschieden von denen seiner Schwestern, hatten gleichwohl etwas Anmutiges und Liebreizendes, die langen dunklen Wimpern, immer eine schöne Gabe der Natur, verbargen den Blick nicht, der eine schöne Mischung von Geist, Herzensgüte und einer Heiterkeit ausdrückte, die ihm im Genuß des ungetrübten Glückes jener Tage zum Charakterzug geworden war. Er liebte das Schöne mit Begeisterung und vor allem den Gesang, und zwar mit so feinem Urteil, daß ich auf sein Lob stolz sein durfte. Er hat mir sein Wohlwollen bis heute erhalten und mich oft durch geistvolle Briefe von wahrhaft fürstlicher Gesinnung erfreut.

Ich spielte auf allgemeinen Wunsch den Oberon und die Bertha noch einmal, dann noch dreimal in anderen Opern und immer mit demselben Erfolg. Der Gedanke an den Abschied tat mir weh, denn ich hatte mich schon an die großartigen Beifallsäußerungen der großen Stadt gewöhnt und fühlte mich in der kleinen bewegten Welt des Ifflandschen Hauses glücklich und heimisch. Daß ich mich über die Wohlgeneigtheit des Kapellmeisters Weber nicht getäuscht hatte, ward mir durch die Mitteilungen Karolinens und Luisens zur Gewißheit; ebensowenig hatte dieser sich in den Gesinnungen Bethmanns betrogen, der mir äußerst zugetan war12, desto sicherer aber dem Verderben geweiht, als ich zu dessen Werkzeug ausersehen wurde. Man hatte Iffland hinterbracht, er sei kein so großer Franzosenfeind, als er in seinen Augen erscheinen wolle, im Gegenteil habe er sich in meiner Gegenwart vorteilhaft über die Feinde geäußert. Iffland forderte von mir die Wahrheit; mir fiel der arme Murney im »Opferfest« ein, den man beschuldigte, die Sonne gelästert zu haben, aber ich vertauschte die mir zugedachte Rolle der Mirrha mit der Pamina in der »Zauberflöte« und versicherte meinem Sarastro, daß ich von Bethmann niemals derartiges vernommen hätte, wiederholte mein Zeugnis auch in Gegenwart der Widersacher. Luise, Karoline und Fritz fanden sich in stiller Verwunderung, daß meine Neigung rasch zu gewinnen sei, um so leichter in die Sache, als ich dadurch in ihren Augen an Wert verlor; Weber sprach von nun an in anzüglichen Spitzen, aber auf[125] Bethmanns glattem Gesicht lachte ein innerer Triumph. Und Iffland? Eines Morgens trat er, angetan mit seinem weißen Morgenrocke, die lange Pfeife in der Hand, mit dem listigsten seiner Gesichter in mein Gemach. »Der Pöbel schläft noch«, sagte er leise, »ich will Ihnen etwas sagen, das er nicht wissen soll.« Nun sprach er von Bethmanns gutem Charakter, seinen Künstlergaben, seiner Liebe zu mir und wollte wissen, welche Antwort er ihm überbringen könne. Huldigungen von gleichgültigen Personen waren mir immer lästig, auch war ich aufrichtig genug, sie zu verweisen, ich erklärte Iffland also, daß ich nichts für Bethmann fühle, und er bat, obwohl »mit Schmerz über meine Wahrheitsliebe«, über diese Unterredung Stillschweigen zu beobachten. In der Folge ward er immer freundlicher und zutraulicher, Bethmann blieb sich in seiner Ergebenheit gleich, wennschon die frühere Fröhlichkeit nachließ, Weber war zufrieden, daß seinem Mißgeschick keine Neigung zugrunde lag, und so kam alles wieder ins Gleichgewicht. Mein Honorar für sechs Rollen betrug 60 Louisdor; ich hatte Furore, wenigstens immer überfüllte Häuser gemacht, durfte mich aber als angehende Künstlerin nicht beklagen, da die Unzelmann es höchstens auf 15, Iffland auf 20 Louisdor für die Rolle brachte. Soviel Geld hatte ich überhaupt noch nicht besessen, denn nach Abzug der Reiseunkosten blieben mir 40 Goldstücke, die ich im Wagen immer in einem hübschen Kästchen neben mir hatte, sie oft betrachtete und zählte, um sie für die Erziehung meiner Schwester zu bestimmen.

Ein glücklicher auswärtiger Erfolg läßt die Verdienste des Künstlers in der Heimat höher erscheinen, und so hielt ich nach meiner Rückkehr in Weimar eine ergiebige Nachlese von den Früchten, die ich in Berlin genossen hatte. Das Löwensternsche Haus empfing mich mit gewohnter Liebe, der Herzog war gütig wie immer, da er aber seit geraumer Zeit körperlich leidend war, trat ein gewisser Ernst an die Stelle des früheren Scherzes und versetzte alles, was ihm attachiert war, in ängstliche Besorgnis. Fortgesetzt nahm er an allen künstlerischen Dingen regen Anteil, und ich hatte seinem scharfen Urteil unendlich viel zu danken; die Großartigkeit seiner Begriffeund Ansichten erhob mich über das Gewöhnliche und öffnete mir den Blick auf Ideale, welche die Beschränktheit des alltäglichen Lebens nicht bieten kann. Unter den gesellschaftlichen Freuden des Winters behaupteten die Abende im Löwensternschen Hause immer noch den ersten Platz, dem Herzog war der dortige Aufenthalt zum Bedürfnis geworden, und seine Aufmerksamkeiten gegen die Hausfrau nahmen einen immer schwärmerischeren Charakter an, der bei seiner Abneigung gegen alle Sentimentalität derart auffiel, daß die Freundinnen es an Anspielungen und Neckereien nicht fehlen ließen. Sie nahm das scherzhaft auf, aber in Wahrheit hatte ein tieferes Gefühl als Freundschaft und geschmeichelte Eitelkeit in ihrem Herzen Platz gegriffen; ihrer Gewohnheit gemäß erfaßte sie die neue Neigung mit Leidenschaftlichkeit und sah darin einen Ersatz für ihre liebeleere eheliche Gemeinschaft. Trotzdem ahnte sie, daß mir ein Anteil an der Anhänglichkeit des Fürsten an ihr Haus und an den Liebenswürdigkeiten gegen ihre Person zuzuschreiben war, denn derselbe war so weit entfernt, seine Gesinnungen gegen mich zu verbergen, daß sie allgemein bemerkt und besprochen wurden und auch ich darüber nicht im unklaren war. So versank sie in ein Meer von Zweifeln, da sie dieselben aber in ihrer stolzen Verschlossenheit niemandem mitteilte, begnügten sich ihre Freunde mit der Erkenntnis, daß sie den ihr so teuren Besitz schwer mit jemandem teilen würde, bis neue Beweise von Herzlichkeit und Teilnahme seitens des Herzogs den Sturm ihres Herzens wieder beschwichtigten. Dieser Wechsel trat so häufig ein, daß an den Abenden, wo der Herzog nicht zugegen war, sich ein fieberhafter Zustand ihrer bemächtigte, und auch mir ward es während des ganzen Winters nicht leicht, eine taktvolle Haltung beiden gegenüber zu bewahren. Soll ich offen sein, so wurde ich von dem Benehmen des Herzogs nach zwei Seiten hin stark erregt. Meinem mächtigen Ehrgeiz gefiel es wohl, mich von ihm auf eine Weise ausgezeichnet zu sehen, die seine Achtung und vielleicht ein wärmeres Gefühl ausdrückte, auch fühlte ich mich geschmeichelt, daß alle sich bewogen fühlten, mir besondere Artigkeit und Höflichkeit zu erweisen. Und zu dieser Schwäche kam die Verehrung[129] des Fürsten, die mit mir aufgewachsen war, durch Dankbarkeit für die Fürsorge, die er meinem Bruder erwies, gesteigert und durch Besorgnis um seinen Gesundheitszustand, der in ihm zuletzt Lebensüberdruß erregt hatte, in Schwärmerei gewandelt wurde. Die Losung unseres jugendlichen Zirkels, sich für das Wohl anderer aufzuopfern, erregte in mir den Wunsch, ihn aus der Gefahr zu retten und mein Leben für ihn hinzugeben, aber von Koketterie und Eitelkeit auf persönliche Vorzüge war keine Rede, nur aufopferungsvolle Ergebenheit und befriedigter Ehrgeiz erfüllten mein Herz. Was des Herzogs Neigung betrifft, so machte ich mir keine weitere Sorge; wie ich so manche kleine Eindrücke auf die Phantasie des Fürsten hatte entstehen und verlöschen sehen, dachte ich, würde auch diese Bewegung vorübergehen. Darüber war die Welt mit mir einverstanden, und scherzend warnten mich meine Freunde, darauf gefaßt zu sein, mein Piedestal zu verlassen, und ich versprach ihnen lachend, mich auf diesen wahrscheinlichen Fall vorzubereiten. Frau v. Löwenstern hatte sich nach und nach an des Herzogs Auszeichnungen meiner Person gewöhnt und die Zeichen seiner Gunst nicht mehr so hoch angeschlagen, doch versetzte sie sein Auftrag, gelegentlich, zum Beispiel zu Weihnachten oder bei meinem Geburtstag, sich nach meinen Wünschen zu erkundigen, in immer neue Aufregung. Sie schwankte immer noch zwischen Vermutung und Gewißheit, denn das Verhalten des Fürsten ihr gegenüber blieb sich gleich, weil es auf keinem wärmeren Gefühle als der Freundschaft aufgebaut war. Sein leidender Zustand stimmte sie milde, und wenn er wegen Unpäßlichkeit manchen Abend versäumt hatte, empfing sie ihn sodann mit verdoppelter Freude, und alles war auf eine Weile wieder gut.

Obwohl der Herzog erst im einundvierzigsten Jahre stand, war sein Leiden derart, daß man schlagartige Zufälle befürchtete; er beabsichtigte, sich auf einige Zeit von Weimar zu entfernen, und so kam Frau v. Löwenstern auf den Gedanken, mit Gustchen und mir nach Dresden zu fahren, und da sie sich direkt an den Herzog wandte, ward mir ohne weiteres Urlaub zugesichert. Wenige Tage vor unserer Abreise erhielten wir die Einladung zu einem Frühstück im Parke. Obgleich[130] von einem Abschied auf längere Zeit keine Rede sein konnte, war die Stimmung des Herzogs doch bedeutsamer und herzlicher, als es die Umstände mit sich brachten; er ersuchte Frau v. Löwenstern, ihm von Dresden aus zu schreiben, und befahl auch mir, ihm Nachrichten über meine Reiseerlebnisse zukommen zu lassen. Beim Heimwege waren wir beide schweigsam, unsere Gedanken über die eben verlebten Stunden vertrugen keine Mitteilung und gingen zu weit auseinander. Aber die Ansicht des Königs im »Hamlet«, daß die neuen Länder samt wandelbaren Gegenständen vertreiben können, was im Herzen steckt und worauf der Kopf beständig hinarbeitet, hatten auch wir zu bestätigen; meine Lebhaftigkeit erfreute die leicht erregbare Frau, denn ganz im Gegensatze zu einer Menge von Menschen, die sich das langweilige nil admirari zum Gesetz machen, bewunderte ich bald diese Naturschönheit, bald jenes malerische Bauwerk. Die alte Unbefangenheit fand sich wieder ein, Frau v. Löwenstern war gütig gegen mich, ich ihr dankbar, und so zogen wir in der fröhlichsten Stimmung über die prächtige Elbbrücke in Dresden ein.

Quelle:
Jagemann, Karoline: Die Erinnerungen der Karoline Jagemann nebst zahlreichen unveröffentlichten Dokumenten aus der Goethezeit. Dresden 1926, S. 101-107,109-115,117-127,129-131.
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