Vierundzwanzigstes Kapitel

Lehrer.

[94] Gegen die Lehrer unserer Kinder haben wir besonders höflich zu sein, ebenso wie wir unsere Kinder zu äußerster Ehrerbietung gegen diese anzuhalten haben.

Ein herablassendes oder hochmütiges Benehmen gegen Lehrer ist durchaus gegen den guten Ton.

Es ist sehr passend, wenn wir die Privatlehrer unserer Kinder, besonders, wenn diese täglich ins Haus kommen, auch hin und wieder mal zur Geselligkeit zuziehen.

Es ist sehr taktvoll, Lehrern, die unsere Kinder mit besonderem Erfolg unterrichten, zuweilen eine besondere Aufmerksamkeit als Beweis der Anerkennung zu zollen.

Es ist durchaus taktlos, Klagen unserer Kinder über die Lehrer anzuhören, ohne solche den Kindern zu verweisen. Ebenso unpassend ist es, Kindern den Lehrern gegenüber beizustehen. Kinder[94] halten so oft ein Vorgehen des Lehrers für eine Ungerechtigkeit, während dieser dafür seine wohldurchdachten Gründe hat. Wie dem aber auch sei, selbst wenn der Lehrer einmal irrt, kann es nur nachträglich auf das Streben eines Kindes einwirken, wenn Erwachsene mit ihm gegen den Lehrer Partei ergreifen.

Schule und Haus sollen Hand in Hand gehen, darum möge man in Gegenwart der Kinder keine Maßregel des Lehrers kritisieren, ebenso wie die Lehrer den Kindern gegenüber die Anordnungen der Eltern nicht bekritteln sollen. Sein Kind in nachlässigem Anzug zur Schule zu schicken, ist eine Mißachtung gegen die Lehrer.

Man halte die Kinder an, die Lehrer auf der Straße besonders höflich zu grüßen.

Man trete dann und wann mit den Lehrern seiner Kinder in Verbindung, um über ihre Leistungen Auskunft zu erhalten.

Eine im Hause angestellte Gouvernante oder einen Hauslehrer hat man in jeder Weise hochachtend zu behandeln, sie zur Familie zu zählen, ihnen keine demütigende Dienstleistungen zuzumuten, sie zu den im Hause stattfindenden Festlichkeiten zuzuziehen und wie jeden anderen Gast zu behandeln. Es ist durchaus ungebildet und gegen den guten Ton, solche Leute geringschätzend zu behandeln.[95]

Sie geben unsern Kindern das, was wir selbst zuweilen gänzlich außerstande sind, ihnen zu geben, die idealen Schätze geistiger Freiheit und wissenschaftlicher Tüchtigkeit, Schätze, die keinem Schicksalswechsel unterworfen, die Motten und Rost ihnen nicht rauben können, die die Grundbasis für ihre dereinstige glückliche Zukunft, für ihre Stellung, ihr Ansehen in der menschlichen Gesellschaft bilden.

Die Lehrer unserer Kinder sind es, die in rastlosem Streben, in täglichem Opfermut die glückliche Zukunft einer neuen Generation anbahnen, die somit bauen helfen an der Wohlfahrt kommender Geschlechter und die schon in diesem Sinn unserer höchsten Achtung und Schätzung würdig sind. Daher verlangt es der gute Ton von jedem Gebildeten, gegen Lehrer ganz besonders höflich und zuvorkommend zu sein.[96]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 94-97.
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