Zweiunddreißigstes Kapitel

Ärzte.

[113] Im Vorzimmer eines Arztes hat man zu warten, bis man an der Reihe ist.

Der Zuerstgekommene hat den Vortritt.

Es ist taktlos, sich zur Konsultation vorzudrängen.

Sucht man einen Spezialisten auf, so hat man vorher Erkundigungen einzuziehen, wie hoch seine Honoraransprüche für eine Konsultation sind und diese Summe bereit zu halten.

Man darf einen vielgesuchten Arzt nicht zu lange mit unwichtigen Fragen in Anspruch nehmen.

Macht der Arzt Miene, die Konsultation zu beenden, so soll man diese nicht zu verlängern suchen.

Seinem Hausarzt schickt man entweder jährlich nach Abkommen ein Honorar, oder man fordert eine Rechnung ein.[113]

Man soll einem Arzt in seinen Anordnungen nicht widersprechen.

Man soll sich ihm gegenüber nicht auf den Ausspruch eines anderen Arztes berufen.

Man soll bei Hinzuziehung eines zweiten Arztes mit Takt zuwege gehen.

Man soll seinen Hausarzt privatim, in Gesellschaften nicht mit Besprechung von Krankheitsfällen belästigen.

Man hüte sich, den Arzt in der Nacht holen zu lassen, wenn dies nicht dringend nötig ist.

Wenn man einem Arzt das Honorar schickt, hat man seine Karte beizufügen, auf welche man ein paar verbindliche Dankesworte niederschreibt.

Man trage stets Sorge, daß für einen Arzt nach stattgehabter Untersuchung ein Becken frischen Wassers, ein Handtuch und Seife parat sei.

Desgleichen hat man, wenn man einen Arzt erwartet, Papier, Tinte und Feder bereit zu halten.

Ein Arzt hat stets in peinlich sauberem Anzug bei seinem Patienten zu erscheinen.

Er soll bestimmt und freundlich sein.

Er soll einen Patienten nicht die Gefährlichkeit seines Zustandes merken lassen.[114]

Er soll arme Leute ebenso gewissenhaft und freundlich behandeln wie Reiche.

Er soll mit Kindern umzugehen verstehen.

Er soll selbst gegen unliebenswürdige Patienten die Geduld nicht verlieren, denn einem Kranken muß man manches zugute halten.[115]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 113-116.
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