[11] Soll ich dieses Capitel mit ein paar traurigen Geschichten von Nicotinvergiftung beginnen, an der mir bekannte leidenschaftliche Raucher zu Grunde gegangen sind? – Man wird mir kaum glauben, wird mich jedenfalls der Uebertreibung zeihen und doch spreche ich von Thatsachen. Das große Publikum kümmert sich nicht um solch' vereinzelte Fälle, und derjenige, der gern raucht und sie sich zur Warnung dienen lassen sollte, verschließt sein Ohr solchen Mahnungen, um nur nichts einzubüßen von seinem gewohnten Vergnügen. Er klagt über Schwindel, Herzbeklemmung, Appetitlosigkeit. Mattigkeit, man sagt ihm: »Unterlassen Sie das Rauchen«, – der Arzt, dem für seine Person die[11] Cigarre entbehrlich ist, erklärt entschieden das Rauchen als Ursache aller Leiden des Klagenden. Umsonst, umsonst! Sie alle irren sich, das Rauchen ist nicht schädlich, man weiß andere Krankheitsgründe aufzufinden, und so geht der Unglückliche, den eine energische Anspannung der Willenskraft, der Selbstüberwindung, noch manches Jahr am Leben erhielte, elend dem Grabe zu.
Wunderbar ist es, ganz unbegreiflich! Die größte Ueberwindung ist erforderlich, um die ersten Cigarren zu rauchen. Körperliches Uebelbefinden folgt auf dem Fuße und doch läßt sich so leicht Niemand abschrecken, etwas das weder der Gesundheit zuträglich, noch irgend einem anderen Menschen Nutzen oder Freude schafft, sich anzugewöhnen. Indessen will ich nicht unerwähnt lassen, daß viele Herren, die das Rauchen aufgegeben haben, stets und offen erklären, wie ihr Befinden seit jener Zeit sich wesentlich gebessert habe. Natürlich, der fortwährend dem Körper zugeführte Giftstoff mußte ja schädlich wirken.
Man sagt, Pfeifen seien besser zu vertragen als Cigarren. Letztere dürfen besonders nicht von schwerer Sorte sein. Auch soll man sich hüten, ein kalt gewordenes Cigarrenende wieder anzustecken und aufzurauchen.
Daß bei aller Passion für Cigarre und Pfeife der Tabaksqualm von irgend Jemanden angenehm gefunden würde, habe ich noch nie vernommen und selbst diejenigen Herren, die in ihren Büreaus, ihren Studirzimmern, stets in dicke Wolken gehüllt sitzen, empfinden diesen bläulichen Dunst stets als etwas Widerwärtiges, sobald sie ihn am dritten Orte, wo sie selbst zufällig nicht rauchen, antreffen.
Es soll ja gern zugestanden werden, daß eine feine duftende Havannah ihre Vorzüge hat und auch von der übrigen Gesellschaft nicht nur geduldet, sondern im Familienkreise auch nach Gebühr gewürdigt wird. Eine Pfeife am Abend oder Morgens beim Kaffeetisch und Zeitungslesen werden wir bei dem Hausherrn ganz behaglich finden. Auch im Freien wird wohl Niemand[12] von dem Dampf belästigt, ja, allerlei schlimme Feinde wie Mücken, Fliegen, werden dadurch verscheucht.
In wirklich feiner Gesellschaft ist jedoch das Rauchen verboten und wird der Gastgeber erst beim Abschiede dem Herrn eine Cigarre überreichen, die dieser sich beim Verlassen des Hauses anbrennt.
Befinden sich Damen in der Gesellschaft und der Gastgeber will sich selbst und seinen Gästen das qualmige Vergnügen nicht versagen, so sind stets die Damen vorher um Erlaubniß zu bitten, die sie dann meistens, wohl oder übel, auch ertheilen.
Andern beim Rauchen die Dampfwolken gerade in's Gesicht zu blasen, ist sehr unanständig und hat man entweder den Platz so zu wählen, daß dergleichen nicht passiren kann, oder man sucht mit der Hand den Dampf abzuwehren und hält den Kopf zur Seite.
Das Rauchen im Postwagen oder Eisenbahncouvee ist für alle nicht Rauchenden meist eine große Belästigung und sind dazu die Rauchcoupees aufzusuchen, nicht aber die Mitreisenden um Erlaubniß zu fragen, ob man sich eine Cigarre anzünden dürfe. Die meisten Herren suchen jetzt auch die Nichtrauchcoupees auf, da sie lieber die eigene Cigarre entbehren, als den Dampf der übrigen einschlucken, und glaube ich bestimmt, daß man bei den meisten Bahnen mit einem Rauchcoupee auskäme, während jetzt alle Coupees dem Tabaksqualm geopfert sind, und das eine, in dem man frei athmen kann, überfüllt ist.
Spricht ein Herr Jemanden an oder wird angesprochen, während er gerade raucht, so hat er die Cigarre sofort aus dem Munde zu nehmen und bei Seite zu halten, im Nothfall fortzuwerfen. Nicht aber schickt es sich, durch gelegentliche Züge dieselbe in Brand zu erhalten.
An Orten, wo das Rauchen untersagt ist, oder wo man höflich ersucht wird, während des Besuches irgend einer Vorstellung, Ausstellung etc. dasselbe zu unterlassen, zeugt es von schlechter Erziehung, wenn man der Aufforderung nicht nachkommt, wohl gar bei einem erfolgten Verbot ungezogen wird und das Lokal verläßt.[13] Durch solch' grobes Benehmen veranlaßt Mancher den Wirth etwas, zum Nachtheil seiner übrigen Gäste, zu dulden, um nur nicht den Uebertreter der Vorschriften zu erzürnen.
Tritt man in ein Haus, so sei es nicht mit brennender Cigarre, noch viel weniger muthe man aber Jemanden zu, uns in seinem Zimmer zu empfangen, wenn wir die brennende Cigarre im Munde haben. Kann man sich nicht ganz trennen, so wird sich wohl ein Plätzchen finden, wo, ohne Feuerschaden anzurichten, die Cigarre so lange deponirt werden kann, bis man das Haus wieder verläßt.
Ohne Feuerschaden anzurichten! Durch Cigarren, die man unvorsichtig fortgeworfen, während sie noch brannten, ist großes Unglück entstanden. Ich erinnere nur an die jugendliche Erzherzogin in Wien, die mit ihrer Schleppe einen brennenden Cigarrenrest beim Hinuntersteigen einer Treppe hinter sich herzog und so elendiglich verbrannte.
Daß man mit brennenden Pfeifen, Cigarren nicht auf Heuböden, Vorrathskammern etc. geht, ist oft genug gesagt.
Das Rauchen im Bette ist eine geradezu abscheuliche Unsitte, deren sich Niemand schuldig machen sollte. Auch muß man beim Anstecken der Cigarre und Pfeife Sorge tragen, das dazu benutzte Streichholz nicht brennend von sich zu werfen, sondern auszutreten. Letzteres aber um keinen Preis im Zimmer, wo, wenn sich kein Aschenbecher vorfindet, doch immer ein Ofen, Kohlenkasten oder dergleichen vorhanden ist. Auch die Cigarrenasche streife man nicht an jedem beliebigem Platze ab. Sie gehört weder auf Teller noch Untertassen, sondern in die dazu bestimmten Geräthschaften.
Eine Cigarre anzustecken, während man sich unterhält, ist unschicklich; aber gar flegelhaft ist es, wenn man es macht wie jener Steuerbeamte, der auf dem Corridor eines Hauses, in dem er einen Auftrag auszurichten hatte, während er noch mit der Frau des Hauses sprach, sich eine Cigarre anbrannte, so daß die Dame, ob dieser Grobheit empört, ihn in bestimmtem[14] Tone ersuchte, doch zu warten, bis er auf der Straße sei, ehe er sich so ungenirt benähme. – Die Dame war vollkommen in ihrem Recht, aber wie unangenehm ist es doch, sich dergleichen sagen lassen zu müssen.