Kartenspielen.

[56] Da in diesem Büchlein keine Moral gepredigt, sondern nur von Wohlanstand und guter Sitte die Rede ist, kann ich mir wohl ersparen von Hazard und heimlichen Bankauflegen zu sprechen. Erwähnen muß ich aber doch, daß ein hohes Spiel, selbst unter denen, die[56] wie man zu sagen pflegt, »es können«, in keinem Kreise für ein Zeichen von guter Sitte gilt und daß ich mich namentlich demselben fern zu halten habe, wenn mir meine Verhältnisse, große Verluste zu ertragen, nicht gestatten, oder wenn ich für Familienangehörige zu sorgen habe, denen ich dadurch etwas entziehe. Auch darf ich nicht meine Gefährten zu hohem Spiel verleiten, ohne eine schwere Sünde auf mich zu laden.

Jedes Spiel, das um des Gewinnes halber gespielt wird, ist verwerflich und sollte jeder anständig Denkende nie die Hand dazu bieten. Wie peinlich ist es vielleicht, von solchen, die über wenig verfügen, viel Geld zu gewinnen, wie ärgerlich selbst eine große Summe zu verlieren, für die wir uns entschieden ein edleres und größeres Vergnügen hätten verschaffen können.

Im Uebrigen muß Jeder aber mit Anstand verlieren können und wer dieses gar nicht lernen kann, soll nicht spielen. Es ist schon bei Kindern im Kleinen darauf zu achten, und bei ihren Würfelspielen, Kartenlotterien durch vernünftige Vorstellungen, schlimmsten Falles durch Ausschließen vom Spiel, dahin zu wirken, daß die aufsteigende schlechte Laune rasch unterdrückt, die aufquellenden Thränen sofort getrocknet werden. Ich kenne eine ältere Dame, die, wenn sie verliert, in Thränen ausbricht. Wie peinlich für die Gesellschaft!

Ebenso peinlich ist es aber auch, fortwährend über schlechte Karten nörgeln zu hören, laute und leise Seufzer zu vernehmen oder gar brummendes Schweigen ertragen zu müssen. Spieler, die nichts im Auge haben als ihre Karten, die jedes Wort, das sich auf einen anderen Gegenstand bezieht, jede harmlose Bemerkung unwillig ignoriren oder nach beendetem Spiele den Partner mit Vorwürfen überhäufen, ihn fragend, warum er diesen oder jenen Fehler gemacht, diese oder jene Karte ausgespielt, sind ebenso unleidlich als diejenigen, die unachtsam und zerstreut stets erinnert werden müssen, wenn sie zu geben oder auszuspielen haben, oder durch ihre Unachtsamkeit und Lebhaftigkeit das Spiel des Partners verderben.[57]

Wie das Spiel gespielt, berechnet etc. werden soll, ist von der ganzen Gesellschaft zu bestimmen und ist es Jedem unbenommen, Vorschläge zu machen, aber er hat sich dann dem Wunsche der Mehrzahl oder der älteren Leute zu fügen, und zwar mit guter Miene und Bereitwilligkeit.

Beim Geben darf man, sollten selbst die Karten schon etwas alt und verbraucht sein, nie die Finger anfeuchten, um dadurch die Blätter besser theilen zu können, ebensowenig wie man vielleicht in der Zerstreutheit des Gespräches die Karten biegen und dadurch verderben soll.

Manche Menschen haben sich bestimmte Redensarten beim Spielen angewöhnt. Unschicklich sind solche an und für sich nicht, aber für die Mitspielenden höchst langweilig. Das alte Wort: »Unglück im Spiel, Glück in der Liebe«, soll sich meist als trügerisch erwiesen haben.

Quelle:
Kistner, A.: Schicklichkeitsregeln für das bürgerliche Leben. Guben 1886, S. 56-58.
Lizenz:
Kategorien: