[109] Ich befand mich einmal in einer feenhaften Bibliothek. Unwahrscheinlichste Erstausgaben, herrliche Ledereinbände, Subskriptionswerke, fabelhafte Kupferstiche präsentierten sich in blendender Reihenfolge, alphabetisch geordnete Tafeln erleichterten das Heraussuchen und Betrachten gewünschter Bücher – kurzum: ein Idyll kulturellster Art, das für seine Bewohner »Bände sprach«.
Ich beglückwünschte den Hausherrn. Er war stolz und bescheiden. Auf meine Frage nach einzelnen Stücken gab er undeutlich oder scheinbar gelangweilt Antwort. Das wunderte mich. Schließlich konnte ich nicht mehr an mich halten und platzte heraus: »Aber Sie müssen sich doch eigentlich erinnern, wo und wann Sie den prächtigen Faust, den himmlischen Voltaire und den seltenen Luther erstanden haben!« Und ganz gemächlich und mit größter Selbstverständlichkeit entgegnete der strahlende Besitzer: »Die Zusammenstellung der ganzen Bibliothek habe ich meinem Architekten überlassen, und der hat sie wunschgemäß irgendwo erstanden.« Ich bekam sozusagen einen Schlag ins Gesicht, von dem ich mich nur schwer erholen konnte.
Liebste gnädige Frau – »bestellen« Sie sich keine Bibliotheken, überlassen Sie diese Groteske den »nouveaux riches« – jenen sind sie prädestiniert, Ihnen nicht. Lassen Sie sich nicht zu sehr bestimmen. Wählen Sie in dem Ihnen eigenen Geschmack diejenigen Schriftsteller und Bücher, die Ihnen persönlich etwas sagen, in denen Sie mit Freude blättern und immer wieder etwas Erfreuliches finden. Von Unruh bis Goethe und von Hamsun bis Mann, von Rilke zu Anet und von Dostojewski bis Verlaine, oder wen Sie sonst mögen. Vor allem reden Sie sich nicht ein, daß Sie keine Zeit zum Bücherlesen haben – eine Stunde der Sammlung findet sich immer. Man braucht noch etwas anderes, als einen flüchtigen Blick in die Zeitung.
Die auferstandene Dame ist ohne eine gute Büchersammlung nicht denkbar![109]