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[108] Der Erwerb der Sammlung Suermondt hatte, trotz des damals überschätzten Wertes ihrer Kunstwerke, auch neben der Vervollständigung unserer Galerie und der Handzeichnungensammlung noch nach verschiedenen Richtungen auf unsere ganzen Museumsverhältnisse und unsere Museumspolitik eine wohltätige Wirkung, die sich in vollem Maße freilich erst nach der Aufstellung der Sammlung geltend machte. Die nächste notwendige Folge war, daß Platz dafür geschaffen werden mußte, und da er in den Galerieräumen nicht vorhanden war, so kam die Frage eines Umbaues resp. eines späteren Neubaues, auf den wir schon von vornherein durch ein ausführliches Gutachten aufmerksam gemacht hatten, in Fluß. Es galt zunächst, die Sammlung so rasch wie möglich zu zeigen. Dafür konnte nur in den alten Räumen gesorgt werden, aber wir erreichten, daß dabei die eine Seite der Galerie probeweise nach unserem Plane eines allgemeinen Umbaues hergerichtet wurde. Wir legten die Passage, statt bisher den Fenstern gegenüber, an die Fensterseite und schlossen die Kabinette nach hinten ab. Dadurch entstand noch ein schmaler Gang dahinter, dessen Wand gleichfalls leidliches Licht hatte. Die Fenster, die zu tief herabreichten, wurden nach unten abge deckt und den Seitenwänden gaben wir eine schräge Stellung, damit auch die von dem Fenster am weitesten abhängenden Bilder noch gutes Licht bekämen.
Einen eigenartigen Versuch machten wir auf meinen besonderen Wunsch, indem wir die Zeichnungen der Suermondtsammlung mit den Gemälden zusammen aufstellten, und zwar in schrägen Pulten unterhalb der Bilder. Ich wollte probieren, ob sich die Zeichnungen mit den Gemälden derselben Künstler, zu denen sie gelegentlich sogar die Entwürfe oder Studien bilden, in geschmackvoller Weise vereinigen ließen. Dabei überschätzte ich aber den instruktiven, kunsthistorischen Wert einer solchen Verbindung, die nur teilweise und unter starker Heranziehung von Photographien nach Zeichnungen und Radierungen ihren Zweck erfüllen kann,[109] aber den Nachteil hat, die Wirkung der Gemälde empfindlich zu beeinträchtigen.
Auch diese kleine Ausstellung ging nur langsam und unter fortwährenden Kämpfen mit dem Generaldirektor voran. Dabei wurde Graf Usedom durch Professor Weiß energisch unterstützt, der die Zeichnungen im Kupferstichkabinett aufstellen und als seinen Triumph vorführen wollte. Gleichzeitig lähmten meine Tätigkeit Streitigkeiten und Roheiten einzelner Aufseher, die schließlich (freilich außerhalb des Museums) sogar zu einem Totschlag führten, und bei deren Untersuchung ich weder vom Grafen noch von Meyer unterstützt wurde, dem die Aufsicht über das Personal, bei seiner ewigen Abwesenheit und Nervosität, höchst unsympathisch und meist unmöglich war. Dazu kamen damals gerade heftige Angriffe in der Presse sowie auch hinter unserem Rücken. Schon bald nach Abschluß des Kaufes hatten verschiedene Kunsthistoriker, wie Alfred Woltmann und C. von Lützow, die alles andere nur keine Bilderkenner waren, uns heftig angegriffen, weil wir ein paar von Suermondt hoch bewertete Bilder: eine große, sogenannte Rubens-Skizze (jetzt im Aachener Museum) und einen Hobbema, der dem unsrigen ähnlich und nicht überlegen war, vom Ankauf ausgeschlossen und manchem der gekauften Bilder bei der Ausstellung bescheidenere Namen gegeben hatten.
Wie mir, gegen den sich alle diese Angriffe richteten, dabei zumute war, geht aus einem Brief vom 7. März 1875 an meinen Vater hervor, dem ich sonst mit solchen Klagen nicht kommen durfte. »Wenn ich alles, was ich in diesen letzten Wochen«, so heißt es darin, »erlebt und erlitten habe, und überhaupt die Art, wie ich in diesem Winter existiert habe, schreiben wollte, würde das ein ganzes Buch ausmachen. Überbürdung mit Arbeit (Kataloge, Gutachten, Kommissionen) von verschiedenen Seiten; zuerst Sturmbock, dann Prügeljunge für alle; von oben ignoriert, von unten malträtiert (die Schikanen des Aufsehers und die Untersuchungen gehen immer noch fort!), die noch immer völlige Unbestimmtheit meiner[110] Stellung, die Einsamkeit, in der ich in dem ganzen Trubel und bei aller Arbeit gelebt habe, und infolgedessen die Stimmung und Verbitterung und das Gefühl, daß bis zum Äußersten ausgehalten werden muß: das soll der Teufel ertragen! Körperlich bekommt's mir jetzt zwar vortrefflich, aber daß es mich schließlich geistig herunterbringen muß, davor fürchte ich mich und deshalb sehne ich mich, schon zur Erholung, jetzt wieder nach Italien! Seit wir hier an der neuen Ausstellung arbeiten, bin ich von den verschiedensten Seiten bei Meyer selbst, beim Minister, beim Kronprinzen verleumdet worden, zum Glück meist durch so lächerliches Zeug, daß mir die Herren selbst den Unsinn wiedererzählt haben. Alle die, welche über unsere Neuerungen und über Meyers Stellung wütend sind, laden auf mich ihren Ärger ab, schieben mir in die Schuhe, was Meyer verordnet, weil keiner sich an ihn direkt heranwagt – und allen geht Suermondt voran, zum Dank für alle Mühe, die wir uns in seinem Interesse gegeben haben, und für den hohen Orden, den wir ihm mit größter Mühe beim Kaiser durchgedrückt haben! – – Das sind die bösen Nachteile, die sich vorläufig mit den Vorteilen der allgemeinen Teilnahme an den Museen, speziell an der Galerie und an allem, was darin geschieht und nicht geschieht, verbinden, und die in einer solchen Großstadt wie Berlin und bei dem Charakter der Berliner, zumal der Berliner Künstler doppelt stark sich geltend machen.« – – Ich sollte in meiner langen Tätigkeit an den Museen noch ganz andere Proben davon kennenlernen!
Wenige Tage, nachdem ich diesen lamentablen Brief geschrieben hatte, wurde endlich die Ausstellung eröffnet. Der Kaiser, der sich dazu angemeldet hatte, konnte wegen starker Erkältung nicht kommen. An seiner Stelle eröffnete das Kronprinzliche Paar vor einem zahlreich geladenen Publikum die Ausstellung. Der Erfolg war ein großer und blieb es, namentlich nachdem die Ausstellung, die anfangs nur für die Abgeordneten, Künstler u.a. besonders Interessierte zu sehen war, auch dem großen Publikum zugänglich gemacht[111] wurde. Wochenlang mußte ich täglich während der ganzen Besuchszeit zur Stelle sein, um für Fürstlichkeiten und Bekannte den Cicerone zu machen. Gleichzeitig hatte ich eine zweite Auflage des ausführlichen Kataloges fertigzustellen und wurde zu allem noch geplagt durch eine sehr ungewohnte, mir unsympathische Beschäftigung, durch Vorträge vor jungen Damen im Museum.
Ganz unvorbereitet bekam ich eines Tages im Februar einen Brief von Professor Mommsen, daß sich am Montag, wo das Museum geschlossen sei und ich daher nichts Besseres zu tun hätte, seine ältesten Töchter und eine Reihe Altersgenossinnen bei mir in der Galerie einfinden würden, um von mir Vorträge über einen durch mich zu wählenden Abschnitt der Renaissancekunst zu hören. Das war recht vertrauensvoll von der damaligen Magnifizenz, aber mir kam's sehr ungelegen! Von Haus aus besaß ich keine Redegabe und auf der Schule wurde sie nie geübt. Vor allem hatten das schwere Kopfleiden und gewiß auch die großen Dosen von Brom, die ich jahraus jahrein dagegen nahm, mein Gedächtnis empfindlich geschwächt und mir namentlich die Fähigkeit genommen, rasch das rechte Wort zu finden, die Gedanken klar auszusprechen und im Zusammenhang zu bleiben. Darum sind mir Vorträge jeder Art stets sehr schwer geworden und zuwider gewesen, selbst wenn mir das Thema ganz geläufig war. Einen Toast auszubringen, wäre mir unmöglich gewesen, wie mir schon als Knabe das Auswendiglernen die größte Schwierigkeit machte. Jene mir aufgezwungenen Vorträge werden für die Zuhörerinnen wohl ebensowenig erbaulich gewesen sein, wie sie es für mich waren.