[111] Tiere werden schon als Staffage sehr viel in der Landschaft verwendet, und ist deshalb eine gewisse Kenntnis der Zeichnung von verschiedenen Tiergattungen notwendig.
Der Maler wird aber auch, abgesehen von diesem Gebrauchszwang, um ihrer selbst willen Interesse genug besitzen, um lernen zu wollen, sie zu zeichnen und zu malen.
Wieder geht das Formenverständnis aus dem Aktzeichnen heraus. Man vergleiche die tierische Anatomie mit der des Menschen, namentlich im Skelett:
Stirn und Schädel des Tieres, wo das Gehirn sitzt, ist verhältnismäßig klein. Die Gesichtsknochen sind in die Länge gezogen, so daß Maul und Nase weit von den Augen entferntsind. Die Ohren sind wegen des Ausdrucks der Physiognomie wohl zu beachten.
Der Unterschied des menschlichen Rumpfes vom tierischen ist der, daß letzterer vom Brustbein nach der Wirbelsäule einen weiteren Durchmesser hat, wie von Schulter zu Schulter. Diese liegen schmal und vertikal an dem Brustkorbe an. Die Hüften sind ebenfalls vom trochanter major und dem Becken gebildet.
Eine durchwegs verschiedene Gestaltung hat der Schwanz bei den Tieren, der viel zur Charakteristik beiträgt.
Am wichtigsten und schwersten sind die Tierbeine zu studieren; jede Tierart hat sie in anderer Formcharakteristik.
Die Oberarme und Oberschenkel, wenn man diese Teile bei den Tieren ebenso nennen will, sitzen an dem Körper und haben gewissermaßen eine geringere Beweglichkeit, als wie sie der Mensch[115] hat. Zu den ei gentlichen Beinen werden zuerst die Unterschenkel, die Gelenke, Mittelfußknochen, und zu Füßen die Zehen, die sich bei den verschiedenen Tieren verschieden konstruieren: zu Hufen, zu gespaltenen Hufen und Zehen an schwieligen Sohlen.
Die Ähnlichkeit mit dem menschlichen Körper wird noch erkenntlich, wenn sich Pferd oder Hund aufrichtet und auf den Hinterbeinen steht. Da kann man sogar die Ähnlichkeit der Fußknöchel und der Achillessehne in Stellung und Form zueinander sehen, und wie die Kniee der Vorderbeine, die eigentlich die Handgelenke sind, diesen auch gleichkommen.
Die Buntheit des Tierfelles macht ebenso notwendig die Einstellung der Augen zur Erkenntnis der Formen, wie es bei den buntgemusterten Kleidern gelehrt ist, wenn diese die menschlichen Formen im Unklaren lassen.
Dieses wären allgemeine Erläuterungen für das Verständnis der Tierkonstruktionen.
Sache des Einzelnen ist es nun, Tiere praktisch zu studieren und zu zeichnen.
Der kluge Hund kann leicht zum Modellstehen angeregt werden; Pferde und Rinder stehen ebenso ruhig, entweder an Fahrzeugen angeschirrt oder in den Stallungen.[116]
Jeder Lernende ist jetzt auch so weit gebildet, daß diese Studien und andere Abzweigungen vom eigentlichen Lehrschema ihm allein überlassen werden können.
Es sei nur hier wiederholt, daß die Regeln des Aktzeichnens, wie Vergleichen der einzelnen Punkte zueinander usw. bei diesem Arbeiten ebenso anzuwenden sind. Je sicherer und weiter man in dem Aktstudium geworden ist, desto besser wird man auch in der Lage sein, die verschiedenen Tiere wiederzugeben.
Einer oder der andere wird bei diesen Arbeiten mehr Begabung und Lust für Darstellung der Tiere an sich entdecken und deshalb eine ihrer Gattungen zu seinem Spezialfach machen, wo er dann nach Herzenslust Erweiterungen in diesen Studien treffen wird.
Außer den Haustieren, die eine willkürliche Färbung haben, besitzen alle Geschöpfe, die in der Wildheit leben, je nach ihrer Familie, eine bestimmte Farbengebung und Farbenzeichnung.
Säugetiere (Tiger, Leoparden etc.) haben meist eine dreifarbige Fleckenzeichnung, wohl immer in gelb, schwarz und weiß. Dagegen besitzen Amphibien (Schlangen, Fische), Insekten und die Vögel eine schimmernde Farbenpracht, die an Reichtum der Variation die der Pflanzen weit übertrifft.
Alle diese Lebewesen regen durch ihre so verschiedene Farbenzusammenstellung und durch ihre oft wunderlich märchenhafte Gestaltung zu dekorativen und ornamentalen Verwertungen an. Wenn man nur allein die Schmetterlinge auf diese Richtung hin studiert, wird man kein Ende finden, so reich und unerschöpflich in Farben, Zeichnung und Formen sind sie.
Zum Studium für Bildermalerei sind die wilden Säugetiere, die Vögel und Fische namentlich in Stilleben verwendet worden. Hauptsächlich spielt dabei das Geflügel (Fasanen, Enten, Tauben) wegen seines Farbenreichtums eine große Rolle.
Wenige Tierbilder existieren, welche als Motiv Szenen aus dem Leben selbst zeigen.[117]
Rubens, Snyders haben Löwenjagden, Eberhetzen mit großer Lebendigkeit dargestellt; Geflügel (kämpfende Hähne etc.) hat ein flämischer Künstler, Hondekoeter, gemalt.
Erst die Japaner haben unsere Zeit gelehrt, alle diese Geschöpfe, von Löwen, Tigern, Falken, Schwänen bis zu den Amphibien und Insekten hinab, auch lebendig künstlerisch zu verwerten.
Heute haben wir selbst eine stattliche Anzahl von Künstlern, die derartige Motive zu Bildern gewählt haben.
So ist dem Maler die ganze Schöpfung in die Hand gegeben; was man herausgreift aus diesem tausendfältigen Leben, kann zum Kunstwerk gestempelt werden.
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