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Sindelsdorf, 15.2.11
... Von Jawlensky muß ich Dir noch etwas erzählen; wir, Bechtejeff, Jawlensky und ich saßen zusammen; Bechtejeff sagte, ihm fehle so jede Begabung, über ›Kunst‹ zu reden und sein Urteil und Empfindungen zu begründen. Darauf sagte Jawlensky: ›Und ich verstehe es so gut, über Kunst zu urteilen; die Empfindung und der Ausdruck dafür ist mir wie angeboren. Aber dafür kann ich nicht malen. Ich bin ein so schlechter, miserabler Maler. Sie ahnen nicht, was für ein tiefunglücklicher Mensch ich bin!‹ Die Klage klang so herb und tieftraurig, daß ich einen physischen Schmerz empfand; ich fühlte, es war aufrichtig. Er klammert sich mit seiner ganzen übervollen Seele an seinen André und erhofft von ihm das Genie, das ihm fehlt. Er zeigte mir am anderen Tage alles, was André bisher gemacht hat, – es grenzt wirklich ans Wunderbare. Unter manchen könnte ruhig ›Matisse‹ stehen, kein Künstler könnte Zweifel hegen. Und dabei verbirgt sich das Unzulängliche seines Alters niemals, aber es gibt seinen Dingen einen Einschlag, der ans Mysteriöse grenzt. Ich glaube, ich werde in Jawlensky vielleicht meinen tiefsten Freund haben. Ich fühle, daß er mich gern hat und auch meine Freundschaft sucht. Ich fühle den Wert doppelt, nachdem August weg ist und sich mit Niestlé eine Sache sich begeben hat, die Dich einliegender Brief lehrt und die mich recht traurig gemacht hat. Er schrieb mir einmal, er sei wieder so deprimiert, mit seiner Arbeit ginge es gar nicht vorwärts, er zweifele mehr als je, zum Malen etwas zu taugen! Darauf schrieb ich ihm einen langen, fast flehentlichen Brief, doch die Unmöglichkeit, auf seine Weise die große, mystische Natur wiedergeben zu wollen, sich klarzumachen. Ich erhob den Ruf nach Synthese, nach künstlerischer Umschreibung, nach ›Ausdruck‹. Beiliegender feine, traurige und merkwürdige Brief war seine Antwort. Einen Bruch hat unsere gute Freundschaft wohl nicht dadurch bekommen; eine Karte, die heute kam, voll Liebe und Freundschaft, beweist es; aber er kam bis jetzt nicht heraus, weil er in unserem Zusammensein ›die Unruhe der Gedanken‹, glaube ich, fürchtet. Er will aber nächstens kommen; er leidet sehr an Rheumatismus, der Arme. Schreib ihm doch einmal (Adr.: N. in Gauting, bei Frl. Diler). Legros ist zurück. Es soll ihr besser gehen, behauptet Niestlé. Ich frage mich oft, ob ich klug und recht getan habe, ihm jenen Brief zu schreiben. Ich glaube doch, ja. Es war unvermeidlich. Unser Verhältnis litt vorigen Herbst unter diesem Mangel an Aussprache. Nun brauchen wir in Zukunft nicht zu reden, wenn wir nicht wollen. Viel leicht hat er wirklich recht, daß er zum ›Malen‹ nicht taugt; denn was er will, hat mit Malerei nichts zu tun ...