112 [97] Brief an Alfred Kubin

Ried, 16.7.1914


Lieber Kubin, Ihr Daniel ist herrlich, das ist mein erstes und aufrichtiges Gefühl. Die Blätter sind nicht gemacht, sondern inspiriert, ich freu mich schrecklich darüber; daß die Arbeit Sie erschöpft hat,[97] kann ich gut verstehen. – Piper war verreist; ich sprach nur Hammelmann; unsere Idee, eine Bibel herauszugeben, muß ja jedem Hammel einleuchten, also auch ihm. Er schlug, natürlich ganz ohne Verbindlichkeit, eine Gesamtübernahme durch den Verlag vor, jeder von uns bekäme das ganz gleiche Honorar, ohne Rücksicht, ob die Herstellung des einen Buches teurer wird als eines anderen, ebenso ohne Rücksicht auf die bessere oder schlechtere Verkäuflichkeit der einzelnen Ausgaben; das Ganze sollte als Subskriptionswerk herauskommen, die Bücher in 1/4 od. 1/2jähr. Abstand. Später dann eine Gesamtausgabe der ganzen Bibel, eben in einzeln illustrierten Abschnitten. Daß sie an ein großes, dünnes Buch denken, ist mir etwas fatal, da Ihr Wunsch schwer ganz befriedigt wird; ich schrieb Ihnen seinerzeit ausdrücklich das Format 30–23 cm, etwas werden wir es ja wohl überschreiten können, etwa 31–25, aber kaum mehr. Zu große Bücher sind ein Malheur in jedem Bücherschrank, un handlich und absolut unpopulär; abgesehen davon können wir keine Riesenholzschnitte machen. Zu viel Weiß um Graphik ist immer scheußlich. Da hatten die alten deutschen Holzschnittbücher einen viel feineren Takt. Bild und Schrift muß zusammenrücken, nicht getrennt werden. Auch sollten Sie unbedingt den ganzen Daniel drucken; den Illustrationen kann dann auf der Gegenseite der jeweilige Textspruch beigedruckt werden. Das dachten Sie wohl auch so, Sie schrieben in Ihrem Brief etwas unverständlich. Ehe Piper nicht zurückkommt, ist eine Fixierung des Honorars natürlich nicht möglich. Es wird noch harte Kämpfe setzen. Ich werde mein Möglichstes daran setzen, eine anständige Bezahlung herauszuholen; aber sie muß für alle gleich ausfallen, sonst nimmt Piper schließlich z.B. Klee überhaupt nicht oder drückt bei dem einen od. dem anderen gemein, – dem muß vorgebeugt werden. Eine mich sehr überraschende Bemerkung machte Hammelmann: Er sträubt sich, daß Sie den Anfang mit der Bibelausgabe machen; gerade da Sie sehr bekannt und viel verlegt sind; er hält dies für die Wirkung der ganzen Herausgabe für unbedingt nachteilig. Es ist schwer, sich in ein Verlegerhirn hineinzudenken; vielleicht hat er von seinem Standpunkt aus recht, – die Dummheit hat in der Welt ja schließlich immer recht. Klee behauptet, bestimmt im Herbst fertig zu sein, – ich ebenfalls. Von Heckel, Kokoschka, Kandinsky weiß ich noch nichts Bestimmtes. (Kokoschka hat übrigens ein in meinen Augen völlig mißglücktes Riesen-Bild in der neuen Sezession.) Sobald ich Neues weiß und sagen kann, erhalten Sie Nachricht. Für heute also nur kurz dies und vor allem unsre Gratulation zu Ihrem schönen Daniel! Von Herzen der Ihre

Fz. Marc.

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 97-98.
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