Urucu

Urucu.
Urucu.

[1205] Urucu.

Urucu, G. Marcgr. G. Pison.

Achiolt Indorum,

Bixa Americana, Oviedi, Clus.

frantzösisch, Archiote, Rocou, Rocourt, und Roucou.

Ist ein trockner Teig, oder ein extractum, welches von den Körnern bereitet wird, die in den Schoten eines Baumes liegen, welcher in allen americanischen[1205] Inseln zu wachsen pflegt und insgemein Rocou, von den Indianern und Wilden aber Achiotl, Urucu, Cochehue genennet wird. Dieser Baum ist eben nicht gar groß, treibt aus seinem Stamme viel gerade Aeste und Zweige, die mit einer dünnen und glatten Schale überzogen, welche aussenher braun, inwendig weiß aussiehet, Sein Holtz ist weiß und bricht gar leichtlich. Die Blätter stehen eins ums andre, sind groß und breit, spitzig und glatt, gar schöne grün und haben untenher einen Hauffen röthlichte Adern: sie sitzen an zwey bis drey Finger langen Stengeln. Die Zweige bringen des Jahres zweymahl auf ihren Spitzen, gantze Büschel braunröthliche Knöpfe: und aus diesen Knöpfen werden, wann sie sich aufthun, fünff blätterige Blumen, auf Rosenart, die sind schön und groß, bleichroth und etwas leibfarbig, haben aber weder Geruch noch Geschmack. Diese Blume steht in einem Kelche von fünff Blättern, welche nach und nach abfallen, je mehr sich die Blume von einander giebt. Mitten in derselben ist als wie ein Quast oder Büschel von unzehligen Staminibus oder Fäden, welche unten gelb und oben purperroth aussehen: jedweder hat ein kleines, weißlichtes Corpus oben auf der Spitze, das ist runtzlicht und voller weisses Staubes. Mitten in der Quaste stehet die junge Frucht, die sitzt gantz veste auf einem kleinen Stiele, der als wie ein Credentzteller formiret und fünffmahl, wiewol nur ein wenig, eingekerbet ist: dieses Stielgen dient der Blüte zum andern Kelche, an Statt des ersten, welcher, wie gesagt, herunter fällt. Die junge Frucht ist mit gantz zarten, gelblichten Haaren bedecket, und hat oben auf wie einen kleinen Rüssel, der an dem Obertheil in ein Paar labia zerspaltet ist. Wann er zunimmet, so wird eine Schote draus, oder eine länglichte oder ovalrunde Frucht, die ist am Ende spitzig, an den Seiten eingedrückt, und sieht schier aus als wie ein Mirobalanus, ist anderthalben oder auch zwey Finger lang, tannetbraun, und bestehet aus zwey Schoten, welche wie ein Igel mit dunckelrothen Spitzen besetzet sind, die aber nicht so scharff wie die an der Castanie; in der Dicke lassen sie sich mit einer grossen grünen Mandel vergleichen. Wann die Frucht reiffet, wird sie röthlicht, und giebt sich an der Spitze in zwey Theile von einander darinne liegen ungefehr 60. Samenkörner, in zwey Reihen, eingeschlossen. Diese Körner sind so dicke als ein starcker Weinbeerkern, von Form wie eine Pyramide, liegen hart an einander und hangen vermittelst kleiner Stiele, an einem dünnen, glatten und gleissenden Häutlein, womit die gantze Höle in den Schoten überzogen ist. Die Körner sind mit einer feuchten Materie, die veste an den Fingern kleben bleibet, wann man sie nur anrührt, und dabey noch so sehr behutsam ist, siehet sehr schön roth, und hat einen treffl. starcken Geruch. Wann der Samen aus dieser rothen Materie herausgenoen worden, so ist er hart u. sie hat weißlicht, fast wie Horner soll zur Artzney nichts dienẽ.

[1206] Es giebt noch eine Sorte des Roucoubaums, der aber von dem vorhergehenden sonst gar nicht unterschieden, als daß seine Frucht nicht stachlicht ist, sich auch nicht so gar leichtlich öffnen lässet.

Der Roucou wird zweymahl des Jahres gesammlet, um Johannis herum und um Weyhnachten; daß die Schote reiff ist, erkennen sie daran, wann sie sich selbsten auf dem Baume aufthut; dann, da wird sie abgenommen und der Teig oder Extract auf folgende Weise bereitet.

Die Körner werden zusamt allem dem, was sie umgiebet, aus der Roucouschote ausgezogen, und mit höltzernen Stämpfeln in Canoen, welches hole Stämme sind, zerstossen: darauf wird Wasser, so viel als genug, gegossen, damit die Materie darinne weichen möge: also eingeweichet bleibt sie acht Tage stehen, damit in solcher Zeit die rothe und feuchte Materie, mit der die Körner umgeben sind, im Wasser sich ablösen und herunter gehen könne, hernach wird es durch ein solch Sieb gegossen, das in dem Lande bräuchlich ist und Hibichet genennet wird. Dieses machen die Wilden von Binsen, und die Löchlein an demselben sind viereckigt: sie lassen die Hülsen 24. Stunden lang darinne stehen und austrieffen, schütten sie darauf zum andern mahle in ein Canoe, so sie auf das genaueste verdecken; darinne muß es acht Tage hindurch jähren und warm werden, damit alles rothe, was noch etwa an den Körnern dürffte hangen blieben seyn, sich desto füglicher ablösen und ausziehen möge. Deswegen giessen sie auch frisches Wasser über die Materie und schlagen sie auch noch einmahl durch ihr Hibichet, vermischen hernach diese Tinctur mit der vorigen, und lassen sie durch ein härenes Sieb lauffen, damit nichts nicht unreines dabey bleibe. Nach diesen schütten sie diesen liquor in kupferne Kessel und lassen ihn sieden, so stösset er viel Schaum von sich. Dieser Schaum ist nun der Roucou, den sammlen sie mit allem Fleisse und schütten ihn in einen Kessel, den sie batterie zu nennen pflegen, damit er in demselbigen als wie ein Teig oder Extract werden möge, dergleichen nach Europa übersendet wird: sie formiren denselbigen nach Belieben. Dabey ist noch zu mercken, daß dieser liquor stetig schäumet, so lange nur noch etwas Roucou drinne ist; hernach bleibt nur ein bräunlicht Wasser über, daß sonst zu nichts nicht dient, als daß sie es auf andre Körner, die sie weichen wollen, giessen.

Dieses ist die gemeine Weise den Roucou zu bereiten: allein, er kan weit schöner zugerichtet werden, wann man nur mit den Händen will das rothe von den Körnern in dem Wasser reiben, und dieselben nicht zerquetschen. Man bekommt wol nicht so viel Extract, dieweil das grobe von den Körnern nicht darunter kommt, er ist dagegen um ein grosses reiner und hat eine schönere Farbe, wird aber auch ein gut Theil theurer seyn: mit dem Kochen wird auf obgemeldte Art verfahren.

Die mit dieser Arbeit umzugehen pflegen, sind mit den Hauptwehtagen belästiget: welches dem starcken Geruch des Roucousamens zuzurechnen, wie auch dem einweichen, welche diesen Geruch noch mehr vermehren und ihn auch noch unangenehmer machen.

Den trocknen Roucouteig soll man erwehlen, welcher ziemlich hoch von Farbe ist, bey nahe wie die Veilgen riechet. Der aus der Insel Cayenne gebracht wird, soll am besten zugerichtet seyn, und wird auch dessenthalben für den besten gehalten. Die Färber[1207] brauchen ihn: es wird auch Wachs drunter gemischet, damit er eine höhere gelbe Farbe bekommen möge: etliche nehmen ihn unter die Chocolate.

Der Roucou stärcket den Magen, stillet den Durchfall, befördert die Verdauung und macht einen leichten Athem, treibet auch den Urin. Die dosis ist ein halber Scrupel bis auf ein gantzes Quintlein.

Wann in leinen Geräthe Flecke von Roucou gekommen sind, so sind sie leichtlich nicht heraus zu bringen, absonderlich, wann Oel darzu genommen ist: die Sonne bringet sie viel besser weg, als einige Lauge; wobey annoch zu mercken, daß nur ein einig Stück Leinwand, das mit Roucou beflecket ist, eine gantze Wäsche fleckigt machen kan.

Diese Beschreibung habe ich nicht nur aus den beyden berühmten Scribenten G. Pison und G. Marcgravio, gezogen, sondern auch aus des F. Yon, des trefflich erfahrnen Apotheckers der PP. Societatis Jesu in dem Fort auf Martinique Saint Pierre, seiner Beschreibung. Dieser Frater ist an denenjenigen Orten, allwo der Roucou wächset und bereitet wird, selbst in Person gewesen, und hat mir eine genaue Beschreibung des Baumes übersendet, dabey auch einige trockne Früchte, samt dem Samen geleget waren, wie nicht weniger die Art sie zu bereiten, gleich wie er es von denen Indianern machen sehen.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 1205-1208.
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