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[95] Es lässet sich doch noch reden das gemeine Sprichwort: wie größer der Schelm, je besser das Glück, zumalen dieser Judas von den Meerwellen verschont worden und so unverhofft zu dieser Würde gelanget, daß er als ein königlicher Prinz ist auferzogen worden. Den hat man in eine vergulte Wiegen gelegt, da ihm doch der Sautrog hätte sollen die Herberg geben; den hat man in die zarteste Windelein eingefätscht, da doch dem Unflath die Zigeunerfetzen zu gut waren; den hat man mit Biskuiten-Kuch gespeiset, da doch eine solche Goschen die saure Ruben nit verdient; den hat man auf königlichen Armen liebkoset, da ihn doch der Henker hätt' sollen einwiegen; den hat manche adeliche Dame mit ihrer halb Engel-Stimm' das Aja pupeia zugesungen, da doch dem kleinen Galgenvogel das Rabengeschrei gebühret hätte: vor dem hat man die tiefste Reverenz geschnitten und schier halben[96] Theil mit gebogenen Knien angebetet, dem man eher hätte sollen den Daum zwischen den zwei Fingern weisen.
Es wurde mittler Zeit wider alles Verhoffen die Königinn desselbigen Orts in der Wahrheit großen Leib's, und hat nachmalen einen inniglichen schönen Prinzen auf die Welt gebracht, worauf dann, wie billig und natürlich, alle ihre Liebs-Neigungen zu diesem holdseligen Kind gezielet und mittler Weil' die Affecten gegen den Judam, als einen unehrlichen Sohn, sie ganz verloren, dergestalten, daß die Königin sammt dem Hofstaat ihren Prinzen über alles geliebt, den Judam aber halb und halb verehret, welches dann schon ein Zunder war, so einen unauslöschlichen Neid hat angezünd't.
Es konnte demnach Judas den Prinzen mit keinem guten Aug' anschauen, sondern kifflete stets die Nägel seiner Finger, machte dermaßen sauere Gesichter, als wäre Holzäpfel-Most sein Ordinari-Trunk: er wurde ganz bleich vor Neid, welcher ihm wie eine Schlange das Herz zernagte und plagte und schlagte und zwackte; die Schwefelfarb ist ihm haufenweis' auf die Wangen gefallen. Der Neid sparte endlich sein gottloses Gemüth dahin, daß er mit eigenen Händen den königlichen Prinzen ermordet; und war dieß schon ein Vortrab, daß er mit der Zeit Gottes Sohn werde zum Tod' helfen. O Neid, o Neid![97]
Einen wunderlichen Traum hat jener ehrliche Mann gehabt, welcher vor dem Schlaf' Gewohnheit halber pflegte mit absonderlicher Aufmerksamkeit zu lesen in einem Buch, und als ihm dazumalen ungefähr die Materie vor Augen kommen vom jetzigen verruckten Weltlauf und nach langer Ablesung endlich sanft eingeschlafen, träumte ihm folgender Gestalt:
Ich nahm meinen Weg durch eine vornehme Stadt, wollte meine vorwitzigen Augen auf die Weid' führen und einige schöne, wie auch seltsame Sachen sehen, damit ich nachmals in begehender Gelegenheit an gehörigen Orten auch weisen könne, daß ich nit wie eine Brut-Henn' stets zu Haus gehockt, sondern mir auch getraut fremdes Brod zu essen. – Mein erster Gang war nach Hof, allda die Beschaffenheit des Pallasts, die Tracht des Adels, den Pomp des Fürsten zu sehen. Da ich mich denn nächst der Hof-Pforte befunden, sind mir zwei große Thier' begegnet, dergleichen ich mein Lebentag nicht bin ansichtig worden; eines war also speckfeist, daß es mit seiner Woll-Wampen fast den Erdboden kehrte, das andere war dergestalten dürr, daß es ohne weitere Mühe dem Bein-Drechsler unter seine Arbeit taugte, und weil ich vermerkt, daß solche Thiere, wie des Balams Eselinn reden konnten, war ich so kühn, oder vielmehr frech, unterstund mich zu fragen, wie es zu Hof hergehe? Weil dann das Feiste wegen überhäufiger Schmeer-Last und Schnaufen nit konnte reden, also[98] gab' mir das dürre – ob zwar selbigen Orts die deutsche Sprach nicht gebräuchlich – folgende Antwort:
Ach, ach, ach was wirst du für Wunder-Ding zu Hof sehen!
Du wirst zu Hof sehen lauter Fechter, aber nur solche, die da über die Schnur hauen.
Du wirst zu Hof sehen lauter Soldaten, aber nur solche, die Parteien, oder ich hab' gefehlt, Partitereien wissen zu führen.
Du wirst zu Hof sehen lauter Meßner, aber nur solche, die mit der Sau-Glocken läuten.
Du wirst zu Hof sehen lauter Fischer, aber nur solche die mit faulen Fischen umgehen.
Du wirst zu Hof sehen lauter Schneider, aber nur solche, die einem suchen die Ehr abzuschneiden und einen Schandflecken anzuhängen.
Du wirst zu Hof sehen lauter Kaufleut', aber die nur mit Bärenhäuter-Zeug handeln.
Du wirst zu Hof sehen lauter Drechsler, aber nur solche, die einem suchen eine Nase zu drehen.
Du wirst zu Hof sehen lauter Huter, aber nur solche, die unter dem Hütl wissen meisterlich zu spielen.
Du wirst zu Hof sehen lauter Maler, aber nur solche, die einem was Blaues vor die Augen malen.[99]
Du wirst zu Hof sehen lauter Fuhrleut', aber nur solche, die einen hinter das Licht führen.
Du wirst zu Hof sehen lauter Bildhauer, aber nur solche, die einem das Maul machen.
Du wirst zu Hof sehen lauter Musikanten, aber nur solche, die das Placebo fingen.
Du wirst zu Hof sehen lauter Geiger, aber nur solche, die einen zu stimmen suchen.
Du wirst zu Hof sehen lauter Köch', aber nur solche, die einem die Suppen versalzen.
Du wirst zu Hof sehen lauter Schlosser, aber nur solche, die einem wollen einen Riegel schießen.
Du wirst zu Hof sehen lauter Tischler, aber nur solche, die einem pflegen zu verleumden.
Du wirst zu Hof sehen, daß alldort die Redlichkeit, wie der Palm-Esel, das Jahr nur einmal aus Licht kommt.
Du wirst zu Hof sehen, daß man allda mit den Wohl-Meritirten umgehet, wie mit dem Nußbaum:[100] zum Lohn, daß dieser Nuß trägt, wirft man mit Prügel darein.
Du wirst zu Hof sehen, daß alldort so viel Treu' zu finden, wie viel Speck in den Juden-Küchen.
Du wirst zu Hof sehen, daß man dort mit den Bedienten umgehet, wie mit den Limonien: wenn kein Saft mehr darin, so wirft man sie hinter die Thür.
Du wirst zu Hof sehen, daß alldorten die guten Freund' seynd, wie die Stein auf dem Brett-Spiel, welche nur den Namen Stein tragen, und seynd beinebens von Holz.
Du wirst zu Hof sehen, daß man allda die Nackende bekleidet, aber nur die Wahrheit, denn dieselbe bloß nit darf erscheinen.
Du wirst zu Hof sehen, daß man die Hungringen speiset, aber nur mit Worten.
Du wirst zu Hof sehen, daß es mitten im Sommer Eis gefroren, denn allda das Schlüpfern und Fallen gar zu gemein.
Du wirst zu Hof sehen, daß allda wenig Metall, aber viel Erz: viel Erz-Dieb, Erz-Schelmen, Erz-Betrüger, etc.
Du wirst zu Hof sehen, daß allda schlechte Suppen, aber viel Löfflerei.
Du wirst zu Hof sehen wenig Andacht, aber viel Verdacht.[101]
Mit dergleichen langem Klag-Register thäte sich das dürre Thier abmatten, daß es mit der Sprache nit mehr fort konnte, und hab ich mich absonderlich sehr verwundert über die Wohlredenheit dieses Thiers, daß es mit so annehmlichen Farben die Beschaffenheit desselbigen Hofs entworfen. Weil ich aber auch einmal auf dem Hof-Pflaster eine Blatter gangen, und mir alle Ding ohne das wohl bekannt, also habe ich fernere Rede davon abgeschnitten, und Wunder halber hab' ich das Thier gefragt, aus was Ursachen es also zaundürr, hingegen aber das andere speckfeist seye? worauf ich die Antwort erhalten, wie daß sie beide die Hof-Tafel haben, und ich – sagte das dürre – bin lauter Lieb', finde aber wenig bei Hof, daß ich schier Hunger stirb; das andere aber frißt lauter Neid, und findet solchen Ueberfluß, daß ihm schier der Bauch zerschnellet vor Futter.
Es war aber mein Traum noch nit aus, sondern es hat mir ferners gedunkt, als begegnen mir zwei Männer auf der Gassen, und trüge einer einen großen Sack über den Achseln dergestalten angefüllt, daß ihm Samson hätte sollen hierzu die Achseln leihen, womit er die Stadt-Pforten hat getragen. Der arme Tropf schwitzte unter solcher Last, als käm' er erst aus der Bad-Wanne. Ich fürchte augenblicklich, er würde mit dem Sack zu Boden sinken, der Meinung, es müsse Treid darin seyn wie in den Säcken der Brüder des Josephs; weil ich aber die Gewißheit nicht hatte, fragte ich, mit was denn der Sack sey gefüllt? Er gab mir die Antwort: mit lauter Neid sey er also angeschoppet. Der andere, so diesen begleitete, tragte[102] auch ein kleines Hebammen Körbel mit rothem Leder überzogen an den Armen, welches zwar dem Schein nach voll angefüllt, aber so gering, daß man's leicht mit den Biscoten oder Hollehippen konnte wägen, und war nichts anders darin, als lauter brüderliche Liebe. Ich mußte doch das Ort wissen, wo diese zwei so ungleich aufgeladen, da zeigten sie mir mit den Fingern auf ein gewisses Kloster.
Ich hätte noch einen weiteren Traum, und ist mir gewest, als wäre ich auf einem volkreichen Jahrmarkt, allwo unterschiedliche Kaufmanns-Hütten in hölzerner Ordnung gar fein ausgetheilt zu sehen. Unter andern kam mir unter die Augen eine Hütte, in welcher ein bekannter Spital-Meister feil hatte. Wunder wegen wollt' ich erfahren, was doch dieser für Handelschaft führe, indem seine Waaren, in lauter alte Spital-Lumpen eingewickelt, gar schlechte Raritäten versprochen. So bericht er mich, wie daß er lauter Neid und Lieb verkaufe. Wie theuer die Lieb'? so sagt er, die Elle um 30 Reichsthaler; entgegen aber sey der Neid um leichtern Werth, und übersteige dessen Preis nit dasjenige Tuch oder Loden, aus welchen die Croaten ihre Kepeneck machen, die Elle um 8 Groschen. – Gleich hierauf begegnete mir der Pedell von der Universität mit zwei Büchern unter den Armen, und war eins sehr groß, also daß ich vermuthe, es müßte darin des großen Calepini Allabotritta von allerlei Sprachen verfaßt seyn, das kleine Büchel[103] scheinte eine Grammatik zu seyn, so ich vermeint, daß er's den jungen Knaben und Söhnen nach Haus trage; habe aber mehrmalen die Wahrheit nit getroffen. Denn in diesem kleinen Werkl war mit Fraktur geschrieben, die Lieb unter den Gelehrten, in dem großen Buch aber ganz eng schriftlich zusammen getragen der Neid unter den Gelehrten.
Hierauf bin ich durch gar zu großes Schreien und Klopfen der Dienstboten im Haus erwacht; mein Mitgespann aber mir anstatt der Morgen-Suppen einen wohlgeschliffenen Verweis geben, daß ich auf Ratzen Art bis um 9 Uhr den Polster druckte, setzte auch hinzu, wie daß er kaum zwei Stund' habe geschlafen, seye deßwegen mir neidig um meine lange Ruhe. Auf diesen Fruh-Filz thät' ich meine Glieder – bekenn' die Schuld – durch ungebehrdiges Ranzen und Strecken in die Ordnung richten, und den Tag mit aufgesperrtem Maul, als gewöhnlicher Faullenz-Posaunen, bewillkommen; nach dem Waschen aber gleich mit gebogenen Knieen nach Gewohnheit mein Gebet verricht'. Der erste Gedanke aber, so sich damalen hat einschleichend angemeld't, war dieser, daß mir mein Mit-Kamerad neidig war um den Schlaf, wie auch der Verlaut des lang gehabten Traumes nichts anders war, als vom Neid; deßhalben ich die Augen gen Himmel gewend't, und mit zusammen geschlagenen Händen in diese Seufzer ausgebrochen:[104] Allmächtiger Gott! so ist denn kein Ort und Port, so ist denn kein Land noch Stand, so ist denn keine Erd' noch Herd, so ist denn keine Zunft noch Zusammenkunft, ja oben und unten, bei Kranken und Gesunden, unten und oben, bei Adel und Groben, dorten und dar, in Gesellschaft und Schaar, dar und dorten, in Werken und Worten ist der verruchte Neid.
Ich meines Theils gebe sonst dem Traum' nicht leichtlich einen Glauben, aber dieser ehrliche Mann, in dessen Busen keine einige Falschheit zu logiren scheint, gibt mit seinem Traum-Gesicht die scheinbare und unläugbare Wahrheit an Tag, ja gleichwie das Wörtl Neid mit vier Buchstaben geschrieben, wird also nicht weniger vergiften diese höllische Schlangen-Brut die vier Theil' der Welt.
Ich hab' es zwar allezeit gehört:
Wie die Glocken, also der Klang,
Wie der Musikus, also der Gesang.
Wie der Vogel, also das Ey,
Wie der Koch, also der Brey.
Wie der Schuster, also der Schuch,
Wie der Scribent, also das Buch.
Wie der Arzt, also die Salb,
Wie die Kuh, also das Kalb.
Wie der Acker, also das Treid,
Wie die Wiesen, also die Weid.[105]
Wie der Meister, also der Jung',
Wie der Tänzer, also der Sprung.
Wie der Baum, also die Birn,
Wie die Frau, also die Dirn.
Wie der Herr, also der Knecht,
Wie der Soldat, also das Gefecht.
Wie der Hirt, also die Rinder,
Wie die Eltern, also die Kinder.
Ich hab's allezeit gehört, hab's allezeit gelesen, hab's allezeit geschrieben, hab's allzeit gered't, daß diesem also seye; aber anjetzo vermerke ich, daß nicht allzeit wie die Eltern, also die Kinder seyn: Adam ein guter Vater, Cain sein Sohn ein Erz-Bösewicht; Noë der Vater ein Heiliger, Cham sein Sohn ein Heilloser; Abraham der Vater ein Gottseliger, Ismaël sein Sohn ein Gottloser; Isaak der Vater ein Engel, Esau sein Sohn ein Bengel; Jakob der Vater ein Lammel, Ruben sein Sohn ein Trampel; David der Vater ein Freund Gottes, Absolon sein Sohn ein Feind Gottes, etc. Ja ich weiß und zeig eine Dama, vor dero Schönheit die Helena aus Griechenland sich muß verkriechen, eine Dama, gegen deren Wohlgestalt mit seinem Aufputz der Frühling zu spat kommt, eine Dama, dero Angesicht sonnenklarer scheinend als die Sonne, eine Dama, vor dero weißem Gesicht die Lilien schamroth werden, eine Dama, vor dero Annehmlichkeit aus Wunder die Morgenröthe erbleichen thut etc. und dennoch diese schöne auserwählte Dama hat eine[106] Tochter, an der ein Haufen Unflath zu sehen; denn sie ist wild wie ein Misthaufen, schwarz wie ein Kohlhaufen, ungeschickt wie ein Scheiterhaufen, hartnäckig wie ein Steinhaufen, unrein wie ein Ameisenhaufen, schädlich wie ein Scheerhaufen, garstig wie ein Kothhaufen, ja wie der Teufel selbst. Diese schönste Dama ist die Tugend, die Ehr', die Wissenschaft, ja alles Gute; ihre Tochter aber, die sie gebähret, ist der verdammte Neid. In der Insel Malta gibt es keine Schlangen, in Sardinia gibt es keine Wölf', in Deutschland gibt es keine Krokodil', in Tuscia gibt es keine Raben, in Hellesponto gibt es keine Hunde, in Island gibt es nichts Giftig's; aber in der ganzen Welt ist kein Ort, allwo es keinen Neid gibt.
Daniel war bei Hof' und gar ein vornehmer Herr bei Hof, ja er ist so hoch gestiegen, daß er bei dem König Dario Alles vermochte; es hat auch dieser König nit besser gesehen, als wie Daniel sein Aug-Apfel war, und geht es bei einem Monarchen allzeit recht her, der eine solche rechte Hand hat, wie da war der treue Daniel. Nichts destoweniger hat endlich dieser fromme Minister erfahren, daß der König aus dem besten Wein der schärfiste Essig worden, indem er durch unmenschliches Dekret befohlen, den Daniel in die Löwen-Gruben zu werfen, und mit solchem stattlichen Brocken die freßgierigen Thier' zu sättigen. Es war aber diese Speis' zu gut für solche Gäst. Nun siehe ich dir's an der Stirn' an, und kitzelt dich der Vorwitz, zu wissen das Verbrechen und die Unthat des Daniels: etwann ist er seinem König nicht treu gewest? denn sonst die Treu zu Hof ganz[107] wehrhaft und fast noch nagelneu, weil man's gar selten brauchet; etwann hat er sich mit Denari bestechen lassen und nachmals Spandi wider seinen eigenen König gebraucht, und deßwegen das Spiel verloren? etwann hat er des Königs Anschläg' und reife Rathschlüß' dem Gegentheil entdeckt und also sträflich aus der Schul geschwätzt? etwann ist er mit den königlichen Renten und Geldern umgangen, wie der Wolf mit dem Schaftheil? Dieser theilte sechs Schaf mit dem Hirten solchergestalt: das erste gehört mein, das andere gehört sonst dein, und nimmts auch zu sich, das dritte gehört wieder mein, das vierte gehört sonst von rechtswegen wieder dein, nimmts aber mehrmalen zu sich etc. ist demnach dem Hirten nichts überblieben. Es ist etwann der Daniel in seinen Hofdiensten schläferig gewest, und sich nur darzumalen eingefunden, wann einige Chargen vacirend worden? es hat etwann der Daniel gegen eine oder die andern Hof-Damen eine freundliche Grobheit oder gar eine grobe Freundlichkeit erzeigt? Nichts dergleichen, gar nichts: der[108] Daniel war ein rechter, ein gerechter, ein wohlgeschaffener, ein rechtschaffener, ein wissenhafter, ein gewissenhafter Minister bei Hof, kein schuldiger, sondern ein unschuldiger, kein sträflicher, sondern unsträflicher Diener, und noch darzu ein Prophet, und noch darzu ein Traum-Ausleger und noch darzu ein Chronist. Wenn dem also, was hat ihn denn in die tyrannische Löwen-Grube gestürzt? Frag' nit lang, ein Hof-Hund hat ihn gebissen, eine Hof-Katz' hat ihn gekrazt, ein Hof-Pfeil hat ihn getroffen, er hat's Maul an einer Hof-Suppen verbrennt, er hat den Kopf an einer Hof-Thür angestoßen! Verstehe es recht: der Neid zu Hof unter den Ministern und Hof-Herren hat ihn gestürzt. So ist es gangen Henriko Grafen von Holstein bey dem Hof Eduardi den Dritten, Königs in England, so ist es gangen Bellisario dem großen Kriegs-Fürsten bei dem Hof des Kaisers Justiniani; so ist es gangen dem Aristidi, dem Scipioni, dem Themistocli,[109] dem Tullio, dem Epaminondae, dem Socrati, dem Pompeio, dem Iphicrati, dem Cononi, dem Chabriae, das seynd aber lauter fremde Namen; so ist es gangen viel Ferdinandis, Henricis, Rudolphis, Casimiris, Philippis, Conradis, Wolfgangis etc., welche der verdammte Neid ins Elend gestürzt hat. O Neid! o Neid!
Den Neid find' ich schier auf dem Schlag, wie jener Baum: Es ist einer gewest, der sich durch vielfältiges Schaben und Graben einen ziemlichen Sack voll Dukaten gesammelt, hatte aber dessentwegen stets unruhige Gedanken, aus Furcht, es möcht' ihm einer solchen goldenen Schatz entfremden, ja er traute in dem Fall weder dem Weib', viel weniger den Dienstboten; es gedunkten ihm alle Riegel und Schlösser zu schwach, solche gelbe Batzen zu hüten; absonderlich so er Geschäft' halber mußte abreisen, konnte er niemalen ruhig schlafen, wegen steter Sorgen, es möcht' ihm dieser sein goldener Inwohner das Quartier verändern; ersinnet demnach andere Mittel, und nimmt auf einen gewissen Tag seinen mit Gold gefüllten Sack[110] mit sich, steigt in seinem großen Garten auf einen Baum, und weil selbiger zwischen zwey großen Aesten etwas hohl war, verbürgt er seinen goldseligen Schatz darein, voller Freuden, daß er selbigen also sicher sal. virt, empfand auch in seinem Gemüth nunmehr einen begnügten Ruhestand. Was geschieht aber! Sein Nachbar war ein armer und elender Tropf, der so viel Brod-Esser und kleine Bursch' zu Haus hat, daß sie schier über die Kinder Israël wachseten, ja er hörte von dieser lebendigen Orgel kein anderes Liedl den ganzen Tag, als Päppen, Päppen etc. nicht möglich war es ihm, das Hauswesen länger zu erschwingen, forderist, weil die überdrüssige Schuldenforderer die Schnallen stets in Händen hatten, und mit so viel Schuld-Scheinen aufgezogen, daß er sich fast getraut alle Kaufleut' allda mit Starnizeln zu versehen; endlich haben ihn die verzweifelten Gedanken so kleinmüthig gemacht, daß er beschlossen, lieber zu sterben, als solches Elend ferners auszustehen, nimmt zu diesem Ziel einen starken Strick, steigt in des Nachbarn Garten, unwissend auf denselbigen Baum, in welchen der reiche Nachbar das Gold verborgen, fesselt bereits den Strick um den Hals, wollte aber vorhero umsehen, ob er von jemand wurde wahrgenommen. In währendem Umschauen erblickt er den Sack Geld in denn hohlen Baum, schätzt sich solches für eine göttliche Schickung, erlöset alsobald den Hals von dem Arrest,[111] steigt eilends herab, bald hurtiger als Zachäus, und vergißt vor Freuden den Strick auf dem Baum, dankte Gott um dieses unverhoffte Glück, womit er seine Hauswirthschaft wieder in den besten Gang gebracht. Nicht lang nach diesem steigt obenbenannter Geizhals auf den Baum, Willens seinem goldenen Schatz eine Visita zu geben, auch zugleich sich mit dessen Anblick zu ergötzen. Als er aber ersehen, daß die Vögel ausgeflogen, war er dergestalten bestürzt, daß er schier über den Baum herunter gefallen: Ach, lamentirte er, so ist denn hin, so ist denn aus, so ist denn weg dasjenige, welches ich viel Jahr' am Maul erspart habe! ach, was fang' ich nunmehr an! wenn ich nur einen Strick hätte, so wollt' ich gleich damit mein unglückseliges Leben enden! Und wie er sich umgeschaut voll der Verzweiflung, sieht er gleich neben seiner den Strick hangen, welchen der andere vergessen, verweilt dahero nicht lang, sondern mit dem Hals geschwind in die Maschen, und erhenkt sich: hangte also dieses saubere Obst an dem Baum, den kein anderer als der Henker dürfte schütteln. Ein wunderseltsamer Baum ist dieser gewest, in dem er einem das Leben gebracht, dem andern aber das Leben genommen, einen hat er aus der Noth geholfen, den anderen hat er zum Tode gezogen, einen hat er aus dem Elend' errett', den anderen hat er in das Elend gestürzt, einem hat er das Herz erfreut, dem andern hat er das Herz abgestoßen.
Auf gleichen Schlag trägt es sich zu mit dem Neidigen, als welchem des Nächsten Glück ein Unglück[112] ist, ja eines andern sein Segen ist dem Neidigen ein Degen, der ihn verwundet; eines andern sein Heil ist dem Neidigen sein Seil, so ihn erdrosselt; eines andern sein Gut ist dem Neidigen eine Glut, so ihn brennet; eines andern seine Würde ist dem Neidigen eine Bürde, unter dero er schwitzet; eines andern seine Kunst ist dem Neidigen ein Dunst, so ihm die Augen peiniget; eines andern seine Doktrin ist dem Neidigen ein Ruin, so ihm schadet; eines andern sein Schatz ist dem Neidigen eine Katz, so ihn kratzet; eines andern seine Freud' ist dem Neidigen ein Leid, so ihm das Herz quälet; eines andern seine Höhe ist dem Neidigen ein Wehe, so ihn plaget; eines andern sein Gruß ist dem Neidigen eine Buß, so ihn drucket; eines andern sein Schein ist dem Neidigen eine Pein, so ihn schmerzet.
Saubere Brüder hat Joseph gehabt: Wann das Brüder seynd, so muß man die Häfen-Deckel unter die Credenz zählen; wann das Brüder seynd, so können die Schlehen-Stauden auch Weinstöck' benamset werden; wann das Brüder seynd, so kann man den Wolf auch einen Bürgermeister der Schaf' nennen. Nit Brüder, sondern Ausbrüter alles Uebels seynd sie gewest, und haben sie das Sch. so wohl in ihrem Titul verdient, als der Judas Iscarioth. Wie der ehrliche[113] Jüngling Joseph ihnen aus brüderlicher Aufrichtigkeit seinen Traum erzählt – aus welchem man wohl vermuthen hat können, daß er nicht leer sey, sondern eine Prophezeiung seines künftigen Glücks – seynd sie also bald darüber ganz erbleicht. Was! sagten sie, du junger Tauben-Schnabel, sollst du ein König werden, und soll dein Glück so hoch steigen, daß wir dir sollen aufwarten und die Knie biegen? Ei bieg' dir der Henker den Hals, du übermüthiger Bub' etc.! Sie waren über ihn also verbittert, daß sie ihn nicht konnten anschauen, ja dahin durch den verdammten Neid getrieben, daß sie beschlossen, diesen ihren Bruder zu erwürgen. Aber laßt ein wenig mit euch reden ihr Schaf-Hirten – ob ihr zwar billiger hättet sollen Sau-Hirten abgeben – hört mich an! Entweder ist es wahr, daß euer Bruder ein König wird oder nit? ist es nit wahr, so lacht über solchen leeren Traum und foppet lieber durch brüderlichen Scherz diesen euren jungen ABC-Schmid, gebt ihm einen Hirten-Kolben in die Hand anstatt des Scepters und sagt lachender Weis': grüß dich Gott Euer Majestät etc.! ist es aber wahr, daß er soll König werden, so sollt ihr euch deßhalben nit zürnen, sondern vielmehr frohlocken und sagen also: wird unser Bruder Joseph ein König, so ist es uns die größte Ehr' und unserm ganzen Haus ein ewiger Ruhm, ja da werden wir nit mehr unsere schmutzige Hirten-Taschen mit einem altbackenem Kipfel angefüllt tragen, sondern ein jeder aus uns[114] wird seyn Galanthomo! wie wird es uns sowohl schmecken, wenn man uns gnädige Herren wird schelten! da wird gar gewiß der Bruder Ruben obrister Hofmeister werden! da wird gar gewiß der Bruder Zabulon zu der Kammer-Präsidenten-Stell' gelangen! da kanns dem Bruder Isaschar nicht fehlen, daß er nit obrister Kuchl-Meister wird, er isset ohne das gar gern gute Bissel; der Bruder Simeon wird ohne Zweifel obrister Kämmerer werden, denn er kann mit den Complimenten umspringen; denkt es an mich, der Bruder Aser wird obrister Jägermeister, der wird sich abhetzen, da wird's anderst hergehen! jetzt müssen wir unsere Mägen mit sauren Ruben ausschoppen, dort wird man uns andere Bissel aufsetzen, ei Gott geb', daß unser Sepperl ein König wird! – Dergleichen Reden hätten sollen die Brüder Josephs führen; aber der verdammte Neid hat ihnen den Verstand verruckt, die Vernunft verkehrt, und wollten sie lieber schlimme und arbeitsame Täg' leiden, als den Joseph in königlicher Würde sehen. O höllischer Neid! Der Neidige ist schon zufrieden mit seiner Armuth, wenn er nur siehet, daß sein Nächster nit reich wird; der Neidige find't ein Contento an seinem Elend, wann er nur merkt, daß es seinem Nächsten auch nit wohl gehet;[115] der Neidige beklagt sich nit seines Unverstands und Unwissenheit, wenn er nur siehet, daß sein Nächster auch nit viel kann; der Neidige bleibt gern verworfen, wann er nur find't, daß sein Nächster nit vorkommt; den Neidigen betrübt nicht seine Ungestalt und Larven-Gesicht, wenn er nur weiß, daß sein Nächster auch nit schön ist. O verfluchter Neid! du sutzelst und saugest aus der Gall' das Honig und aus dem Honig die Gall', denn des Nächsten Uebel macht dir gut und des Nächsten Gut macht dir übel. O! O! O!
Jener reiche Prasser, von dem Meldung geschieht im Evangelio, hat alle Tag' Kirchtag, er war alle Tag wohl auf und voll auf, er war zwar kein Soldat, ist doch allezeit mit Krügen umgangen, er war kein großer Doktor, hat sich doch gern in der Bibiothek aufgehalten, er war kein Fischer, thäte doch stets im Nassen arbeiten, er war im Vormittag nicht nüchtern, zu Mittag hatte er einen Rausch, auf dem Abend war er voll, sein Hausen war Schmausen, sein Schmausen war Brausen, alles Essen und Trinken und anders guts Leben hat ihm sein Vater zum Heirath-Gut geben. Aber auf eine solche schlemmerische, dämmerische Vigil ist ein harter Fey'rtag kommen: Da nemlich dieser reiche Gesell in dem höllischen Feuer begraben[116] worden, der arme Bettler aber, so nur um die Brößl supplicirt, die sonst der Diana, der Melampus, der Coridon, der Pudel unter den Tafeln zusammen klauben, ist mit großen Freuden und Triumph in die Glorie getragen worden. Jetzt steht zu fragen, wie der arme Bettler geheißen hat, und der reiche Mann? Des Bettlers sein Nam' ist allbekannt Lazarus, aber des Reichen Name weiß weder der Evangelist, noch der Scripturist, noch Glossist, noch Commentarist etc. niemand, gleichwohl bin ich der Meinung, ich wollte errathen seinen Namen: Er war ein vornehmer Herr, man hat ihn Ihr Gnaden gescholten, und hat allem Ansehen nach Herr Neidhard von Neidlingen geheißen, aus Ursachen: wie er schon bereits in der Höll' gesessen, hat er fast mit unsinniger Stimm' geschrieen zu dem Abraham: Vater Abraham, ich bitt, ich bitt, ich bitt, schicke doch den Lazarum, daß er mit einem Tropfen Wasser meine feurige Zung' erkühle! Dieser reiche Vogel ist ein Freiherr oder wenigst ein Landmann gewest. Soll er ihm dann nit eingebildet haben, es schickte sich nit, daß der Selige soll den Verdammten nachgehen? Es thät' sich ja übel reimen, so ich auf der Gassen ansichtig würde eines vornehmen Herrn, da er zum Fenster hinaus schaut und ich hinauf schreite: Gnädiger Herr, steigt herunter und[117] spendirt mir etwas, auf daß ich mir kann etliche Bücher kaufen! ich mein die Lakeien würden mich einen groben Mönch taufen und sagen, ich soll hinauf kommen, und anderthalb Stund' heraussen warten, dann jetzt sey ein Jud beim gnädigen Herrn etc. Also hätt' auch der reiche Gesell in der Höll' sollen schreien: O Vater Abraham, mache doch Gelegenheit, und bring' es bey Gott aus, daß ich zum Lazarum hinauf darf um ein einiges Tröpfl Wasser! Es hat aber der verdammte Prasser dessentwegen nit hinauf begehrt zu dem Lazarum: denn wann er denselben in so großer Glorie, Thron und Kron hätte gesehen, wär' er ihm deßhalben neidig gewest, und wär ihm solches härter ankommen, als die Höll' selbst. Dann ein Neidiger leidet unaussprechlich, wann er siehet, daß es seinem Nächsten wohl gehet. Dahero seynd die Neidigen – wie seynd sie? sie seynd wie die Nacht-Eulen: dieselbigen können kein Licht sehen, deßwegen fliegen sie hin und her, darum und daran, und wollens auslöschen; also die Neidigen mögen und können nicht sehen, wenn jemand erleucht' ist und glänzet mit Tugenden. Die Neidigen seynd – wie seynd sie? sie seynd wie die Kothkäfer: diese saugen auch aus der schönsten Rose nur das Gift, nit das Honig; also die Neidigen suchen an ihrem Gegentheil nur das Mangelhafte, das Gute verschweigen sie. Die Neidigen seynd – wie seynd sie? sie seynd wie die Feilen oder Raspeln, welche verzehren, plagen, beißen und reißen andere Sachen, aber verderben sich selbst damit; also die Neidigen sehen, wie sie dem[118] Nächsten mögen schaden, und verzehren ihr einiges Leib und Seelen Heil. Die Neidigen seynd – wie seynd sie? sie seynd wie die Brunnen, welche gemeiniglich kalt seynd, wann das Wetter warm ist, und gemeiniglich warm, wann das Wetter – forderist im Winter – kalt ist; also dem Neidigen ist übel, wenns Andern wohl gehet, und ist ihm wohl, wenns Andern übel gehet. Die Neidigen seynd – wie seynd sie? sie seynd wie der Donner, welcher mehristtheil nur hohe Gebäu' trifft und nit niedere; also die Neidigen nur diejenigen hassen, welche von Gott erhöhet seyn. Die Neidigen seynd – wie seynd sie? sie seynd wie die Wachteln: diese schlimmen Vögel seufzen allzeit, wenn die Sonn' aufgehet; also seynd die Neidigen beschaffen, welche alsdann seufzen und es schmerzlich empfinden, wenn sie sehen den Nächsten in Ehr' und Reichthum aufgehen und wachsen. Die Neidigen seynd – wie seynd sie? sie seynd wie ein Baum, unter dem noch junge Bäuml' wachsen, diese aber unterdrückt der große Baum mit seinen Aesten, denn er nit leiden will, daß ihm einer soll gleich wachsen: also auch ein Neidiger befleißet sich, wie er's kann zu wegen bringen, daß einer vom niedern nicht zum höhern Stand' soll gelangen. Die Neidigen seynd – wie seynd sie? sie seynd wie diejenige, so am Fieber krank liegen: denen kommen auch süße Speisen bitter vor; also kann die Neidigen nichts mehr erbittern, als wann der Nächste gutes und süßes Glück genießet. Die Neidigen seynd – wie seynd sie? sie seynd wie die Fliegen, welche[119] gemeiniglich den Menschen nur an demjenigen plagen, wo er ungesund oder verwundet ist; also die Neidigen nur dasselbige an ihren Nächsten suchen, was tadelhaft ist, das Tugendsame und Lobwürdige verschweigen sie freimüthig. Die Neidigen seynd – wie seynd sie? sie seynd wie die Aemper an einem Brunnen: wann einer hinunter fällt, so steigt der andere in die Höhe, kommt einer herauf, so fällt der ander' hinunter; also ist dem Neidigen wohl und befindet sich wohlauf, wenn er siehet seinen Nächsten fallen, und so sein Nächster hoch steigt, thut sich der Neidige darüber bestürzen. – O du verdammtes Laster! du bist ein Maden der Seelen, noch mehr, du bist ein Apostema des Herzens, noch mehr, du bist eine Pest der fünf Sinnen, noch mehr, du bist ein Gift der Glieder, noch mehr, du bist ein gefährliches Fieber des Geblüts, noch mehr, du bist ein Schwindel des Haupts, noch mehr, du bist eine Finsternuß des Verstand's, noch mehr, du bist ein Henker und Folterer und Tyrann des menschlichen Leib's! –
Andere Laster haben dannoch ein wenig Freud' und eingebildete Ergötzlichkeit: die Buhlschaft mit der Bersabäa hat gleichwohl dem David das Herz ein wenig verzuckert; wie Herodes ein Kostgeher und Bettgeher gewest ist bei seines Bruders Frauen, hat er gleichwohl davon ein augenblickliches Contento geschöpft;[120] wie Nabuchodonosor sich für einen Gott aufgeworfen und aus Hochmuth und Uebermuth sich hat lassen anbeten, hat den Narren gleichwohl solche große Reputation gekitzelt; wie der reiche Gesell alle Tag' geschlemmt, hat ihm doch solches tägliche Gurgelwasser eine Freud' gemacht; wie der Achan gar zu lange Finger gehabt und über das siebente Gebot gestolpert, hat er dennoch eine Freud' gehabt, daß er ohne Mühe ist reich worden; wie die Philister dem Samson die Augen ausgestochen, und er nach Verlust seiner Stärk' ihnen hat müssen durch die Finger sehen, haben sie eine Ergötzlichkeit gehabt, weil sie sich an ihrem Feind gerächet haben; wie der Zachäus Partiten gemacht und aus fremden Häuten hübsche breite Riemen geschnitten, hat es ihm eine Freud' gebracht; – in Summa: alle Laster haben ein Honig, ob zwar im geringen Gewicht, an sich und in sich und bei sich; – aber der Neidige findet nichts als Leiden, ja der Neidige empfindet einen steten Dorn, der ihn verwundet, hat einen steten Wurm, der ihm das Gemüth naget, leidet ein stetes Schwert, so ihm das Herz durchdringet, hat einen steten Hammer, der ihm das Herz zerschlägt, leidet eine stete Schlange, die ihm das Herz peiniget, hat einen steten Tieger, so ihm das Herz verzehret, leidet einen steten Wolf, der ihm das Herz frisset, hat ein stetes Uhrwerk, so ihm das Herz beunruhiget. O du verdammtes Laster![121]
Andere Laster lassen sich in etwas vertuschen, ver hüllen, verbergen, und zeigt sich mancher auswendig heilig und ist inwendig heillos, zeigt sich oft einer auswendig als ein Simon Petrus und ist inwendig in Simon Magus; es steckt gar oft in einer neuen und guten Scheid' eine rostige Passauer-Kling; auch trifft man oft eine schöne Nuß an, dero wurmstichiger Kern nachmals dem Aufbeißer ein Grausen machet; – aber der Neidige kann sein Laster nit verbergen, es ist ihm das Angesicht ein Verräther, die eingefallenen Wangen, die finstern Augen, die berggrünen Lefzen, die birkene Stirn, die giftigen Seufzer, die melancholischen Gebehrden, das Zwitschern der Zähn', sein mageres, ausgeselchtes, schwefelfärbiges Angesicht ist ein sattsamer Dolmetscher seines einwendigen Neid's. Ein Neidiger mag essen, was er will, wie er will, wann er will, wie viel er will, wo er will, so wird er doch hundsmager bleiben, weil Alles bei ihm in Gift verwandelt wird. Wie recht hat der Poet den Neidigen entworfen mit folgenden Versen:
Friß Milch, friß Käs, friß von der Kuh,
Was deinem Maul mag schmecken,
Schieb ein, schopp drauf, schnapp immerzu,
Schlick Semmel, Kipfel und Wecken,[122]
Brauch' Löffel wie ein Wasser-Schaff,
Auf daß du füllst dein' Wampen;
Friß, daß nit mehr kannst sagen Pfaff
Vor Schmacken, Schlinken, Schlampen;
Friß du dem hungrigen Wolf zu Trutz
Den Braten ohne Zwiefel,
Friß, daß dir's Maul so voller Schmutz
Wird, wie ein g'schmierter Stiefel;
Mit Banquett und mit lauter Schmaus
Spann' deinen Bauch wie Trummel,
Schleck' oben und unten die Pfannen aus,
Sauf' noch darzu ein' Tummel,
Friß Brocken mit halb Centner-G'wicht,
Verzehr' ganz kälbere Büg'l,
Friß, daß dir dein so schmierbig's G'sicht
Hübsch glänzet wie ein Spiegel,
Friß Butter, Schmalz und Speck darzu,
Mach's wie die Kloster-Katzen,
Die fressen Brät'l spat und fruh'
Anstatt der Mäus' und Ratzen.
Friß, Neidhard, friß, friß all's vom Tisch,
Bleibst doch ein dürrer Bogen,
Friß, Neidhard, friß, ein g'selchter Fisch
Bleibst ohne Bauch und Rogen!
Dahero Gott der Herr den Kain selbsten gefragt, nachdem er seine Händ' in des Bruders Blut gewaschen: Quare condicit facies tua? »Kain, warum ist dir das Angesicht also eingefallen?« Der Gesell' war so mager wie ein Ladstecken: es war aber dessen keine[123] andere Ursach, als der verdammte Neid, als welcher ein Gift ist der menschlichen Gesundheit.
Es ist zwischen dem Weißen und dem Schwarzen, zwischen dem Esau und dem Jakob, zwischen dem Städtl Hai und der großen Stadt Jericho, zwischen dem egyptischen Knoblauch und dem himmlischen Manna, zwischen dem David und dem Goliath kein so großer Unterschied, als zwischen dem Himmel und der Höll', ja ohne alle Gleichnuß; – denn im Himmel ist lauter Freud', in der Höll' lauter Leid', im Himmel ist lauter Lachen, in der Höll' lauter Krachen, im Himmel ist lauter Gut, in der Höll' lauter Glut, im Himmel ist nichts als Süß, in der Höll' ist nichts als Spieß, im Himmel ist lauter Lust, in der Höll' ist lauter Unlust, der Himmel ist ein Wohnplatz der Auserwählten, ist ein Haus der Belohnung, ist ein Thron der göttlichen Majestät, ist ein Losament der Heiligen, ist ein Tempel des Lichts, ist ein Paradeis der Freuden, ist eine Herberg' der Seligen, ist eine Erquickung der Betrübten, etc. die Höll' ist entgegen eine Folterbank der Verdammten, ist ein Kerker der unglückseligen Ewigkeit, ist eine Senkgrube des Unflaths, ist ein Ort der Finsternuß, ist ein Quartier der bösen Geister, ist ein Inhalt alles Elends; etc. im Himmel ist alles, was ergötzet, erfreuet, erlustiget, erquicket, erhöhet, etc. in der Höll' ist, alles, was peiniget, was schmerzet, was brennet, was quälet, was martert, etc. Und dennoch ist der Teufel theurer mit der Höll', als Gott mit dem Himmel; denn ein Neidiger so viel leidet um der Höll'[124] willen, daß, wenn er nur den halben Theil thäte wegen Gott ausstehen, so wurde es ihm der Allerhöchste mit der ewigen Kron' vergelten: Aemilius, Aemilianus, Basilius, Basilianus, Cassius, Cassianus, Claudius, Claudianus, Donatus, Donatianus, Eutychius, Eutychianus, Flavius, Flavianus, Gordius, Gordianus, Julius, Julianus, Lucius, Lucianus, Marcus, Marcianus, Marius, Marianus, Pontius, Pontianus, Primus, Primianus etc. seynd Märtyrer und Blutzeugen Christi, haben viel gelitten zu Cäsarea, zu Nicomedia, zu Rom, zu Alexandria, zu Antiochia, zu Aquileia, zu Laodicea, etc. viel gelitten um den Himmel; – aber ein Neidiger leidet viel mehr um die Höll. O verruchtes Laster!
Ein mancher wird wegen seiner Wissenschaft zu großen Würden erhöhet – wie es dann billig, und ist nichts schädlichers, als wenn man unverständige Stroh-Hirn' hinauf setzet: Bekannt ist es sattsam, daß Gott der Allmächtige ganz umständig das Gebäu' der Arche vorgezeichnet, auch beynebens gar genau befohlen, es sollen Ochsen, Esel sammt den Thieren in dem untern Stock logiren, die Menschen aber in dem obern Zimmer; als hätt' sich ja nit gereimt, wann Ochsen- und Eselköpf hätten in dem oberen Gaben residiret und die Menschen herunten – ob zwar bei der jetzigen verkehrten Welt gar oft die Erfahrnuß bezeiget, daß fast gleiche Beschaffenheit seye zwischen dem Topf und dem Knopf: zumalen ein voller Topf auf dem Herd herunten steht und leidet, daß ihm die Augen übergehen, ein leerer Topf aber, der steht oben auf der[125] Stell': also wird nit selten ein leerer Topf in die Höhe zur Offizia erhoben, und ein Kopf voller Wissenschaft muß herunten bleiben. Ein manchesmal – ob zwar nit ohne merklichen Schaden – folgt man dem Brunnen nach, allwo der leere Aemper heroben ist der angefüllte entgegen unterdrückt. – Thöricht haben die Philister gehandelt, wie sie den Abgott Dagon verehret, der einen Fisch-Kopf hatte; noch übler ist es, wenn man der Zeit manchen muß verehren, der einen Stockfisch-Kopf hat. Die Natur ist eine witzige Mutter, als welche dem kleinen Fingerl an der Hand das Amt aufgetragen, daß er solle Ohren-Raumer seyn, nit aber dem Daum' oder Zeig-Finger, weil sich demnach der kleine besser hierzu schicket als die anderen: deßgleichen soll man sein zu Aemter und Offizia erheben diejenigen, welche geschickt seynd und nit ungeschickt. Die Bäume, ob schon etliche grobe und ungeschlachte Kerl unter ihnen, seynd dennoch so bescheid gewest, sagt die heil. Schrift, daß sie einhellig die Dorn-Staude zum König erwählt haben, und glaube ich darum, weil solche spitzfindig – uns zu einer Lehr, daß die Spitzfindigen und Witzigen vor allen Plumpen sollen den Vorzug haben. Wenn zu Ingolstadt in Bayern die Studenten aus unartigem Muthwillen einige Ungelegenheit verursachen, und etwann auf der[126] Gasse die Stein' also wetzen, daß ihnen das Feuer zu'n Augen ausgehet, werden sie auf der Universität in die Keichen gesetzt, beklagen sich aber dazumalen nichts mehreres als wegen eines Nacht-Gespensts, so sie insgemein den Penzen nennen, welches ganz ohne Kopf ist: also soll wahrhaftig manches Ort, Stadt, Gemein' nichts mehreres schrecken, als wenn sie eine Obrigkeit ohne Kopf haben, verstehe ohne Verstand; beim wir Deutsche gemeiniglich diejenigen, die sich von Stroh-Hofen schreiben, ohne Kopf benamsen. Die jetzige Welt folgt leider! gar oft den Baumeistern nach, welche die Knöpf' zu höchst des Dach's setzen, lamentiren doch, – andere zu geschweigen, auch die Bauern, wenn ihre vorgesetzten Pfleger grobe Knöpf seynd. Große Herren, gemeine Republiken, gesammte Städte, sollten es dem hl. Geist, dieser dritten göttlichen Person, nachthun, als welche in Feuers-Gestalt sich auf die Köpf' der Aposteln und nit anderstwohin gesetzt. Es ist sowohl schändlich als schädlich, wenn man nicht den Kopf, sondern die Händ' oder das anverwandte Geblüt beobachtet. Mit allem Fleiß hat Christus der Herr seinen Vettern Joannem nit zum Pabstthum erwählt, sondern Petrum, damit wir in Austheilung der Aemter nit sollen beobachten die Verwandtschaft, sondern die Wissenschaft. Unweislich hat gehandelt Henrikus der Achte in England, der seinen Koch zu einem stattlichen Amt erhoben, um weilen er ihm eine wohlgeschmackte Speis' zugericht'. – Wenn die Vögel[127] konnten reden, so man sie sollte fragen, wer sie also in die Höhe bringet, würden sie ungezweifelt antworten: nichts anderst als die Federn. Durch solche und mit solchen kommen sie also empor. Dahero thun gar weislich diejenigen großen Monarchen und Fürsten, welche dieselbigen zur Hochheit und Würden promoviren, so eine gute Feder haben, das ist Verstand und Wissenschaft. Auf gleiche Weise seynd gar viel zu höchsten Ehren gelanget, und hat Agathoelem zum König in Sizilien nit gemacht sein Stammen-Haus, als der eines Hafners Sohn war; dem Lesco König in Polen hat nicht die Kron aufgesetzt sein uralter Adel, als der eines Bauern Sohn war; und hat Primislaum nit König in Böhmen gemacht sein altes Herkommen, als der erst vom Pflug war; und hat Tamerlanem den Kaiser nit zu dieser höchsten Würde geholfen sein adeliches Haus, als der nur eines Holzhackers Sohn war; und hat Willigisum nit zum Erz-Bischofen geweiht sein uraltes Geschlecht, als der nur eines Wagners Sohn war; – sondern alle diese haben die Verdienste und Wissenschaften erhebet, wie es denn noch auf den heutigen Tag geschieht, daß solchergestalten oft aus gemeinen Leuten Vornehme werden.
Aber dazumalen erhebt sich der Neid: was Neider hat nit David gehabt, wie er also über sich kommen? was Neider hat nit der redliche Mardochäus gehabt, wie er bei dem Hof Assueri also fortkommen? was Neider haben nit die drei Knaben gehabt bei den babylonischen Edel-Leuten, wie sie also hoch kommen? was Neider hat nit Stephanus gehabt, wie er also bei den[128] Leuten in so gutes Concept kommen? was Neider hat nit Jesus unser Heiland gehabt, wie er also bei dem Volk so viel golten? O Neid! was Neider hat nicht täglich jener, der durch seine Meriten hoch steiget? Ja die Neider lassen oft nit nach, bewegen alle Stein', schütteln alle Bäum', brechen alle Mäuer, spitzen alle Degen so lang und viel, bis sie einen solchen aus dem Sattel heben, die Federn rupfen, den Stuhl zucken, daß er übern Haufen fällt, nachmals schützen sie vor – aber unter des Teufels seinem Mantel, unter des Satans seiner spanischen Wand, unter des Luzifers seinem Vorhang – wie daß solcher deßhalben gefallen, vom Amt und Ehr' kommen, weil er sich übernommen, sich nit mehr gekennt und andere nur über die Achseln geschaut. O verdammter Neid! So ist denn dir des Nächsten Rose ein stechender Dorn? ja; so ist denn dir des Nächsten Honig eine Gall'? ja; so ist denn dir des Nächsten Scepter eine Ochsen-Sehn'? ja; so ist denn dir des Nächsten Freud' ein Krieg? ja. O du Teufels-Martyrer!
Ein anderer gelangt durch seine höchst-rühmliche Tapferkeit zu einer vornehmen Charge im Feld', und seynd wenig Jahr', da ihn der Gefreite mit Bärnhäutern gespeist; jetzt heißt es: Bursch' ins Gewehr,[129] der Obrist kommt! Aber diesem hat sein Glück geschmiedet die öfter gezeigte Generosität im Feld. Also ist es vor diesem gewest, also soll es seyn, daß man diejenigen promoviret, welche da seynd wie der Granat-Apfel: diese Frucht hat eine rechte Kron' auf, aus Ursachen, weil die Natur gesehen, daß der Granat-Apfel einwendig lauter rothe Herzl habe. Also gedachte sie, seye es billig, wo so viel Herz, soll auch Kron' und Lohn seyn; denn ein wohlbeherzter Soldat verdienet, daß man ihn ehret und forthilft:
Soldaten, welche da seynd wie der Salat, wo mehr Oehl als scharfer Essig, die verdienen nichts; Soldaten, die ins Quartier eilen, wie die Schwalben ins warme Sommerland, verdienen nichts; Soldaten, die vor dem Feind zittern, wie ein espenes Laub, verdienen nichts; Soldaten, die ein Grausen haben vor dem Streit als hätten sie einmal ein Haar darinn gefunden, verdienen nichts; Soldaten, die da wünschen, ihre Roß' hätten 6 Füß', damit sie desto hurtiger möchten durchgehen, verdienen nichts; Soldaten, die weniger Wundmal-Zeichen als der Raab weiße Federn, verdienen nichts; Soldaten, die lieber tummeln als Trommeln hören, verdienen nichts; Soldaten, die lieber den guldenen Adler am Wirthshaus als[130] den schwarzen Adler an der Kriegs-Fahn' sehen, verdienen nichts; Soldaten, die mehr nach Laschi als Curaschi trachten, verdienen nichts; Soldaten, die nur den Bauern zwacken und mit glühender Schaufel also mit ihm Stock schlagen, daß den armen Tropfen von Michaeli bis auf Georgi nit mehr niedersitzen gelüstet, verdienen nichts. Aber Soldaten, die sich tapfer und ritterlich halten, verdienen alles. Dann ein Federbusch auf dem Hut macht keinen Soldaten – sonst wär' auch der Wied'hopf ein Kriegs-Offizier; eine Schärpe um die Lenden macht keinen Soldaten – sonst wären auch die Engel am Frohnleichnams-Tag Soldaten; die Beckelhaube auf dem Kopf macht keinen Soldaten – sonst wären auch die Koth-Lerchen Soldaten; ein Spieß über den Achseln macht keinen Soldaten – sonst wären auch die Landboten Soldaten; sondern eine ansehnliche Tapferkeit, unerschrockene Generosität, und unüberwindlicher Heldenmuth macht einen Soldaten.
Jener aus Ober-Sachsen mit Namen Benedikt von Fontana hat sich Anno 1499 in dem Schweizer-Krieg und einer Schlacht der Graubündner mit den Tyrolern, nahe der Molser-Haid', tapfer gehalten, indem er des Feind's Schanz männlich erstiegen, und da er einwendig verletzt worden, mit einer Hand das verwund'te Ingeweid gehalten, und mit der anderen sich gewehret. Ein solcher verdient ewiges Lob und Lohn. – Wenn aber dergleichen einer erhebt wird, was [131] Neider zügelt er ihm augenblicklich? der Neid wirft ihm alle Tag einen Prügel unter die Füß', der Neid sperrt ihm alle Tag fast den Paß zu der Victori, der Neid verstopft ihm fast alle Tag die Trompeten im Feld, der Neid vertheuert ihm fast alle Stund' das Schieß-Pulver und darf nit schießen, aus Furcht, er wecke auf das Kind aus dem Schlaf', der Neid fällt ihm und seinem Pferd' alle Augenblick in Zaum, und dieß ist fast dasjenige, was uns so viel Sieg und Victori aus den Händen raffet. Wir nennen es höflich die Kriegs-Competenzen; aber solche Competenz-Waffen hat der Teufel in der Werkstatt' des Neid's geschmiedet. O Neid! Auf solche Weis' ist dir des Nächsten Erhöhung deine Erniederung, nicht anderst; auf solchen Schlag ist dir des Nächsten Purpur ein stechendes Cilicium, nicht anderst; auf solche Manier ist dir des Nächsten Geld-Tasche eine Maul-Tasche, nit anderst; auf diese Modi ist dir des Nächsten wunderliches Lob eine Wunde, nit anderst; dergestalt ist des Nächsten Gnad' dir »Ihr Gestreng«, nit anderst. O Neid![132]
Es kommt gar oft ein Armer zu großem Reichthum, und hat fürwahr der Saul damalen wenig Sammet angetragen, wie er die Esel seines Vaters Kis gesucht, ist gleichwohl hernach ein reicher König worden. Eines armen Holzhackers leinene Strümpf' und andere zerrissene Bettlers-Lumpen verzweifeln nit an ihrem Glück. Auch ist nichts neues, daß oft abgeschabene Zigeuner-Windel durch den Stampf verkehret worden in das schönste Papier, worauf man mit Gold und Silber schreibet. Derjenige Kühe Stall, in welchem die hl. Jungfrau Euphemia gedient hat, ist nunmehr in einen schönen kostbaren Gold und Silber reichen Tempel verwandelt. Also geschieht wohl öfter, daß gemeine Stall-Knecht' und Stall-Dirn' zu großen Ehren und Habschaften kommen. Jene drei Krotten – wohl ein garstiges Thier – in dem uralten französischen Wappen seynd durch Anleitung des Himmels nun anjetzo in schöne Lilien verkehret. Dergleichen hat die Welt öfter gesehen, daß aus denselbigen, so arm und verworfen waren, vornehme und reiche Leut' worden. Es seynd gewisse Würm', welche sich den ganzen Winter durch in ein freiwilliges Grab einsperren und gar todt liegen, bei angehendem warmen Sommer aber werden die schönsten Weinfalter daraus, welche mit vielfärbigem Flügel als reiche Sonnenvögerl prangen. Bist du nun, Mensch, eine armer Erd-Wurm und tritt dich fast Jedermann mit Füssen, auch deine ganze Habschaft kannst in einem Bettelsack salviren, so hoffe dennoch! denn wohl öfter das Glück in der armen Leut' Häuser hat eingekehrt: es können dir noch wohl die Flügel wachsen, wormit[133] du dich weit über deines Nächsten Vermögen erhebest. Geschieht es dann, daß ein solcher entweder durch eigenen Schweiß und Arbeit, oder durch beifallendes Glück, oder durch unverhofte Erbschaft zu Mittel gelangt – wie man dann dergleichen viel zählet – was Neider verfolgen ihn nit alsobald? man vergunnt ihm das Bissel nit, so er mit gutem Gewissen erworben; da heißt es, er hat gut reich zu seyn, er hat dem kaiserlichen Beutel ziemlich die Register gezogen; er hat die Pupillen-Gelder nicht ein wenig geschröpft; er hat der Stief-Kinder das Ihrige hübsch sauber durch die Hechel gezogen; der karge Narr weiß, wie viel man Knödel aus einem Mäßl Mehl schnitzlet, züglet er doch aus seinen Dienstbothen lauter Cartheuser, und haben sie nur einen Fasttag, der währet das ganze Jahr! etc. O Neid! hat er dir denn was leids gethan, daß du ihm also die Zähn' zeigest? Er schlägt dich nicht, wie der Cain seinen Bruder; er sticht dich nicht, wie der Joab den Absalon; er beißt dich nit wie die Bären die elisäischen Knaben; er stoßt dich nit, wie der Engel den Petrum in der Keichen; er wirft dich nit, wie der David den Goliath; er brennt dich nit, wie die samsonischen Füchs' die Felder der Philister; er haut dich nit, wie Petrus den Malchum; er nimmt dich nit beim Haar, wie der Engel den Habakuk; er thut dir kein einiges Leid an. Ja, ja, ja, sagt der Neidige, ich leide unbeschreibliche Pein, wann ich sehe, daß es dem Nächsten wohl gehet; das ist mir Raufen,[134] Stoßen, Hauen, Brennen, Werfen, Schlagen, Beißen, Stechen und Würgen. O du Teufels-Martyrer!
Die Welt hat zum öftern weitberühmte Künstler gehabt, dero kunstreiche Händ' ein manchesmal die Natur schamroth gemacht haben, und ist höchste Verwunderung gewest, daß sich der Menschen Witz so weit erstrecke. Jene Werkmeister haben schier steinerne Mirakel gemacht, welche die stattliche Thüren zu Cremona, Bononien, Venedig, Straßburg und Wien haben aufgeführt. In Aethiopia ist eine überaus schöne Kirch', welche mit allen Säulen und Altären aus einem einzigen Stein ausgeholt und gebaut. Der vornehmst König in Sina hat 79 Palläst', dero einer aus Gold, der andere aus Silber, der dritte aus Marmor, Helfenbein, etc. ja ganze Zimmer aus Edelgestein seynd. Diejenigen Meister haben einen ewigen Namen erworben, welche die Brucken zu Prag in Böhmen, die Brucken zu Dresden in Sachsen, die Brucken zu London in England, und die Brucken zu Regensburg verfertiget. Ein Kunst-Stück ist gewest jene hölzerne Taube, welche trotz einer lebendigen in der Luft geflogen durch innerliches Uhrwerk und von Archita gemacht worden. Ein Kunst-Stück ist jene Uhr zu Prag am Rathhaus, so fast ein eisener Jahrs-Kalender zu nennen, weil nemlich der ganze Himmels-Lauf darin begriffen, und alle Monat, Wochen, Stund' und Augenblick der Planeten Lauf angedeutet wird. Ein Kunst-Stück hat Mirmecides gezeigt, wie er aus Helfenbein einen Wagen sammt Pferd' und Kutscher also klein und künstlich geschnitten, daß man alles unter dem Flügel einer kleinen Fliege hat können verhüllen. Ein[135] Kunst-Stuck ist jene Kirch' in England zu Salisbur, welche so viel Fenster als Täg' im Jahr, so viel Säulen als Stund' im Jahr, so viel Porten als Monat im Jahr hat. Ein Kunst-Stück ist die Kirch' zu Ulm, an welcher hundert und eilf Jahr gearbeitet worden. Ein Wunderwerk der Welt ist der Tempel der Diana, dessen Gebäu zweihundert und zwanzig Jahr gewähret. Ein Kunst-Stück war jene Statua oder Bildniß zu Panormi in Sizilia, welche durch innerliches Uhrwerk die Laute geschlagen und hin und her auf Menschen-Art spaziren gingen. Ein Kunst-Stück war jenes Geschlössel, welches ein deutscher Schlosser dem Pabst Paulus dem IV. überreicht, und dafür auf die sechshundert Gulden bekommen. Ein Kunst-Stuck ist jene große Glocke zu Erfurt, welche Gerard Woie gegossen, an der vier und zwanzig starke Männer zu läuten haben, und wird ihr Klang bei heiterem Himmel auch auf vier deutsche Meil' gehöret. Lauter Kunst-Stück seynd, was da schier über Menschen-Verstand gemalet haben Titianus, Vassisanus, Mutianus, Bonarota, Urbinus, Berninus, Salviatus, Sandratus, Blumbinus, Dominichinus, Donatellus, Bandinellus, Zukka, und Zukkarus etc.; lauter Kunst-Stück seynd, was da aus Holz und Stein gehaut haben Sansoninus, Fanziosinus, Vasoldus, Marianus, Mochus, Poggus, Lorenzetus etc. Und dennoch diese alle obbenannte Meister und Künstler seynd dem bissigen Neid nit entgangen, ja viel deren haben wegen der Neider keinen sichern Fuß aus dem Haus gesetzt, etliche seynd von denen Neidern grausam ermordet, etliche durch die Neider mit tausenderlei Schmachreden an der Ehre[136] verletzt worden; ja es haben sich einige gefunden, die aus Neid gegen diese Künstler sich selbst ermord't, damit sie nicht länger dero Lob möchten anhören und dero Kunst anschauen. O verdammter Neidhard! du wirst ärger gebrennt als Laurentius, wenn man deinen Nächsten lobet; du wirst mehr gesteinigt als Stephanus, wenn man deinen Nächsten ehret; du wirst grausamer gequält als Sebastianus, wenn man deinen Nächsten hervorstreichet; du leidest ein größeres Kreuz als Andreas, wenn man deinen Nächsten preiset. O Teufels-Märtyrer!
Es seynd nit alle Lämmer des Jakob weiß gewest, sondern sehr viel auch gesprengt und geschecket; es seynd nit in allen drei Körben Mund-Semmel gewest, von denen des Pharaonis Pfisterer getraumet, sondern in einem ist auch schwarz Gesindl-Brod gewest; es seynd nit lauter Tauben und Paradeis-Vögel in der Arche Noë gewest, sondern auch Gimpel und Nacht-Eulen; in dem Netz Petri seynd nicht lauter Forellen und Sälbling gewest, sondern auch grobe Stockfisch; Abraham hat seine Verlassenschaft nit gleich ausgetheilt, sondern einem mehrgeben, dem andern weniger: also hat die Natur keine Gleichheit in Austheilung der Gesichter, sondern einem eine schönere Gestalt spendiret als dem andern, und also seynd nicht alle Weibsbilder schön und wohlgestalt', sondern es gibt auch schändliche und ungeformte Gesichter. Dahero wie[137] der König Ahasverus seine Vasthi abgedanket und eine andere Frau Gemahlin zu erkiesen beschlossen, hat er in alle Landschaften ausgeschickt, junge Mädl zu suchen, aber schöne, keine großmaul-asiatische, keine langnas-arcadische, keine gelbfarb-helespontische, keine grauaugs-cappadocische, keine buckelhaft-atlantische, keine grobhaut-muritanische, keine ungeschickt-trapezuntische, keine, sondern lauter schöne, ja die allerschönsten soll man auserlesen, aus denen er nachmals eine beliebige Königinn erwählen könne. Nachdem Ihro Majestät dem König Ahasvero die wohlgestaltesten Töchter seynd vorgeführt worden, hat vor allen seinen Augen wohlgefallen ein überaus schönes Mädl mit Namen Esther, welche er dann unverzüglich zu einer königlichen Frauen Gemahlinn auserwählt. Aber da hätte jemand sollen die Gemüther der andern einsehen, was neidvolle Gedanken sie gegen dieses Juden-Töchterl geschöpft! ach – dachte eine – das Schelmenvieh hat ja das Glück, daß ihr der Henker das Gesicht pegle; die Bestia – sagt etwann eine andere bei ihr selbst – ich wollt, sie hätt' anstatt ihrer schwarzen Augen ein paar gläserne Wammesknöpf' von einem Flecksieder! die dritte gedacht: wär' ich eine Spinnerin, ich wollt' ihr bei der Nacht das Gesicht zurichten, daß sie Morgens früh sollte eine Zitracht haben, wie ein schwedischer Mantl-Kragen; die Höppinn! wünschte eins andere – wäre ich nur ein giftiges Wieserl, ich wollt' sie im Hof-Garten einmal anblasen, daß sie sollt' Rauden und[138] Krätze bekommen, daß man alle Tag eins Land-Metze kunnt' von ihr schaben! als wenn ich – sagt eine andere – nit auch schön wäre! was wollten endlich sein ihre Rösel im Gesicht, das hat nun eine jede Krebsen-Richterinn; das weiße Fell, welches sie hat, hat eine andere auch, und wer weiß, ob's nit noch einmal die Blattern hat und alsdann ein Gesicht bekommt, wie ein gerupftes Sauleder über einen Bauern-Kummet! Diese dergleichen Competenz-Fräule seynd vor Neid gegen die Esther schier gestorben. – Dergleichen Begebenheiten seynd fast noch täglich in dieser verkehrten Welt, und ist eine der andern um ihre schöne Gestalt, so sie von Gottes Händen bekommen, neidig, ja manche will Gott in seinen Geschöpfen einreden und gleichsam besser machen als er, auch die Natur schimpflich corrigiren, damit sie nur auch der andern nichts nachgebe an der Gestalt: sie steht vor'm Spiegel so lang, daß ihr möchten Blattern an den Füssen auffahren, sie kraust und zaust ihre Haar' und zieht's so streng, als wären sie in einem steten Noviziat, da muß eine Haarlocken krumm seyn, die andere noch[139] krümmer, die dritte zum krümmsten, da muß viel Haar seyn, dort wenig Haar, da muß gar schütter seyn, wie das Treid der armen Leute, da muß in die Höhe stehen wie ein Reigerbusch, da muß hinaus stehen wie ein Bachstelzen-Schweif, da muß herunter hangen wie ein Bierzeiger, da muß die Scheitel seyn wie ein lateinisch Ypsilon, da muß rauh seyn, dort glatt, da gemischt, da pläsant, dort negligant, da galant; die Lenden müssen geschnüret seyn, eng seyn, gebunden seyn, zwickt seyn, zwungen seyn, und bald mehr leiden, als die Israeliten in Egypten, und muß der Leib so rahn seyn, wie ein zugespitzter Zucker-Hut; da muß sich das Gesicht waschen lassen, reiben lassen, polliren lassen, färben lassen, zieren lassen, zähren lassen, ziehen lassen, daß es sich schier mit des Balaams Eselinn möcht' beklagen; damit aber das Fell rein, bleibe, nimmt sie bei der Nacht eine Larve über das Gesicht, daß ihr schier der Athem verkürzt wird; da frißt sie Kreiden, Wachs, Terpentin, Salzstein, Fröschbeiner, Schnecken-Pulver, damit nur die Haut nicht braunauerisch wird, damit die Wangen zu Weißenburg[140] bleiben, damit die Lefzen zu Rothenburg logiren; da legt sie so enge Schuh an, daß sie fast keine größere Fußstapfen im Sand läßt, als die Rohr-Entel: es geschieht aber alles, darum, weil sie der Nächsten neidig ist um ihre Gestalt, und nit gern hören wollt', daß eine andere schöner soll seyn als sie. O sauberes Muster! Pachomius hat viel gelitten in der Wüste, Paphnutius hat viel gelitten in der Einöde, Onuphrius hat viel gelitten in der Wildnuß; aber du leidest mehr! dennoch ist die Belohnung ungleich; denn jenen hat Gott um ihr Leiden die Seligkeit ertheilt, dir um dein Leiden wird der Teufel auf ewig die Höll' spendiren.
Theagenes war ein solcher braver und ritterlicher Held, daß seine Victori und Sieg an allen Orten erschallen. Und weil man dazumalen die Verdienste mehr auf die Wagschalen gelegt hat, als der Zeit, und vor diesem einem die Faust faustum, das ist glückselig gemacht; also ist gleichmäßig nit allein zu Lebzeiten seine unüberwindliche Tapferkeit vergolten worden, sondern auch, man wollte nach dem Tod' sein Lob verewigen. Zu solchem Ende ist ihm eine stattliche[141] Saul mit seiner Bildnuß aufgericht' worden, welches aber einem Mißgönner und Neider in die Nasen gerochen, daß er alle Nacht dieselbige Säulen eine halbe Stund' nach Genügen abgeprügelt. Weil aber solches neidige Bubenstück gar zu lang gewährt, und einem jeden seine Arbeit solle belohnt werden, also ist diesem Neidhard begegnet, da er einst mitten im Prügeln und Geißeln begriffen, daß die Statua oder Bildnuß herunter gefallen und dero steinerner Kopf dem andern seinen Esel-Kopf gänzlich zerschmettert. O wie recht! denn der Neidige schadet niemand mehr als ihm selbst; er ist sein eigener Henker und Tyrann; er schleift ihm selbsten den Degen, mit dem sein Herz immer und immer verwundet wird; er ist dem Tieger so gleich als wie die Wölfinn dem Wolf: dann der Tieger durch die liebliche Musik also ergrimmet, daß er sein eigenes Fleisch mit Zähnen zerbeißt, also der Neider nit weniger ihm selbst das Herz zerreißt, wenn er sieht des Nächsten seinen Wohlstand.
Was der verlorne Sohn für ein Landsmann gewest, ist eigentlich nit bekannt, ich glaube aber ein Irrländer; wie er geheißen hat, ist nit bewußt, ich glaube aber Malefacius; von was für einem Ort er sich geschrieben hab', allweil er ein Edelmann, hat man noch nit erfahren, ich glaub' aber wohl von Mädelsberg und Frauhofen; etc. was er im Wappen geführt,[142] hat es niemand beschrieben, ich glaube aber wohl einen Sau-Magen in grünem Feld. Dieser Gesell reiste mit wohlgespicktem Beutel in die Länder und Provinzen, aber aus denselben ist er nit frömmer, sondern schlimmer kommen; und werden noch gar oft manchem adelichen Jüngling die Länder in Elender verwandlet; auch reiset nicht selten ein guter Germanus aus, und kommt ein schlechter Hermanus nach Haus. Was Ehr' und Ruhm ist es denn dem ansehnlichen Fluß Donau, daß er in die Länder reist, durch Schwaben, Bayern, Oesterreich, Ungarn, endlich aber in die Sau fließt? Der fromme Jakob hat auf seiner Reis' eine Leiter gen Himmel gesehen; aber leider Viele aus unserem Adel finden auf ihrer Reis' eine Leiter in die Höll'! Wenn der Zeit niemand gereist ist, so hält man ihn für einen Stubenhocker, der sein Lager hinter dem Ofen aufgeschlagen; aber sagt mir, liebe Halb-Deutsche – denn ganze seyet ihr schon lang nit mehr gewest – ist es nit wahr, ihr schicket eure Söhn' aus, damit sie in fremden Ländern mit großem Unkosten fremde Laster lernen? da sie doch mit wenigerem Unkosten zu Haus' die Tugenden erwerbten. Spitzfindiger kommen sie nit zurück, ausgenommen, daß sie[143] neue Modi von Spitzen mit sich bringen; galanter kommen sie nit zurück, müßt' nur seyn, daß Galant vom Galanisiren herrühret; herrlicher in Kleidern kehren sie zwar oft nach Haus, es wäre aber besser ehrlicher als herrlicher; neue Modi-Hüt', Modi-Parocken, Modi-Krägen, Modi-Röck', Modi-Hosen, Modi-Strümpf', Modi-Schuh', Modi-Bänder, Modi-Knöpf', auch Modi-Gewissen schleichen durch eure Reis' in unser liebes Deutschland, und verändern sich eure Narren-Kittel täglich mit dem Mondschein – es werden bald müssen die Schneider ein hohe Schul' aufrichten, worauf sie Doktormäßig gradiren und nachmals den Titel »Ihr gestreng Hr. Modi-Doktor« erhalten: – wenn ich alle Modi-Röck' von vier und zwanzig Jahren bei einander hätt', ich wollt' darmit fast einen Fürhang vor die Sonnen machen, daß man beim Tag' müßte mit der Latern' gehen, oder wenigst getraute ich mir die ganz Türkei darmit zu verhüllen, daß sich die Konstantinopolitaner möchten einbilden, ihr Mahomet wollt' mit ihnen blind Katzen spielen etc. Eine alte Hex' hat auf Begehren des Königs Saul den Propheten Samuel von den Todten erweckt, damit er durch ihn den Ausgang seiner Waffen wissen möcht'; – es wird bald dahin kommen, daß man auch denselben Schneider und Meister wird wünschen von den Todten zu erwecken, welcher der schönen Esther das Kleid gemacht, als sie den Augen des Ahasveri so wohlgefällig war. Vor Jahren ist in einer vornehmen Stadt eine Kleider-Polizei[144] aufkommen, und durch scharfes Dekret einem jeden über »standmäßig sich zu halten« verboten worden; es hat aber solches eine geringe Zeit gedauert, weßwegen der abgestorbenen Polizei einer diese Grabschrift aufgericht':
Hier liegt begraben
Eine Frau, gefressen von Schaben.
Die papierene Polizei
Der Weiber Pein und Keierei,
Schneider, Kaufleut' und Kramer dazu,
Die wünschen ihr eine ewige Ruh'.
Nimmt also gar zu stark überhand der Kleider Pracht, welche mehrist andere Nationen uns mit höchstem Schimpf spendiren: bringt demnach das Ausschweifen in fremde Provinzen uns Deutschen oft mehr Last als Lust ins Land, etc. Auf gleichem Schlag' hat wenig Guts erlernt der verlorne Sohn in fremden Ländern, sondern sein Studiren war Galanisiren, seine Bücher waren die Becher, sein Lateinischreden war Proficiat, sein Welschreden war Brindisi, sein Böhmischreden war Sasdravi, sein Deutschreden war: gesegne es Gott! etc. mit einem Wort: er war ein sauberer Bruder voller Luder, ein Vagant, ein Bachant, ein Amant, ein Turbant, ein Distillant etc. Nachdem[145] er nun dergestalten das Seine verschwendet in fremden Provinzen, und sammt dem Gewissen auch die Kleider zerrissen, welcher wohl mit Wahrheit hat können sagen dem Vater, was die Brüder Joseph's ohne Wahrheit dem Jakob vorgetragen, als sie ihm den blutigen Rock gezeigt: fera pessima, etc. ein übles Thier hat den Joseph also zugericht, ein übles Thier hat den verlornen Sohn also zugericht, ein übles Thier, der guldene Adler, ein übles Thier, der guldene Greif, ein übles Thier, der guldene Hirsch, ein übles Thier, der guldene Bär etc.; diese Thier' der Wirthshäuser haben das Bürschel also zugericht, daß ihm die Hosen also durchsichtig worden wie ein Fischer-Netz, daß ihm der Magen zusammengeschnurft wie ein alter Stiefelbalg und der Spiegel seines Elends auf dem schmutzigen Wammes-Ermel zu sehen war, etc. Nachdem endlich diesem Früchtl das Sau-Convikt nit mehr geschmeckt, seynd ihm heilsamere Gedanken eingefallen: er solle unverzüglich zu seinem alten Vater kehren und bei dessen Füssen ein glückliches Gehör suchen, welches ihm dann nach allem Wunsch von Statten gangen, und ist dem schlimmen Vocativo sein eigener Vater[146] ganz liebhaft um den Hals gefallen, dem sonst ein Strick am Hals gebühret, ja mit absonderlichen Freuden und Jubeln ist er in die väterliche Behausung eingeführet worden, alle schnelle Anstalt gemacht zur Kuchl und Keller, und mußte gleich das beste und gemäste Kalb geschlacht werden, kocht werden, gerös't werden, braten werden, etc. Auf die Seiten mit den zerrissenen Lumpen! einen sammeten Rock her! einen Hut mit Blumäschi her! einen guldenen Ring her! Spielleute her! allegro! – Unterdessen kommt der andere Bruder nach Haus, hört aber von ferne geigen, pfeifen, leuren, tanzen, hüpfen, jugetzen, jaugetzen etc. Holla! sagt er, was ist das! potz Täubel, was ist das! es wird ja meine Schwester nit Hochzeit haben, hab' ich doch heut' früh noch um keine Braut gewußt! Indem er in diesen Gedanken schwebet, so bringt ihm einer ein Glas Wein zum Fenster heraus. Der Haus-Knecht lauft ihm entgegen mit der Zeitung: sein Bruder sey nach Haus kommen, dem so schlecht in der Fremde gangen, er soll hurtig hinein gehen auf ein kälbernes Brätl! Dieser wurde alsobald hierüber ganz bleich vor lauter Neid, um weilen man seinem Bruder also aufgewartet. Er setzte sich vor der Hausthür nieder, er kifflet die Nägel, er knarret mit den Zähnen, er kratzt im Kopf, er rümpft die Nasen, er seufzet, von Herzen, er fastet und plaget sich also durch den Neid, daß wenig gefehlt, daß er vom Schlag nit getroffen worden. O Narr! Wär' dieser Gispus lieber[147] hinein gangen, hätte den Bruder bewillkommt, und so er ihm endlich auch einen Filz hätt' geben, der ohne das keinen Hut mit sich bracht', hätt' es wenig Schaden verursacht; wär' er mit ihm zu Tisch gesessen, hätte den kälbernen Braten helfen verzehren, auf etliche Gesund-Trünk' fein wacker Bescheid gethan, auch bei der hell-klingenden Schalmeien etc. einen öfteren Hupf herum gesprungen und anderthalb Schuh-Sohlen abgetanzt, so wär' es viel besser gewest, und hätt' Gott nicht also beleidiget; – aber mit seinem Fasten, mit seinem Neid, der ihn mehr gequält, als die feurigen Schlangen das Volk Israel, hat er die Höll' verdient. Sonst ist Trübsal eine Straß' zum Himmel-Saal, sonst ist Leiden ein Weg zu ewigen Freuden, sonst seynd Schmerzen allezeit ein Vortrab des ewigen Scherzen; aber des neidigen Lappen seine Marter ist ein Leihkauf der ewigen Verdammniß.
Christus der Herr nimmt auf eine Zeit drei liebe Apostel mit sich auf den Berg Thabor, und zeigt ihnen allda in seiner Erklärung die Glorie in Compendio, den Himmel in einem Abriß, die Seligkeit in einem Modell; zeigt ihnen, was kein Pinsel könne entwerfen, keine Feder beschreiben, keine Zung' aussprechen und kein Herz, fassen, die Glorie seiner Herrlichkeit und die Herrlichkeit seiner Glorie; zeigt ihnen, was ein Abriß gegen den Berg Olympum, was ein Sandkörnlein[148] gegen den babylonischen Thurm, was ein Tröpfel Morgen-Thau gegen das große Meer, was seynd die Welt-Freuden gegen die himmlischen Freuden, zeigt ihnen: daß Schlimp, Schlamp, Schlodi sey aller Reichthum Crösi, daß Dilli Dalli Häusel bauen sey alle Pracht Pompei, daß Lirum Larum sey alle Wohllust Sardanapali gegen die mindiste Ergötzlichkeit des Himmels; zeigt ihnen, wenn der ganze Erdboden soll seyn ein lauteres Papier und das große tiefe Meer eine lautere Dinte und alle gespitzten Gräslein lauter Federn und alle lebendigen Geschöpf' lauter Schreiber, und würden mit diesen Federn, aus dieser Dinte, auf dieses Papier bis auf den jüngsten Tag schreiben alles, was fröhlich, freundlich, friedlich sie möchten ersinnen; so konnten sie dennoch nicht ein halbes Loth der ewigen Freuden erreichen. Nachdem solchergestalten Christus ihnen seine Herrlichkeit und Glorie in etwas entworfen, hat er nachgehends den Berg herab ihnen den Dreyen ernsthaft verboten, sie sollen dieß, was sie gesehen, keinem einigen entdecken, auch den Aposteln nit, auch den anderen Jüngern nit, sondern alles mit genauester Verschwiegenheit verhüllen, aus Ursachen, dafern sie den anderen hätten offenbaret: daß sie Christi des Herrn Verklärung, Herrlichkeit und Glorie gesehen,[149] hätten gleich die anderen Aposteln einen Neid gefaßt gegen diese Dreien, in Bedenkung, daß sie mehr gelten bei dem göttlichen Meister. Aber, o gebenedeitester Gott! soll denn auch ein Neid gefunden werden unter den Aposteln, unter den Jüngern des Herrn, unter denen, die einen vollkommenen Wandel führen? Was dann? auch noch heutiges Tags ist der Neid in den Klöstern, es ist der Neid oft so heimlich in geistlichen Häusern, daß er mit manchen Mönchen zu Tisch sitzet, mit ihnen oft in die Metten aufstehet, mit ihnen ins Capitelhaus gehet, mit ihnen gleiche Kappen traget etc.! Verwundere dich nit! es ist auch das Manna oder Himmel-Brod wurmstichig worden: es ist der Neid ein Wurm, der Kloster-Wandel ein Manna; es ist auch unter dem Waizen im Evangelio ein Unkraut gewachsen: ein Unkraut ist der Neid, der Waizen seynd die Ordens-Leut'; es ist auch unter denen Soldaten Josua ein Dieb gefunden worden: ein Dieb ist der Neid, Soldaten Christi seynd die Geistlichen; es ist auch in der Arche Noe ein schlimmer Bösewicht der Cham gewest: ein solcher böser Gesell ist der Neid, das Kloster ist eine Arche Noe. Dergleichen Exempel scheinet unnöthig beizubringen, weil solche nur gar zu bekannt: ist demnach kein Stand, wo der Neid nit hat Bestand, ist kein Haus, wo der Neid nit hauset, ist kein Platz, wo der Neid nit darein platzt, ist keine Wohnung, wo der Neid nit wohnhaft, ist keine Gesellschaft, wo der Neid nit seine Herrschaft, ist keine Bank, wo der Neid nit seinen Sitz hat.
Was der Neid, wie der Neid, hat erfahren Habraym unter dem türkischen Kaiser Solyman. Dieser[150] Habraym war aus einem geringen Durf gebürtig, von keinem vornehmen Geblüt, wie die Welt gaggetzt – ob zwar des Bettlers Blut so roth ist als des Edelmanns – es war sein Herkommen von Bauern, sein Einkommen wie bei'n Bauern, sein Auskommen wie unter'n Bauern; aber sein Aufkommen blieb nit bei'n Bauern, und wann schon sein Haus mit Stroh bedeckt war, so befand sich doch kein Stroh in seinem Hirn, sondern sein reifer Verstand und gute Vernunft zogen ihn vom Bauern-Feld ins Kriegs-Feld, zu versuchen, ob ihm der Säbel mehr Glück werde zuschneiden als das Pflug-Eisen. Wie es denn nit lang angestanden, daß er mittelst seiner berühmten Tapferkeit und Kriegsmuth zu hohen Ehren erhoben worden, und wurde er unter den Bassen nicht der geringste geschätzt; ja Kaiser Solyman sahe, daß die Verdiensten seines getreuesten Habraym noch nit nach Gebühr belohnt wären, erkieset demnach ihn zu der höchsten Dignität und Würde nach seiner kaiserlichen Person, und stellt ihn als einen großen Vezier. Habraym aber, ehe und bevor er diesen höchsten Ehren-Gipfel angetreten, da er einst ganz allein bei dem Kaiser war, hat er ihn ganz demüthigist gebeten: Allergnädigster und unüberwindlichster Herr und Gott auf Erden, ich bitt, ich bitt abermalen Euer Majestät, Sie wollen doch meine Person nit mehr erheben, noch ferners befördern, denn sonst wird mir[151] die große Ehr' nichts als Neid und Mißgunst ausbrüten, daß ich nachmals werd' müssen das Leben darüber einbüßen! Darauf schwur ihm der Kaiser hoch und theuer: er wollte ihm gewiß bei lebendigem Leib das Leben nit nehmen. Was geschahe? Hohe Gipfel werden mehrist von den Winden angetast', hohe Thürm' werden gemeiniglich von dem Donner getroffen, hohe Ehren werden gemeiniglich von den Neidern verfolgt, wie das Licht von der Fledermaus. Dahero auch die Neider bei dem Solymanischen Hof nit gefeiert, bis sie ein Feuer angeblasen über den Habraym und denselben bei dem türkischen Kaiser in so großen und schädlichen Verdacht gebracht, daß Solyman gänzlich gesonnen, erst benannten Groß-Vezier zu tödten, konnte aber nit wegen seines abgelegten Eid's. Fragte demnach seinen türkischen Priester, wie doch dießfalls der Sach' zu rathen wäre? Der gab ihm unverweilt diesen Bescheid: Er könnt' es nit in den Kopf bringen oder glauben, daß die Schlafenden unter die Lebendigen zu zählen; derowegen soll der Kaiser den Habraym im Schlaf lassen erstechen; denn auf solche Weis' konnte auch der Eidschwur unverbrochen bleiben, welcher einig und allein dieses Laut's gewest, daß dem Vezier bei lebendigem Leib' nichts übles widerfahren sollte. Darauf dann die Exekution schleunig erfolgte und ein Kämmerling bei nächtlicher Weil' den berühmtesten Habraymum erstechen[152] müssen. Also bleibt darbei, daß der Neid seine Frei-Tafel zu Hof habe, und hat solcher Hof-Hund schon manchen dergestalten gebissen, daß ihm die Wunden noch schwürig seynd. Verwundere aber sich niemand hierüber! dann es bereits der Welt-Lauf, daß derjenige beneidet wird und verfolgt, der wohl dienet, deßwegen liest man das Wörtl Dien zurück Neid.
Was der Neid, wie der Neid, hat erfahren Bellisarius, dieser weltkundige Kriegs-Fürst. Nachdem dieser über drei Theil' der Welt triumphirte, nachdem er in Asia den persischen König Cosroen, in Afrika den Gilimer, in Europa den gothischen Monarchen Theodatum obgesieget, nachdem er bei Rom in einem Tag neun und sechzig tausend der Feind' erleget, nachdem er das römische Reich vermittelst seines unüberwindlichen Heldenmuths in höchsten Glück-und Ehrenstand gesetzt und alles überwunden, ausgenommen die Neider, welchen das große Lob und Glück Bellisarii also mißfallen, daß sie so lang untergraben, wie die Maulwürf', daß sie so lang gegrüblet, wie die Hennen in dem Sand, daß sie so lang alles durchsuchet, wie die Bein in dem Garten, bis sie endlich das Herz des Kaisers umgekehrt, den Bellisarium in Ungnad' gebracht, daß zuletzt dem mächtigisten Welt-Helden die Augen seynd ausgestochen worden, damit er den Neid mit blutigen Zähren möchte beweinen; – der arme Tropf, nachdem er keine Augen mehr hatte, konnte erst recht sehen, was der Hof-Neid für scharfe Zähn' habe; sein Elend wuchs so weit, daß er auch das Bettelbrod von dem Vorbeigehen sammeln mußt', und zählte gar oft seine wenigen Pfenning in seinem hölzernen Schüsserl, dem vorhero[153] ganze Königreiche zu eng waren. Ich glaub' gar wohl, er sey oft auf einem Eckstein der Gassen gesessen, seinen Hut auf seinen Stecken gesetzt, selben oft um und um gedrehet und darbei das wankelmüthige Glück betracht'. Führwahr, fürwahr hat Belisar, der arme Narr so ganz und gar, ja sonnenklar genommen wahr, daß Neid-Gefahr die Tugend plage immerdar, dieß folgende Liedl gesungen:
Gebt doch dem Bellisario –
Ich bitt um Gottes Willen –
Ein Stückel Brod, so ist er froh
Und kann den Hunger stillen:
Der blinde Mann nimmt alles an,
Daran ist gar kein Zweifel;
War vor dem Fall ein General,
Jetzund ein armer Teufel.
Der Neid ist wie ein gewisses Glas, welches die ABE-Schmid das Mücken-Glas nennen; denn so jemand durch dieses Glas eine Mucken anschaut, so gedunkt ihm dieß fast so groß zu seyn, wie ein schwarzer Ketten-Hund. Denn solches Glas alles vergrößert. Wenn man einen Floh durch dieses Glas beschauet, so scheint er schier als wie ein halb-gewachsenes Rhinoceros aus Armenia, etc. Also auch vergrößert der Neid den allergeringsten Mangel des Nächsten, schneidet aus einem jeden unbehutsamen Schritt ein Sacrilegium, schnitzlet[154] aus dem geringsten Wörtl eine Gotteslästerung, kocht aus einem jeden ehrlichen Gespeis' einen Ehebruch; und wanns zum Loben kommt und er zu des Nächsten Ruhm auch etwas soll setzen, so wäre vonnöthen, man thäte dem Phantasten die Zung' lösen; da man aber den Nächsten ausrichtet und durch die Hechel zieht, da schreibt er gleich mit Fraktur-Federn darein, etc.
Was der Neid, wie der Neid, hat erfahren, der hl. Gregorius Bischof zu Agrigent. Wie dieser fromme Mann durch göttliche Anordnung zu dieser hohen Würde gelanget, seynd ihm dessentwegen zwei sehr neidig gewest. allweilen sie selbst um solche gebuhlet, haben auch allerlei teuflische Anschläg' erdicht', wie sie doch möchten den frommen Mann in öffentliche Schand' und Unehren stürzen. Nachdem er einmal bei nächtlicher Weil' dem Gottesdienst emsigist abgewart', haben unterdessen erstgedachte zwei Bösewicht' Sabinus und Tesselinus einen allbekannten Stadt-Fetzen und beschreites Weibsbild durch Geld dahin bered't, daß sie sich in des Bischofs Bett gelegt. Nachdem er dann von der Kirchen nach Haus durch die ganze Geistlichkeit, dem Gebrauch nach, begleit' worden, springt dieser unverschämte Grind-Schippel in Beiseyn Aller aus dem Bett, wodurch das Geschrei alsobald mit 6 Flügeln gleichsam hin und her[155] geflogen, die ungezämten Zungen freimüthig darein platzten: Gregorius sey ein sauberer Bischof, schicket sich zum Bisthum, wie eine krumme Sichel in eine Messerscheid. Ja, ja, sagte mancher, die Geistlichen seynd wie die Glocken, die leuten anderen in die Kirchen und sie bleiben selbst daraus, sie machen uns die Höll' so heiß, den Teufel so schwarz, Gott so streng, und sie ludern mehr als wir Zärtling! jetzt sieht man, was eine Kutten zuweilen für ein Schelmen-Futeral sey! etc. Dergleichen Spott-Wörter führten die Welt-Mäuler, die alle zu verstopfen viel Baumwolle vonnöthen wäre. Es war auch die Geistlichkeit über dieß nit ein wenig geärgert. Absonderlich aber diese zwei Neidhard' schrien diese Geschicht' aus mit solchem Ungestüm, daß sie fast so heiser worden wie ein abgestandener Musikant. Ihr Neid wirkte endlich so viel, daß man Gregorium in den öffentlichen Kerker geworfen, und auf alle Weis' das saubere Paar Erz-Schelmen dahin gedrungen: man sollte Gregorium aller Würden entsetzen. Aber Gott defendirte seine Unschuld, indem zum öftern in Gegenwart Vieler die eisenen Banden wunderbarlich von den Füssen gefallen; die zwei gottlosen Neider aber in dem Angesicht ganz kohlschwarz worden, mit welcher höllischen Larven sie sattsam ihre Unthat an den Tag gegeben. O allerliebster Gott und gerechtister Richter! so du öfter dergleichen Farb' sollest anstreichen denjenigen, welche[156] aus Neid einen verfolgen, und weiß nit was erdichte Schandthaten ihm ankleben, wie viel würden müssen ihr Vaterland in Mauritania suchen und in dem Angesicht den schwarzen Cordabon tragen, weil sie einwendig Corda mala verborgen!
Was der Neid, wie der Neid, hat erfahren jener Kirschner zu Wien, welcher sich gar wohl, ob zwar arbeitsam, bei dem Seinigen befunden; auch weil er Gott forderist vor Augen gehabt, die heil. Messe an keinem Tag ausgelassen, so ihm nicht die Unpäßlichkeit des Leibs eine Verhindernuß gemacht, ist er desto mehr in seiner Hauswirthschaft und Habschaft gesegnet worden, welches dann bei seinen Nächsten den Neid desto mehr anflammete. Als nun gedachter Kirschner um etlich hundert Thaler schöne Zobel-Bälg' waschen wollte, ist der andere aus verdammtem Neid so gewissenlos und wirft unvermerkt einen ungelöschten Kalk ins Wasser. Nachdem dann der gute Kirschner seiner Meinung nach die Zobel genugsam gewaschen und nachmals aufgehenket, so seynd ihnen die Haar' alle ausgefallen, als hätten die Häut' ein hitziges Fieber gehabt, und hat der arme Mann mit weinenden Augen müssen sehen, daß er aus einem Kirschner ein Barbierer worden. – Der Neid ist halt also geartet, daß ihm nit wohl, so lang dem andern wohl, es ist ihm damalen übel, wann es dem Nächsten nit übel gehet. Die heiligen Lehrer seynd mehristentheil der einhelligen Aussag',[157] daß eine unzählbare Menge der bösen Feind' in der Luft zwischen Himmel und Erden schwebe, dennoch aber allerseits ihre Höll' leiden, weil nämlich der Neid, den sie schöpfen, in Ansehung der großen Gnaden, welche Gott den sündigen Menschen auch nach, vielfältigem Fall ertheilt, ihnen anstatt der höllischen Pein ist.
Was der Neid, wie der Neid, erfahren auch die Prediger, und hat's erfahren der heilige Bernardinus Senensis, welcher bei seinen apostolischen Predigten einen solchen Zulauf hatte, daß man vermeint, die ganze Welt hange an der Zungen Bernardini. Aber es hatte dieß bei etlichen solchen Neid angezünd't, daß sie so gar bey dem Pabst Martino V. diesen Bernardinum angeklagt, und neben andern vielfältigen Injurien forderist angeben, wie daß Bernardinus eine neue Manier im Predigen aufbringe und auf der Kanzel allzeit eine gewisse Tafel, worauf der süßeste Name Jesus, dem Volk zeige. Solche Neider waren so emsig in der Verfolgung, daß sogar dieser apostolische Prediger nach Rom citirt worden, daselbst sich zu verantworten. Es ist aber hierdurch des gottseligen Manns Lob nur vergrößert worden bei dem päbstlichen Stuhl, und denen Neidern über Willen die Nasen verlängert worden. – Es ist mit einem Wort, der Neid ein steter Begleits-Mann des Lob's und der Tugenden. Und gleichwie kein Licht ohne Schatten, also auch keine Ehr' und Lob ohne Neid.
Was der Neid, wie der Neid, hat erfahren David[158] von dem Saul, der Adam von dem Luzifer, der Jakob von dem Esau, der Isaak von den Palästinern, der Mardochäus von dem Aman, der Abel von dem Kain, Petrus de Vincis beim Hof Kaisers Friederici II., Cornelius Gallus beim Hof Kaisers Augusti, Clitus beim Hof des großen Alexandri, Plaucianus beim Hof Kaisers Severi; Seianus beim Hof Kaisers Tiberii, Eutropius beim Hof Kaisers Theodosii des Anderen, Narsetes beim Hof Kaisers Phocä, Carbulo beim Hof Kaisers Neronis.
A Dio! so bessert denn euch, ihr Neider und Neidhard, ihr Neidhund, ihr Neidfalken, ihr Neidteufel, ihr Neidbrüder, ihr Neidverwandte des Judä Iscarioth des Erz-Schelms! Bessert euch, wofern ihr nicht wollt mit diesem ewig, ach! ewig von Gottes Angesicht verworfen und an die Ketten der ewigen Verdammnuß angefesselt werden, allwo unendliches Heulen und Zähnklappern das schmerzliche Ewig – Ewig – augenblicklich vergrößert!
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