[93] Nach der Aufführung von »Gabriel Schillings Flucht« von Gerhart Hauptmann, im »Deutschen Volkstheater«, Wien, 19./9. 1917.
Liebevolle Frauen nehmen sich eines »zerfahrenen« jungen wertvollen Künstlers an?!?
Wie bewerkstelligen sie denn das, ehrlich-anständig nämlich?!?
Doch nur dadurch, daß sie ihm gerade das verschaffen, spenden, was er »in seiner Künstlerschaft«, also »in seinem überhaupt möglich erreichbaren Gipfelpunkte seines eigenen Seins« braucht!
Aber, siehe, die Sache ist anders, sie nützen ihn aus, in Liebe, in Eifersucht, in anderen Emotionen, aber, siehe, sie nützen ihn aus!
[93] Keiner Frau nämlich ist der »außergewöhnliche Mann« wichtig, der vor allem seine heiligen Wege zu gehen hat, wenn auch in den Anderen unverständliche Fernen und sogar Abgründe! Jede Frau degradiert den »Künstlermenschen« im Manne zu ihrem leichtfaßlichen brauchbaren bequemen Opfer!
Keine sagt wie Brünhilde: »Zu neuen Taten, teurer Helde,
wie liebt ich Dich, ließ' ich Dich nicht?!?«
Keine will und kann durch Selbstlosigkeit und genialstes Verständnis, an dieser heiligen Entwicklung des Mannes zum »rücksichtslosen Künstlermenschen«, der Allen, Allen spendet, heilige selbstlose ewige Mitwirkerin sein!
Sie haben keinen »religiösen Ehrgeiz«, in die Jahrhunderte hinein! Es genügt ihnen ihr Plan des Jahres, des Tages und der Stunde!
Aber weshalb, Mann, Künstler-Mensch, sich deshalb im Meere ertränken?!?
Beweise ihnen lieber, daß sie Dich nie, nie, nie, auch nur eine Minute lang, lieb gehabt haben konnten! Einen »Künstler« lieb haben, heißt, ihm zu seinen eigenen, schwer zu erklimmenden, in Eis und düsteren Nebeln verhüllten Gipfeln seines eigenen Menschentums liebevollst zärtlichst rücksichtsvollst verhelfen wollen! Ja, es wollen!
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