[130] Von dir getrennt und deinem Kuß,
und all' dem seligen Genuß,
der einst uns so beglückte,
bleibt nichts zurück – der Myrthenkranz,
der unsre Stirne schmückte,
liegt blätterlos und ohne Glanz
zerpflückt zu unsern Füßen. –
O laß uns durch Erinnerung
und durch den zauberischen Schwung
der Phantasie ein Glück genießen,
das allzu früh für uns entwich,
und laß im Traum' uns wonniglich
fest an einander schließen.[130]
Gedenk' der wonnevollen Zeit,
als ich in süßer Trunkenheit
dein weißes Knie entblößte,
als ich mit kühner Jünglingshand
den gold'nen Gürtel löste,
und dann die Burg der Liebe fand.
Gedenke dann an jenes Sträuben,
an deine holde Schüchternheit,
es möchte stets von unserm Streit
die Spur auf jenen Lippen bleiben,
die tausendmal mein Mund berührt,
eh' du, zum Widersteh'n schon schwächer,
den schärfsten Pfeil aus Amors Köcher
in deine Grotte selbst geführt.
Noch jetzt, berauscht von Phantasieen,
fühl' ich die bleiche Wange glühen,
von der das Roth der Jugend wich,
noch jetzt beginnt ein Bach zu rinnen,
der längst schon träg' und langsam schlich.
O Mädchen, Mädchen, denk' ich dich,[131]
so kocht auf's Neu' in meinen Sinnen
der Liebe Glut, von stiller Lust
hebt mächtiger sich meine Brust,
und wünscht auf's Neu' mit dir zu ringen
und auf den purpurnen Altar
dir neue Opfer darzubringen,
der einst der Heerd für meinen Erstling war.
O welch ein Rausch, geliebte Henriette,
o welch ein Taumel nahm uns ein,
als ich zuerst, mich dir zu weih'n,
dich hin zu deinem weichen Bette
mit liebevollen Armen trug,
und meine Hand um deine Lenden schlug,
und gern mich ganz in dich verloren hätte.
Wie rollten uns're Augen nicht,
es schwand vor unsern feuchten Blicken
die ganze Welt, der Sonne Licht,
ach alles, alles schwand – nur nicht
dies wenige, dies göttliche Entzücken,[132]
das noch nach vielen Jahren bleibt,
und jetzt das Blut in meinen Wangen
in schnellern Kreisen heftig treibt,
um wieder Freuden zu verlangen,
die keine Gottheit geben kann,
weil längst der Quell der Lebensfreuden
nach unruhvollem trüben Scheiden
in Träumerei'n der Nacht verrann.
Noch denk' ich immer mir die Scene,
wo ich zuerst die weiche Thräne
der Wollust in den weichen Schooß
des liebesiechen Mädchens goß.
Auch du gedenkst gewiß der Stunden,
wo ich dein Heiligthum entdeckt,
und durch die schönste aller Wunden
mit Purpur dein Gewand befleckt,
wo du der Liebe Glück empfunden,
wo deine weiche Lilienhand
zuerst den Pfeil der Liebe fühlte,
und mit der gold'nen Locke spielte,[133]
bis daß er schnell vor dir verschwand,
und sich in deinem Schooß versteckte,
und zärtlich von dem Rosenrand
den Thau geheimer Liebe leckte.
Vielleicht erscheint noch einst die Zeit,
wo ich dich, Holde, wieder sehe,
und jenen Kampf der Zärtlichkeit
mit neuer Jüngslingskraft bestehe.
Vielleicht, gewiß – gewiß – ich sehe
dein Heiligthum im Traume schon,
und ernte dort den Minnelohn,
nach dem ich jetzt vergebens flehe.
Ung[enannt].[134]
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