Drittes Abenteuer.

[7] Wie Siegfried nach Worms kam.


Den Herrn beschwerte selten / irgendein Herzeleid.

Er hörte Kunde sagen, / wie eine schöne Maid

Bei den Burgunden wäre, / nach Wünschen wohlgetan,

Von der er bald viel Freuden / und auch viel Leides gewann.


Von ihrer hohen Schöne / vernahm man weit und breit,

Und auch ihr Hochgemüte / ward zur selben Zeit

Bei der Jungfrauen / den Helden oft bekannt:

Das ladete der Gäste / viel in König Gunthers Land.


So viel um ihre Minne / man Werbende sah,

Kriemhild in ihrem Sinne / sprach dazu nicht ja,

Daß sie einen wollte / zum geliebten Mann:

Er war ihr noch gar fremde, / dem sie bald war untertan.


Da sann auf hohe Minne / Sieglindens Kind;

All der andern Werben / war wider ihn wie Wind.

Er mochte wohl verdienen / ein Weib so auserwählt:

Bald ward die edle Kriemhild / dem kühnen Siegfried vermählt.


Ihm rieten seine Freunde / und die in seinem Lehn,

Hab er stete Minne / sich zum Ziel ersehn,

So soll' er werben, daß er sich / der Wahl nicht dürfe schämen.

Da sprach der edle Siegfried: / »So will ich Kriemhilden nehmen,


Die edle Königstochter / von Burgundenland,

Um ihre große Schöne. / Das ist mir wohl bekannt,

Kein Kaiser sei so mächtig, / hätt er zu frein im Sinn,

Dem nicht zu minnen ziemte / diese reiche Königin.«[8]


Solche Märe hörte / der König Siegmund.

Es sprachen seine Leute: / also ward ihm kund

Seines Kindes Wille. / Es war ihm höchlich leid,

Daß er werben wolle / um diese herrliche Maid.


Es erfuhr es auch die Königin, / die edle Siegelind:

Die mußte große Sorge / tragen um ihr Kind,

Weil sie wohl Gunthern kannte / und die in seinem Heer;

Die Werbung dem Degen / zu verleiden fliß man sich sehr.


Da sprach der kühne Siegfried: / »Viel lieber Vater mein,

Ohn edler Frauen Minne / wollt ich immer sein,

Wenn ich nicht werben dürfte / nach Herzensliebe frei.«

Was jemand reden mochte, / so blieb er immer dabei.


»Ist dir nicht abzuraten,« / der König sprach da so,

»So bin ich deines Willens / von ganzem Herzen froh

Und will dirs fügen helfen, / so gut ich immer kann;

Doch hat der König Gunther / manchen hochfährtigen Mann.


Und wär es anders niemand / als Hagen der Degen,

Der kann im Übermute / wohl der Hochfahrt pflegen,

So daß ich sehr befürchte, / es mög uns werden leid,

Wenn wir werben wollen / um diese herrliche Maid.«


»Was mag uns gefährden?« / hub da Siegfried an:

»Was ich mir im Guten / da nicht erbitten kann,

Mag ich schon sonst erwerben / mit meiner starken Hand:

Ich will von ihm erzwingen / so die Leute wie das Land.«


»Leid ist mir deine Rede,« / sprach König Siegmund,

»Denn würde diese Märe / dort am Rheine kund,

Du dürftest nimmer reiten / in König Gunthers Land.

Gunther und Gernot, / die sind mir lange bekannt.[9]


Mit Gewalt erwerben / kann niemand die Magd,«

Sprach der König Siegmund, / »das ist mir wohl gesagt;

Willst du jedoch mit Recken / reiten in das Land,

Die Freunde, die wir haben / die werden eilends besandt.«


»So ist mir nicht zumute,« / fiel ihm Siegfried ein,

»Daß mir Recken sollten / folgen an den Rhein

Einer Heerfahrt willen: / das wäre mir wohl leid,

Sollt ich damit erzwingen / diese herrliche Maid.


Ich will sie schon erwerben / allein mit meiner Hand.

Ich will mit zwölf Gesellen / in König Gunthers Land;

Dazu sollt ihr mir helfen, / Vater Siegmund.«

Da gab man seinen Degen / zu Kleidern grau und auch bunt.


Da vernahm auch diese Märe / seine Mutter Siegelind;

Sie begann zu trauern / um ihr liebes Kind:

Sie bangt es zu verlieren / durch die in Gunthers Heer.

Die edle Königstochter / weinte darüber sehr.


Siegfried der Degen / ging hin, wo er sie sah.

Wider seine Mutter / gütlich sprach er da:

»Frau, ihr sollt nicht weinen / um den Willen mein:

Wohl will ich ohne Sorgen / vor allen Weiganden sein.


Nun helft mir zu der Reise / nach Burgundenland,

Daß mich und meine Recken / ziere solch Gewand,

Wie so stolze Degen / mit Ehren mögen tragen:

Dafür will ich immer / den Dank von Herzen euch sagen.«


»Ist dir nicht abzuraten,« / sprach Frau Siegelind,

»So helf ich dir zur Reise, / mein einziges Kind,

Mit den besten Kleidern, / die je ein Ritter trug,

Dir und deinen Degen: / ihr sollt der haben genug.«[10]


Da neigte sich ihr dankend / Siegfried der junge Mann.

Er sprach: »Nicht mehr Gesellen / nehm ich zur Fahrt mir an

Als der Recken zwölfe: / verseht die mit Gewand.

Ich möchte gern erfahren, / wie's um Kriemhild sei bewandt.«


Da saßen schöne Frauen / über Nacht und Tag,

Daß ihrer selten eine / der Muße eher pflag,

Bis sie gefertigt hatten / Siegfriedens Staat.

Er wollte seiner Reise / nun mit nichten haben Rat.


Sein Vater hieß ihm zieren / sein ritterlich Gewand,

Womit er räumen wollte / König Siegmunds Land.

Ihre lichten Panzer, / die wurden auch bereit,

Und ihre festen Helme, / ihre Schilde schön und breit.


Nun sahen sie die Reise / zu den Burgunden nahn.

Um sie begannen zu sorgen / beides, Weib und Mann,

Ob sie je wiederkommen / sollten in das Land.

Sie geboten aufzusäumen / die Waffen und das Gewand.


Schön waren ihre Rosse, / ihr Reitzeug goldesrot;

Wenn wer sich höher deuchte, / so war es ohne Not,

Als der Degen Siegfried / und die ihm untertan.

Nun hielt er um Urlaub / zu den Burgunden an.


Den gaben ihm mit Trauern / König und Königin.

Er tröstete sie beide / mit minniglichem Sinn

Und sprach: »Ihr sollt nicht weinen / um den Willen mein,

Immer ohne Sorgen / mögt ihr um mein Leben sein.«


Es war leid den Recken, / auch weinte manche Maid:

Sie ahnten wohl im Herzen, / daß sie es nach der Zeit

Noch schwer entgelten müßten / durch lieber Freunde Tod.

Sie hatten Grund zu klagen, / es tat ihnen wahrlich not.[11]


Am siebenten Morgen / zu Worms an den Strand

Ritten schon die Kühnen; / all ihr Gewand

War von rotem Golde, / ihr Reitzeug wohlbestellt;

Ihnen gingen sanft die Rosse, / die sich da Siegfried gesellt.


Neu waren ihre Schilde, / licht dazu und breit,

Und schön ihre Helme, / als mit dem Geleit

Siegfried der kühne / ritt in Gunthers Land.

Man ersah an Helden / nie mehr so herrlich Gewand.


Der Schwerter Enden gingen / nieder auf die Sporen;

Scharfe Speere führten / die Ritter auserkoren.

Von zweier Spannen Breite / war, welchen Siegfried trug;

Der hat an seinen Schneiden / grimmer Schärfe genug.


Goldfarbne Zäume / führten sie an der Hand;

Der Brustriem war von Seide; / so kamen sie ins Land.

Da gafften sie die Leute / allenthalben an:

Gunthers Mannen liefen / sie zu empfangen heran.


Die hochbeherzten Recken, / Ritter sowie Knecht,

Liefen den Herrn entgegen, / so war es Fug und Recht,

Und begrüßten diese Gäste / in ihrer Herren Land;

Die Pferde nahm man ihnen / und die Schilde von der Hand.


Da wollten sie die Rosse / ziehn zu ihrer Rast;

Da sprach aber Siegfried / alsbald, der kühne Gast:

»Laßt uns noch die Pferde / stehen kurze Zeit;

Wir reiten bald von hinnen; / dazu bin ich ganz bereit.


Man soll uns auch die Schilde / nicht von dannen tragen;

Wo ich den König finde, / kann mir das jemand sagen,

Gunther den reichen, / aus Burgunderland?«

Da sagt es ihm einer, / dem es wohl war bekannt.[12]


»Wollt ihr den König finden, / das mag gar leicht geschehn:

In jenem weiten Saale / hab ich ihn gesehn

Unter seinen Helden: / da geht zu ihm hinan,

So mögt ihr bei ihm finden / manchen herrlichen Mann.«


Nun waren auch die Mären / dem König schon gesagt

Daß auf dem Hofe wären / Ritter unverzagt;

Sie führten lichte Panzer / und herrlich Gewand;

Sie erkenne niemand / in der Burgunden Land.


Den König nahm es wunder, / woher gekommen sei'n

Die herrlichen Recken / im Kleid von lichtem Schein

Und mit so guten Schilden, / so neu und so breit.

Daß ihm das niemand sagte, / das war König Gunthern leid.


Zur Antwort gab dem König / von Metz Herr Ortewein;

Stark und kühnen Mutes / mocht er wohl sein:

»Da wir sie nicht erkennen, / so heißt jemand gehn

Nach meinem Oheim Hagen: / dem sollt ihr sie lassen sehn.


Ihm sind wohl kund die Reiche / und alles fremde Land:

Erkennt er die Herren, / das macht er uns bekannt.«

Der König ließ ihn holen / und die in seinem Lehn:

Da sah man ihn herrlich / mit Recken hin zu Hofe gehn.


Warum nach ihm der König, / frug Hagen da, geschickt?

»Es werden fremde Degen / in meinem Haus erblickt,

Die niemand mag erkennen: / habt ihr in fernem Land

Sie wohl schon gesehen? / das macht mir, Hagen, bekannt.«


»Das will ich,« sprach Hagen. / Zum Fenster schritt er drauf:

Da ließ er nach den Gästen / den Augen freien Lauf.

Wohl gefiel ihm ihr Geräte / und all ihr Gewand;

Doch waren sie ihm fremde / in der Burgunden Land.[13]


Er sprach, woher die Recken / auch kämen an den Rhein,

Es möchten selber Fürsten / oder Fürstenboten sein.

»Schön sind ihre Rosse / und ihr Gewand ist gut:

Von wannen sie auch ritten, / es sind Helden hochgemut.«


Also sprach da Hagen: / »Soviel ich mag verstehn,

Hab ich gleich im Leben / Siegfrieden nie gesehn,

So will ich doch wohl glauben, / wie es damit auch steht,

Daß er es sei, der Degen, / der so herrlich dorten geht.


Er bringt neue Mären / her in dieses Land:

Die kühnen Nibelungen / schlug des Helden Hand,

Die reichen Königssöhne / Schilbung und Nibelung;

Er wirkte große Wunder / mit des starken Armes Schwung.


Als der Held alleine / ritt aller Hilfe bar,

Fand er an einem Berge, / so hört' ich immerdar,

Bei König Niblungs Horte / manchen kühnen Mann;

Sie waren ihm gar fremde, / bis er hier die Kunde gewann.


Der Hort König Nibelungs / ward hervorgetragen

Aus einem hohlen Berge: / nun hört Wunder sagen,

Wie ihn teilen wollten, / die Niblung untertan.

Das sah der Degen Siegfried, / den es zu wundern begann.


So nah kam er ihnen, / daß er die Helden sah

Und ihn die Degen wieder. / Der eine sagte da:

›Hier kommt der starke Siegfried, / der Held aus Niederland.‹

Seltsame Abenteuer / er bei den Nibelungen fand.


Den Recken wohl empfingen / Schilbung und Nibelung.

Einhellig baten / die edeln Fürsten jung,

Daß ihnen teilen möchte / den Schatz der kühne Mann:

Das begehrten sie, bis endlich / ers zu geloben begann.[14]


Er sah so viel Gesteines, / wie wir hören sagen,

Hundert Leiterwagen, / die möchten es nicht tragen,

Noch mehr des roten Goldes / vom Nibelungenland:

Das alles sollte teilen / des kühnen Siegfriedes Hand.


Sie gaben ihm zum Lohne / König Niblungs Schwert.

Da wurden sie des Dienstes / gar übel gewährt,

Den ihnen leisten sollte / Siegfried der Degen gut:

Er konnt es nicht vollbringen: / sie hatten zornigen Mut.


So mußt er ungeteilet / die Schätze lassen stehn.

Da bestanden ihn die Degen / in der zwei Könge Lehn:

Mit ihres Vaters Schwerte, / das Balmung war genannt,

Stritt ihnen ab der Kühne / den Hort und Nibelungenland.


Da hatten sie zu Freunden / kühne zwölf Mann,

Die starke Riesen waren: / was konnt es sie verfahn?

Die erschlug im Zorne / Siegfriedens Hand,

Und siebenhundert Recken / zwang er vom Nibelungenland


Mit dem guten Schwerte / geheißen Balmung.

Vom Schrecken überwältigt / war mancher Degen jung

Zumal vor dem Schwerte / und vor dem kühnen Mann:

Das Land mit den Burgen / machten sie ihm untertan.


Dazu die reichen Könige, / die schlug er beide tot.

Er kam durch Albrichen / darauf in große Not:

Der wollte seine Herren / rächen allzuhand,

Eh er die große Stärke / noch an Siegfrieden fand.


Mit Streit bestehen konnt ihn / da nicht der starke Zwerg.

Wie die wilden Leuen / liefen sie an den Berg,

Wo er die Tarnkappe / Albrichen abgewann:

Da war des Hortes Meister / Siegfried der schreckliche Mann.[15]


Die sich getraut zu fechten, / die lagen all erschlagen,

Den Schatz ließ er wieder / nach dem Berge tragen,

Dem ihn entnommen hatten, / die Niblung untertan.

Alberich der starke / das Amt des Kämmrers gewann.


Er mußt ihm Eide schwören, / er dien ihm als sein Knecht;

Zu aller Art Diensten / ward er ihm gerecht.«

So sprach von Tronje Hagen: / »Das hat der Held getan;

Also große Kräfte / nie mehr ein Recke gewann.


Noch ein Abenteuer / ist mir von ihm bekannt:

Einen Linddrachen / schlug des Heldes Hand;

Als er im Blut sich badete, / ward hörnern seine Haut.

So versehrt ihn keine Waffe: / das hat man oft an ihm geschaut.


Man soll ihn wohl empfangen, / der beste Rat ist das,

Damit wir nicht verdienen / des schnellen Recken Haß.

Er ist so kühnen Sinnes, / man seh ihn freundlich an:

Er hat mit seinen Kräften / so manche Wunder getan.«


Da sprach der mächtge König: / »Gewiß, du redest wahr:

Nun sieh, wie stolz er dasteht / vor des Streits Gefahr,

Dieser kühne Degen / und die in seinem Lehn!

Wir wollen ihm entgegen / hinab zu dem Recken gehn.«


»Das mögt ihr,« sprach da Hagen, / »mit allen Ehren schon:

Er ist von edelm Stamme, / eines reichen Königs Sohn;

Auch hat er die Gebäre, / mich dünkt, beim Herren Christ,

Es sei nicht kleine Märe, / um die er hergeritten ist.«


Da sprach der Herr des Landes: / »Nun sei er uns willkommen.

Er ist kühn und edel, / das hab ich wohl vernommen;

Des soll er auch genießen / im Burgundenland.«

Da ging der König Gunther / hin, wo er Siegfrieden fand.[16]


Der Wirt und seine Recken / empfingen so den Mann,

Daß wenig an dem Gruße / gebrach, den er gewann;

Des neigte sich vor ihnen / der Degen ausersehn.

In großen Züchten sah man / ihn mit seinen Recken stehn.


»Mich wundert diese Märe,« / sprach der Wirt zuhand,

»Von wannen, edler Siegfried, / ihr kamt in dieses Land,

Oder was ihr wollet suchen / zu Worms an dem Rhein.«

Da sprach der Gast zum König: / »Das soll euch unverhohlen sein.


Ich habe sagen hören / in meines Vaters Land,

An euerm Hofe wären, / das hätt ich gern erkannt,

Die allerkühnsten Recken, / so hab ich oft vernommen,

Die je gewann ein König: / darum bin ich hierher gekommen.


So hör ich auch euch selber / viel Mannheit zugestehn,

Man habe keinen König / noch je so kühn gesehn.

Das rühmen oft die Leute / in all diesem Land;

Nun kann ichs nicht verwinden, / bis ich die Wahrheit befand.


Ich bin auch ein Recke / und soll die Krone tragen:

Ich möcht es gerne fügen, / daß sie von mir sagen,

Daß ich mit Recht besäße / die Leute wie das Land.

Mein Haupt und meine Ehre / setz ich dawider zu Pfand.


Wenn ihr denn so kühn seid, / wie euch die Sage zeiht,

So frag ich nicht, ists jemand / lieb oder leid:

Ich will von euch erzwingen, / was euch angehört,

Das Land und die Burgen / unterwerf ich mit meinem Schwert.«


Der König war verwundert / und all sein Volk umher,

Als sie vernahmen / sein seltsam Begehr,

Daß er ihm zu nehmen / gedächte Leut und Land.

Das hörten seine Degen, / die wurden zornig zuhand.[17]


»Wie sollt ich das verdienen,« / sprach Gunther der Degen,

»Wes mein Vater lange / mit Ehren durfte pflegen,

Daß wir das verlören / durch jemands Überkraft?

Das wäre schlecht bewiesen, / daß wir auch pflegen Ritterschaft!«


»Ich will davon nicht lassen,« / fiel ihm der Kühne drein:

»Von deinen Kräften möge / dein Land befriedet sein,

Ich will es nun verwalten; / doch auch das Erbe mein,

Erwirbst du es durch Stärke, / es soll dir untertänig sein.


Dein Erbe wie das meine, / wir schlagen gleich sie an,

Und wer von uns den andern / überwinden kann,

Dem soll es alles dienen, / die Leute wie das Land.«

Dem widersprach da Hagen / und mit ihm Gernot zuhand.


»So stehn uns nicht die Sinne,« / sprach da Gernot,

»Nach neuen Lands Gewinne, / daß jemand sollte tot

Vor Heldeshänden liegen: / reich ist unser Land,

Das uns mit Recht gehorsamt, / zu niemand besser bewandt.«


In grimmigem Mute / standen da die Freunde sein.

Da war auch darunter / von Metz Herr Ortewein.

Der sprach: »Diese Sühne / ist mir von Herzen leid:

Euch ruft der starke Siegfried / ohn allen Grund in den Streit.


Wenn ihr und eure Brüder / ihm auch nicht steht zur Wehr,

Und ob er bei sich führte / ein ganzes Königsheer,

So wollt ichs doch erstreiten, / daß der starke Held

Also hohen Übermut / wohl mit Recht beiseite stellt.«


Darüber zürnte mächtig / der Held vom Niederland:

»Nicht wider mich vermessen / darf sich deine Hand:

Ich bin ein reicher König, / du bist in Königs Lehn;

Deiner zwölfe dürften / mich nicht im Streite bestehn.«[18]


Nach Schwertern rief da heftig / von Metz Herr Ortewein:

Er durfte Hagens Schwestersohn / von Tronje wahrlich sein.

Daß der so lang geschwiegen, / das war dem König leid.

Da sprach zum Frieden Gernot, / ein Ritter kühn und allbereit.


»Laßt euer Zürnen bleiben,« / hub er zu Ortwein an:

»Uns hat der edle Siegfried / noch solches nicht getan:

Wir scheiden es in Güte / wohl noch, das rat ich sehr,

Und haben ihn zum Freunde; / es geziemt uns wahrlich mehr.«


Da sprach der starke Hagen: / »Uns ist billig leid

Und all euern Degen, / daß er je zum Streit

Kam an den Rhein geritten: / was ließ er das nicht sein?

So übel nie begegnet / wären ihm die Herren mein.«


Da sprach wieder Siegfried, / der kraftvolle Held:

»Wenn euch, was ich gesprochen, / Herr Hagen, mißfällt,

So will ich schauen lassen, / wie noch die Hände mein

Gedenken, so gewaltig / bei den Burgunden zu sein.«


»Das hoff ich noch zu wenden,« / sprach da Gernot.

Allen seinen Degen / zu reden er verbot

In ihrem Übermute, / was ihm wäre leid.

Da gedacht auch Siegfried / an die viel herrliche Maid.


»Wie geziemt uns mit euch streiten?« / sprach wieder Gernot.

»Wieviel dabei der Helden / auch fielen in den Tod,

Wenig Ehre brächt uns / so ungleicher Streit.«

Die Antwort hielt da Siegfried, / König Siegmunds Sohn, bereit:


»Warum zögert Hagen / und auch Ortewein,

Daß er nicht zum Streite / eilt mit den Freunden sein,

Deren er so manchen / bei den Burgunden hat?«

Sie blieben Antwort schuldig, / das war Gernotens Rat.[19]


»Ihr sollt uns willkommen sein,« / sprach Geiselher das Kind,

»Und eure Heergesellen, / die hier bei euch sind:

Wir wollen gern euch dienen, / ich und die Freunde mein.«

Da hieß man den Gästen / schenken König Gunthers Wein.


Da sprach der Wirt des Landes: / »Alles was uns gehört,

Verlangt ihr es in Ehren, / das sei euch unverwehrt;

Wir wollen mit euch teilen / unser Gut und Blut.«

Da ward dem Degen Siegfried / ein wenig sanfter zumut.


Da ließ man ihnen wahren / all ihr Wehrgewand:

Man suchte Herbergen, / die besten, die man fand:

Siegfriedens Knappen / schuf man gut Gemach.

Man sah den Fremdling gerne / in Burgundenland hernach.


Man bot ihm große Ehre / darauf in manchen Tagen,

Mehr zu tausend Malen, / als ich euch könnte sagen;

Das hatte seine Kühnheit / verdient, das glaubt fürwahr.

Ihn sah wohl selten jemand, / der ihm nicht gewogen war.


Flissen sich der Kurzweil / die Könge und ihr Lehn,

So war er stets der Beste, / was man auch ließ geschehn.

Es konnt ihm niemand folgen, / so groß war seine Kraft,

Ob sie den Stein warfen / oder schossen den Schaft.


Nach höfscher Sitte ließen / sich auch vor den Fraun

Der Kurzweile pflegend / die kühnen Ritter schaun;

Da sah man stets den Helden / gern vom Niederland;

Er hatt' auf hohe Minne / seinen Sinn gewandt.


Die schönen Fraun am Hofe / erfragten Märe,

Wer der stolze fremde / Recke wäre.

»Er ist so schön gewachsen, / so reich ist sein Gewand!«

Da sprachen ihrer viele: / »Das ist der Held von Niederland.«[20]


Was man beginnen wollte, / er war dazu bereit;

Er trug in seinem Sinne / eine minnigliche Maid,

Und auch nur ihn die Schöne, / die er noch nie gesehn,

Und die sich doch viel Gutes / von ihm schon heimlich versehn.


Wenn man auf dem Hofe / das Waffenspiel begann,

Ritter so wie Knappen, / immer sah es an

Kriemhild aus den Fenstern, / die Königstochter hehr;

Keiner andern Kurzweil / hinfort bedurfte sie mehr.


Und wüßt er, daß ihn sähe, / die er im Herzen trug,

Davon hätt er Kurzweil / immerdar genug.

Ersähn sie seine Augen, / ich glaube sicherlich,

Keine andre Freude / hier auf Erden wünscht' er sich.


Wenn er bei den Recken / auf dem Hofe stand,

Wie man noch zur Kurzweil / pflegt in allem Land,

Wie stand dann so minniglich / das Sieglindenkind,

Daß manche Frau ihm heimlich / war von Herzen hold gesinnt.


Er gedacht auch manchmal: / »Wie soll das geschehn,

Daß ich das edle Mägdlein / mit Augen möge sehn,

Die ich von Herzen minne, / wie ich schon längst getan?

Die ist mir noch gar fremde; / mit Trauern denk ich daran.«


So oft die reichen Könige / ritten in ihr Land,

So mußten auch die Recken / mit ihnen all zur Hand.

Auch Siegfried ritt mit ihnen: / das war der Frauen leid;

Er litt von ihrer Minne / auch Beschwer zu mancher Zeit.


So wohnt' er bei den Herren, / das ist alles wahr,

In König Gunthers Lande / völliglich ein Jahr,

Daß er die Minnigliche / in all der Zeit nicht sah,

Durch die ihm bald viel Liebes / und auch viel Leides geschah.

Quelle:
Das Nibelungenlied. Stuttgart 1954, S. 7-21.
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