|
[132] Wie Siegfried verraten ward.
Man sah am vierten Morgen / zweiunddreißig Mann
Hin zu Hofe reiten: / da ward es kund getan
Gunther dem reichen, / es droh ihm neuer Streit.
Die Lüge schuf den Frauen / das allergrößeste Leid.
Sie gewannen Urlaub, / an den Hof zu gehn.
Da sagten sie, sie ständen / in Lüdegers Lehn,
Den einst bezwungen hatte / Siegfriedens Hand
Und ihn als Geisel brachte / König Gunthern in das Land.
Die Boten grüßte Gunther / und hieß sie sitzen gehn.
Einer sprach darunter: / »Herr König, laßt uns stehn,
Daß wir die Mären sagen, / die euch entboten sind.
Wohl habt ihr zu Feinden, / das wißt, mancher Mutter Kind.
Euch widersagen Lüdegast / und König Lüdeger:
Denen schuft ihr weiland / grimmige Beschwer:
Nun wollen sie mit Heereskraft / reiten in dies Land.«
Gunther begann zu zürnen, / als wär es ihm unbekannt.
Man ließ die falschen Boten / zu den Herbergen gehn.
Wie mochte da Siegfried / der Tücke sich versehn,
Er oder anders jemand, / die man so listig spann?
Doch war es ihnen selber / zu großem Leide getan.[132]
Der König mit den Freunden / ging raunend ab und zu:
Hagen von Tronje / ließ ihm keine Ruh.
Da wollt es mancher wenden / in des Königs Lehn;
Doch nicht vermocht er Hagen / von seinen Räten abzustehn.
Eines Tages Siegfried / die Degen raunend fand.
Da begann zu fragen / der Held von Niederland:
»Wie traurig geht der König / und die ihm untertan?
Das helf ich immer rächen, / hat ihnen wer ein Leid getan.«
Da sprach König Gunther: / »Wohl hab ich Herzeleid:
Lüdegast und Lüdeger / drohn mir wieder Streit.
Mit Heerfahrten wollen sie / reiten in mein Land.«
Da sprach der kühne Degen: / »Dem soll Siegfriedens Hand
Nach allen euern Ehren / mit Kräften widerstehn;
Von mir geschieht den Degen, / was ihnen einst geschehn.
Ihre Burgen leg ich wüste / und dazu ihr Land,
Eh ich ablasse: / des sei mein Haupt euer Pfand.
Ihr mit euern Mannen / nehmt der Heimat wahr;
Laßt mich zu ihnen reiten / mit meiner Leute Schar.
Daß ich euch gerne diene, / lass ich euch wohl sehn;
Von mir soll euern Feinden, / das wisset, übel geschehn.«
»Nun wohl mir dieser Märe!« / der König sprach da so,
Als wär er seiner Hilfe / allen Ernstes froh.
Tief neigte sich in Falschheit / der ungetreue Mann.
Da sprach der edle Siegfried: / »Laßt euch keine Sorge nahn.«
Sie schickten mit den Knechten / zu der Fahrt sich an:
Siegfrieden und den Seinen / ward es zum Schein getan.
Da hieß er sich rüsten / die von Niederland:
Siegfriedens Recken / suchten ihr Streitgewand.[133]
Da sprach der starke Siegfried: / »Mein Vater Siegmund,
Bleibt ihr hier im Lande: / wir kehren bald gesund,
Will Gott uns Glück verleihen, / wieder an den Rhein.
Ihr sollt bei dem König / unterdessen fröhlich sein.«
Da wollten sie von dannen: / die Fähnlein band man an.
Umher standen viele, / die Gunthern untertan,
Und hatten nicht erfahren, / wie es damit bewandt.
Groß Heergesinde war es, / das da bei Siegfrieden stand.
Die Panzer und die Helme / man auf die Rosse lud;
Aus dem Lande wollten / viel starke Recken gut.
Da ging von Tronje Hagen / hin, wo er Kriemhild fand;
Er bat sie um Urlaub: / sie wollten räumen das Land.
»Nun wohl mir,« sprach Kriemhild, / »daß ich den Mann gewann,
Der meine lieben Freunde / so wohl beschützen kann,
Wie hier mein Herr Siegfried / an meinen Brüdern tut:
Darum trag ich,« sprach die Königin, / »immer fröhlichen Mut.
Lieber Freund Hagen, / nun hoff ich, ihr gedenkt,
Daß ich euch gerne diene; / ich hab euch nie gekränkt.
Das komme mir zugute / an meinem lieben Mann:
Laßt es ihn nicht entgelten, / was ich Brunhilden getan.
Des hat mich schon gereuet,« / sprach das edle Weib;
»Auch hat er so zerbleuet / zur Strafe mir den Leib,
Daß ich je beschwerte / mit Reden ihr den Mut,
Er hat es wohl gerochen, / dieser Degen kühn und gut.«
Da sprach er: »Ihr versöhnt euch / wohl nach wenig Tagen.
Kriemhild, liebe Herrin, / nun sollt ihr mir sagen,
Wie ich euch dienen möge / an Siegfried euerm Herrn.
Ich gönn es niemand besser / und tu es, Königin, gern.«[134]
»Ich wär ohn alle Sorge,« / sprach da das edle Weib,
»Daß man ihm im Kampfe / Leben nähm und Leib,
Wenn er nicht folgen wollte / seinem Übermut;
So wär immer sicher / dieser Degen kühn und gut.«
»Fürchtet ihr, Herrin,« / Hagen da begann,
»Daß er verwundet werde, / so vertraut mir an,
Wie soll ichs beginnen, / dem zu widerstehn?
Ihn zu schirmen will ich immer / bei ihm reiten und gehn.«
Sie sprach: »Du bist mir Sippe, / so will ich dir es sein:
Ich befehle dir auf Treue / den holden Gatten mein,
Daß du mir behütest / den geliebten Mann,«
Was besser wär verschwiegen, / vertraute da sie ihm an.
Sie sprach: »Mein Mann ist tapfer, / dazu auch stark genug.
Als er den Linddrachen / an dem Berge schlug,
Da badet' in dem Blute / der Degen allbereit,
Daher ihn keine Waffe / je versehren mocht im Streit.
Jedoch bin ich in Sorgen, / wann er im Kampfe steht,
Und aus der Helden Händen / mancher Speerwurf geht,
Daß ich da verliere / meinen lieben Mann.
Hei! was ich Sorgen / oft um Siegfried gewann!
Mein lieber Freund, ich meld es / nun auf Gnade dir,
Daß du deine Treue / bewähren mögst an mir.
Wo man mag verwunden / meinen lieben Mann,
Das sollst du nun vernehmen: / es ist auf Gnade getan.
Als von des Drachen Wunden / floß das heiße Blut,
Und sich darinne badete / der kühne Recke gut,
Da fiel ihm auf die Achseln / ein Lindenblatt so breit:
Da kann man ihn verwunden; / das schafft mir Sorgen und Leid.«[135]
Da sprach von Tronje Hagen: / »So näht auf sein Gewand
Mir ein kleines Zeichen / mit eigener Hand.
Wo ich ihn schirmen müsse, / mag ich daran verstehn.«
Sie wähnt' ihn so zu fristen; / auf seinen Tod wars abgesehn.
Sie sprach: »Mit feiner Seide / näh ich auf sein Gewand
Insgeheim ein Kreuzchen: / da soll, Held, deine Hand
Mir den Mann behüten, / wenns ins Gedränge geht,
Und er vor seinen Feinden / in den starken Stürmen steht.«
»Das tu ich,« sprach da Hagen, / »viel liebe Herrin mein.«
Wohl wähnte da die Gute, / sein Frommen sollt es sein:
Da war hiermit verraten / der Kriemhilde Mann.
Urlaub nahm da Hagen, / dann ging er fröhlich hindann.
Was er erfahren hätte, / bat ihn sein Herr zu sagen.
»Mögt ihr die Reise wenden, / so laßt uns reiten jagen.
Ich weiß nun wohl die Kunde, / wie ich ihn töten soll.
Wollt ihr die Jagd bestellen?« / »Das tu ich,« sprach der König, »wohl.«
Der Dienstmann des Königs / war froh und wohlgemut.
Gewiß daß solche Bosheit / kein Recke wieder tut
Bis zum jüngsten Tage, / als da von ihm geschah,
Da sich seiner Treue / die schöne Königin versah.
Früh des andern Morgens / mit wohl tausend Mann
Ritt Siegfried der Degen / mit frohem Mut hindann:
Er wähnt', er solle rächen / seiner Freunde Leid.
So nah ritt ihm Hagen, / daß er beschaute sein Kleid.
Als er ersah das Zeichen, / da schickt er ungesehn,
Andre Mär zu bringen, / zwei aus seinem Lehn:
In Frieden sollte bleiben / König Gunthers Land;
Es habe sie Herr Lüdeger / zu dem König gesandt.[136]
Wie ungerne Siegfried / abließ vom Streit,
Eh er gerochen hatte / seiner Freunde Leid!
Kaum hielten ihn zurücke / die Gunthern untertan.
Da ritt er zu dem König, / der ihm zu danken begann:
»Nun lohn euch Gott, Freund Siegfried, / den willigen Sinn,
Daß ihr so gerne tatet, / was mir vonnöten schien:
Das will ich euch vergelten, / wie ich billig soll.
Vor allen meinen Freunden / vertrau ich euch immer wohl.
Da wir uns der Heerfahrt / so entledigt sehn,
So laß uns nun Bären / und Schweine jagen gehn
Nach dem Odenwalde, / wie ich oft getan.«
Geraten hatte Hagen das, / dieser ungetreue Mann.
»Allen meinen Gästen / soll man das nun sagen,
Ich denke früh zu reiten: / die mit mir wollen jagen,
Die laßt sich fertig halten, / die aber hier bestehn,
Kurzweilen mit den Frauen; / so sei mir Liebes geschehn.«
Mit herrlichen Sitten / sprach da Siegfried:
»Wenn ihr jagen reitet, / da will ich gerne mit.
So sollt ihr mir leihen / einen Jägersmann
Mit etlichen Bracken: / so reit ich mit euch in den Tann.«
»Wollt ihr nur einen?« / frug Gunther zuhand.
»Ich leih euch, wollt ihr, viere, / denen wohl bekannt
Der Wald ist und die Steige, / wo viel Wildes ist,
Daß ihr des Wegs unkundig / nicht ledig wieder heimwärts müßt.«
Da ritt zu seinem Weibe / der Degen unverzagt.
Derweil hatte Hagen / dem König gesagt,
Wie er verderben wolle / den herrlichen Degen.
So großer Untreue / sollt ein Mann nimmer pflegen.[137]
Als die Ungetreuen / beschlossen seinen Tod,
Da wußten sie es alle. / Geiselher und Gernot
Wollten nicht mit jagen. / Weiß nicht aus welchem Groll
Sie ihn nicht verwarnten; / doch des entgalten sie voll.
Buchempfehlung
Der Teufel kommt auf die Erde weil die Hölle geputzt wird, er kauft junge Frauen, stiftet junge Männer zum Mord an und fällt auf eine mit Kondomen als Köder gefüllte Falle rein. Grabbes von ihm selbst als Gegenstück zu seinem nihilistischen Herzog von Gothland empfundenes Lustspiel widersetzt sich jeder konventionellen Schemeneinteilung. Es ist rüpelhafte Groteske, drastische Satire und komischer Scherz gleichermaßen.
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro