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[100] Wache, Groa, erwache, gutes Weib,
Ich wecke dich am Todtenthor.
Gedenkt dir des nicht? Zu deinem Grab
Hast du den Sohn beschieden.
»Was bekümmert nun mein einziges Kind?
Welch Unheil ängstet dich,
Daß du die Mutter anrufst, die in der Erde ruht,
Menschliche Wohnungen längst verließ?«
Zu übelm Spiel beschiedst du mich, Arge:
Die mein Vater umfing
Lud an den Ort mich, den kein Lebender kennt,
Eine Frau hier zu finden.
»Lang ist die Wanderung, die Wege sind lang,
Lang ist der Menschen Verlangen.
Wenn es sich fügt, daß sich erfüllt dein Wunsch,
So lacht dir günstiges Glück.«
Heb ein Lied an, das heilsam ist,
Kräftige, Mutter, dein Kind.
Unterwegs fürcht ich den Untergang,
Allzujung eracht ich mich.
»So heb ich zuerst an ein heilkräftig Lied,
Das Rinda sang der Ran:
Hinter die Schultern wirf was du beschwerlich wähnst,
Dir selbst vertraue selber.[100]
Zum Andern sing ich dir, da du irren sollst
Auf weiten Wegen wonnelos:
Der Urd Riegel sollen dich allseits wahren,
Wo du Schändliches siehst.
Zum Dritten sing ich dieß, wenn wo verderblich
Flutende Flüße brausen,
Der reißende, rauschende rinne dem Abgrund zu,
Vor dir versand er und schwinde.
Dieß sing ich zum Vierten, so Feinde dir dräuend
Am Galgenweg begegnen,
Ihnen mangle der Muth, die Macht sei bei dir
Bis sie zum Frieden sich fügen.
Dieß sing ich zum Fünften, so Feßeln sich dir
Um die Gelenke legen,
Lösende Glut gießt dir mein Lied um die Glieder,
Der Haft springt von der Hand,
Von den Füßen die Feßel.
Dieß sing ich zum Sechsten, stürmt die See
Wilder als Menschen wißen,
Sturm und Flut faß in den Schlauch,
Daß sie frohe Fahrt gewähren.
Dieß sing ich zum Siebenten, wenn dich schaurig umweht
Der Frost auf Felsenhöhen,
Kein Glied verletze dir der grimme Hauch,
Noch soll er die Sehnen dir straff ziehn.
Dieß sing ich zum Achten, überfällt dich
Die Nacht auf neblichem Wege,
Nichts desto minder mag dir nicht schaden
Ein getauftes todtes Weib.
Zum Neunten sing ich dir, wird dir Noth mit dem Joten,
Dem schwertgeschmückten, zu reden,
Wortes und Witzes sei im bewusten Herzen
Fülle dir und Ueberfluß.[101]
Nun fahre getrost der Gefahr entgegen,
Dich mag kein Hinderniss hemmen.
Ich stand auf dem Stein an der Schwelle des Grabs
Und ließ mein Lied dir erklingen.
Nimm mit dir, Sohn, der Mutter Worte
Und behalte sie im Herzen:
Heils genug hast du immer
Dieweil mein Wort dir gedenkt.«
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