[152] Granmar hieß ein mächtiger König, der zu Swarinshügel saß. Er hatte viel Söhne: Einer hieß Hödbroddr, der andere Gudmund, der dritte Starkadr. Hödbroddr war in einer Königsversammlung und ließ sich Sigrun, Högnis Tochter, verloben. Als sie das hörte, ritt sie fort mit Walküren durch Luft und Meer und suchte Helgi. Helgi war da auf Logafiöll und hatte mit Hundings Söhnen gekämpft: da fällte er Alf und Eyolf, Hiörward und Herward, und war nun ganz kampfmüde und saß unterm Aarstein. Da fand ihn Sigrun und fiel ihm um den Hals und küsste ihn und sagte ihm ihr Gesuch, wie es im alten Wölsungenliede gemeldet ist.[152]
Sigrun suchte den freudigen Sieger;
Helgis Hand zog sie ans Herz,
Grüßte und küsste den König unterm Helme.
Da ward der Fürst der Jungfrau gewogen,
Die längst schon hold war von ganzem Herzen
Dem Sohne Sigmunds eh er sie gesehn.
»Dem Hödbroddr ward ich vor dem Heere verlobt;
Doch einen Andern zur Ehe wollt ich.
Nun fürcht ich, Fürst, der Freunde Zorn:
Den Lieblingswunsch vereitelt ich dem Vater.«
Nicht wider ihr Herz sprach Högnis Tochter:
Helgis Huld, sprach sie, müße sie haben.
Helgi.
Hege nicht Furcht vor Högnis Zorn
Noch dem Unwillen deiner Verwandten.
Du sollst, junge Maid, mit Mir nun leben:
Du bist edler Abkunft, das ist mir gewiss.
Helgi sammelte da ein großes Schiffsheer und fuhr gen Frekastein. Aber auf dem Meere traf sie ein männerverderbliches Unwetter. Blitze fuhren über sie hin und Wetterstralen schlugen in die Schiffe. Da sahen sie in der Luft neun Walküren reiten und erkannten Sigrun. Alsbald legte sich der Sturm und glücklich kamen sie ans Land. Granmars Söhne saßen auf einem Berge, da die Schiffe zu Lande segelten. Gudmund sprang aufs Pferd und ritt auf Kundschaft von dem Berge nach dem Meere. Da zogen die Wölsungen die Segel nieder. Aber Gudmund sprach wie zuvor geschrieben ist im Helgiliede:
Wie heißt der Herzog, der dem Heere gebeut,
Dieß furchtbare Volk zu Land uns führt?
Dieß sprach Gudmund, Granmars Sohn:
Wie heißt der Fürst, der die Flotte steuert,
Die goldne Kriegsfahne am Steven entfaltet?
Nicht deutet auf Frieden das Vorderschiff.
Waffenröthe umstralt die Wikinge.
[153] Sinfiötli.
Hier mag Hödbroddr den Helgi schauen,
Den fluchtträgen Fürsten, in der Flotte Mitten.
Er hat das Besitztum deines Geschlechts,
Das Erbe der Fische, sich unterworfen.
Gudmund.
Drum fechten wir länger nicht bei Frekastein
Den Streit zu schlichten mit sanften Worten:
Zeit ists, Hödbroddr! Rache zu heischen,
Ob länger ein leides Looß uns fällt.
Sinfiötli.
Eher magst du, Gudmund, Geißen hüten
Und durch Spalten schlüpfen auf schroffen Bergen,
Als Hirt die Hasel- gert in der Hand:
Schwertentscheidung geziemt dir schlecht
Helgi.
Es stünde beßer dir, Sinfiötli, an,
Kampf zu fechten und Aare zu freuen,
Als euch mit unnützen Worten zu eifern,
Hehlen auch Helden den Haß nicht gern.
Auch Mich nicht gut dünken Granmars Söhne;
Doch ists Recken rühmlicher, reden sie Wahrheit.
Sie habens gezeigt bei Moinsheim,
Daß ihnen Muth nicht gebricht, die Schwerter zu brauchen:
Helden sind sie hurtig und schnell.
Gudmund ritt heim, die Kriegsbotschaft zu bringen. Da sammelten Granmars Söhne ein Heer, zu dem viel Könige stießen, darunter Högni, Sigruns Vater, und seine Söhne Bragi und Dag. Da geschah eine große Schlacht und fielen alle Söhne Granmars und alle ihre Häuptlinge; nur Dag, Högnis Sohn, erhielt Frieden und leistete den Wölsungen Eide. Sigrun ging auf die Walstätte und fand Hödbroddr dem Tode nah. Sie sprach:[154]
Nicht wirst du Sigrun vom Sewafiöll,
König Hödbroddr, im Arme hegen.
Vorbei ist das Leben: das Beil naht,
Granmars Sohn, deinem grauen Haupt.
Hierauf fand sie den Helgi und freute sich sehr. Helgi sprach:
Nicht Alles, Gute, erging dir nach Wunsch;
Doch tragen die Nornen ein Theil der Schuld.
In der Frühe fielen bei Frekastein
Bragi und Högni: ich bin ihr Tödter!
Bei Styrkleif sank König Starkadr,
Und bei Hlebiörg Hrollaugs Söhne.
So grimmig gemuthen wie Gylfi sah ich nie:
Der Rumpf hieb noch um sich, da das Haupt gefallen war.
Zur Erde sanken allermeist
Deine lieben Freunde in Leichen verkehrt.
Du gewannst nicht beim Siege: es war dein Schicksal,
Durch Blut zu erlangen den Liebeswunsch.
Da weinte Sigrun; er aber sprach:
Weine nicht, Sigrun, du warst uns Hilde,
Nicht besiegen Fürsten ihr Schicksal.
Sie sprach:
Beleben möcht ich jetzt die Leichen sind;
Aber zugleich im Arm dir ruhn.
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