|
[240] Da ging Gudrun ans Meer, nachdem sie Atli getödtet hatte. Sie ging in die See, sich umzubringen, mochte aber nicht versinken. Da ward sie von den Fluten über den Sund getragen an das Land König Jonakurs. Der nahm sie zur Ehe. Ihre Söhne waren Sörli, Erp und Hamdir. Dort wurde Swanhild, Sigurds Tochter, erzogen und Jörmunrek dem reichen zur Ehe gegeben. Bei dem war Bicki: der gab den Rath, daß Randwer, des Königs Sohn, sie zur Ehe nähme. Das verrieth Bicki dem Könige. Da ließ der König Randwern henken und Swanhilden von Pferden zertreten. Als Gudrun dieß hörte, sprach sie den Söhnen zu.
Nie hört ich Worte so herzzerschneidend,
Aus tödlicher Trauer emporgetragen,
Als da die grimme Gudrun die Söhne
Zur Rache reizte mit der Rede Schärfe:
»Was sitzt ihr säumig, verschlaft das Leben?
Wie freut euch fürder noch frohes Gespräch,
Da Jörmunrek die blühend junge
Von Pferden zerstampfen ließ, eure Schwester,
Auf offenem Wege von weißen und schwarzen,
Grauen, gangzahmen gotischen Rossen.
Sehr ungleich seht ihr Gunnars Geschlechte,
Nicht hohes Herzens wie Högni war.
Ihr würdet ihr, wähn ich, nicht weigern die Rache,
Hättet ihr Muth wie meine Brüder
Und hunnischer Herscher herben Sinn.«
Da hub Hamdir an aus hohem Muth:
»Läßiger warst du wohl Högni zu loben,
Als er Sigurden vom Schlaf erweckte.[240]
Deine Bettdecken waren, das blauweiße Stickwerk,
Roth von des Gatten Blut, ganz von dem Schwall bedeckt.
Zu rasch warst du mit der Rache der Brüder,
Die Söhne zu schlachten mit grausamem Sinn.
Wir könnten die junge nun an Jörmunrek
Atlis Söhnen gesellt, die Schwester, rächen.
Doch hole das Heergeräth der Hunnenkönige,
Weil zum Waffenspiel du uns erwecktest.«
Wie gerne ging da Gudrun zum Rüstsaal,
Kor aus den Kisten königlichen Helmschmuck
Und breite Brünnen, brachte sie den Söhnen.
Die Muthigen luden den Mähren sich auf.
Da hub Hamdir an aus hohem Muth:
»Dir kehren nicht mehr die Mutter zu schauen
Die Fechter, gefällt im Volk der Goten,
Bis uns du Allen das Erbmal rüstest,
Swanhilden gesamt und deinen Söhnen.«
Ging da Gudrun, Giukis Tochter,
Bei Seite sitzen mit Leid beschwert.
Sie zählte der Freunde Unfälle sich auf
Hin und her, die Harmbeschwerte:
»Drei Häuser hatt ich, drei Herdgluten,
Drei Gatten ward ich ins Haus begleitet.
Sigurd allein war mir werther als alle;
Meine Brüder haben ihn umgebracht.
So bittern Leides ward mir nicht Buße.
Noch mehr gedachten sie mich zu betrüben,
Als mich die Edlinge dem Atli gaben.
Die kühnen Knaben kos't ich herbei:
Ich sollte nicht Sühne der Schmerzen gewinnen
Bis ich vom Halse hieb der Niflungen Haupt.
Den Nornen gram ging ich an den Strand,
Der Falschen Verfolgung wollt ich entfliehn.
Mich hoben, nicht schlangen die hohen Wellen:
Zu längerm Leben stieg ich ans Land.[241]
Im neuen Ehebett hofft ich Verbeßerung,
Zum dritten Mal vermählt einem König.
Kinder gewann ich zu Wächtern des Erbes,
Zu Schützern des Erbes die Söhne Jonakurs.
Mägde saßen um Swanhilden;
Der Erzeugten liebt ich zärtlicher keinen.
So schien Swanhild in meinen Sälen
Wie ein Sonnenstral die Sinne labte.
Ich gab ihr Gold und gutes Gewebe
Eh sie gegiftet ward ins Gotenreich.
Da hab ich den härmsten Harm empfunden,
Als die leuchtenden Locken Swanhildens
In den Staub stießen stampfende Rosse.
Das war mir das Schwerste, als den Sigurd sie,
Den siegberaubten, mir erschlugen im Bett,
Und das am Grimmsten, da Gunnarn dort
Das Leben fraßen die falschen Schlangen;
Aber am schärfsten schnitt mir ins Herz,
Da sie lebend zertheilten den tadellosen.
Viel Leides gedenkt mir, viel langen Kummers.
Säume nicht, Sigurd! dein schimmernd Ross,
Das laufgeschwinde, lenk es hieher.
Nun sitzt hier weder Schnur noch Tochter,
Der Gudrun gäbe goldene Zierden.
Gedenke, Sigurd, was wir sprachen,
Da wir beide im Bette saßen:
Daß du kommen wollest, Kühner, zu mir
Aus der Halle der Hel, mich heimzuholen.
Schlichtet nun, Jarle, die Eichenscheite,
Daß sie hoch sich heben unter dem Himmel,
Die leidvolle Brust mir das Feuer verbrenne,
Vor Hitze der Harm im Herzen schmelze.
Allen Männern werde sanfter zu Muth,
Allen Schönen lindr es die Schmerzen,
Wenn sie mein Harmlied zu Ende hören.«
Buchempfehlung
In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.
56 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro