|
[115] 1. Gar lustig ist spacieren gehn,
lieblich bei sonnenschein,
Weis mir ein megdlein hübsch und fein,
mit der ich wils Gott heint,
Von hertzen frölich sein,
in eim würtzgertelein,
spacieren, umbfüren,
den lieben langen tag,
denn ich zu solchem megdlein,
grosses verlangen trag.
2. Von end wenn ich so bald ich kom,
und klopffe so leis daran,
Meiner frewt sich das megdlein schon,
mir wird bald auffgethan,
Mit nicht sie mich verschmecht,
sonder mich freundlich umfecht,
gantz freundlich, holdselig
beut sie mir jr hendlein warm,
alsdenn zu zeugnis grüs ich sie,
nem sie freundlich in arm.
3. Mir ist auff dieser erd nicht bas,
denn wenn wir beydesam,
Spacieren gan im grünen gras,
in Gottes herrn nam,
Ja wol in seinem schutz,
geschicht uns alles guts,
verborgen, ohn sorgen,
eines dem andern gund,
einen freundlich hertzlichen kuß,
auff jren roten mund.
4. Wer kan genugsam sprechen aus,
die freud die ich gros acht,
Wohnet in meines hertzen haus,
kein mensch an mir vermag,[116]
Wie ich bey mir befind,
die lieb als uberwindt,
ist gütig, demütig,
von hertzen sanfft und still,
lieb ist ein solch hohe gab,
die Gott selbs haben wil.
5. Nun hin hertzliebster bule mein,
von mir gebunden war,
Von rößlein rot ein krentzelein,
trag es auff deinen har,
Als sie mir dz verehrt,
ward freud und liebe gemehrt,
im hertzen, in ehren,
sie von mir geliebet war,
auff das ich immer und ewiglich,
jr nit vergesse gar.
6. Lieblich ist dieses megdlein schon,
meim hertzen hoch verwandt,
Gott geb mir die hertzliebste mein,
wol in mein rechte hand,
Auff das jr zarter leib,
werd mein ehliches weib,
die werde, auff erde,
gedult im creutz darneben,
auff das ich bey jr sanfftiglich
mög wagen leib und leben.
7. Alle lustige seytenspiel,
mit jhrem süssen klang,
Machen der freud und kurtzweil viel,
meim hertzen dem wird bang,
Aber nach solcher zeit,
die mir mein liebste geit,
von hertzen, mit schmertzen,
ein kus ohn alles mein begern,[117]
freundlich gemes und anders nicht,
denn nur allein in ehrn.
8. Nun hab ich mein spacieren gahn,
in grosser freud vollend,
Was mein Gott wil, das gescheh allzeit,
derselb mein hertz erkendt,
Derselbig es erhalt,
auff das den grünen wald,
das singen und springen,
der klein waldvögelein,
das liedlein sol dem megdlein,
zu lob gesungen sein.
Buchempfehlung
Die Fortsetzung der Spottschrift »L'Honnête Femme Oder die Ehrliche Frau zu Plissline« widmet sich in neuen Episoden dem kleinbürgerlichen Leben der Wirtin vom »Göldenen Maulaffen«.
46 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro