CXLII.

Von einem Sewsack und Stockfisch.

[181] 1. Nun wölt jhr hören newe mär,

es ist ein sewsack kommen her,

mit einem stockfisch zancket er,

wil die fisch all vertreiben,

kein dürren lassen bleiben.


2. Der stockfisch sprach ich führ den preis,

mit mir so komet der plateis,

d' hering ist ein gute speis,

durchaus im gantzen lande,

ist dir sewsack ein schande.


3. Der sewsack sprach ich bin ein fürst,

mit mir so komen leberwürst,

kein mensch auff uns so hart nit dürst,

als auff dein rot gesaltzen,

und seid auch nichts geschmaltzen.


4. Der stockfisch sprach thut dir das andt,

lachß, karpffen bringen dich in schend,

du bist nicht uberal bekandt,

bey ritter und bey graffen,

bey uns gehst du wol schlaffen.


5. Der sewsack sprach, so merck mich recht,

die hirnwürst sein auch nicht schlecht,

von den bratwürsten wirst verschmecht,

wir sein von edlem stammen,

von Schweinhardus mit namen.


6. Der stockfisch sprach nun merck auch frey,

den salm, hecht, fohren und die schley,

koppen, gründel mir wohnen bey,

den mustu sewsack weychen,

du kanst uns nicht gleichen.[182]


7. Der sewsack sprach ich bin so fein,

mit mir bring ich vil feister schwein,

pachen und hammen gros und klein,

darzu die schweinenbraten,

der kan man nicht gerathen.


8. Der stockfisch sprach, man kent euch wol,

das jr offt seid der pfinnen vol,

darumb man dich vertreiben sol,

mit sampt deinen gesellen,

wie wölt jr euch nu stellen?


9. Der sewsack sprach du leugst uns an,

man hat uns lieb ein jederman,

ewer man wol entraten kan,

kein nutz thut jr erhalten,

im haus jungen und alten.


10. Der stockfisch sprach aus freyem mut,

mancher kauffman gewint gelt und gut;

der mich in die land führen thut,

darin ist er verkauffen,

der fisch ein grosser hauffen.


11. Der sewsack sprach, das hastu schand,

so man dich umbführt in dem land,

werdt jr rot faul euch kaufft niemand,

fürbas so müst jr wandern,

von einer stadt zu der andern.


12. Der stockfisch sprach, ich mus darvon,

kein fisch der mir wil beystandt thun,

wenn wir werden gemachet schon,

mit meer und deines gleichen,

des wöllen wir jtzund weichen.


13. Das hat der sewsack wol bedacht,

das er den hader hat gemacht,

die würst werden jetzt hoch geacht,

sunst werden sie erlegen,

des sewsacks wöllen wir pflegen.[183]


14. Da der sewsack gewan das recht,

mit jhm frewt sich all sein geschlecht,

das die fisch musten sein jhr knecht,

am marck beim schön brunnen,

hand sie das recht gewunnen.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 181-184.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristoteles

Nikomachische Ethik

Nikomachische Ethik

Glückseligkeit, Tugend und Gerechtigkeit sind die Gegenstände seines ethischen Hauptwerkes, das Aristoteles kurz vor seinem Tode abschließt.

228 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon