CCLVII.

[374] 1. Wenn mein stündlein vorhanden ist,

und sol hinfahren mein strassen,

so geleit du mich herr Jesu Christ,

du wöllst mich nit verlassen.

Mein seel an meinem letzten end

befehl ich dir in deine hend,

du wirst sie wol bewaren.


2. Mein sünd mich werden krencken sehr,

mein gewissen wird mich nagen,

denn jr seind viel wie sand am meer,

noch wil ich nicht verzagen,

Gedencken wil ich an deinen todt,

herr Christe deine wunden rot,

die werden mich erhalten.


3. Ich bin ein glied an deinem leib,

des tröst ich mich von hertzen,

von dir ich ungescheiden bleib,

in todtes not und schmertzen,

Wenn ich gleich sterb, so sterb ich dir,

ein ewiges leben hastu mir

mit deinem todt erworben.


4. Weil du vom todt erstanden bist,

werd ich im grab nicht bleiben,

mein höchster trost dein auffahrt ist,

den todt kanst du vertreiben,

Denn wo du bist, da kom ich hin,

das ich stets bey dir leb und bin,

drumb fahr ich hin mit freuden.[374]


5. Da nun Elias seinen lauff,

und gros wunder hett vollendet,

da geleit jhn Gott in himmel nauff,

ein wagen er jhm sendet,

Roß und wagen war wie ein fewr,

darauff fuhr der prophet so thewr,

im wetter hinauff gen himmel.


6. Mit leib und seel er dahin fuhr,

mit fewersflammen umbgeben,

uns zum beyspiel, trost und figur,

das wir nach diesem leben,

Zu Gott auffahren all zugleich:

mit leib und seel ins himmelreich,

wenn Christ der herr wird kommen.


7. Elias auff dem berge war,

die jünger Christi jn sahen,

der viel jar hett gelebt zuvor,

drumb sol kein christ verzagen,

Ein ewiges leben ist gewis,

da jetzt Elias lebt und ist,

dahin sollen wir auch kommen.


8. Elias vor dem jüngsten tag

sol wider kommen auff erden,

das er der bösen welt absag,

das der herr kommen werde,

Aber der thewre Gottes man

hat sich schon hören und sehen lan,

drumb ist das end nicht ferne.


9. Ist nun die stund meins todts nicht weit,

so thu dich zu mir kehren,

gib mir deins geistes freudigkeit,

den glauben in uns mehre,

Behüt mich herr vor sünd und spott,

errette mich von dem ewigen todt,

ich befehl mich in deine hende.


10. Wer ist der uns dis liedlein sang,

ist alt und wol betaget,[375]

dismal kompt er nicht von der stadt,

das podagra jn plaget,

Offt seuffzet er, bat Gott im sinn,

her hol den krancken Herman hin,

da jetzt Elias wohnet.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 374-376.
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