[18] Pyramus. Thisbe.
PYRAMUS.
Ach Godt, hie bin ich noch allein,
Solt wol die Jungfraw Kommen sein
Dieweil ich noch daraussen war.
Das Kan ich Ja nicht gleuben zwar.
Sie hett Ja wol geharret mein.
Doch sih, ietz Kompt sie erst herein
Vnd wirt mich Suchn in ihrer Cammr.
Nun wirt sich legen all mein Jammr.
Hört Jungfraw, seit ihr Kommen an?
Alhie wil ich mich finden lahn.
Zu diesem Ritz nur immer geht,
Da ihr den weissen Stecken seht.
THISBE.
Ja Gsell, ich wil wol Kommen an
Vnd euch ewr wort auss sagen lahn.[18]
Vnd wen ich das den hab gehort,
Wil ich von stund an alsofort,
Mich in mein Stub hinunter machn
Vnd alda warten meiner sachn.
PYRAMUS.
Ach hört doch erstlich mein verlangn,
Davon ich hatte angefangn:
Ich hab mir offt gewuntscht die zeit,
Dass wir zusammen muchten beidt
Einander freundlich reden An.
Weil wir die nun erlebet han,
So bleibt bei mir doch nur ein stundt,
Damit ich euch mein hertz mach Kund.
Furwar ewr sittn mir wol gefalln,
Fur andern Jungen Megdlin alln.
Drumb wollt ihr euch mir auch ergebn
Vnd wie Mein frawe mit mir lehn.
THISBE.
Ich hett mich werlich nicht versehn,
Dass ein gesell so solte stehn
Allein nach vnehrn vnd vnzucht.
Hetts auch in euch gar nicht gesucht,
Dass ihr mir soltet muten An,
Ich solt mich so gebrauchen lahn
Vnd mit euch leben in Vnehrn.
Dasselbig sey von mir gantz fern.
Ich dacht, ihr weret so gesinnt,
Dass ihr ein Ehrlich frommes Kindt
Dafür werdt nimmermehr an sehn,
Dass es an Solcher stat solt stehn:
Abr ietz erfar ich mit der That,
Dass es ein Ander meinung hat
Vmb euch ihr leidig Jung geselln.
Ihr Könnt euch wol gar Erbar stelln,
Wen ihr geht irgendt auff der gassn,
Den Schalck wollt ihr nicht mercken lassn.
Abr wen man euch allein Anspricht,
Alsden ewr Schalck herausser bricht.
PYRAMUS.
Wie so Jungfraw? wie solt das sein?[19]
THISBE.
Ihr redt mir an die Ehre mein,
Die ihr mir listig wollet nemn.
Dess ich mich ewig muste schemn.
PYRAMUS.
Ach nein Jungfraw, ein solch bescheidt
Solss Ja nicht haben mit vnss beidt.
Zun Ehren thu ich euch begern.
Ich bitt, ihr wollt euch nicht beschwern.
THISBE.
Wen dass ewr Ernst nur wer allein,
Wolt ich euch nicht zu wieder sein,
Ob ihr gleich seit von grossm geschlecht.
Doch bitt ich, hört mein meinung recht.
Ich mus hie nicht mein Eigen sein.
Die Ehr geburt den Eltern mein,
Von welchn ich hab mein Jungfrawschafft.
Mein Eltern beid mit sein teilhafft,
Dess dritten teils ich nur hab macht:
Wen ihrs nun habt so fern gebracht,
Dass die mich euch hin wollen gebn,
Kan ich den beidn nicht wieder strebn,
Ich muss mein willen geben drein.
PYRAMUS.
Ach Jungfraw, lasset das so sein,
So wil ich hin zu ihnen sendn
Vnd alles beste lahn fur wendn.
Vnd sie gar freundlich lassen bittn
Von wegen ewrer guten sittn,
Dass sie euch mir doch wollen gebn,
Damit bei euch ich möge lebn.
So fern euch das nun wol gefellt,
Sol ess von Stundt an werdn bestellt.
THISBE.
Ihr Konnt zu ihn wol schicken lahn
Vnd ihn den handel Stollen An.
Abr freundlich ich euch bitten will,
Dass's muge heimlich sein vnd still,
Dass niemand da was mercke von,
Dass wir zusam geredet han.[20]
PYRAMUS.
Da lasset ihr mich nur vorsorgn,
Ich wil ess halten gar verborgn.
Ich wil die Sach auch so verwarn,
Mein vater Sols auch nicht erfarn.
THISBE.
Weil ich ietzund den an euch merck,
Ess sey ewr Ernst in diesem werck:
So Kan ichs lenger nicht verschweign,
Ich muss euch frei heraus an zeign:
Mein hertz gegn euch ist auch entbrandt,
Wie ihr mir habt von euch bekant.
Drumb ichs furwar thet gerne sehn,
Dass diese Sach mucht fur sich gehn.
PYRAMUS.
Mein hertz, ihr hettt mir das mucht sagn
Wol eh vnd mich so lang nicht plagn.
Weil ich hör solche Zeitung gut,
So Kreig ich erst ein rechten mut
Vnd wil mit freud hindurch nun dringn.
Ich hoff, es soll mir auch gelingn.
Drumb geh ich alsobalt davon.
Ihr wollts euch nicht verdriessen lahn,
Ein wenig hie zu Harren mein,
Ich wil balt wieder bei euch sein.
THISBE.
Ess muchte sich zu lang verweiln,
Drumb muss ich ietz hinunter eiln.
Mein Mutter sitzt allein zu hauss,
Die mucht vielleicht nach mir sehn auss.
PYRAMUS.
So bitt ich doch euch, Jungfraw fein,
Ihr wollt nicht lange aussen sein.
Wen ich hab zu ewrm vatr gesandt,
Wil ich hie wieder Komn zu handt
Vnd wil euch wieder sagen an,
Wass vns die leut erworben han.
THISBE.
Da thut mich hefftig nach verlangn.[21]
Ich wolt ihr wehrt schon hingegangn.
Daheim wil ich mich lassen sehn
Vnd flachs hieher den wieder gehn.
So ihr der Erste werdet sein,
Könnt ihr ein wenig harren mein.
PYRAMUS.
Ja Jungfraw, dass ist mir wol ebn.
So Sichs abr also wurd begebn,
Dass ich mich wurd aufhalten lahn
Vnd sein der letzt der Keme an:
Wirts euch auch nicht beschwerlich sein,
Ein wenig hie zu harren mein.
Doch wass mach ich viel vmmeschweiff,
Eh ich die Sach beim ende greiff.
Ich mücht wol alsobalt gehn hin
Vnd suchen zween nach meinem sin,
Darauff ich durfft ein wenig bawn
Vnd ihn ein Solche Sach vertrawn.
Buchempfehlung
Nachdem im Reich die Aufklärung eingeführt wurde ist die Poesie verboten und die Feen sind des Landes verwiesen. Darum versteckt sich die Fee Rosabelverde in einem Damenstift. Als sie dem häßlichen, mißgestalteten Bauernkind Zaches über das Haar streicht verleiht sie ihm damit die Eigenschaft, stets für einen hübschen und klugen Menschen gehalten zu werden, dem die Taten, die seine Zeitgenossen in seiner Gegenwart vollbringen, als seine eigenen angerechnet werden.
88 Seiten, 4.20 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro