Concedo voluntatem!

Dies Fahrzeug ist eines von Cupidos Postschiffen – mehr Segel aufgespannt! Immer weiter! Auf zur Schlacht – Kanonen vor die Löcher! Gebt Feuer!

Pistol in Shakespeares

»Lustigen Weibern von Windsor«


I

Schwester Monika erzählt den versammelten Freundinnen, besonders aber der Schwester Annunciate Veronica, ehemalige Gräfin von R., das Leben ihrer Mutter und ihres Vaters.


Meine Familie, liebe Schwestern, ist wenigen von euch bekannt, mein Vater aber desto mehr seinen Kameraden, die mit ihm und Laudon den Siebenjährigen Krieg mitmachten und dem großen Friedrich mehr als eine Schlappe anhängten.

Auf einem adeligen Witwensitz, unweit Troppau, in einer der anmutigsten Gegenden der Oppa, verlebte meine Mutter die ersten Jahre ihres Frühlings; und sie verlebte ihn in jenen heißen Gefühlen des Seins, das[7] mit dem cour palpite! nicht immer anfängt, gewöhnlich aber mit dem haussez les mains! endet.

Ihre Mutter hatte in der Welt gelebt und sie genossen, sie hatte ihr Temperament in ihr zurückgelassen und ihre Liebe mitgenommen in die Einsamkeit und für die Bildung ihrer Louise.

Diese Louise ist meine Mutter. Sie war vorurteilslos erzogen – und vorurteilslos lebte und wirkte sie.

Mit den einladendsten Reizen des Körpers verband sie eine Grazie ohnegleichen, ein savoir faire ohne Rückhalt und ohne Heuchelei.

Herr Kaplan Wohlgemuth, genannt Bruder Gerhard, dem die Mutter sehr wohlwollte, übernahm als Hauslehrer die Bildung der jungfräulichen Blume. Er war ein junger schöner Mann von dreißig Jahren, und seine reizende Elevin hatte nachts in ihrem einsamen Bette alle mögliche Mühe von der Welt, mit ihren Fingern ein Feuer zu stillen, das seine reizende Suada in ihrem noch unreifen Busen angezündet hatte.

Ihre Mutter war gewöhnlich in den Lehrstunden gegenwärtig, und ihr heiterer Geist belebte dann jedesmal die trockene, asketische und scientivische Unterhaltung des Kaplans.

Meine Mutter war aber beständig zerstreut, und unter zehn Blicken, die auf ihre Bücher fallen sollten, schweiften neun auf den schönen Händen und Lenden des Bruders Gerhard aus.

»Sie geben nicht acht, Louise«, sagte ihr einmal ernstlich der Kaplan. Louise errötete und schlug die Augen nieder. »Was ist das für ein Betragen, Louise?« fragte halb zürnend die kluge Mutter, aber Louise blieb zerstreut und antwortete verkehrt auf alles, was sie gefragt wurde.

»Wie heißt der Heilige, der einmal den Fischen predigte?« fragte jetzt Vater Gerhard. Louise wußte das[8] nicht mehr. »Und wie heißt der Ritter, welcher vor Cromwell die Gewalt der Luftpumpe experimentierte?« setzte fragend Louises Mutter hinzu. Louise hatte das auch vergessen. »Wart, ich will dir einen Denkzettel schreiben«, fuhr die Mutter fort, stand auf und langte nach einer großen Rute. Louise fing an zu weinen, aber es half nichts, die Mutter zog sie über den Tisch, hob ihr Röckchen und Hemdchen auf und zerhieb ihr vor den leuchtenden Augen des Bruders Gerhard den zarten Hintern dermaßen, daß die ganze Mnemonik der Alten auf ihm sichtbar wurde.

Pater Gerhard bat für die Arme und schloß diesmal seine Lehrstunde mit der Bemerkung: »daß den alten Leuten immer etwas von der Strafe zugute kommen müsse, die den jungen zuteil werde.«

Er war bei diesen Worten aufgestanden und hatte Louises Mutter, entzündet von dem Anblick des jugendlichen Hintern, unter die Röcke gegriffen.

»Pfui, Gerhard!« versetzte die Mutter und befahl Louise, in den Garten zu gehen. »Ich hoffe doch nicht, daß Sie mich für so unartig halten wie unsere Louise war?«

»Nein, das nicht«, versetzte Gerhard, während Louise die Tür in die Hand nahm und sich, hinter ihr durch das Schlüsselloch schauend, die Tränen von den Wangen abwischte, »aber Sie wissen doch, gnädige Frau – wie die Alten summen, so zwitschern die Jungen, und daß folglich ...«

Und ohne die Antwort der lüstigen und konsequenten Frau abzuwarten, die schon in einem Gelächter die Meinung ihres Herzens offenbarte, hatte er sie auf das Sofa hingeworfen, ihre Röcke und Hemd mit Gewalt aufgehoben und ihr mit der besten Lebensart bewiesen, daß es immer von einer gewissen Schlechtigkeit zeuge, andern das lehren zu wollen, von dem man[9] selbst am allerwenigsten Gebrauch zu machen gesonnen sei.

»Das meinen Sie«, fragte Louises Mutter, indem sie zuckend sich unter dem fürchterlichen Tremulanten des Bruders Gerhard hin und her bewegte.

»Ja, das meine ich«, versetzte dieser und gab ihr solche kräftige Stöße, daß das Sofa bebte, wie im letzten Erdbeben die Häuser zu Messina.

»Ihre Toch-ter hat zu le-ben«, stieß der Kaplan heraus. »Lassen Sie sie ihren Hang zum Wohltun, Menschen-glück um sich her zu verbreiten, ein – Genüge – leisten.«

»Ach! Ach! Kap-lan! Hören Sie – auf«, intonierte Louisens Mutter. »Ich – ersticke!«

Louise sah die ganze Szene durch das Schlüsselloch, schöner als Hebe aufgedeckt, kühlte sie mit ihren Fingern die Wut feuriger Empfindungen, die jetzt ihren ganzen Körper durchströmten, als sie das mächtige Glied des frommen Bruders erblickte. Sie zerfloß in eben dem Moment, als Gerhard seinen aufgebrachten Amor versöhnt aus dem Schöße ihrer Mutter hervorzog und jetzt mit lüsternen Augen die schönen Zeiten Griechenlands und Roms bewunderte. – Doch:


Perspiceritas argumentatione elevatur!

Cic.

Klare Sachen werden durch Anführung der Beweise verdächtigt!


Demonstrierte Pater Gerhard, wenn er mir, der schönen Latinität wegen, Ciceros Pflichten erklärte, und ich habe einige dieser Argumente, da sie immer gesunden Menschenverstand verraten, so lieb gewonnen, daß ich manchmal über ihren Eindrücken Hora und Vesper vergaß, zumal da man bei ihnen weder früh aufzustehen noch spät schlafen zu gehen braucht.

Pater Gerhard küßte mit Inbrunst den Bauch, die[10] Schenkel, die Gefilde der Lust und die entblößten Brüste der Mutter – Louise stand wie angewachsen hinter der Tür und schaute über den herabgelassenen Hosen des Bruders Gerhard nach dem Stabat mater seines Immatrikular-Instruments, und dieser wollte eben den Actus conscientiae wiederholen, als ein Geräusch auf der Treppe Louise von der Tür wegjagte und sie den Qualen und Wollüsten ihrer eigenen Empfindungen überließ.

Sie lief in den Garten und suchte Adolph, den Gärtnerjungen. Dieser sollte ein Feuer löschen, das die Natur und der Zufall zur Unzeit in ihr angezündet hatte. Adolph war aber nicht zu finden, und als sie ein paar Gänge des ziemlich großen Gartens durchstrichen hatte, erblickte sie die Mutter am Arme des Kaplans, mußte an ihrer Seite anständig dahergehen und durfte nicht einmal ihren Augen erlauben, den ersehnten Adolph hinter irgendeiner Hecke zu erblicken.

Seit dieser Zeit war es meiner Mutter gleichsam ins Herz geschrieben, alles aufzusuchen, was ihre Leidenschaften befriedigen konnte. Der kleine Adolph wurde geneckt, und die gute Christine mußte ihr oft sagen, was denn der Kasper letzthin bei ihr auf der Kammer angefangen habe. Und wenn Christine eine Lüge ersann, so sagte ihr Louise die Wahrheit, die sie nicht leugnen konnte, nämlich der Kasper habe sie aufs Bett geworfen, habe ihr Röcke und Hemd in die Höhe gehoben, habe seine Beinkleider herabgezogen und habe zwischen ihre Schenkel ein langes starres Ding eingeschoben, das sie nicht mit Namen zu nennen wisse.

Louise hatte also alles gesehen, und Christine wußte sich nicht anders zu helfen, als daß sie ihr einigemal Maccaroni gab und sie bat, der Mutter bei Leib und Leben ja nichts davon zu sagen. Und Louise sagte auch nichts, nährte ihre Phantasie mit wollüstigen Bildern,[11] lebte mit dem ganzen Haus in der besten Eintracht, wurde von jedermann geliebt und befriedigte sich alle Nächte in ihrem Bette so genügend, daß es ihr nur bei wirklichen Ereignissen einfiel, sich auf gebotenen Wegen zu ergötzen.

Indessen gelang es Adolph doch, sich den Vorgenuß ihrer Jungfrauenschaft zu verschaffen.

Eines Tages stand Louise nach Tische im Pavillon des Gartens und sah in dem Teiche die Forellen spielen; Adolph schlich leise hinzu, hob Louise, die, über die Gartenbank hinausgelehnt, keine Acht hatte auf das, was hinter ihr geschah, Röcke und Hemdchen bis auf den Gürtel in die Höhe und hatte seine Hand zwischen ihren geöffneten Schenkeln, ehe sie noch die Blöße fühlte, die über ihren Strumpfbändern ein loser Zephir ankündigte.

»Adolph, ich bitte dich, laß mich los«, bat das beschämte Mädchen, aber Adolph war unerbittlich. Er zog ihr die zarten kleinen Lenden voneinander und befriedigte seine Lust so vollständig wie ihm möglich war.

Dieser genaue Umgang mit Adolph würde von Folgen gewesen sein, wenn nicht Louises Mutter, bei näherer Einsicht in die Natur ihrer Tochter, für nötig gefunden hätte, sie zu den Ursuliner-Nonnen nach Z. in die Kost zu tun.

Und dort verblieb sie bis in ihr 14. Jahr, wo der plötzliche Tod ihrer Mutter sie zur Erbin eines ansehnlichen Vermögens, zweier Dörfer und eines Witwensitzes machte und ihr die Aufwartung aller Heiratslustigen und verliebten Müßiggänger in einem Umkreis von zehn Meilen zuzog.

Von ihrem Leben im Kloster habe ich nie viel erfahren können; es verfloß, sagte sie mir, zwischen Einförmigkeit und Phantasie: »Die erste, als Lichtgestalt[12] und Nachtschatten des ganzen weiblichen Zirkels, und die zweite lebte in mir selbst und wurde genährt durch das Lesen asketischer und religiöser Erbauungsbücher.«

Von natürlichen Gegenständen ereignete sich selten etwas, ausgenommen, daß sie einmal eine junge Novizin mit aufgehobenen Röcken und Hemd vor dem Sprachgitter unter der Zucht eines jungen Karmeliten gefunden habe, der ihr den nämlichen Liebesdienst zum Siegel der Verschwiegenheit aufgedrückt hätte.

Louise ging, nachdem ihre Erbschafts-Angelegenheiten erledigt waren, nach Troppau. Der Winter war vor der Tür, und ein verliebtes Temperament haßt die Kälte der Natur wie jene der Herzen.

Dort sah sie den Oberst von Halden und sah ihn nicht ungestraft. Es ist sonst gewöhnlich der Fall, daß das männliche Geschlecht zuerst seinen Leidenschaften die Zügel schießen läßt und das Treiben seines Blutes, als einen Herzensakt, den Sinnen zur Ausgleichung überläßt. Unglücklicherweise war aber mein Vater ein Weiberhasser. Wenn man ihn hierüber aufzog oder gar zur Rede stellte, pflegte er zu sagen:

»Ich diene meiner Kaiserin und dem Vaterlande, das ist mein Schwert und meine Scheide, und wo es heißt: Stecke dein Schwert in die Scheide, da muß Friede sein, sonst tue ich es nicht. Gibt es aber unter euch Weibern eine, die mir Frieden mit mir selbst zu verschaffen weiß, ohne einen Weg zum Herzen oder zum Kabinett einzuschlagen, so will ich ihr zeigen, wie man für einen ewigen Frieden unterhandelt.«

»Das heißt, ohne das Schwert aus der Scheide zu ziehen«, meinte sein Freund, der Leutnant Söller, und mein Vater gab ihm lächelnd und stillschweigend Beifall.

Louise erfuhr diese natürliche Art und Weise, am Frieden zu arbeiten, durch eine dritte Hand, errötete,[13] lachte, ärgerte sich und fing an, ihre Batterien dem stürmenden Mute des Obersten so entgegenzusetzen, daß er sehen mußte, der Feind wünschte angegriffen zu werden.

Mein Vater haßte durchaus alle Empfindsamkeit, von der platonischen an bis zur müllerischen. »Denn«, sagte er, »sie taugt durchaus nichts; es sind faule Ausdünstungen, die sich im dicken, angefüllten Magen des Gemüts zusammenziehen und bei ihrem Ausbruche die ganze Atmosphäre menschlicher Heiterkeit verpesten.«

Meine Mutter kannte dies Räsonnement des Obersten, das sich leider im gewöhnlichen Leben oft bestätigte, und sie baute auf dasselbe ihren Plan mit feiner List.

Nirgends zeigte sie eine größere Heiterkeit, anspruchsloseren und doch anziehenderen Witz als in Gesellschaft des Obersten; und es kann keine fröhliche Laune erdacht werden, die nicht unter ihrer Behandlung fessellos geworden wäre.

Ihr wißt, Schwestern, wo Personen unseres Geschlechts vertraut, offen und ohne Etikette und Konsequenz miteinander umgehen können, da fallen alle Schleier des überklugen Anstandes und der bedächtigen Observanz; und weibliche Seelen kennen dann keinen Rückhalt mehr unter sich, wenn sie einmal Zutrauen zu gegenseitiger Diskretion und innigen Freundschaftsbezeugungen gefaßt haben.

Louise von Willau, so hieß meine Mutter, ehe der Oberst diesen Namen gegen den seinigen einlöste, Louise v. Willau, hieß es in der ganzen Stadt Troppau, unter dem Pöbel und Adel der haute parage – ist ein herrliches Mädchen voll Witz, voll Verstand, voll gesunder Säfte, und ihr voller Busen und ihr biskuitzarter Steiß mehr wert als die ganze Geschichte von Troppau,[14] die Akten ad acta auf dem stillen Rathause mit eingeschlossen.

Die Freundinnen Louises gingen in ihren Vergleichungen schon weiter.

Friederika von Bühlau, Lenchen von Glanzow, Franziska von Tellheim, Juliane von Lindorack und Emilie von Rosenau – diese fünf hatten einmal bei einer gemeinschaftlichen Badereise nach Eger die Reize Louises so von allen Seiten betrachtet, daß ihr bis jetzt keine unter ihnen den Preis streitig machen wollte. Doch ich schweife zu weit aus, wollte ich alles erzählen, was die gute Mutter mir zur Lehre, Nachahmung und Warnung mitteilte, ich würde von einem Skapulierfest bis zum anderen zu erzählen haben!

Aber die Szene, in welcher eigentlich meine Mutter den Oberst von Halden fing, die muß ich euch ausmalen.

Es war ein kleiner freundschaftlicher Damenzirkel bei ihr, und es hätte wie bei den Mysterien der Bona Dea keine Mannsperson Zugang haben sollen, da indessen jede unter den sechs Vereinigten einen Clodius hatte, den sie gern einzuspinnen wünschte in ihre vielbegehrende Weiblichkeit, so hatte man sich gleichsam stillschweigend das Wort gegeben, so viel Hosen einzulassen als Unterröcke ihre sechspfündigen – eigentlich sagten sie: sechs vernünftigen – Reize verhüllten.

Eine ganze Stunde hatten sie sich schon solo mit dem edlen L'Hombre beschäftigt, als Louise eine Karte fiel; Franziska, das ganze Spiel hindurch von einem ihr gerade gegenüberhängenden Gemälde, Apollo und Clytia im höchsten Genuß vorstellend, entzündet, gab wenig acht auf ihre Karte; jetzt aber, da Louise eine Karte unter den Tisch fiel, wollte sie den Zufall benützen und der Unterhaltung eine ihr anständige Wendung geben. Sie bückte sich also rasch, hob die[15] Karte auf und versteckte sie unter Louises Kleidung, und da diese eben mit geöffneten Lenden das Spiel leitete, so kam das witzige Dissipations-Diplom auf eine Stelle zu liegen, die wir alle kennen, und an dessen offenen Türen ich neun Monate auf das Licht der Welt warten mußte.

Louise schrie laut auf, und Franziska lachte.

»Du Sau!« schmollte Louise, deckte sich bis an den Nabel auf – und alle sahen das Blatt da liegen, wo eigentlich der Leichtsinn männlicher Tugend seit Joseph, seligen Andenkens, zu liegen kommen sollte, wenn es noch irgendeine Art von männlicher Tugend gäbe, die nicht bezweifelt zu werden verdiente.

»Ach, Louise, wie bist du So schön«, schrien jetzt alle zugleich, und Franziska hatte die Bosheit, ihr das herabgefallene Hemd wieder aufzuheben.

»Franziska, laß mich gehen!« rief jetzt ängstlich Louise, aber Franziska küßte sie schnell auf den Mund und fuhr ihr mit heißen Fingern an die Herzkammer der Liebe.

»O du bist auch gar zu unverschämt«, zürnte jetzt meine Mutter und preßte ihre Lenden fest aufeinander.

Aber Franziska kannte Louise besser und fuhr fort, mit fleißigen Händen ihre Gefühle zu wenden, während diese dem Erwachen der Lust keinen besseren Einhalt zu tun wußte, als daß sie aufsprang.

Aber nun hatte sie das Übel ärger gemacht. Lenchen, die auf der anderen Seite saß, hob ihr schnell die wenigen leichten Röcke und das wie von Zephiren herum geschleuderte Hemd von hinten über den schneeweißen Hintern hinauf und griff ihre sämtlichen Reize mit lasziver Berührung so heftig an, daß Louise auf einmal still ward und unter den Händen der beiden geilen Mädchen alle Gewalt verlor, die sonst die[16] Schamhaftigkeit noch in ihrer Macht hat, wenn man sie nicht im Zentrum aufsucht.

Zum Unglück für Louise rissen jetzt Juliane und Friederika sie über den Tisch, daß die Kartenblätter bis in das Futteral des beliebten und allerliebsten Cottaischen Spielalmanachs hineinfuhren, streiften ihr das zarte Hemd vollends über das heilige Kreuz hinauf und ringen an, ihr den herrlichen Steiß zu klatschen.

Louise riß die Geduld, mit Löwenstärke zog sie ihr Unterteil hin und her und entwickelte den herrlichen Bau ihrer Muskeln und das wollustige Spiel ihrer Lenden mit so grazienähnlicher Furie, daß alle zugleich »Ah ah! wie schön! allegro non troppo, piu presto – prestissimo!« ausriefen.

Aber Louise währte der Spaß zu lange; ehe sich die unverschämten Mädchen versahen, hatte sie sich mit Gewalt ihnen entrissen, und – dort lagen sie alle vier, teils auf dem Boden, teils unter dem Tisch, der mit seinem ganzen Inhalt von chinesischem Porzellan, englischem Steingut und übriggelassenem Yemens-Nektar jetzt die Mutwilligen ärger drückte und verunzierte als der Alp auf nächtlichem Lager eine keuchende Unschuld.

»Nun, das ist doch zu arg!« fing Louise an und schüttelte ihre Kleidung, wie Wetzels Madame Arend, über das Verborgene ihrer Reize. »Ich helfe euch jetzt nicht! Ihr bringt mir das alles wieder in Ordnung, macht mir das Zerbrochene wieder ganz, ersetzt mir das Vergossene, oder ich lasse euch durch meine zwei Stallknechte so lange mit Ruten peitschen, bis das von selbst geschieht.«

Alle lachten, aber Louise ging zornig zum Zimmer hinaus und verschloß hinter sich.

Die Gefangenen fingen an aufzuräumen, allein es ging ihnen mit der wiederherzustellenden Ordnung,[17] besonders dem Restitutio in integris wie den ägyptischen Zauberern mit den Läusen Jehovas – sie konnten das zerbrochene Porzellan und das Steingut nicht wieder ganz machen und schrien laut: »Da sind die Engländer und die Chinesen dran schuld!«

Louise sah dem Geschäfte, das einer Mediations-Akte ähnelte, keinem himmlischen Gerichte, lächelnd durch das Schlüsselloch zu, und die drinnen ringen an, sich aufs Bitten zu legen.

Aber Louise war unerbittlich! »Jetzt gehe ich«, rief sie durchs Schlüsselloch, »und rufe den Jeremias und den Anton, lasse euch die Kleider aufheben und auf die bloßen Hintern so lange peitschen, bis eure Untugenden euch aus der Haut herausfahren.«

Die Mädchen fingen nun gar an zu weinen, versprachen den Schaden zu vergüten und sich überdies noch jeder Züchtigung zu unterwerfen, die sie nur selbst an ihnen zu vollziehen im Sinne haben möchte; aber den Jeremias und den Anton müßte sie weglassen, sonst würden sie ihr in diesem Leben nicht mehr gut, im Gegenteil aber ihre ärgsten Feindinnen werden und bleiben.

»Gut«, versetzte meine Mutter, »wollt ihr den Schaden ersetzen und euch einer wohlverdienten Züchtigung unterziehen, so sollen Jeremias und Anton im Stall bleiben, und ich werde sogleich mit einem Paar Ruten erscheinen und euch wie Gideon das Fleisch zerhauen.«

Lenchen lief ans Schloß inwendig und blies meiner Mutter entgegen: »Mach auf, Beste, wir unterwerfen uns der Strafe, aber Jeremias und Anton bleiben bei den Pferden.«

»Wartet, ihr jungen Fohlen, ich will euch striegeln«, rief Louise, lief in den Garten, brach und schnitt ein Dutzend Rosenzweige samt ihren ersten[18] Knöspchen ohne Barmherzigkeit ab und eilte wie eine Erinnye aus der Unter- in die Oberwelt, um ihre zerbrochenen Opfergefäße zu rächen.

Den Busen entblößt, die Haare in wilder Bacchantinnen-Mode um die Schultern fliegend, öffnete Louise die Tür des Gefängnisses, und alle kamen ihr trotzend mit schallendem Gelächter entgegen.

Louise schwang den Thyrsusstab ihrer Rosenknöspchen drohend gegen die mutwilligen Nymphen, deklamierte in pythischer Wut:


Silence! imposture outrageante!

Déchirez-vous, voiles affreux;

Patrie auguste et florissante,

Connais-tu des temps plus heureux?


Und sie verlangte gebieterisch, daß Lenchen, Franziska und Juliane sich aufdecken sollten; aber Franziska trat vor die Mädchen hin und entgegnete:


Favorite du Dieu de la guerre,

Héroine! dont l'eclat nous surprend

Pour tous les vainqueurs du parterre,

La plus modeste et la plus grande.


Voltaire.


»Was du glaubst, Fränzchen«, versetzte lachend Louise und legte die Rosenzweige aufs Sofa, »will ich jetzt prüfen, komm her, hierher zum Apollo und zur Clytia: und nun büße, was du getan hast.«

Ehe noch Franziska sich zu besinnen vermochte, stand sie schon mit nackendem Unterteil vor dem weiblichen Areopag, der, entzückt über die Schönheit[19] ihres Hintern, mit einem dreimaligen Händeklatschen sein Lob aussprach.

Louise legte ihr Röcke und Hemd über das glühende Gesicht und befahl Emilie, es ihr auf dem Busen festzustecken. Franziska hielt die zarten jungfräulichen Lenden fest aneinander; wie ihr aber Emilie das Hemd unter den Gewändern vom schön gerundeten Bäuchlein zog und die ganze entzückende Gegend vom noch buschlosen Ida bis zum Wendezirkel hinauf enthüllte, da wurde auch jener reizende Tempel von Amathunt sichtbar, den wir uns so gern in der Nachbarschaft des olympischen Gottes denken, wenn er, gereizt von seiner Schönheit, den eigenen verläßt und auf Cytherens Altären opfert.

Louise, beinahe neidisch über den Anblick so vieler Schönheit, ergriff jetzt Juliane und Lenchen, stellte sie zu Franziska in ein Dreieck, ließ sie von Emilie und Friederika ebenso aufschürzen, band sie alle drei mit ihrem Busentuch um die Mitte des Leibes fest zusammen, ergriff die Rosenzweige, nannte Fränzchen Aglaja, Lenchen Thalia, Juliane Euphrosine und peitschte so grausam auf die sechs schuldlosen Hinterbacken los, daß die Grazien ihre schöne Stellung nach Wieland in größter Unanständigkeit für eine wilde Jagd der Artemis erklärten, in heftigen Bewegungen die angelegten Fesseln zerrissen, mit Gewalt nach wenigen Minuten sich frei machten und wie Mänaden, nicht wie Wielands Grazien, herumsprangen.

Louise hatte nun ihre Rache abgekühlt, aber die drei gestraften Grazien verlangten jetzt, daß ihre Mitgehilfen, die Schwestern der ewig spröden Psyche, gleichfalls gezüchtigt, und Psyche selbst sich ihrem Urteil und Gericht unterwerfen sollte.

Schnell ergriffen die Bestraften die Mitschuldigen, legten eine nach der anderen über den Stuhl, auf dem[20] vorhin Psyche Louise ihre ätherischen Reize preisgeben mußte, deckten ihr den Hintern auf, und Louise mußte den niedlichen Erhöhungen die nämliche Strafe widerfahren lassen, die sie vor wenigen Minuten außer sich selbst gesetzt hatte.

Kaum war dieses geschehen, kaum hatte Friederika, als die letzte, ihre demütige Stellung verlassen, so hörten die wieder versöhnten Freundinnen Sporengeklirr und sahen den Oberst von Halden und den Leutnant Söller in der offengelassenen Saaltür stehen und überrascht hereinblicken.

Louise ging ihnen mit der größten Unbefangenheit entgegen, hieß sie willkommen und fragte, welcher launige Zufall den bekannten Weiberhasser und den noch bekannteren Bacchus-Bruder so auf einmal in die untere Geister-Sphäre von sechs unverschanzten Weiberseelen hineingetrieben habe?

Der Oberst war gewissermaßen ein Siegfried von Lindenberg und sein Achates ein Herr von Waldheim, beide aber besaßen mehr Kultur als Politur und waren, ihre vorhin angegebenen Fehler abgerechnet, ein paar Leute, aus denen man alles machen konnte, was unser Herrgott aus ihnen gemacht hatte.

Die Mädchen nun, wie man sagt, noch blutjung, meine Mutter damals erst achtzehn Jahre alt, umringten die beiden Martissöhne mit aller der Freiheit ihres jugendlichen Privilegiums, die ihnen ihr lustiger Sinn gewährte.

Ihre Schmerzen an den verhüllten Teilen waren schon zur Hälfte vergangen, und die andere Hälfte sollte jetzt vergehen.

Louise hatte sich des Obersten bemächtigt und spielte an seinem Degengehänge, zog ihn aus einer Ecke in die andere und bat ihn, ihr doch zu sagen, wie der erste König von Kreta geheißen habe, und ob dies Kreta[21] wirklich zu des Apostels Paulus Zeiten faule Bräuche gehabt hatte?

Der Oberst, notgedrungen und ärgerlich, daß so eine halbbartlose Dirne ihm ums Kinn herumkrabbelte, beantwortete ihre unverschämten Fragen gar nicht, sondern sagte bloß: »Fräulein, befreien Sie mich nicht auf der Stelle aus Ihren Krallen und Klauen, so sollen Sie sehen und fühlen, was ich mit Ihnen anzufangen imstande bin.«

Meine Mutter lachte der Drohung und befahl ihm, sich für diesen Abend entweder gutwillig in ihre Launen zu fügen oder als Gefangener der Gewalt aller ihrer Reize auf einmal zu widerstehen.

Bei diesem verfänglichen Reden griff der Oberst an seinen Degen, aber Louise lief ihm mit Blitzesschnelle unter den schon aufgehobenen Arm, der das Mordinstrument gefaßt hatte, hielt jenen und wollte dieses ihm entreißen. Allein der Oberst verstand keinen Spaß, hob die Verwegene wie eine Feder in die Höhe, warf sie aufs Sofa, entblößte ihr den Hintern, zog seinen Degen und schlug sie unter gellendem Geschrei zu einer Ritterin d'Egon.

Der Oberst mußte den reizenden Anblick von Louises bloßem Hintern mit seiner Freiheit bezahlen. Die unvergeßliche Schönheit dieser Teile, die zitternden Höhen und die von hinten zu preisgegebene Nachbarschaft aller männlichen Lüsternheit entwaffneten seinen Arm, und in seinen von Mutter Natur erhaltenen, von Kultur noch unverfälschten Sinnen regte sich ein Etwas, das den Frieden seiner Sinne so deutlich aussprach, daß auch nicht ein Jota davon für sein Herz verlorenging.

Der Mann von Grundsätzen und Charakter ist in sinnlichen Erscheinungen und Genüssen gewiß jedesmal der Antipode von dem charakterlosen, brutalen[22] und rohsinnlichen Menschen. Jener fühlt schon seine Leidenschaften durch den Anblick heimlicher weiblicher Reize gedämpft und befriedigt; dieser aber, dessen rohe Kraft kein Maximum des sinnlichen Gefühls statuiert, tobt unaufhaltsam fort bis zur Übersättigung. Dieses ist nun hauptsächlich auch ein Übel des heiligen Ehestandes, und eines seiner schlechten Geheimnisse, daß diejenige, welche die ersten Grade des sinnlichen Lebens besitzt, sich bei Zeiten ans Fasten gewöhnen muß, wenn sie ihren erschöpften Eheherrn nach einigen Monaten noch zu lieben die Absicht haben sollte. Deswegen wählte ich hauptsächlich das Kloster, und ich will lieber mit allen zehn Fingern und anderen Tröstern siebenmal in der Woche vergessen, daß es ein männliches Geschlecht gibt, als mich über seine selbst verschuldete Impotenz zu beklagen haben. Die Folgen bei einer solchen Charakterverschiedenheit unter dem männlichen Geschlecht sind auffallend verschieden. Der erste hält und veredelt sich durch das einmal angenommene System sinnlicher Genüsse, der andere aber zerstört, wie das Feuer, sich selbst und das, was ihn ernährt.

Ein anderer als der Oberst, würde sich mit Wut über die während der Degenflagellation entblößten sinnlichen Reize meiner Mutter geworfen und in ihren Besitzungen seinen Triumph gesucht haben. Aber von Halden, der die Weiber zwar haßte, im Grund aber wie Blumen behandelte, die man nie bricht, sondern in sich selbst verwelken läßt, auf ihrem eigenen Boden, hielt das Brechen derselben für einen Raub an dem ganzen schönen Sommer des Lebens, den ja ohnehin ein langer kalter Winter so wünschenswert mache.

Die entblößten hinteren Reizungen meiner Mutter, die Schönheit und Reinlichkeit gewisser Teile, die zurückgeworfenen Kleidungsstücke nahmen auf einmal[23] dem Oberst seinen Haß und gaben ihm dafür eine so herzliche innige Liebe für diese weibliche Schutzlosigkeit, daß er ihr seine vorgefaßten Grundsätze, das ganze weibliche Geschlecht zu hassen, und dem vor ihm liegenden Wert dieses Geschlechtes willig seine Freiheit aufopferte.

Doch er hatte etwas gewagt, das, obgleich nicht im Sinne eines unverschämten geilen Scherzes zu nehmen, doch vor allem eine Aussöhnung mit dem Beleidigten verlangte.

Ohne also auch nur mit einer einzigen Akklamation zu verraten, wie weit der entblößte Hintern meiner Mutter seinen Weiberhaß verscheucht habe, küßte er dreimal die beleidigten Teile, legte hierauf mit unbefangener Gleichgültigkeit erst ihr Hemd, dann ihre Röcke in die ihnen angewiesene natürliche Lage und hob sie vom Stuhle auf.

Jetzt aber war, wie der Oberst meinte, noch das Schwerste zu tun; er wollte nämlich den Zuschauerinnen einen ähnlichen Denkzettel schreiben, damit keine von ihnen sich irgendeines besonderen Vorrechtes zum Nachteil der anderen zu bedienen hätte.

Indessen war diese Vorsicht unnötig. Franziska hatte sich auf den Schoß des Leutnants Söller gesetzt, und dieser wühlte mit seinen verwegenen Händen in den geheimsten Reizen der Frechen.

Lenchen saß auf einem Stuhle, hatte ihr Röckchen bis an die Schenkel zurückgeschlagen und band ihr Strumpfband; Juliane hatte die Hand im Schlitz, und Friederika sah nach des Leutnants offenen Beinkleidern, die eben Franziska aufgeknöpft hatte und im Begriff war, ein männliches Glied frei zu machen, das bisher, außer Louise, noch keine von der Größe gesehen hatte.

Jetzt, als der Oberst Louise aufgehoben hatte und[24] eben dem Leutnant sein Siegel der Verschwiegenheit und die heutige Parole bekanntmachen wollte, fing Friederika an:

»Louise, das hast du nun an uns verdient!«

»Ja, das ist auch wahr!« schrie lallend Franziska hinein und hob des Leutnants Hemd in die Höhe, daß sein Amor dastand unter dem dichten Myrthengebüsch, wie ein Priap im Belvedere. »Das ist auch wahr ...«, und nun rieb sie Söllers Meisterglied und erzählte, was ich euch schon erzählt habe, nämlich wie Louise sie behandelt hätte.

»Oh«, versetzte der Oberst, als jetzt Franziska auserzählt hatte und sich, von des Leutnants Fingern exaltiert, zuckend auf seinem Schoß hin und her bewegte, »wenn dem so ist, so habe ich hier weiter nichts zu tun, was meine Unverschämtheit wiedergutmachen könnte, als daß ich Louise für meine Gemahlin erkläre und dir, Söller, Franziska mit Haut und Haar als dein Eigentum übergebe.«

Die Mädchen jubelten.

Hierauf nahm der Oberst Louise in seine Arme, küßte sie auf die bloßen Brüste und trug sie ins Kabinett.

Söller legte sein Mädchen auf das Sofa, machte die Tür auf und bat die Gespielinnen höflich, ihrer im Garten zu warten, was sich denn auch diese nicht zweimal sagen ließen, da ihre Schamhaftigkeit immer noch größer war als ihre Lüsternheit.

Kaum waren sie fort, so deckte Söller Franziska bis an den Nabel auf, zog ihr die schneeweißen Lenden voneinander und drängte sich mit Manneskraft in ihren Schoß.

Meine Mutter wurde von dem Oberst, dieser von ihr bis aufs Hemd entkleidet, dann zogen sie beide auch noch die letzten Hüllen verborgener Geheimnisse ab[25] und sanken berauscht und in der wonnigsten Tätigkeit auf das weiche Lager.

Acht Tage nach dieser Szene war die Hochzeit meiner Mutter und die von Franziska.

Ich blieb die einzige Frucht dieser Ehe, was aber von der Periode des ersten Flügelkleides bis zu jener der ersten jungfräulichen Gefühle mit mir vorgegangen, gehört in das Register kindischer Neigungen und Triebe und wird euch wenig interessieren.

So viel muß ich euch aber doch gestehen, daß ich, wie ehemals meine Mutter, mich von meinem Lehrer, Bruder Gervasius, gern peitschen ließ, und da ich eine wilde Natur hatte, so geschah das öfter, immer aber im Beisein eines meiner Eltern, und erst zwei Tage, nachdem ich mich unartig aufgeführt oder nichts gelernt hatte.

Sehr gern sah ich meine kleinen Reize entblößt im Spiegel. Oft stand ich viertelstundenlang mit aufgehobener Kleidung vor ihm, dachte: personne ne me voit! und musterte mich von oben bis unten.

Unter dem Regiment meines Vaters diente auch ein junger Franzose als Leutnant. Dieser erhielt, als Söller mit seiner jungen Frau nach Glatz kommandiert wurde, die erste Stelle unter den jungen Freunden meines Vaters. Dieser Franzose, obgleich von Bonhommie und redlichen Gesinnungen zusammengefügt, war übrigens der feinste und gierigste Wollüstling, den man sich nur denken konnte.

Als ein heimlicher Anbeter meiner Mutter – ich war damals zehn Jahre alt – mußte ich oft herhalten, wenn diese ihn ernsthaft und scherzhaft von sich abgewiesen hatte. Jedesmal, wenn Monsieur de Beauvois uns besuchte, und das geschah fast täglich, erhielt ich Bonbons oder irgendein Spielzeug, das mir Freude erweckte. Dann wußte ich schon, was er wollte, nämlich[26] mit der Mutter allein sein, und ich ließ mir das auch nie zweimal sagen.

Überhaupt besaß Leutnant Beauvois ein Maintien, ein savoir faire, das sich mit nichts vergleichen ließ.

Einmal kam ich etwas früher aus dem Garten als sonst und wollte eben die Tür des Zimmers öffnen, in dem sich meine Mutter und Beauvois befanden, als ich ein Gepolter und meine Mutter zu jenem sagen hörte: »Je vous prie instamment, Beauvois! Laissez moi ... oh ... – oh! Ma Diesse! Oh! Laissez moi faire ... laissez moi ...« Ich hörte nichts weiter, sah aber, was ich nicht hörte, durchs Schlüsselloch. Und was sah ich! Meine Mutter lag auf der Erde. Beauvois hielt ihr Röcke und Hemd in die Höhe, hatte ihren linken Schenkel hoch gehoben, seine Beinkleider waren herabgelassen, sein ganzer Unterleib fasernackend, und sein Glied starrte wie ein Schlagbaum an einem Berliner Tor.

Bei diesem Anblick wurde mir so sonderbar zumute, daß ich kaum aufrecht zu stehen vermochte; ich deckte mich auf, sah der Szene aufmerksam zu und operierte mit meinem Finger zu gleicher Zeit, als Beauvois sich auf meine Mutter geworfen und seinen Cupido eingesteckt hatte, und zwar so dringend, daß ich vielleicht ebenso viel Vergnügen wie meine Mutter empfand.

Meine Mutter war im höchsten Grade wollüstig gebaut, ihre Sinne in steter Beschäftigung; mein Vater aber, ganz das Gegenteil, nie sehr auf weibliche Reize ausgegangen, mußte immer durch etwas Charakteristisches gereizt werden, wenn er einmal bei der Mutter seine Lust recht stillen wollte.

Indessen hatte mein Vater meiner Mutter gleich nach der Hochzeit ein paar Punkte aus dem innersten Schatz seines Herzens vorgelegt, die ihr eine heitere Zukunft versprachen; und ich glaube, ihrerseits hielt sie nichts ab, diese Punkte eher zu ihrem Vorteile[27] zu benutzen als ihre Mutterpflichten. Wie sie aber nach einem zweijährigen Ehestand wohl denken konnte, daß sie keine Früchte ihrer ehelichen Verbindung mehr erwarten dürfe, da nahm sie sich fest vor, nächstens diesem ihren ersten Witwengrad sich nach der ihr gegebenen Erlaubnis ohne Scheu einzuverleiben.

Diese Erlaubnis gab ihr nämlich mein Vater in den bestimmtesten Ausdrücken. »Ich habe dich«, sagte er, »auf eine so sonderbare Art erhalten, daß ich dich wohl auch auf ebenso sonderbare Weise wieder verlieren darf. Ich weiß und habe es erfahren, daß dein wollüstiges Temperament eben nicht die Schranken der Ehrbarkeit achtet und daß deiner Sinnlichkeit eine stärkere Philosophie zu Gebote steht denn deiner Liebe zu sittlichen Verhältnissen.

Ich will jetzt nicht mit dir über das Erlaubte oder Unerlaubte sinnlicher Befriedigung streiten, noch weniger mit der Natur, daß sie in der Brunst sich ebenso wohl gefällt als im starren Winterkleide; ich habe dir und ihr vielmehr nichts als Gleiches mit Gleichem zu vergelten oder von dir noch zu erwarten.

Von heute an überlasse ich dich dir selbst nach den Grundsätzen, die ich dir gleich in den ersten Tagen unserer Verbindung als die meinigen bekanntmachte; denn heute ist es das erstemal, daß dich Beauvois mit entblößtem Busen und im kurzen Unterrock gesehen hat. Dir selbst, deinem Vergnügen überlasse ich dich, aber dafür ist es auch billig, daß mir zur Entschädigung ein anderer Teil deines Leibes zuteil werde, den ich seit deiner ersten Weihe nicht wieder gesehen habe: das ist dein Hintern. Nimm dich also in acht! Denn jedesmal, wenn ich dich in offenbarer Tat erwische, soll dieser Teil dafür büßen.«

Meine Mutter lachte und versprach obendrein, ihm zu beichten, so wie sie nur den geringsten Skrupel fühlen[28] sollte, der sie verhindern könnte, von seinem gütigen Anerbieten Gebrauch zu machen.

»Aufrichtig gestanden«, versetzte der Vater – wie sie mir das alles selbst erzählt hat – »ich kann es dir nicht verdenken, in keinem Fall; denn es ist durchaus unmöglich zu verlangen, daß ein vernünftiger Mensch der Sklave eines anderen sein müsse, das ist höchstens Recht des Krieges, aber im Naturrecht eine wahre Blasphemie gegen alle gesunden Begriffe. Die Gebote der Priester oder jene von Gott selbst mittel- oder unmittelbar inspirierten und der Gesellschaftsvertrag der Menschen sind Übereinkünfte, die man sich gefallen lassen kann, so lange sie uns gefällig sind oder not tun, die aber durchaus sich nicht in der Natur des vollkommen ausgebildeten Menschen, der kein Kind mehr ist, lange erhalten können. Freiheit des Geistes und Herzens, des Leibes und der moralischen und physischen Kräfte, zum Wohl des einzelnen und Ganzen, sind ein Ziel, das sich keinen gesetzlichen Schranken zu unterwerfen hat, solange Rohheit und Kultur nicht gegeneinander zu Felde ziehen, und Bosheit beide beherrschen. Zum Beispiel das Gebot der Ehe unter den Christen soll die Bande der Natur fester um Seele und Körper schlingen, wird es uns aber je die Unsterblichkeit verschaffen? Oder ist schon jemand von den Toten auferstanden, der uns gesagt hätte: ich habe jenseits, an dem Orte, wo man nicht mehr freit noch heiratet, meine Lieben, meine Gattin, meine Kinder wiedergefunden?

Und werden etwa durch diese gesetzliche Einschränkung der Naturtriebe unsere Brüder und Schwestern näher miteinander verbunden? Sicher nicht! Aber die Ausschweifungen? Ei, wer mag noch von Ausschweifungen unter einer philosophischen und ästhetischen Generation etwas sagen? Sogar die Juristen kennen die[29] Progressionstafel der Natürlichkeit so gut, wie Mirabeau und Rousseau, allein freilich ein Jurist hat, wie Schlegel in seinem Museum spricht, für das Kleine zu sorgen und darf für das Große keinen Sinn haben und kann ihn nicht haben. Hat der Familien-Egoismus etwa schon mehr Gutes in der Welt gestiftet als ein Mönchs- oder Nonnenorden barmherziger Brüder oder Schwestern? Und wer wird bei dem Besitz von den Tugenden der Liebe, der Milde, der Barmherzigkeit, noch von Ausschweifungen reden wollen, die nur der gelbe Neid in Trompeterstückchen, in Büchern, an allen Ecken und Straßen der Welt ausbläst, und der mit seinem Blasen schon mehr Schaden angerichtet hat als alle zweiunddreißig Winde zusammengenommen.«

»Ach, du redest wie ein Engel, Oberst!« rief entzückt meine Mutter, riß ihr Busentuch ab, legte sein Gesicht auf ihre wogende Brust und drückte ihn an sich, während sie seine Hosen aufmachte, das Hemd in die Höhe zog und den unbeschnittenen starren Zebaoth ihres Tempels mit weichen Fingern zu einem Koloß erhob.

Der Vater lachte, hob der Mutter Röcke und Hemd auf und steckte seinen Finger dahin, wo sie eigentlich etwas ganz anderes hingesteckt haben wollte.

»Ich habe dich hier in das Tiefste meines Herzens blicken lassen«, fuhr der Vater unter seiner Manipulation fort, und die Mutter setzte ihre Manier, sich im Angesicht des Geistes mit dem Fleisch zu unterhalten, mit zitternden Händen und Schenkeln fort. »Die Welt ist nicht für dergleichen Herzensergießungen gestimmt, aber ich liebe dich, du bist ein schönes Weib.« Hier zog er ihre Lenden voneinander. »Was soll mir werden, wenn vielleicht bald ein anderer in deinem heißen Schoß wühlt, wenn ein anderer diese rosenroten Lippen, von der Liebe selbst geschaffen, mit seiner[30] Glut, mit seiner Wut voneinander teilt wie einst der Gott der Hebräer das Rote Meer – und dein Mann übrigens es noch nicht, wie Don Juan, auf tausend und drei Eroberungen gebracht hat oder noch bringen will?«

Hier bog er sie auf das Sofa und deckte sie vollends bis auf den Nabel auf. »Nein!« rief er aus, »bei allen leiblichen Seligkeiten, Louise, ich muß Ersatz haben.«

»Den sollst du haben, Freund meiner Seele«, versetzte Louise, öffnete ihre Lenden und ließ den Vater sein Werk vollenden: »Mein – Hintern – soll die Stra-fe – für – meine Ver-gehungen dir ab-zah-ha-len; räche jeden mei-ner Feh-el-tritte, den – deine Liebe mir schon nach-sichts-voll – zuläßt. Ach! – Ach! Halt – Lieber – tiefer – tiefer – Ach! – Ach! – Ach!«

Und beide zerflossen!

Als das Hauptgeschäft der Rekonziliation beendigt war, setzte mein Vater seine Beweise weiter auseinander. »Nicht wahr, Louise«, sagte er unter anderem, »solange das Gesetz das natürliche Freiheitsverhältnis des Menschen zum Menschen und zu seiner Natur nicht beleidigt, nur in unnatürlichen Lastern und Verbrechen seine Rechte unerbittlich ausübt, wird es erträglich, und wenn man es nun vielleicht gar liebgewonnen hat, ist die Strafe bei Übertretungen uns heilsam?«

»Allerdings«, versetzte Louise, »ich finde das auch immer gut gegründet.«

»Staat und Kirche«, fuhr der Vater fort, »haben sich in eben dieser Hinsicht voneinander getrennt; jener hat es mit den Verbrechen gegen natürliche und bürgerliche, diese aber mit den Sünden gegen göttliche und moralische Ordnungen zu tun. Allein, wir wüßten nichts von der Sünde, wenn das Gesetz nicht gesagt[31] hätte: Laß dich nicht gelüsten, und die Folgen uns von der Macht dieser Gesetze nicht restlos überzeugt hätten.

Die Verbrechen haben einen noch größeren Gegensatz des Unerträglichen gegen sich; denn schon Kain mußte vor dem Steckbrief seines Gewissens flüchtig werden – gäbe es aber eine gemeinschaftliche Übereinkunft irgendeiner Nation oder eines Volkes, sich morden oder verstümmeln, bestehlen oder verleumden, hassen und beneiden zu dürfen, so hätte hier das Gesetz des Gegenteils keine Majorität als die Gewalt. Wir haben dergleichen Beispiele in der Geschichte. De gustibus non est disputandum! Indessen, was sich nicht selbst Gesetz ist, wie zum Beispiel der Löwe oder Tiger, die Rose und der Wacholderstrauch, der Stein und das Wasser: das muß durch Gesetze außer sich selbst bestimmt werden. Im Grunde kann man aber ebensogut wieder annehmen, daß nichts in der ganzen Natur der Dinge nach etwas Ewigem in seiner Organisation bestimmt werden kann. Zum Beispiel das Wasser, das bei uns nur zu gewissen Zeiten erstarrt, würde im Saturn zu Stein erfrieren, und sicher solange die Natur dieses Planeten keiner Änderung unterworfen wäre, auch Stein bleiben. Möchtest du dir aber darum die Unmöglichkeit dieser Wandlung denken?«

»Nein, gewiß nicht, lieber August«, versetzte meine Mutter und zog ihre Röcke über die Füße.

»Nun also«, fuhr mein Vater fort, »du hast jetzt zu wählen! Meine Philosophie und meine Rechte, meine Liebe und meine Grundsätze werden nie die Grenzen der Billigkeit überschreiten – denn Leidenschaft mischt sich wenig bei mir ins Spiel.«

Hier gab es eine Pause, und dann fragte der Vater: »Wie weit ist der Leutnant schon mit dir gekommen? Ich weiß es, er liebt dich und dürstet nach deinem Genuß.[32] Hat er schon mehr an dir gesehen als deinen Busen?«

»Ja! Ich hoffe beinahe!«

»Und was? Und wie?«

»Ich habe gestern Kirschen gebrochen, er stand unten, und ich bemerkte deutlich, daß er jedesmal, wenn ich mich bückte, mir unter das Hemd sah, ich gestehe dir, das elektrisierte mich! Ich stellte meine Füße so weit auseinander, als ich nur konnte, und er hat gewiß alles gesehen, denn er öffnete seine Beinkleider unter dem Ausruf: göttliche Louise! – zog sein Hemd herauf und fing an, seinen Unbändigen zur gesetzlichen Ordnung zu verweisen. Ich konnte kein Wort sprechen, sondern deckte mich auf und wagte es, mit meinen Fingern, gelehnt an den Baum, mir Kühlung zu verschaffen.«

»Der Mann hat Delikatesse, wie ich merke, Louise«, versetzte mein Vater, »aber dergleichen Delikatessen geziemen sich nicht für Leute, denen nahrhaftes Speisen Pflicht ist.

Bei den Hebräern stehen die Worte: ›abschneiden‹ und ›Hurerei treiben‹ beisammen in der Ordnung des Alphabets; wir wollen den Leutnant auch das Gesetz der Beschneidung lehren. Er ist der Beschneidung würdig, denn wer vor den entblößten Reizen eines Weibes, das er kennt, so etwas tut, der verdient wenigstens beschnitten zu werden.«

»Das wird nicht viel helfen«, meinte die Mutter.

»Ei, so mag es ein Zeichen aus den Kriminal-Rechten der Sinnlichkeit seinen Wert mit eingebranntem Galgen oder Rad teilen. Er muß beschnitten werden, Louise! Und das von dir, und ich mache es dir hiermit zur zweiten Bedingung, mir von allen denen, die dich genießen werden, die Vorhaut zu bringen.«

»Ha!« schrie meine Mutter und legte ihre Lenden[33] aufeinander: »Du Mann ohnegleichen! Ich will deiner würdig zu werden streben! Der Leutnant sei das erste Opfer, dir gebracht!«

»Wohl«, versetzte lachend der Vater, »du machst Hebräer – und ich eine Heilige, und gleich will ich dir die Heiligenkost zu versuchen geben, vorher aber schmücke dich wie Esther, ehe Ahasveros seinen Schwanz zum Stammhalter der jüdischen Feudalherrschaft zu machen geruhte, oder vielmehr wie Irene, ehe der ruhmsüchtige Mohammed der II. ihr den Kopf abhieb.«

»Sogleich, mein Bester, ich will sogar alles, was dazu gehört, selbst tun und dir mittlerweile unsere Karoline heraufschicken; ich bitte dich, tue etwas schön mit ihr; ihr Helfried ist an einem hitzigen Fieber zu Halle gestorben, sie ist untröstlich; ihr schöner Busen wird dir gefallen, und sie zeigt ihn dir, wenn du's haben willst, ohne dabei zu weinen.«

»So?« fragte der Vater, »ist die schon so weit?«

»Sie hat sich in meiner Schule gebildet.«

»Aha, nun verstehe ich. Laß sie kommen.«

Meine Mutter ging, und Karoline erschien vor meinem Vater.

»Was befehlen Sie, gnädiger Herr?«

»Nichts zu befehlen, mein Kind, nur zu bitten. Komm her zu mir!«

Linchen ging zu ihm.

»Du bist ein schönes, gutes, liebes Mädchen!«

»Oh, ich bitte Sie, gnädiger Herr! Beschämen Sie mich nicht. Ich glaube, ich bin gerade, wie ich sein muß.«

»Wie?«

»Gut, gnädiger Herr!«

»Aber mein leichtsinniges Weib ist nicht gut – nicht wahr?«[34]

»Oh, sie ist die Güte, die Liebe selbst.«

»Was nennst du Güte, was Liebe?«

Karoline schlug die Augen sittsam nieder und errötete.

»Meine Frau hat dich verführt, das heißt, in die Geheimnisse der Liebe eingeweiht.«

»Gnädiger Herr«, schrie Linchen und fiel ihm zu Füßen, »ach, ich bitte um des Guten willen, das ich in mir fühle, schonen Sie meiner!«

»Närrisches Mädchen, was fällt dir ein! Kennst du mich so schlecht?«

»Ach!« seufzte Karoline, bückte sich tiefer und hob, indem sie meinem Vater die Hand küßte, den Steiß höher.

»Pfui! Schäme dich, Karoline! Laß mich nicht denken, daß du kein gutes Gewissen habest, denn eine solche Stellung verrät selten etwas anderes – und zur Strafe, daß du mich so verkannt hast, zeigst du mir jetzt einmal deinen Steiß.«

»Ach, gnädiger Herr!« lallte Karoline, aber mein Vater stand auf, legte Linchen aufs Sofa und hob ihr Röcke und Hemd vom Hintern.

»Du bist wirklich ein bildschönes Mädchen, Linchen«, fuhr mein Vater, elektrisiert von Linchens erhabensten Reizen, gegen sie fort, »ich muß sogleich mir den Anblick deiner Schönheit entziehen, wenn du nicht irre an mir und an dir werden willst.«

Hier legte er ihr das Hemd wieder in die gehörige Ordnung, deckte die Röcke darüber und richtete sie auf.

Linchen glühte über und über.

»Sag, Linchen, ist Malchen noch immer so mutwillig?« (Ihr wißt, Schwestern! daß ich Malchen geheißen habe!)

»Immer noch, gnädiger Herr! Ich glaube aber, das[35] ist ihr Glück, denn wäre sie, wie ich in ihrem Alter war – pensiv – zerstreut und ...« Hier stockte sie.

»Also glaubst du, den Mutwillen dürfe man nicht strafen?«

»Nein, gnädiger Herr, so wenig wie die Mädchen meiner Art. Ich habe ein einzigesmal in der Schule die Rute bekommen, und noch kann ich die Lage nicht vergessen, in der ich mich damals befand.«

»Es wurde also nicht besser mit dir auf diese Strafe?«

»Nein, im geringsten nicht!«

»Sonderbar!«

»Es wurden damals mit mir noch zwei Jungen bestraft; es war durch ihre Unvorsichtigkeit, an der ich auch teilhatte, in einer Scheune am herrschaftlichen Schlosse Feuer ausgebrochen, und, so gut auch sonst der Herr von Flamming war, so wollte er doch hier die Strafe nicht erlassen, damit in der Folge durch eine solche Nachlässigkeit nicht ein noch größeres Unglück herbeigeführt würde. Ich erhielt meine Strafe zuerst, wurde auf eine Schulbank gelegt und mußte dreißig Rutenhiebe auf den bloßen Hintern aushalten.«

»Armes Mädchen!« rief mein Vater aus und griff der vor ihm Stehenden unter die Röcke.

»Dann kam die Reihe an Helfried und Heilwerth, zwei Knaben, die ich sehr wohl leiden konnte, und besonders Helfried, den mir nun leider der Tod entrissen hat.« Hier glänzten ein paar Tränen in ihren Augen. »Heilwerth wurde zuerst auf die Bank gelegt, und als man ihm die Hosen herunterzog und das Hemd aufhob, ward ich beinahe ohnmächtig und vergaß meine eigenen Schmerzen über dem Gedanken, daß der arme Junge so viel auszustehen hätte.«

Mein Vater hob ihr hier Röcke und Hemd auf und fuhr ihr mit der Hand zwischen ihre Schenkel. Und[36] eben stürzte ich zur Tür hinein und wollte dem Vater einen Blumenstrauß bringen – noch sah ich Karolines bloße Schenkel und meines Vaters Hand zwischen ihnen. Schnell ließ dieser ihre Kleider nieder und sprang auf.

»Was bringst du mir, Malchen?« rief er mir verlegen entgegen. Ich hüpfte auf ihn zu, überreichte meinen Strauß und küßte seine Hand. Mein Vater sagte Karoline ins Ohr, sie sollte eine neue Rute binden. »Oh, gnädiger Herr«, versetzte diese naiv, »doch für mich?« Mein Vater lachte und sagte laut: »Du bist sehr mitleidig, geh nur und tue, was ich dir sagte.«

Karoline ging, und der Vater nahm mich bei der Hand und führte mich zu Herrn Gervasius.

»Herr Gervasius«, fing er an, »lehren Sie doch von heute an Malchen Physik. Sie sind jetzt gerade unbeschäftigt, und ich wünsche, daß Sie diese Stunde ganz allein dieser Unterhaltung und Belehrung widmen.«

Bruder Gervasius machte Bücklinge, und ich hatte wieder eine Stunde weniger frei.

Diese Stunden gewährten mir indessen viel Vergnügen, euch aber will ich nicht von diesem, sondern von dem unterhalten, was mir begegnet ist, vorher aber noch die Geschichte meiner Eltern endigen, so weit sie mir die Mutter erzählt hat.

Kaum war mein Vater in das verlassene Zimmer zurückgetreten, so erschien meine Mutter im weißen Atlas-Kleide.

»Aha!« rief ihr mein Vater entgegen, »Madame wollen, wie ich sehe, meinem Freund Wort halten und mit ihm die geistreiche Frau von Tiefenthal besuchen?«

»Wenn du's erlaubst?«

»Nicht gerne! Du weißt, ich kann diese Frau nicht leiden – sie hat eine schwarze Seele, zusammengesetzt[37] von Médisance und Bösartigkeit. Wäre sie eine Hure, ich hätte nichts gegen ihre Aufführung, aber so ...«

»Ich bitte dich, Freund! Dein Urteil ist wohl zu streng.«

»Ganz und gar nicht, Louise! Ich kenne das ganze Oberteil ihrer abscheulichen Seele.«

Hier erschien Karoline mit der Rute.

Meine Mutter erblaßte. »Du wirst doch nicht ...«, fragte sie verlegen.

»Ich werde!« Und somit ging er zur Tür und schloß sie ab.

Karoline stand da und zitterte. Der Oberst nahm ihr die Rute ab und befahl ihr, einen Schemel an das mittlere Fenster zu stellen. Diese Fenster gingen auf die Parade.

»Ich bitte dich, August, jetzt nicht!«

»Jetzt«, versetzte mein Vater lakonisch, und drunten wirbelten die Trommeln.

»Du hast mir schon so oft Linchens Busen als schön gepriesen, ich möchte ihn jetzt sehen.«

Was wird geschehen, fragte meine Mutter sich selbst, ging zu Karoline und zog ihr das Halstuch ab. Der Oberst trat auch zu ihr und zog ihr die Leinwand so rasch weg, daß ihre Brüste völlig entblößt ihm entgegenzitterten.

»Du bist doch wirklich ein sehr schönes Mädchen, Linchen«, sagte jetzt der Oberst, »und es wäre schade, wenn meine Frau dich dem Verderben in die Klauen lieferte.«

Louise errötete und sagte: »Was hab' ich dir getan, Linchen, daß so ein Verdacht ...«

»Still, Louise, es ist jetzt keine Zeit mehr zu reden, sondern zu strafen und Strafe zu leiden. Kommt hierher.«

Der Oberst führte beide ans Fenster.[38]

»Linchen, heb' deiner Frau die Kleider auf bis ans Hemd.«

Linchen gehorchte, und ihr Busen wallte heftig auf und ab. Der Oberst küßte die schwellenden Hügel und zog seiner Frau die seidenen Strümpfe von den Knien. Als das geschehen war, mußte sie sich auf den Schemel niederknien, mit dem Oberleib sich zum Fenster hinauslehnen, und Linchen sie halten. Nun nahm der Oberst die Rute, hob Louise das Hemd auf, hielt solches in der einen Hand und peitschte so lange, bis er Blut sah. Nur ein paarmal schrie sie auf; übrigens war es, als wollte sie in ihren Schmerzen die Wollust studieren, denn sie regte sich nicht, und ihre Hinterbacken hielten so starr den Streichen sich dar, als wären sie versteinert.

Wie mein Vater glaubte, daß es Zeit wäre aufzuhören, befahl er Karoline, seine Frau abzutrocknen, und sagte dabei: »Nun kannst du zur Frau von Tiefenthal gehen oder Karoline etwas lehren, was sich von selbst lehrt, oder auch Freund Beauvois zu dir lassen, wie du willst.«

Meine Mutter weinte, und Karoline weinte.

»Ich bleibe zu Haus, August«, versetzte meine Mutter, »für heute habe ich genug. Wir Weiber und Mädchen schwimmen in ewiger Lust, und möchten wir nur einmal unseren ungezähmten Willen und unsere heimlichen bösen Leidenschaften einer freiwilligen Strafe unterwerfen, wir würden bald erfahren, wie heilsam eine solche Zucht für Geist und Herz gedeiht. Zieh mich aus.«

»Ja, tu das, Linchen. Ich komme gleich, und dann wollen wir das gute Werk vollenden, das wir angefangen haben.«

Karoline führte meine Mutter ins Schlafzimmer und zog sie bis aufs Hemd aus.[39]

Wie sie so dastand, erschien der Vater mit Beauvois Arm in Arm. »Du siehst, Leutnant«, sagte jener zu diesem, »meine Frau schon bereit, dir zu folgen.«

Beauvois erblindete beinahe, als er Louises und Karolines entblößte Brüste sah.

»Pour Dieu!« schrie Beauvois, »Halden, que faites-vous?«

»Das will ich dir gleich zeigen, Beauvois«, versetzte dieser und führte Linchen ans Bett, von dem er die Decke herabwarf.

»Geschwind, Louise, lege dich aufs Gesicht, so ...«

Beauvois glühte schon. Mein Vater sagte Linchen etwas insgeheim, und diese erschien gleich darauf mit einer Schale voll Essig, in dem sie Salz aufgelöst hatte.

»Du weißt, Beauvois«, fing jetzt mein Vater an und zog meiner Mutter das Hemd vom ganzen Unterteil, »du weißt, daß Lust und Schmerz im menschlichen Leben zu wechseln pflegen wie Sonnenschein und Regen; es wäre aber dem Menschen besser, wenn er einmal anfinge, beide gegeneinander zu Felde zu führen.«

Beauvois schrie laut auf, als er die Rutenstriemen auf dem schönen Hintern meiner Mutter erblickte.

»Verwundere dich nicht, Beauvois! Ich weiß, du liebst meine Frau. Also, bist du fertig?« Beauvois schlug die Augen nieder, wurde rot und sagte: »Wer möchte deine Frau nicht genießen – lieben!«

»Gut! Karoline, sieh einmal nach, wie Beauvois beschaffen ist, und gib mir die Schale einstweilen.«

Karoline ging zu Beauvois, bat ihn um Verzeihung, nahm ihm das Portepée ab, zog ihm die Beinkleider herunter und enthüllte sein Meisterglied in einer so guten Verfassung, daß Louise bei dessen Anblick so gleich ihre Lenden öffnete und den harten Gast erwartete.[40]

»Steig auf, Beauvois!« rief jetzt mein Vater, und Beauvois legte sich auf meine Mutter und insinuierte sich bei ihr so gut, daß die schönste Krisis der Natur sie plötzlich überrascht hätte, wenn nicht der Vater Karoline befohlen, den beleidigten Teil an das Vergessene zu erinnern. Und nun fing Karoline an, den zarten Hintern mit der scharfen Lauge so wohl zu waschen, daß Louise unter Schmerz und Lust ihre Auflösung erwarten mußte.

Der Oberst hatte indessen Karoline die Kleidung aufgehoben und war, ehe sich's diese versah, an dem Orte des Vergnügens, der in seiner angeborenen Wildheit mehr Reize aufzuweisen hat, als Tassos ganzes mit Stanzen ausgemauertes Jerusalem.

Beauvois schnaubte wie ein Tiger, ächzte wie eine Rohrdommel und stöhnte wie ein auf der Hinfahrt nach dem Hades begriffener Reisender.

Während mein Vater die Mitte von Karolines Leib mit seinem Visierstab sondierte und manchen Kuß auf den alabasternen Steiß drückte, mußte sie immerfort an Beauvois' Flanken vorbei, in der einen Hand wie Hebe die Schale haltend, die andere, eingetaucht in die heilsame Essenz, aus Mnemosynens Gedankenstrichen ausgepreßt, über Louises Rosenhügel führen und den kommenden Sommer aus dem scheidenden Frühling prophezeien.

Aber Louise fühlte nichts als Beauvois' mächtigen Kommandostab in ihrem Zentrum und agierte so mächtig unter dessen Weisung, daß das Lager erzitterte, Linchen die Schale fallen ließ und vom Vater das Ultimatum ächzend erwartete.

Aber denkt euch den grausamen Vater! Kaum merkte er die Annäherung des Gottes der Liebe, als er schnell seinen Pfeil aus der Wunde zog, und Linchen unter zuckenden Hüftenbewegungen den ganzen Inhalt[41] ihrer Gedanken über das Mahagoniholz des Bettes, ohne Genuß, fruchtlos ausschütten mußte!

Meines Vaters Stammbaum stand noch wie eine Kerze, aber seinen Grundsätzen getreu, wollte er auch anderen, selbst bei der höchsten Verrückung aller intelligenten Kräfte, in der Oberherrschaft der physischen ein Beispiel geben, wie man handeln müsse, um weder der Natur, noch irgendeinem Vernunftrecht zu nahe zu treten.

Beauvois genoß das höchste Glück.

Meine Mutter erhob sich zwischen Lust und Schmerz, und Karoline dankte dem Oberst mit einem Handkuß für seine Schonung.

»Ja, Kind, du hast auch Ursache«, versetzte er, »denn wahrscheinlich, deine Reize würden gesiegt haben, wenn ich mich nicht vor Beauvois geschämt hätte, der nichts von der Art zu schonen versteht.«

Hier ging mein Vater zu einem Wandschrank, holte eine Flasche Burgunder heraus und zwei Gläser, schenkte ein und gab das eine dem Leutnant, das andere behielt er.

Als beide auf den Genuß seltener Freundschaft und Liebe angestoßen und ausgetrunken hatten, drückte mein Vater dem Leutnant die Hand und ging.

Aber kaum war er zur Tür hinaus, so ergriff ein wütendes meleagerisches Feuer den schon zum Schweine gebratenen Beauvois. Er zog meiner Mutter das Hemd ab und nannte sie seine Venus, legte Karoline auf die Erde, hob ihre Röcke und Hemd mit Gewalt in die Höhe, nannte sich Jupiter, sie, die Aufgedeckte, Hebe, und fiel mit einer Wut über sie her, wie ehedem Ezzelin über Bianca Della Porta. Kaum aber hatte er seinen Tröster an ihrer Himmelspforte, so fiel er wie ein Sack und – eingeschlafen war er.

»Geschwind, Karoline, über ihn her! Zieh ihm die[42] Hosen herunter!« Karoline gehorchte. Beauvois sah aus wie König Priam in Blumauers Aeneide. Man trug ihn aufs Bett, entkleidete ihn gänzlich und, als er nun so nackend vor ihnen lag wie der erste Mensch vor unserem Herrgott, ergriff Karoline auf Befehl der Mutter seinen wieder unsichtbar gewordenen Tröster und hielt ihn fest. Meine Mutter nahm ein scharfes Schermesser, zog die Vorhaut der verbrecherischen Rute über die Eichel hervor und trennte sie mit einem einzigen Schnitt von ihrer zweiunddreißigjährigen Stelle. Das Opium war so stark, daß Beauvois nicht einmal von diesem heftigen Schmerz erwachte, sondern nur ein leises Zucken verriet, daß er bis in seine gefesselte Seele gedrungen und den Weibern Zeit ließ, mit heilendem Balsam den Schmerz schnell in die Gebiete des Wohlseins zurück zu treiben.

Die Dosis Opium, die Beauvois sowohl als der Oberst genommen hatten, mußte wenigstens vier Stunden wirken, und in dieser Zeit hofften Louise und Karoline dem beschnittenen Beauvois seinen Verlust erträglich gemacht zu haben. Dauert ja der Schmerz eines zerrissenen Hymens auch nur so lange, bis die Leidende sich von der Notwendigkeit seiner Zerreißung in den Gefilden der Lust überzeugt hat.

Während Beauvois fortschlief und der Oberst im Nebenzimmer schnarchte, nahmen Louise und Karoline ein Bad und schäkerten miteinander, wie Weiber zu tun pflegen, und Louise vertrieb mit ihren Fingern aus Karolines Gliedern völlig den Unmut und die Unbehaglichkeit, die der Oberst durch das schnelle Zurückziehen seines Unerbittlichen in ihrem Innern verursacht hatte.

Doch ich halte mich zu lange bei der Geschichte meiner Mutter und ihrer Freundin auf; meine eigene fängt an, interessant zu werden, und dem eigenen Interesse[43] des Reizes, der Lust oder der Schönheit entsagt kein Mädchen oder Weib um eines oder einer anderen willen. So viel noch zum Schluß der Geschichte meiner Eltern: Ehe noch Beauvois erwachte, waren meine Mutter und Karoline, ich und Gervasius auf dem Wege nach Teschen. Unsere Flucht geschah so eilig, daß Gervasius kaum Zeit behielt, mich zuzudecken. Die Veranlassung, mich aufzudecken – alle Zuhörerinnen fingen an zu lachen –, war nämlich diese: Gervasius fing schon einmal die erste unserer physikalischen Unterhaltung damit an, daß er mir bewies, der Mensch sei ins Kreuz gemessen und genau in zwei Hälften geteilt.

»Wollen Sie sich einmal, gnädiges Fräulein, hier vor mir auf den Tisch legen«, fuhr er in der nächsten Stunde fort. Ich tat es.

»Strecken Sie sich ganz aus!« Ich tat es.

»Breiten Sie Ihre Arme aus, in ihrer völligen Linie.« Es geschah!

»So! Nun sehen Sie« – demonstrierte der geistliche Herr –, »kann ich vollkommen beweisen, daß Sie so breit wie lang sind. Sehen Sie ...« – hier fing er an, mich von der rechten Hand über den Leib bis zu den Fingern der linken Hand auszuspannen –, »Sie haben sieben Spannen in der Breite, und so viel müssen Sie auch in der Länge haben, sonst hat die Natur sich in ihrem Maß vergriffen (Lssng.) und ist zur Stümperin geworden.« Er umspannte mich alsdann vom Kopf bis zu den Füßen, und ich hatte richtig meine sieben Spannen.

»Sie ersehen hieraus, mein Fräulein, wie weise die Natur in allen Verhältnissen zu Werke geht. Für die Seele und den Geist hat sie wieder ein anderes Richtmaß, das beide ebensowenig zu überschreiten wie sie ihre Independenz von dem Leibe, den sie bewohnen, zu leugnen vermögen. Der menschliche Körper« – hier[44] wollte ich mich aufrichten – »ich bitte«, befahl Gervasius und drückte mich wieder auf den Tisch – »der menschliche Körper besteht, wie Sie wissen, aus zwei Teilen, dem oberen und dem unteren, dem edleren und dem schamhaften, und diese Teile sind genau vom Nabel aus gemessen. Um Ihnen das besser zu beweisen, müssen Sie mir erlauben, Ihnen Ihre Röcke und das Hemd bis an den Nabel aufzuheben« – und hiermit zog er meine Kleidung hinten und vorn so weit in die Höhe, wie er konnte. »Halten Sie Ihre Lenden dicht aneinander.« Ich tat es, und als ich einigemal nachher die medizinische Venus in ihrer bekannten Stellung erblickte, fiel mir meine damalige Lage ein, und ich dachte: du willst dich nicht messen lassen; aber du bist auch eine Göttin, und das Gefühl deines Wertes darf dich über deine Erscheinung im Fleisch erheben. Gervasius umspannte mich nun noch einmal, und ich maß vom Schädel bis zum Nabel, von diesem bis zu den Füßen richtig meine dreiundeinehalbe Spanne.

Eben hatte ich mich in die Höhe gerichtet und zog mein Hemd herunter, als meine Mutter und Linchen eintraten.

»Geschwind ihr beiden! So wie ihr geht und steht – fort!«

»Fort?« fragte Gervasius, »und das ist viel gesagt!«

»Fort in den Sirius oder in die Dardanellen, nach Amerika oder zu den Hottentotten! Ach, Schwätzer«, versetzte lachend meine Mutter. »Nach Teschen!«

»Wollen Sie sich eine Flinte kaufen oder eine Flinte holen?«

»Nein! Nein! Ihr rostiges Rohr will ich dort unten ausputzen lassen.«

»Ach, so!« versetzte Gervasius sich erbeugend und hob mich vom Tisch herunter. »Wir sind fertig!«

Ich habe wohl nicht nötig, Schwestern, euch zu sagen,[45] daß jene Prärogation, welche der geistliche Stand in bezug auf die Reize des weiblichen Geschlechts hat, bei meiner Mutter gleichfalls in der Regel geblieben wäre, wenn Gervasius vor dem seltsamen Vertrag zwischen meinen Eltern mit der Gewalt seiner Waffen diese geistlichen Rechte nicht zu behaupten gewagt hätte.

Gervasius fand es auch jetzt für gut, indem er meiner Mutter den Arm bot, erst die andere Hand unter ihren Röcken zu orientieren, dann gar Linchens Kleider bis auf das dicke Teil ihrer Schenkel aufzuheben und dann erst gemeinschaftlich mit uns den Weg nach der Chaise anzutreten.

In vollem Trabe ging es zum Tor hinaus, und wir konnten darauf rechnen, so wie Beauvois erwachte, zwei Stunden voraus zu haben, wenn ihn etwa die Lust ergreifen sollte, uns zu verfolgen.

Meine Mutter erzählte Gervasius in der Chaise mit gehöriger Umschreibung wegen meiner Gegenwart die komischtragische Katastrophe und las ihm dann am Ende ihrer Erzählung folgendes Billett vor, das sie hinterlassen hatte.

»Lieber August, lieber Beauvois! Ich verlasse auf einige Zeit Euere mir teueren Kreise. Das Andenken, welches ich noch vor wenigen Stunden von meinem August erhalten, hat mich bestimmt, nicht allein ihm den völligen Wert eines Andenkens durch meine Entfernung zu geben, sondern auch von dir, lieber Beauvois, mit Gewalt mir ein solches zu verschaffen, das meinem Herzen unvergeßlich sein wird. Zürnt nicht, Ihr beide! Ich bleibe Euch getreu, solange ich kann. Louise von Halden.«

Gervasius konnte ihre Heldentat nicht genug bewundern, und, da meine Mutter ihre Füße auf den Rücksitz, wo wir saßen, gestellt hatte, und eben die[46] Sonne in vollem Glänze unseren Wagen erleuchtete, so bat Gervasius ihm zu erlauben, das Andenken zu sehen, das des Vaters Rute bis zu einem so vielbedeutenden Fort ihren Reizen einverleibt habe. Meine Mutter hob den rechten Schenkel in die Höhe, ihre Röcke, ihr Hemd fielen zurück, und der schöne, so hart beleidigte Hintern sah aus wie der Mond am Mittag.

Gervasius wollte ihm seine Achtung bezeigen, allein meine Mutter setzte sich schnell nieder und verwies ihn zur Ruhe.

Sobald wir in Teschen angekommen waren – doch hier fängt die erste Periode meines Lebens an, Gestalt zu gewinnen. Es läutet zur Vesper. Morgen mehr.

Quelle:
E. T. A. Hoffmann: Schwester Monika. München 1971, S. 7-47.
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Die Schuld. Trauerspiel in vier Akten

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Ein lange zurückliegender Jagdunfall, zwei Brüder und eine verheiratete Frau irgendwo an der skandinavischen Nordseeküste. Aus diesen Zutaten entwirft Adolf Müllner einen Enthüllungsprozess, der ein Verbrechen aufklärt und am selben Tag sühnt. "Die Schuld", 1813 am Wiener Burgtheater uraufgeführt, war der große Durchbruch des Autors und verhalf schließlich dem ganzen Genre der Schicksalstragödie zu ungeheurer Popularität.

98 Seiten, 6.80 Euro

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