Gunnar's Heirat.

[52] Die Erzählung nimmt den unterbrochenen Faden wieder auf und wendet sich Gunnar zu, als er auf dem Alting war kurz nach seiner Heimkehr von der Vikingerfahrt. Eines Tages ging er von dem Gesetzeshügel hinab heimwärts. Er trug die Scharlachtuchkleidung, die er von König Harald Gormsohn in Dänemark empfangen hatte, und an der Hand blinkte der Goldring, das Geschenk Hakon Jarl's. Da sah er ein Weib auf sich zukommen. Sie war fein gekleidet, denn sie trug ein rothes Gewand und darüber einen Mantel von Scharlachtuch mit Goldspangen bis zum Schoß besetzt; dazu war sie schön und wohl gewachsen und hatte schweres und herrliches Haar, das ihr über die Brust herabhing. Als sie sich begegneten, grüßte sie ihn und er grüßte sie wieder und fragte nach ihrem Namen. Sie sagte, sie heiße Halgjerde und sei eine Tochter von Höskuld Dalekolsohn. Sie redete ganz frank mit ihm und bat ihn, ihr etwas von seinen Reisen zu erzählen. Er meinte, er wolle ihrem Wunsche nicht zuwider sein, und so ließen sie sich nieder und unterredeten sich. Schließlich fragte er sie, ob sie noch unvermählt sei. Sie bejahte die Frage und fügte hinzu, es seien[52] nicht viele, die um sie zu werben wagten. »Hältst Du denn niemand Deiner werth?« fragte Gunnar. »Das wohl,« entgegnete sie, »doch bin ich eigen in der Wahl meines Gatten.« »Wie würdest Du antworten, wenn ich um Dich anhielte?« fragte Gunnar weiter. »Das wirst Du nicht thun,« meinte sie. »O, doch,« versetzte Gunnar. »Sprich mit meinem Vater,« versetzte sie, und damit schlossen sie die Unterredung. Gunnar ging sogleich nach Höskuld's Hütte. Er fand dort Höskuld und Rut und wurde freundlich von ihnen empfangen; er setzte sich zwischen sie und es war an ihrer Rede nicht zu bemerken, daß sie sich vordem feindlich gegenüber gestanden hatten. Zuletzt leitete Gunnar das Gespräch darauf hin, welche Antwort die Brüder geben würden, falls er um Halgjerde anhalte. »Einwilligen würden wir,« antwortete Höskuld, »wenn es Dein Ernst ist.« »Es ist mein voller Ernst,« versetzte Gunnar, »aber das letzte Mal schieden wir so, daß mancher Mann meinen könnte, zwischen uns könnte keine Verschwägerung stattfinden.« »Was ist Deine Meinung, Rut?« fragte Höskuld. »Mir scheint,« entgegnete Rut, »daß hier alles auf beiden Seiten gleich ist.« »Wie ist das zu verstehen?« versetzte Gunnar. Rut erwiderte: »Du, Gunnar, bist ein tüchtiger Mann und brav; in Halgjerde's Brust aber wechselt Gutes mit Bösem; drum will ich Dich nicht über sie täuschen.« »Das heißt edel gehandelt,« sagte Gunnar, »doch möchte ich glauben, daß Ihr Euch noch unsrer alten Feindschaft erinnert, falls Ihr diesen Handel nicht mit mir abschließen wollt.« »So ist es in der That doch nicht,« entgegnete Rut, »wir wollen selbst Deine Freunde sein, falls Du nicht mit uns Dich verschwägerst. Doch sehe ich, daß Du es wünschest, außerdem bist Du es allein, der dabei wagt.« Nun sagte Rut ungefragt alle Eigenschaften Halgjerde's. Da meinte Gunnar wohl, daß manches anders sein könnte, allein schließlich einigten sie sich doch über den Handel. Man ließ Halgjerde rufen und die Bedingungen wurden in ihrer Gegenwart festgestellt; sie vertraute sich Gunnar selbst, und schließlich wurde abgemacht, daß die Hochzeit auf Hlidarende gefeiert werden solle. Als Gunnar vom Ting heimkam,[53] ritt er sogleich nach Bergthorshvol und verkündete Nial, was geschehen war. Nial erfreute die Kunde nicht und als Gunnar ihn fragte, warum sie ihm zuwider sei, sagte er: »Sie wird nur Böses anstiften, wenn sie hierher kommt.« »Niemals aber soll sie unsre Freundschaft stören,« entgegnete Gunnar. »Es wird aber nicht viel daran fehlen,« sprach Nial, »und oft wirst Du für sie Buße zahlen müssen.« Bald darauf feierte man die Hochzeit auf Hlidarende; es wurde aber eine doppelte Hochzeit. Unter den Gästen waren nämlich sieben Söhne von Gunnar's Großvater mütterlicherseits, Sigfus Sighvatsohn. Einer von ihnen, Thraen geheißen, war ein angesehener Mann und wohnte auf dem Hofe Grytaa in Fliotslid, nicht weit westlich von Hlidarende. Er sah dort Thorgjerde Glumstochter, die damals vierzehn Winter zählte und sehr schön war. Sogleich sagte er sich geschieden von seiner Frau Thorhilde; denn er liebte sie nicht, weil sie voller Spott und scharfzüngig war. Thorhilde mußte abziehen und Thraen hielt sogleich um Thorgjerde an; die Bedingungen wurden festgestellt und sie zog mit ihm von dem Feste heim als sein Weib und übernahm die Haushaltung auf Grytaa, wo sie eine gute Hausfrau wurde. Halgjerde aber übernahm den Haushalt auf Hlidarende und war betriebsam und thätig.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 52-54.
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