Flose Thordsohn.

[147] Als Flose auf Svinefjeld Höskuld's Tod erfuhr, wurde er tief betrübt und ergrimmt zugleich, aber er blieb ruhig dabei. Indessen entsandte er sogleich einen Boten an seinen Schwiegervater Hald und dessen Sohn Liot, sie möchten mit zahlreicher Mannschaft auf dem nächsten Ting erscheinen. Hald war ein großer Häuptling und ein sehr angesehener Mann; er wohnte auf Sida zwischen dem Markarfluß und Svinefjeld, und von seinem Sohn Liot meinte man, er würde einer der besten Häuptlinge in der Umgegend werden. Dieselbe Bitte that Flose an viele andre Häuptlinge, und sie versprachen alle zu kommen. Er selbst ritt[147] herum bei vielen in derselben Absicht. »Du bist sonst heiterer gewesen als jetzt,« äußerte ein Bauer ihm gegenüber, »aber es ist ja auch genügender Grund vorhanden, daß dem so ist.« »Freilich,« antwortete Flose, »ich würde all mein Gut hingeben, wenn das nicht geschehen wäre, was sich nun ereignet hat; eine böse Saat ist ausgesäet und böse Frucht wird daraus ersprießen.« Bei Runolf Ulfsohn auf Dal erfuhr er, daß Mörd die Sache in die Hand genommen, den Mord verkündet und Zeugen berufen habe. »Ist er zuverlässig?« fragte Flose. »Er ist mein Verwandter,« erwiderte Runolf; »wenn ich aber die Wahrheit sagen soll, so verursacht er mehr Böses als Gutes. Aber darum will ich Dich bitten, daß Du Deinen Grimm zügelst und dem Rathe folgst, der am wenigsten Unheil hervorruft. Nial selbst betrübt sich ob seines Pflegesohnes Tod so sehr wie kein andrer und wird darum gute Anerbietungen machen.« »Dann reite Du mit mir zum Ting,« entgegnete Flose, »Deine Rathschläge sollen viel bei mir gelten, falls nicht schlimmere Dinge eintreten.« Runolf versprach es, und Flose ritt nach Vorsaböj. Als Hildegunne ihn kommen sah, sprach sie: »Jetzt sollen alle meine Mannen vor der Thür stehen, wenn Flose in den Hof hineinreitet, die Frauen aber sollen das Haus bereiten, das Wohngemach zelten und einen Hochsitz für Flose bereiten.« Bei festlichen Gelegenheiten behängte man nämlich die Wände mit Teppichen, welches man zelten nannte. Darauf ritt Flose in den Hofplatz hinein. Hildegunne ging ihm entgegen und rief: »Heil und Glück Dir, Vetter, Deine Ankunft erfreut mein Herz.« »Wir wollen hier das Frühstück einnehmen,« antwortete Flose, »und dann weiterreiten.« Er trat ein in das Wohngemach und ließ sich nieder, aber das Hochsitzpolster schleuderte er von sich auf die Bank. »Ich bin weder ein König noch ein Jarl,« sagte er, »deshalb soll man mir keinen Hochsitz bereiten und nicht seinen Spott mit mir treiben.« »Wir thaten das aus gutem Willen,« versetzte Hildegunne, »und es thut mir leid, wenn es Dir mißfällt.« Flose antwortete: »Meinst Du es gut mit mir, dann wird Dein Verfahren sich selbst loben, falls es gut ist, aber sich selbst tadeln, falls etwas Böses dahinter steckt.«[148] Hildegunne lachte kalt und sagte: »Wir sind nicht bei dem Größten angelangt, das Ende ist noch nicht da, wir werden vorher noch mehr mit einander zu schaffen haben.« Darauf ließ sie sich neben ihm nieder, und sie unterredeten sich lange Zeit hindurch leise. Dann ging sie hinaus. Das Essen wurde aufgetragen, und Flose begann mit seinen Männern demselben zuzusprechen. Hildegunne trat wieder in das Gemach; sie stellte sich vor Flose hin, strich sich das Haar aus den Augen und begann zu weinen. »Du bist betrübt, Muhme,« sprach Flose zu ihr, »doch ist es recht, denn Du beweinst einen guten Mann.« »Was willst Du in dieser Sache thun?« fragte ihn Hildegunne. Flose antwortete: »Ich will sie nach Brauch und Recht vor Gericht anhängig machen oder nach guter Männer Rath einen Vergleich anbahnen, so daß es uns in jeglicher Weise zur Ehre gereicht.« »Wärest Du getödtet worden, dann wäre Höskuld zur Rache geschritten,« sagte sie. Flose versetzte: »Ich sehe, worauf Du hinauswillst; Grausamkeit hast Du genug.« »Deine Brüder erschlugen den Mann, der sich geringer gegen Deinen Vater vergangen hatte,« entgegnete sie. Darauf ging sie zu ihrer Lade, nahm Höskuld's Mantel heraus und warf ihn Flose über den Kopf, so daß das trockene, geronnene Blut ihn bedeckte. »Diesen Mantel gabst Du an Höskuld,« sprach sie, »hiermit gebe ich Dir ihn zurück, in ihm wurde Höskuld erschlagen. Und nun rufe ich Gott und alle guten Männer zu Zeugen auf, daß ich Dir auferlege, alle Wunden zu rächen, die er empfing, so wahr Du glaubst an Christi Kraft und für einen Mann gelten willst; wo nicht, so soll jedermann Dich einen Buben schelten.« »Du bist ein Teufel,« rief Flose, indem er den Mantel hinwegriß und ihn ihr ins Gesicht schleuderte; »am liebsten wäre es Dir, wenn wir da Hand anlegten, wo es uns am schlimmsten ergehen würde. Ja, rücksichtslos ist Weibersinn.« Er war dabei so erschüttert, daß sein Angesicht manchmal roth wie Blut, manchmal fahl wie Heu und manchmal blau wie Hel wurde. Von Vorsaböj ritt Flose nach Holtavad,[149] wo er mit den Sigfussöhnen zusammentreffen sollte. Diese kamen auch bald dahin zugleich mit den Männern, die sie zu begleiten pflegten. Flose fragte Ketil von Mörk, wie er in der Sache zu thun gedächte. Ketil antwortete: »Am liebsten sähe ich, wenn es zum Vergleich käme; doch habe ich geschworen, daß ich von dieser Sache nicht ablassen will, ehe sie zum Austrag gebracht ist, wie auch der Ausgang sein mag, und ich will dafür mein Leben einsetzen.« »Du bist ein braver Mann,« versetzte Flose; »es ist gut solche Männer auf seiner Seite zu haben.« Da ergriffen Grane Gunnarsohn und Gunnar Lambesohn zugleich das Wort und forderten Landesverweisung oder Mannbuße. »Es ist aber nicht sicher, daß wir allein alles nach unsren Wünschen lenken können,« meinte Flose. Grane jedoch fuhr fort: »Seitdem sie Thraen auf dem Markarfluß und darnach seinen Sohn erschlugen, habe ich mir vorgenommen, niemals einen ehrlichen Vergleich mit ihnen zu schließen; gern aber wäre ich dabei, wenn alle getödtet würden.« Flose antwortete: »Sogleich hättest Du Rache nehmen können, falls es Dir an Muth und mannhaftem Sinn nicht gebrochen hätte; das was Du jetzt begehrst, wirst Du einst schwer bereuen. Selbst wenn es uns gelänge, Nial und seine Söhne zu tödten, würde es uns gar schwer fallen, dem Unheil zu entrinnen, das daraus folgt. Viele werden ihr Gut verlieren, wenn sie Buße für dieselben entrichten sollen; und viele werden Gut und Leben einbüßen.« Jetzt kam auch Mörd herbei, und versprach Flose, mit allen seinen Männern ihm zum Ting zu folgen. Flose aber begehrte, ihn durch eine Heirat in ihrer Sippe fester an sich zu knüpfen; er wünschte, daß Mörd seine Tochter einem seiner Brudersöhne geben sollte. Mörd meinte, das würde sich machen lassen. Sie ritten zusammen zum Ting und unterredeten sich täglich, ohne daß jemand erfuhr, worüber sie sprachen. Auf dem Ting selbst bat Hald von Sida Flose nochmals, einen Vergleich und Frieden zu schließen, aber Flose wollte nichts Bestimmtes[150] zusagen. Hald fragte, wer ihm Beistand versprochen habe. Flose nannte Mörd Valgardsohn und setzte hinzu, er habe um Mörd's Tochter für seinen Brudersohn angehalten. »Das Mägdlein ist wohl ein werthvoller Besitz,« sagte Hald, »aber mit Mörd ist nicht gut zu thun zu haben, das wird Dir einleuchten, ehe das Ting beendet ist.«

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 147-151.
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