XCVI. Der gezwungene Tantz.

[191] Zu Pariß sange bey Nachtlicher Weil ein Teutscher Edelmann auff sein eigen Plaisir ein Liedgen / solches hörete ein Französischer Edelmann mit Verwunderung[191] / daß dieser so trefflich wol sange; fragte darauff nach / wer so gesungen / als er erfahren / daß es ein Teutscher er wehre / verdrosse es ihn / daß ein Teutscher ihn im Singen übertreffen solte. Schickte also gleich des andern Tages nach dem Teutschen Edelmann / und ließ ihn bitten / ihme die Ehre zu gönnen /in sein Losament zu besuchen. Der Teutsche / weil er den Frantzosen nicht kante / schlug es rund ab. Der Frantzoß ging selbst zu dem Teutschen / und baht ihn mit grosser Ehr-erbietung auff sein Losament / also daß sich der Teutsche bereden ließ / und mit ihm hinginge. Der Frantzoß tractirte ihn im Anfang sehr köstlich / nach langem Gespräch fragte er ihn / ob er gestern des Nachtes an jenem Orth nicht ein Liedgen gesungen? Als der Teutsche es bejahete / bahte er ihn /ob er dasselbe ihm zugefallen nicht einmahl singen wolte / dann er sich sehr darin verliebet. Der Teutsche sange und zwar zum öfftermahl / weil der Frantzoß (wenn er auffhörte) ihn immer wieder bahte / im Singen fortzufahren; Endlich verdrosse es den Teutschen / sagend: Er könte nicht immer singen; und er wüste nicht wie er dieß verstehen solte. Der Frantzoß / als der nur Action an ihn suchte / sagte / er solte singen oder es würde nicht gut werden: Der Teutsche wolte sich zu fernerem Singen nicht zwingen lassen; Darauf kriegte der Fantzoß einen starcken Prügel (den er schon zuvor zurecht gesetzet) und prügelte den Teutschen wack er auff seinem Losament ab / und ließ ihn hernach gehen. Der Teutsche seinen Schimpf zu revangiren / ließ ihn des andern Tages fodern / ginge gleich auch zu erst hinauß / zoge sich auß / schluge seinen Mantel umb sich / und verbergete eine Mousqueton darunter / und erwartete also des Frantzosen. Der Frantzoß erschiene alsbald / zohe sich auch gleich auß / und ging wolgemuhtet auf den Teutschen loß. Der Teutsche[192] warff seinen Mantel von sich / und schluge seine Mußqueten an / und rieffe Frantzoß tantze / oder ich schiesse. Dieser erschrackte und sagte / dieß ist ja keine Manier. Der Teutsche: Hastu dich in mein Singen verliebt / so hab ich mich jetzt in dein Tantzen verliebt. Rieffe drauf wieder / tantze oder der Teuffel hole mich / ich schieße dich daß dir der Rauch darnach gehet. Der Frantzoß voller Schrecken mußte tantzen / und wann er aufhören wolte / rieff er wieder / tantze forth / und schneide Capriolen /oder ich schiesse. Ließ also den Frantzosen tantzen /biß er gantz müde war / da warff er seine Mousqueton von sich / grieff zum Degen / und ging auff den Frantzosen loß. Der Frantzoß vom Tantzen ermüdet / konte sich vor dem Teutschen nicht recht defendiren. Der Teutsche dieses merckend / lieffe dem Frantzosen ein / kriegte ihn bey dem Kopff / schmiß ihn zur Erden /prügelte mit dem Degen ihn wacker ab / und trate ihn mit Füssen / sagend: Deine an mir begangene Manier ist nun mit dieser meiner Manier sattsam vergolten. Hiermit ging er davon / und sagte: Nimm so mit fürlieb / Frantzoß!

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 191-193.
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