211.

[67] Der Marschall von Turenne begegnete einem Grafen in einer engen straffe zu Pariß. Weil nun beyde carossen hart an einander stiessen / entrüstete sich der Graf dermassen / daß er in voller furie heraus sprang / und des Marschalls leute mit dem spanischen rohr tapffer prügelte / welches aber dieser / ohne einiges wortsprechen mit der grösten gelassenheit ansahe. Als aber der Graf nach hause kam / und / nach verkühlung der rasenden hitze des zornes / bey sich selbsten bedachte /daß er durch sein unbesonnenes verfahren einen der grösten leute in Franckreich beleidiget / verfügte er sich folgenden tages in des Marschalls von Turenne Quartier / und wuste nicht / wie er sich genugsam vor demselben demüthigen / noch vielweniger / mit was vor worten er seinen groben fehler entschuldigen solte. Turenne hingegen ließ nicht das geringste merckmal des widerwillens[67] von sich spüren / sondern sagte mit kaltsinnigen geberden zu dem Grafen: Mein herr / es braucht keiner entschuldigung / sondern ich bin euch im gegentheil höchlich verbunden; Es ist wahr / ich habe recht ungezogene leute /darum bitte ich euch / straffet sie doch allemahl /wenn ihr wiederum etwas an ihnen sehet / das unrecht gethan ist. Solcher gestalt tractirte Turenne den Grafen nicht anders / als einen hofmeister über sein gesinde / welche verachtung demselben empfindlicher war / als alles andere / wormit sich jener der beleidigung wegen hätte rächen können.

Quelle:
Das Buch der Weisen und Narren oder kluge und einfältige reden und tworten, welche von leuten aus allerhand nationen bey verschiedenen begebenheiten entweder im ernst oder aus schertz vorgebracht worden. Leipzig 1705, S. 67-68.
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