509.

[192] Alldieweil die Vice-Könige zu Neapolis alle jahre auf das fest der erscheinung gewisse begnadigungen zu erzeigen pflegen / so verfügete sich der offtgedachte Hertzog von Ossuna unter andern auch A. 1619 auf die galeere S. Catharinä / und fieng auf der ersten ruder-banck an / die sclaven zu examiniren / unter welchen die fünff fördersten mit beweglichen worten schrien / daß sie unschuldig wären. Nachdem aber der sechste sahe / daß der Vice-Re nicht das allergeringste absehen hierauf machte / so sagte er / als die reihe zu reden an ihn kam: Er sey der leichtfertigste vogel /den Neapolis iemals beschauet / dahero er die gelindigkeit des Königlichen gerichts nicht genugsam preisen könte / als welches ihn an statt des todes / den er unzehlig mahl verdienet / nur allein mit der galeere bestraffet. Als nun der[192] Vice-Re diesen arglistigen bösewicht genugsam betrachtet hatte / befahl er: Man solte ihn alsbald von den ketten loß machen / u. hinweg jagen / weil ein solches räudiges schaaf die andern gesunden allesamt anstecken könte; zumalen es auch unbillig wäre / daß man einen solchen lotterbuben unter so vielen ehrlichen leuten / wovor sie sich selbst ausgäben / lassen solte. Hierauf schickete er ihn mit ungefehr zehn kronen zur kleidung nach hause /gab ihm eine vermahnung / ins künfftige frömmer zu werden / und sagte zu den übrigen: Ist es nicht wahr / meine söhne / ich habe euch eine grosse genade erwiesen / daß ich euch den gottlosen menschen vom halse geschafft / welcher eure unschuld hätte verführen können? Zwey tage hernach begab er sich auf die galere S. Caroli / allwo die sclaven bereits von der glücklichen befreyung ihres cameradens nachricht erhalten; Dahero sie ebenfalls nicht besser loß zu kommen vermeyneten / als wenn sie sich vor die ärgsten missethäter ausschrien / welche galgen und rad verdienet hätten. Allein sie fanden sich in ihrer meynung sehr betrogen / als der Vice-Re befehl ertheilete: Daß / weil die verbrecher allhier in so grosser anzahl wären / solte man sie desto härter anfesseln /damit nicht / wenn sie sich etwan loß macheten /das gantze Königreich[193] mit ihren buben-stücken angesteckt würde. Hiermit gieng er heraus / und ertheilete nur allein einem Augustiner-Münche die freyheit / denn dieser bekennete seine begangene missethat gantz offenhertzig / und fügte hinzu: Er hielte die gefangenschafft auf der galeer vor weit erträglicher / als im kloster. Worauf der Vice-Re zur antwort gab: Ich sehe wohl / daß dein verbrechen eine grössere züchtigung verdienet: Drum solt du der ketten entbunden / und wieder in dein kloster geschickt werden.

Quelle:
Das Buch der Weisen und Narren oder kluge und einfältige reden und tworten, welche von leuten aus allerhand nationen bey verschiedenen begebenheiten entweder im ernst oder aus schertz vorgebracht worden. Leipzig 1705, S. 192-194.
Lizenz:
Kategorien: