Sechste Szene.

[59] Vorige. Toni erscheint und legt sich ins Fenster.


TONI. Grüß Gott, Vroni!

VRONI erschrickt und wendet sich nach dem Fenster. Toni?! Herrgott, bin ich jetzt erschrocken! Was willst denn du da? Ich versteh nit, wie dich noch hertrau'n kannst zu mir.

TONI. Ich wart schon auf dich, seit dämmerig is word'n! Du bist heut fruh in Trutz von mir gangen, dös taugt mir nit. Mußt mich anhör'n. Hebt den einen Fuß zum Fenster herein.

VRONI. Bleib du draußt! Ich hab dir nix z' sagen und von dir a nix anz'hör'n. Zwischen uns zwa is's aus, denk ich, und 's G'scheiteste wird sein, 's geht jedes sein' eignen Weg.

TONI. Du könntest nit so gleichgültig sein, hätt'st mich auch nur a Tipferl gern g'habt.

VRONI. Du hast's not, daß d' über mich klagst, du ließ'st dir ja a kein andere an Hals werfen, wann dir mit mir Ernst g'wesen wär.[59]

TONI. Schau, ich muß 'm Vater folgen.

VRONI. Wohl! Ich hab nix dageg'n, bin keiner neidig, die dich kriegt, vergönn dich einer jeden und verlang nur, daß d' jetzt gehst und mich a künftig in Ruh laßt.

TONI. Das hoaßt, ich bin für dich so gut wie a Jud, vor dem d' ausspuckst!

VRONI. Ach beileib', ich spuck vor kein' Juden aus!

TONI. So wär ich noch schlechter in dein' Augen wie a Jud'?! Führst schöne Reden! Wie ich sag, so könnt'st nit sein gegen mich, wann dir früher mit der Lieb' Ernst g'wesen wär!

VRONI. Streifst allweil da rum wie d' Katz' an alt' Weiberkittel?! Steht dir b'sonders gut an. Wunderst dich wohl gar, daß ich mir, weil's so kämma is, nit 'n Kopf drüber abreiß?! Du bist ja a nit in d' Fraiß g'fall'n, wie's g'heißen hat, du sollst die Crescenz nehmen.

TONI kommt vor. Schau, Vroni, 's is ja aber noch nit verbrieft und versiegelt, das mit der Crescenz – wer weiß, wird noch was draus! Laß dir nur sagen, was die Crescenz für eine is, du kannst dir gar nit denken, was die für Mucken hat und wie hochfährig als s' is, weil du nie so sein könnt'st wie die! Wenn man s' neben dich halt't, verliert s' in allen Stucken; mein Gott, die Crescenz is a arm's Waiserl gegen dich.

VRONI. Glaub doch nit, daß i so dumm bin wie oft andre Weibsleut', wo drei, vier zu ein' halten – wann er nur allmal bei jeder die andre orndlich schlecht macht und heruntersetzt; und 's is der ganze Kerl oft nit eine davon wert, obwohl die selber nit von die besten sein.

TONI. Bin ich denn a so wie dö, von die du sagst, die's mit mehr Weibsleut' halten? Was frag ich nach alle andern, dich möcht ich nur nit verlier'n. Wann d' Crescenz ihre Mucken hätt und mich am End' doch nit nähm, hätt ich nix als 's leere Nachschau'n. Und wenn ich's nehmen muß, wie b'schlossen is von dö zwa alten Dickschädeln, wo d' ja weißt, es laßt keiner mit sich reden, und ich sollt dich nimmer sehn, wär[60] wenig Freud' für mich auf der Welt, dich bin ich g'wohnt, du bist mein Schatz – könntst du's nit bleib'n? Müßten uns halt drein schicken ... Dein' Mutter hat's auch mit 'm Bauern g'halten.

VRONI. Der war ledig.

TONI. Wohl, hat's aber doch allmal mit der doppelt und dreifach Schnur g'halten. Wir sein alle auf der Welt, wie wir sein können, nit anderscht, und dir wurden d' Leut a weiter nix nachsag'n, als daß du deiner Eltern Kind bist und ihr lustig Blut nit verleugnen kannst.

VRONI überlegen. No, wenn ich meine Gedanken auch von meine Eltern hab – und hätten die a zehnmal lustig' Blut g'habt – so müssen s' doch rare Leut' g'wesen sein, die sich nur zu rechte Leut' g'halten hab'n, denn ich denk mir grad, daß's mir recht lieb is, so ein' Lumpen, wie du bist, auf gute Art los z' sein. Ich war a jung', dumm' Ding, wie ich dich hab kenneng'lernt. – Du hast mir g'fall'n, in die Jahr' g'fallt ein'm leicht einer und glaubt man, was wie a Mann ausschaut, müßt a einer sein, du hast a alles Gute, Liebe und Schöne versprochen, weil ich dir in die Augen g'stochen hab, und das wird dir a kein Bub im ganzen Kirchspiel verdenkt haben. Wärst a wengerl was von ein' Mann g'wesen, hätt'st mir doch ehrlich sagen können: »Aus is's!« Wann mir a 's Herz anfangs schwer g'wesen wär drüber, an dein Hochzeittag hätt ich dir nix verdorb'n und wär'n mir bis dahin Herz und Füß' g'wiß wieder leicht g'wesen, ich hätt mir denkt: Hat halt nit sein soll'n, und du wärst allmal in meine Aug'n, wann a a unrechter Liebhaber, doch a ehrlicher Mann blieb'n. So hast du dein Wort nit g'halten und a nit z'ruckg'nommen und hinterm Rucken von zwei Weibsleut' dir austipfelt, was allzwei mit a wenig Ehr im Leib nur kränken kann. Die reich' Bäurin, ah, die is dir schon recht kämma, und die arm' Dirn, die so lang mit dir geht, hast g'meint, die kann nit anderst als weiter fortzotteln auf dem Weg, wohin dir recht wär! Nein, Lumperl, so tun wir nit! – Wär ich[61] dazu aufg'legt, so könnt ich dir ganz andre G'schichten derzählen; Leicht, wie ich morgen schatzgraben geh, oder von Wechselbälg', wo in der Wieg'n vertauscht werd'n, weißt, und sein später auf amal einer, was der andere hätt sein soll'n, und wie sich da einer leicht vergreift, glaubt, er hat schon die reich' Bäurin, dieweil wird die ein arm' Dirndl, und mit der arm' Dirn, wo er meint, is recht pfiffig, daß er s' verlaßt, hat er die reich' Bäurin ausg'schlag'n! Aber eben die arm' Dirn, die du von der Großmutter abg'red't hast, daß d' s' leichter jahrelang rumzieh'n kannst, die is die Jahr her älter, und trotzdem sie allweil um dich war, doch auch g'scheiter word'n; hitzt, wo ich wieder frei bin, müßt wohl a andrer kämma, a rechter Mann, dem ich »ja« saget! So, und hitzt hab'n mir ausg'red't miteinander, gar is's und aus is's, und jetzt marschier naus, wo d' rein kämma bist!

TONI geht etwas zurück. Du redst dich nit schlecht aus! – Kleine Pause. Du, Vroni – hörst?

VRONI ungeduldig. Ich hab g'red't!

TONI näher rückend. Ich weiß was! –

VRONI. Wann du nit gutwillig gehst –

TONI. Tu du noch so wild – lieber als der rechte Mann, was erst kämma soll, is dir doch – der Bub am Fleck!

VRONI stößt ihn zurück. Lump! Jetzt hast Zeit!


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Der Meineidbauer. Stuttgart 1959, S. 59-62.
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