[257] Frau Xandl und Thomas, nur ab und zu im Hintergrunde einzelne Spaziergänger.
FRAU XANDL. Na, für den Fratzen is's a Glück, daß er nit mein g'hört.
THOMAS. Er wird sich's a nit verlangen.
FRAU XANDL steht auf. Was sag'n S'?
THOMAS. Nix. Ich hab' nur denkt, Sö hätten gar nit 's Geld, herz'schaffen, was dös Kind zerbrechen muß, daß ihm leicht g'schieht, und da g'schähert Ihnen doch hart; denn Frau Xandl, wann S' a a bös's Maul haben, so kennt man doch Ihr gut's Herz.
FRAU XANDL geht zu ihm hinüber. Das können Sö wohl sagen, Herr Thomas, das wissen Sö am besten.
THOMAS. Freilich, freilich, und ich komm' auch heuer wieder zu Ihnen, wie alle Jahr'! Sie wissen schon. Er nimmt hinter dem Schragen eine Muffschachtel und ein Paket hervor. Schaun S', was ich dösmal einkauft hab' für mein' alte Frau. Oeffnet die Schachtel. Ein Muff. Sie friert in die Hand' und der alte Stutzen geht schon schön langsam auf Fransen Hat das Paket geöffnet. und an' Kapüschon. Ganz lieb wird da zwischen dö Rüscherln das G'sicht von dem alten Weiberl hervor gucken. Was?
FRAU XANDL. Ja, ja. Und das soll die Xandl wieder hintrag'n und sag'n: dös schickt der Herr Doktor aus der Stadt mit einer schönen Empfehlung, d'Frau Mutter möcht' mit der[258] Kleinigkeit vorlieb nehmen und er ließ glückliche Fei'tag wünschen?
THOMAS. Bravo, auf Tipferl hab'n Sie's b'halten!
FRAU XANDL. Nein, net werd' ich mir's d'ermerken, wo ich's leicht schon a fufzehn Jahr' her aufsag'? Wird Ihnen der G'spa noch net öd'?
THOMAS. Nein, nein, Frau Xandl, es macht ja meiner Mutter a Freud'!
FRAU XANDL. No, Erkenntlichkeit hab'n S' von ihr kane dafür.
THOMAS. Mein Gott, soll s' mir etwa noch erkenntlich sein, wann ich der Halunk' bin und lass' s' alle Jahre anlüg'n?!
FRAU XANDL. So redet ich halt amal dö Wahrheit! Aber Sö schenken ihr absichtlich 's Patschetste Zeug, daß nur ja die angeblichen Präsenten von dem Herrn Brudern a Ehr aufheb'n und dann wird der a g'lobt über 'n grean Klee.
THOMAS. Richtig.
FRAU XANDL. Ah, d'r Teixel, das is nit richtig, wo a Ung'rechtigkeit dabei is! Ich ließ' mich nit' h'rabfetzen gegen ein' Menschen, der seine Familie verleugnet.
THOMAS. Er hat uns noch ka Schand' g'macht'. Daß er, seit er vornehm 'word'n is, nix mehr von uns wissen will, hat mich anfangs wohl g'krallt, aber ich hab' der Mutter eing'red't, daß er sich z' Haus in besserer Gesellschaft beweget.[259]
FRAU XANDL. D' bessere ist nit allmal a gute.
THOMAS. In der wir uns nit bewegen könnten. –
FRAU XANDL. Beweg'n wurd' mer sich nit können.
THOMAS. Beweg'n? Beweg'n kann sich jedes Vieh, dem kein Bein fehlt! Ich hab' meiner Mutter gesagt, zum Hingeh'n fehlt uns der Schliff und zum Kommen ihm dö Zeit, und über das einzige, worüber sie sich hätt' hinunterkränken können, daß er aber a gar kein bissel an sie denkt Befriedigt lächelnd. über das hab' ich sie noch alle Jahre getauscht. Ich weiß, ich hätt 'n Brudern nur schreiben dürfen, er wurd' auch so dergleichen gethan haben, da 's aber nur aus seiner Taschen und nit aus sein'm Herzen kommen war', so bin ich ihm nie drauf ang'standen.
FRAU XANDL. Da gib ich Ihnen recht.
THOMAS. Sehn S', meine liebe Frau Xandl, mich hat mein' alte Frau a gern, aber 'n Bruder hat s' lieber und wurd' 'n lieber hab'n, wie weh er ihr thät; wozu sollt' ich ihr 'n Glauben an ihn nehmen? Hätt' ich was davon, wann sie sich etwa meinetweg'n Vorwürf' machet? Es is halt a eigne Sach'! Wie er auf d'Welt kommen is, sein meine Leut' noch jung g'west, er war Freud' und Segen im Haus, ich hab' mir danach zehn Jahr' eit'lassen, da hab'n d'Eltern nimmer das Ohr g'habt, das nur das Engerl in der Wiegen singen hört, sondern sie hab'n alle Engeln singen gehört und ich war nur lag' und Sorg'! Nit lang' drauf is der Vater g'storben und so konnt' a auf mich nit das verwend't werd'n, wie auf 'n Brudern, und so war der als kleiner der Mutter ihr Nesthockerl, als Student ihr Stolz[260] und heut weiß sie ihn als angesehenen Mann, der, wie sie meint, trotz ihm die Leut' d'Thür einrennen und d'G'schäften ihm über 'n Kopf wachsen, doch kein Weihnachten auf sein Mütterl vergißt. So is er heut noch ihre Freud' und Stolz und mit ihm, den s' nie z' G'sicht kriegt, hat s' auch kein' Aerger, der ihr mit mir, wo mer unter ein'm Dach z'samm'leben, nit erspart bleibt, und wann sie sich über mich recht gift', so tröst't sie sich mit 'm andern. Warum soll ich ihr das nit vergönnen?
FRAU XANDL. Sö sein a braver Sohn, Herr Thomas. Wissen S' auch, was mer von dö braven Söhn' sagt?
THOMAS. Nein!
FRAU XANDL. Daß s' gute Eh'männer abgeb'n.
THOMAS. So! Beiseite. Mir scheint, die will mir »Am Hof« 'n Hof machen, aber auf d' »Freiung« bringt s' mich nit, da bieg' ich gleich in d'Renngassen ab.
FRAU XANDL. Wenn ich dran denket, mich wieder z' verheiraten – mein erster war a paar Jahr älter – jetzt nähmet ich nur ein' Jüngern. Wann a Mann merkt, daß mer 'n gern hat, so soll er's auch d'erkennen und sich von a paar Jahrl mehr nit abschrecken lassen. Es paßt sich auch viel besser, zu ein'm älteren eine jüngere und zu ein'm jüngeren a ältere Person. Hab' ich nit recht?
THOMAS. Aber g'wiß, Frau Xandl, für Ihre Person.
FRAU XANDL. Na und für a andre eppa nachher net? Stößt ihn mit dem Ellbogen in die Seite. Gengen S' zu![261]
THOMAS. Is a 's G'scheiteste. Grad fallt mir ein, wozu mer eigentlich noch dastehen? In dö G'schäften is a völliger Stillstand eingetreten. Ich pack' ein. Er faßt die Kiste, die unter den Schragen steht, an.
FRAU XANDL. Ich hilf Ihnen. Sie faßt bei dem Eisengriffe auf der andern Seite zu.
THOMAS. Sie sein zu freundlich, Frau Xandl. Beide rücken die Kiste vor.
FRAU XANDL. Wann ich denk', mir hätten da miteinander ein Standl, das stell' ich mir so viel gemütlich vor.
THOMAS. Lassen S' nach!
FRAU XANDL. Was?
THOMAS. An Ihnern End' setzen S' ab, mein' ich, wir kommen sonst z' weit.
FRAU XANDL. No, da gib ich Ihnen mein' Kramaschi a gleich h'nüber.
Sie geht nach ihrem Stande.
THOMAS schlägt den Deckel der Kiste zurück, so daß derselbe nach vorne aufsteht und ihn vor den Blicken der später Auftretenden deckt. Geb'n S' nur her, Frau Xandl, ich will schon drauf schauen; durch mich soll'n S' kein' Schaden nehmen.
FRAU XANDL sammelt die vergoldeten Nüsse und Aepfel in ein »Schwingerl« und legt die leichtere Ware, Schleifen, Sterne und Rauschgold etc. darauf; seufzend. Mein lieber Herr Thomas, das is a nur so a Maulmacherei von Ihnen! Aber schon solang Ihre Frau Mutter lebt, denken Sie an kein Veränderung.[262]
THOMAS. Nein – da haben S' recht, Frau Xandl!
FRAU XANDL. No, und a Schwiegertochter hätt' mit derer alten Frau a a schwer's Auskommen.
THOMAS. No ja, eb'n sehn S'!
FRAU XANDL. Ich ließ' mir's schon net g'fall'n, daß mer mein' Mann weg'n dein Herrn Stadt-Doktor- Sohn h'runtermacht.
THOMAS. Begreif' ich, ganz natürlich, müssen S' Ihnen a nit.
FRAU XANDL. Wann S' aber amal allani stunden, Herr Thomas, da wurd' ich schier mit Ihnen Ernst machen.
THOMAS für sich. Du lieber Gott, erhalt mer mein' Mutter noch lang beim Leb'n!
FRAU XANDL hat den Stuhl, auf dem sie gesessen, auf den Schragen gestürzt und kommt nun mit dem »Schwingerl« herüber zu Thomas. Ich werd' jetzt ins Café gehn, mein G'schlader trinken. Kommen S' nach, wann S' mit 'n Einräumen fertig sein. Sie nimmt die Muffschachtel und das Paket an sich. Das nimm ich mit und werd's halt morgen der Frau Mutter hintragen, obwohl Sie's nit um mich verdient hätten, weil S' Ihnen anstellen, als ob S' meine Anspielungen gar nit versteheten.
THOMAS. So, hab'n Sie angespielt? Für sich. Jetzt wann die erst deutlich wurd'!?[263]
FRAU XANDL sich abwendend. Na, jetzt pfirt Ihnen aber Gott! Sie geht ein paar Schritte. Uebrigens, mein lieber Herr Thomas, lassen Sie's gut sein, ich versteh' meine Leut' zu behandeln, und hätt' ich nur öfter Gelegenheit, mit Ihnen bei'nand' z' sein, – wann etwa so alle Wochen Weihnacht war' wer weiß, wie weit wir schon miteinander wären!? Ab nach dem Hintergrunde.
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