Ein neu Klaglied eines alten deutschen Kriegsknechts wider die greuliche und unerhörte Kleidung der Pluderhosen in des Penzenauers Ton. 1555

[160] Was soll ich aber singen,

Ein wunderbar Geschicht;

Das Herz möcht dem zerspringen,

Ders nur einmal ansicht.

Was man doch hat erfunden

Alldort in jenem Land,

Sieht man zu allen Stunden

Ein großes Uebel und Schand.

Es hat die Welt gestanden,

Mehr als fünftausend Jahr,

Ist solche große Schande

Aufkommen nie fürwahr;

Daß man die Gottesgaben

Also mißbrauchen soll,

Das wird kein Mensch nicht loben,

Und ihnen sprechen wohl.

Und wer denn nun will wissen,

Was doch erfunden sey,

Die Kriegsleut sind beflissen

Auf solche Buberey;

Sie lassen Hosen machen,

In einem Ueberzug,

Der hängt bis auf die Knochen,

Ist doch noch nicht genug.

Ein Latz muß seyn darneben,

Wohl eines Kalbskopfs groß;[160]

Karteken drunter schweben,

Seiden ohn alle Maaß.

Kein Geld wird da gesparet,

Und sollt man betteln gehn;

Damit wird offenbaret

Wer ihnen giebt den Lohn.

Da gehen sie einher waten,

Gleich als der Teufel recht;

Und schören sie sich ein Platten,

Sie wären seine Knecht.

Auch hangen dran die Zotten

Einer halben Elle lang.

Thut man dann ihrer spotten,

So hebens an ein Zank,

Und wollen da verfechten

Die ungeheuer Gestalt,

Als hätten sies zu rechten,

Und stünd in ihrer Gewalt.

Nach Gott thun sie nicht fragen,

Wies ihm gefallen werd;

Was er dazu wird sagen,

Ist ihnen ohn alles Gefärd.

Und wär es ihnen befohlen,

Sie thätens nimmermehr!

Sollt man den Teufel mahlen,

Mit seinem ganzen Heer,

Aerger könnt mans nicht machen,

Als mit ein solch Gestalt;

Doch sind sie freye Hachen,

Wer wills ihnen wehren bald.

Sie meinen, wenn sie tragen

Ein solch Gesperr am Bein;

So darf sie niemand schlagen,[161]

Kriegsleut sind sie allein.

Da doch wird oft gefunden

Ein solch verzagtes Herz,

So man ihn wollt verwunden,

Er gäb die Flucht ohn Scherz.

Nun wollt ich doch gern sehen,

Wie ers wollt greifen an;

Wenn sollt ein Sturm geschehen,

Als ich gesehen han.

Zu laufen noch zu steigen,

Kann man ihn brauchen nicht;

Vom Waten will ich schweigen,

Wie denn da oft geschicht.

Da steht er wie ein Lüllen,

In seim zerhackten Kleid;

Wie will er doch erfüllen

Seinen geschwornen Eyd?

Er kann sich selbst nicht schützen,

Wenn Laufen nöthig wär;

Bleibts Herz in Hosen sitzen,

Sein Herz muß halten her.

Kein Türk, kein Heid, kein Tartar

Solch Unflat je erfind.

Davon sonst ein Hausvater

Gekleidet Weib und Kind,

Das muß jezt einer haben

Zu einem paar Hosen gar;

Doch sind sie freye Knaben,

Truz wers ihnen wehren darf.

Sechs Ellen lündisch Gewande

Wird einem begnügen kaum;

Ist das nicht große Schande,

Darunter hat sie Raum.[162]

Wohl neun und neunzig Ellen

Karteken muß er han;

Dann sind sie freye Gesellen,

Und stehen für einen Mann.

Es tragens auch Studenten,

Von den man lernen soll;

Sie sollten seyn Regenten,

Exempel geben wohl.

Ihre christlichen Lehren

Findens nicht in der Schrift;

Sie solltens andern wehren,

So sind sie selbst vergift.

Schickt man sie auf die Schulen

Mit groß Unkosten frey;

Sie lernen saufen und buhlen,

Das muß auch seyn dabey.

Ein solch paar Pluderhosen,

Dann sind sie Doktor schon;

Weils tragen die Franzosen,

Drum lassens nicht davon.

Dazu die Handwerksgesellen,

Die kaum das Badgeld hand;

Doch Hosen tragen wöllen,

Und kostet es ein Land.

Was sie durchs Jahr erkratzen,

Das tragen sie daran;

Dann sind sie freye Fratzen,

Wann sie solch Hosen han.

Wann sie dann unser Herrgott

Angreift mit Krankheit schwer,

So haben sie kein Vorrath,

Spital muß halten her,

Die großen Pluderhosen,[163]

Haben das Geld verzehrt;

In leeren Beutel blasen,

Wird manchen dann gelehrt.

Ein Beyspiel thun sie geben,

Mit ihren Hosen recht;

Das ihnen gleich woll leben

Schinder und Henkersknecht.

Die tragen auch solch Hosen,

Wann sie jagen die Hund;

Und fluchen wie Franzosen,

So sind sie gleich im Bund.

Noch eins das ist geschehen,

Das ich euch melden muß;

Ich hab es selbst gesehen,

Hosen bis übern Fuß.

Die Seiden, die muß lappen,

Wohl hinten nach ers schleppt;

Dazu ein kurze Kappen,

Die ihm den Latz nicht deckt.

Vor Zeiten macht man Röcke,

Daß man den Latz bedeckt;

Jetzund so muß er blecken,

Auch sind daran gesteckt

Viel Farben mancherleyen,

Die sind daran gestickt;

Man möchte sie anspeien,

Wenn man sie nur erblickt.

Es haben unsre Alten

Die Kleider drum gemacht,

Daß sie sich vor dem Kalten

Beschirmten Tag und Nacht,

So geben diese Kleider

Doch weder kalt noch warm,[164]

Groß Straf die fürcht ich leider

Für uns, daß Gott erbarm!

Wie kann Gott Glück doch geben,

Dem deutschen Kriegesheer;

Da sie so schändlich streben

Wider sein Lob und Ehr.

Niemand soll Wunder nehmen,

Daß der Türk nimmt überhand;

Wir sollten uns doch schämen

Vor jedem andern Land.

Der Teufel mag wohl lachen

Zu solchem Affenspiel;

Ihm gefallen wohl die Sachen.

Fleißig ers fördern will,

Seinem Rath folgen sie nach;

Bis er bezahlt ihr Thaten,

Reu ist zu spät hernach.

Dies Laster thut verklagen

Ein alter Landsknecht gut;

Der hat all seine Tage

Gehabt ein Löwenmuth.

Sein Leib thät er nicht sparen,

In deutsch und welschem Land;

Doch hat er nie erfahren

Von Deutschen größre Schand.

Drum er dies Liedlein sange,

Und wundert sich so sehr;

Ihm ward darob auch bange,

Wo doch herkommen wär

Ein solch greuliche Trachte

Wider alle Billigkeit;

Wer sie doch wohl erdachte,

Ist Gott im Himmel leid.[165]

Ihr Fürsten und ihr Herrn

Laßt's euch zu Herzen gehn;

Thut diesem Laster wehren,

Heißt sie davon abstehn.

Denn Gott wills an euch rächen,

Er gab euch die Gewalt;

Thut ihren Willen brechen,

Denn Gottes Straf kommt bald.

O Gott thu du drein sehen,

Verzeih uns unsre Sünd;

Und laß uns nicht geschehen,

Den Sündern trag Erbarmen

Ueber ihre Hosen weit,

Und hilf zuletzt uns Armen

In die ewige Seligkeit,

Amen.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 3, Stuttgart u.a. 1979, S. 160-166.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Des Knaben Wunderhorn
Ludwig Achim's von Arnim sämtliche Werke: Band XVII. Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, gesammelt von L. A. v. Arnim und Clemens Brentano. Band 3
Sämmtliche Werke, Neue Ausgabe. Herausgegeben von Bettina von Arnim und Wilhelm Grimm. Band 06: Des Knaben Wunderhorn I und II. - Reprint der Ausgabe von 1857
Des Knaben Wunderhorn Band 2
Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, gesammelt von L.A.v. Arnim und Cl. Brentano. Neu bearbeitet von Anton Birlinger und Wilhelm Crecelius; ... in Holz geschnitten von C.G. Specht: Band. 1
Ludwig Achim's Von Arnim Sämmtliche Werke: Des Knaben Wunderhorn. T. 3 (German Edition)

Buchempfehlung

Jean Paul

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Als »Komischer Anhang« 1801 seinem Roman »Titan« beigegeben, beschreibt Jean Paul die vierzehn Fahrten seines Luftschiffers Giannozzos, die er mit folgenden Worten einleitet: »Trefft ihr einen Schwarzkopf in grünem Mantel einmal auf der Erde, und zwar so, daß er den Hals gebrochen: so tragt ihn in eure Kirchenbücher unter dem Namen Giannozzo ein; und gebt dieses Luft-Schiffs-Journal von ihm unter dem Titel ›Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten‹ heraus.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon