38. Wie Eulenspiegel gute Räthe gibt, die aber übel ausschlagen.

[100] Als Eulenspiegel eines Tages über Land ging, holte er mehrere wandernde Bursche ein, die des Weges waren; und er gesellte sich sogleich zu ihnen, und belustigte sie mit seinen sinnreichen Einfällen und schalkhaften Schwänken. Nach einer Strecke wollten sie zukehren, und einen Imbiß einnehmen in einem Wirthshause. Da trat ein junger Geselle zu ihm, der zum ersten Male seiner Mutter Nest verlassen hatte, und er redete ihn an, sprechend: Meister, nach Euren Reden dünkt Ihr mir ein kluger Mann zu sein. So seid denn so gut, und rathet mir, wie ich es anzufangen habe in Reden und Geberden, daß ich nicht die Zeche zu theuer zu bezahlen habe; denn ich bin arm und noch jung und unerfahren. Da sagte Eulenspiegel: Du darfst nur den Wirth loben, sammt allem, was er aufsetzt. Das that denn der Geselle in reichlichem Maße; und, indem sie zusammen aßen und tranken, sprach er ganz laut, daß es der Wirth wol hören mochte: Wie ist dies Brod so schmackhaft! und wie ist dieses Bier so köstlich! Das nenne ich mir einmal ein Wirthshaus. Der Wirth hatte drob Gefallen; und als der Geselle die Zeche zuletzt bezahlen wollte, erhielt er den guten Groschen wieder zurück, und noch einen schlechten dazu. Aber draußen vor dem Wirthshaus schalten und tadelten ihn die Kameraden wegen der Lobreden, die er dem Wirthe gemacht, und sie sagten:[100] man solle vor den Wirthen auch das Beste nicht gut nennen; und einer gab ihm eine derbe Kopfnuß zum Gedenken, damit er in Zukunft klüger sei in Reden. – Um Mittag, ehe sie wieder zukehrten, wendete sich der gute Geselle wieder an Eulenspiegel, und sprach: Meister, Euer Rath ist mir schlecht bekommen; gebt mir einen andern und bessern. Da sagte Eulenspiegel: So magst du denn lieber den Wirth tadeln, sammt dem, was er aufsetzt. Das that denn der einfältige Geselle; und, als die Suppe kam, sprach er laut, daß es der Wirth hören konnte: Wie ist diese Suppe versalzen und überständig! Und als das Fleisch aufgesetzt wurde, hielt er sich die Nase zu, und sagte: Pfui! wie ist das Fleisch übelrüchig. Da sind wir in ein schönes Wirthshaus gerathen! Diese Reden gefielen den Kameraden; aber der Wirth machte ein böses Gesicht und sagte: Wenn dir mein Essen nicht schmeckt, so such' dir's anderswo. Und er zeigte ihm das Loch, das der Zimmermann gemacht hat. So mußte er denn ungegessen abziehen. Die Kameraden aber, als sie nachgekommen, lobten ihn wegen seines Muthes; aber sein Magen wurde davon nicht satt. – Des Abends, wie sie wieder in einem Wirthshause zukehren und da übernachten wollten, ging der Geselle wieder den Eulenspiegel an, und sprach: Meister, Euer Rath hat zu zweien Malen links ausgeschlagen, so wollet mir doch endlich den rechten Rath geben. Da sagte Eulenspiegel: Was ist da weiter zu rathen? Weil denn weder Loben noch Tadeln frommet bei den Leuten, so wird es wol am besten sein, gar zu schweigen. Das nahm jener sich auch vor, und hielt darauf fest. Als ihnen nun der Wirth, bei dem sie eingekehrt, Käse aufsetzte, und sie davon kosteten, fragte ihn der Wirth, der ihm zunächst saß: Wie schmeckt der Käs? Der Geselle schwieg, und kaute fort, wie ein Esel, der Teig frißt; denn der Käs war über die Maßen schlecht. Da sagte einer der Kameraden: Nun, so red' doch! vermeinend, er werde, wie der Affe, die Käste aus den Kohlen langen.[101] Der Geselle aber schwieg. Das legten sie ihm als Trotz aus, die Kameraden und der Wirth. Und als er auf wiederholte Aufforderung den Mund dennoch nicht aufthat, so jagten sie ihn vom Tische fort, und warfen ihn zur Thür hinaus. – Des andern Morgens, als die Gesellen des Weges vorbei gingen, an welchem er die Nacht im Freien zugebracht, hielt er den Eulenspiegel an, und schalt ihn, daß er ihn nun schon zum dritten Male zum Besten gehabt habe mit seinem Rathe. Eulenspiegel aber antwortete: Wem nicht zu helfen ist, dem ist auch nicht zu rathen. Mit diesen Worten ließ er ihn stehen, und zog seines Weges weiter. – Was ist aber aus dem Gesellen geworden? Wenn's ihr nicht wißt, ich weiß es nicht.

Quelle:
Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 1, Leipzig [um 1878/79], S. 100-102.
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