[5] Der Verwalter und Lisette.
DER VERWALTER. Sie wissen also nicht, Jungfer Lisette, in welcher Absicht mich die Baroninn schon wieder rufen läßt?
LISETTE. Das sagte sie mir nicht, und es wäre Kunst es zu errathen. Sie hat heut so vielerley Dinge im Kopfe, daß sie selbst nicht weiß, was sie will und nicht will. Wenn wir doch diese Festivität schon überstanden hätten!
DER VERWALTER. Ja wohl – und Ich von meinem Interims-Haushofmeister-Amte wieder los wäre! Das ist nun diesen Morgen das zwölftemal, daß ich gerufen werde; achtmal bloß des Stalles wegen.
LISETTE. Wundert Sie das, Herr Verwalter? Sie kennen doch den Grafen von Reitbahn?
DER VERWALTER. Nein! ich hatte eben den Tag, da er hier war, in den herrschaftlichen Weingärten zu thun.
LISETTE. So muß ich Ihnen also sagen, daß dieser Herr Bräutigam von unserm Fräulein, der größte, der berühmteste Pferdenarr im ganzen Lande ist – ein[5] Mensch, der nichts anders thut und denkt, als reiten, fahren, und halsbrechen. Darum ist unsre Frau in Sorgen, es möchte wohl gar die ganze Heyrath in Trümmer gehen, wenn dem Grafen bey seiner Ankunft, von ungefähr unsre Stallordnung mißfiele.
DER VERWALTER. Ha nun begreif' ich! Denken Sie nur, Lisette! nebst den hochfreyherrlichen Pferden, mußt' ich alle unsre Mayerpferde, meine zween Braunen, und des Pfarrers Rappen in den herrschaftlichen Stall einstellen. Zum Glück ist nicht mehr Platz, sonst kämen wohl des Schulzens Hengste auch dazu.
LISETTE. O warum nicht auch des Majors von Rheinberg vier Schäcken? Die wären doch gewiß die schönsten von allen. Das nenn' ich Eitelkeit!
DER VERWALTER. Wenn Sie erst wüßten, wie heute der Stall aussieht!
LISETTE. Nu?
DER VERWALTER. Seit Anbruch des Tages sind zwölf Frohnleute mit Putzen, Fegen und Polieren beschäftiget. Der Fußboden wurde mit weißem Sand ausgerieben, und dick mit Sägespähnen bestreut.
LISETTE. Nur? und nicht mit Rosenblättern? Ha! ha! ha!
DER VERWALTER. Sie kennen ja die alten Familienportraits von den geharnischten Rittern, die alle das hochfreyherrliche Wappen neben der Schulter, oder zwischen den Füßen, und allmächtig große Perücken auf den Köpfen haben?
LISETTE. Soll ich sie nicht kennen? sie hängen in des Barons Gewehrkammer.
DER VERWALTER. Nicht mehr. Sie hängen alle im Stalle.
LISETTE. Im Stalle? die Ritter in großen Perücken? Das ist ja eine Schmach für die Familie.[6]
DER VERWALTER. Für die Familie eben nicht – ob diese Helden im Stalle, oder in der Gewehrkammer hängen. Nur dem feinen Geschmack unserer Frau, dessen sie sich so oft rühmet, dürfte diese Veränderung keine Ehre bringen.
LISETTE. O sagen Sie ihr das mit guter Art.
DER VERWALTER. Das lass' ich wohl bleiben. Lieber sagen Sie ihrs, Lisette! Die Baroninn hört Niemanden so willig an, wie Sie.
LISETTE. Ja, in politischen Sachen, die das Etiquette, und ihre Garderobe betreffen. – Und das geschieht nur, weil ich bey Hose gedient habe.
DER VERWALTER. Unter uns, Lisette! Der Herr Baron sollte besser einsehen, was sich schickt oder nicht schickt.
LISETTE. Der bekümmert sich wenig um die Ritter in großen Perücken; wenn er nur täglich feinen Hasen erlegt. Stellen Sie sich vor: Am Verlöbnißtage seiner einzigen Tochter, läuft er seit Sonnen- Aufgang auf der Jagd herum; der Bräutigam soll jeden Augenblick eintreffen; es ist bald Mittag; und Er, der Herr vom Hause, streicht noch die Felder ab.
DER VERWALTER. Unter uns, Lisette! mir scheinet, der Baron nimmt an dieser Heyrath nicht so warmen Antheil, wie seine Gemahlinn.
LISETTE. Vielleicht merkt er, daß seiner Tochter etwas ganz Anders am Herzen liegt, als der angezogene Reitbahn.
DER VERWALTER. Der Major?
LISETTE. Der ist aber auch ein ander Geschöpf. Gewiß, ich betaure unser Fräulein vom Grunde der Seele.
DER VERWALTER. Unter uns, Lisette! Ich verstehe das ganze Wesen nicht. Der Baron ist reich; er liebt seine Tochter; warum zwingt er sie denn zu einer unangenehmen Heyrath?[7]
LISETTE. Er zwingt sie nicht: er überläßt nur diese Kleinigkeit seiner Gemahlinn, und besorgt seine Jagd-Geschäfte.
DER VERWALTER. Ey, Ey, Ey! – Und wie ist er gegen den Major gesinnt?
LISETTE. So so. Seit einigen Tagen, da er mit ihm auf der Jagd herumläuft, ist er ihm so ziemlich hold. Aber wozu kann das dem guten Major nützen? Die Baroninn kann ihn durchaus nicht leiden ... Doch Laut, daß es die kommende Baroninn hören muß. Hier kömmt die gnädigste Herrschaft.