74. Glocke zu Waldkirch.

[64] In der Stiftskirche zu Waldkirch ist eine große Glocke, die den Namen »Margaretha« trägt. Sie wurde auf dem Friedhof, in einem noch sichtbaren Loche, gegossen, und dabei ein ganzer Haufe geopferten Silbers unter das Erz gemischt. Hierdurch erhielt sie den schönen Klang, welcher weit und breit im Lande gehört wird. Nicht allein schwere Gewitter vertrieb ihr Geläut, sondern auch eine Schaar Hexen, die einst mit gläsernen Aexten den Kandelfelsen durchhauen und so den See, welchen er verschließt, auf das Waldkircher Thal loslassen wollten.

Weil die Glocke ein solches Kleinod, suchten die Freiburger, sie für ihr Münster zu bekommen. Sie boten dafür dem Stifte so viel Kronenthaler, als sich auf dem Wege[64] von Freiburg bis Waldkirch in einer zusammenhängenden Reihe würden legen lassen. Diesen Handel gingen die Stiftsherren ein und empfingen nach acht Tagen die Bezahlung. Eine Woche später kamen die Freiburger mit neun Wägen, die Glocke abzuholen. Um sie aus dem Thurme zu bringen, mußte ein Stück desselben ausgebrochen werden. Als sie mit großer Mühe aufgeladen war, wurde abgefahren, aber noch in dem Orte drückte sie drei der Wägen zusammen. Da ließen die Freiburger sie liegen und einen eisernen Wagen machen, worauf sie dieselbe luden und bis zum Bad »in der Enge« brachten. Dort sank der Wagen ziemlich tief in den Boden; er wurde zwar wieder herausgehoben und bis an die Waldkircher Banngränze gezogen, war aber, nebst den zweiunddreißig angespannten Pferden, schlechterdings nicht weiter zu bringen. Nun endlich erkannten die Stiftsherren des Himmels Willen, kündigten den Freiburgern den Handel auf und ersetzten ihnen den Kaufschilling und die übrigen Auslagen. Um die Glocke nach Waldkirch zurückzuführen, thaten der Vogelbauer und der Schwefelbauer aus dem Suggenthal auf ihren gewöhnlichen Wagen drei neue Tragbäume, spannten zehn Ochsen an und brachten damit die Glocke ohne Mühe in das Stift. Als sie dort wieder im Thurm hing, begann sie von selbst zu läuten und tönte die Worte:


Margaretha heiß ich,

Alle schwere Wetter weiß ich,

Alle schwere Wetter kann ich vertreiben,

Und im Glockenthurm zu Waldkirch will ich bleiben.


Dieser Spruch steht jetzt auf der Glocke und ist im Waldkircher Thale jedem Kinde bekannt.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 64-65.
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