I.

[135] Stamm Abels, schlafe, iß und trinke,

Gott lächelt dir gnädig zu.


Stamm Kains, in Schmutz und Schlamm versinke,

Erbärmlich leb und ende du.


Stamm Abels, deines Weihrauchs Grüßen

Umschwebt den Seraph mild und rein.


Stamm Kains, wird deinem schweren Büßen

Denn niemals eine Ruhe sein?


Stamm Abels, reich ist deine Weide,

Und üppge Saat entsproßt dem Grund.


Stamm Kains, dich schmerzt im Eingeweide

Des Hungers Qual wie einen Hund.


Stamm Abels, deine Glieder wärme

An väterlichem Herdesbrand.


Stamm Kains, wie scheue Schakalschwärme

Irr frierend, ins Geklüft verbannt.


[135] Stamm Abels, lieb und feilsche teuer!

Dein Silber selbst bringt Junge dir.


Stamm Kains, du Herz voll wildem Feuer,

Verfemt ist deiner Wünsche Gier.


Stamm Abels, groß und zahlreich wirst du,

Den Wanzen in den Wäldern gleich!


Stamm Kains, auf öden Straßen irrst du

Im tiefsten Elend, nackt und bleich.

Quelle:
Baudelaire, Charles: Blumen des Bösen. Leipzig 1907, S. 135-136.
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Die Blumen des Bösen (Auswahl)
Die Blumen des Bösen
Les Fleurs du Mal /Die Blumen des Bösen: Franz. /Dt
Die Blumen des Bösen: Französisch/Deutsch
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