Fünfter Auftritt

[331] Baldinger allein, dann Hubert.


BALDINGER allein. Wer in mein Herz sieht, weiß, welch' ein Wagestück ich unternommen! Frischer Muth und guter Wille wird es mir gelingen lassen.

HUBERT auftretend. Herr Baldinger, ich habe den Arbeitern die Neuigkeit mitgetheilt.

BALDINGER. Es ist gut. – Wohin, Hubert?

HUBERT. Auf Euer Zimmer. Ein wenig Ordnung machen.

BALDINGER. Bleib' da. Pause. Hast Du mir nichts zu sagen?

HUBERT. Der Justitiär war hier; er will seinen Abschied nehmen.

BALDINGER. So?

HUBERT herausplatzend. Der ist auch kein Freund von Neuerungen, der!

BALDINGER ruhig. Du bist ein tüchtiger Mathematiker, Hubert, ein geschickter Mechaniker, aber die Mathematik hindert Dich nicht, eine kleinliche, neidische Seele zu besitzen.

HUBERT. Neidisch? Herr – Ihr wißt, wie ich Euch liebe.

BALDINGER. Mußtest Du darum das Herz eines schuldlosen Weibes kränken? Sieh, das war un recht, Hubert, unrecht, trotz Deinem vortrefflichen Wasserrad.

HUBERT nach einer Pause. Herr – Herr – Er eilt rasch nach dem Tisch, ergreift das Modell, und eilt damit zum Fenster.

BALDINGER. Was machst Du, Hubert?

HUBERT. Ich schmeiße das verwünschte Wasserrad über's Fenster!

BALDINGER. Und warum? Weil Du einen schwachen Moment hattest, Hubert, willst Du das Werk Deiner schöneren Momente zertrümmern? Willst mit Leidenschaft gut machen, was Du durch Leidenschaft verbrochen?


Hubert stellt das Modell schweigend wieder auf den Tisch, und schlägt sich mit der flachen Hand vor die Stirne.


BALDINGER nach einer Pause. Ich will's nicht läugnen, Hubert; auch ich habe gegen Dich gefehlt.

HUBERT. Ihr, Herr?

BALDINGER. Ja, ja! Ich hatte Dir versprochen – unverehelicht zu bleiben.

HUBERT. Was hattet Ihr zu versprechen!

BALDINGER. Nicht geradezu versprochen,: aber Dich doch glauben machen – nur selber zugesagt – allein es gibt Lagen, Verhältnisse,[331] Hubert, die uns bestimmen, lange gehegte Entschlüsse plötzlich zu ändern. Und nun ein ernstes Wort, Hubert: ich verlange, daß Du meiner Frau Respekt erweisest, daß Du sie artig behandelst.

HUBERT. Artig? Bin ich denn ein Bär?

BALDINGER. Bisweilen.

HUBERT. Nun gut, Herr Baldinger! ich will ein Bär sein, aber neidisch bin ich darum nicht.

BALDINGER. Nur ruhig, Alter – Reicht ihm die Hand. ich wollte Dir nicht wehe thun.

HUBERT mit unterdrückter Rührung. Herr, ich will artig werden – denn Ihr habt recht: ich bin in der That eine neidische Bestie – und ein Bär. Ab in das Seitenzimmer links.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 331-332.
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