VI. Der Pakt.

[28] In stiller Zelle weilet Faustus mit düsterm Blick;

Wird nun erfüllt sein Hoffen? Erfasst er nun sein Glück?

Trügt ihn auch nicht der Dämon, den er aus Nacht beschwor?

Weh, wenn er an ein Trugbild die Seligkeit verlor!


Die Stunden schleichen – dünkt ihm die Zeit doch flügellahm,

Nicht sehnlicher die Brautnacht erharrt ein Bräutigam,

Als Faustus bang, voll Unruh, des Höllenboten harrt,

Da kündet Schattenwallen ihm Geistergegenwart.


Bald schwimmt die Nebelbildung vor seinem Blick, wie Flor;

Bald steigt's, gleich Irrlichtflämmchen, hoch zum Gewölb empor.

Bald scheint ein Menschenantlitz todtbleich vor ihm zu stehn,

Bald wieder, Duft und Rauch gleich, in Wirbeln zu verwehn.[28]


Drauf fasst der Zaubrer zornig das Buch, das Geister bannt;

Mit Qualen neuer Formeln droht wild der Nekromant.

Da wird zur Feuerflamme, zur Lohe schier das Haus,

Die breitet Drachenflügel nach allen Seiten aus.


Und von den Flammenschwingen umleuchtet und umloht

Zeigt sich ein Riesenantlitz grimmvoll und blutigroth;

Dem Antlitz gleich des Tigers, der in die Ketten beisst,

Wuthblickend, wie das Grabthier, das am Gegitter reisst.


Doch Faustus, in der Rechten das Buch erhoben, spricht:

»Ich rief nach meinen Knechten, Dein Gaukeln schreckt mich nicht!

Sprich mir, was Du verlangest, dass mir Dein Dienst gehört:

Dass Du den Pakt empfangest, den Dir mein Mund beschwört!«


Und furchtbar rollt die Stimme, wie Donner, durchs Gemach:

»Mich Deinen Knecht zu nennen, bist, Faustus, Du zu schwach.

Soll ich den Knecht Dir senden aus meiner Diener Schaar,

So höre mein Bedingniss und nimm es treulich wahr:«


»Verfluche den, der neidisch uns einst gestürzt vom Thron!

Abschwöre Dich dem Irrwahn von der Maria Sohn!

Und bleibe Pfaffen abhold, gleich ihm, ohn' Unterlass!

Schwör' allem Guten Feindschaft, und aller Liebe Hass!«


»Verfluche jede Kirche, wie jedes Sakrament!

Du wirst nie frein, nie lesen im neuen Testament!

Hast Du dess Lust und Muthes? Wohl, schreib's mit eigner Hand,

Mit Purpur Deines Blutes für uns zum Unterpfand!«[29]


»Dann magst Du frei gebieten, Faust, dann ist alles Dein;

Die Schätze, die wir hüten, die Kraft, die wir verleihn!

Was Deinen Sinn erfreue, was Deiner Lust behagt,

Sei Dir mit fester Treue gelobt, und zugesagt!« –


Und Faust: »Was Du begehrest, erfüll' ich willig Dir,

Sofern Du treu gewährest, was Du geboten mir!

Wenn vier und zwanzig Iahre mir Deine Macht gehorcht,

Will ich dem Himmel trotzen, und Dein sein unbesorgt!«


»Verflucht der Köhlerglaube, der Thoren Bande schlingt!

Verflucht das Ammenmährchen, das von Erlösung singt!

Hab' auch gehofft, gebetet – blieb es nicht, wie zuvor?

Ich hatte Glauben, Liebe – war ein betrogner Thor!«


»Abschwör' ich Pfaffengemeinschaft sammt ihrem heilgen Quark!

Abschwör' ich Lieb' und Freundschaft, ich, durch mich selber stark!

Verflucht sei jede Kirche, die sich mit Formen spreizt!

Verflucht sei jedes Eh'band, es hat mich nie gereizt!« –


Er ruft's mit bittrem Lachen, zur Feder greift er schnell;

Und gleich aus offner Ader strömt seines Blutes Quell.

Er schreibt, was er gesprochen, von wilder Gluth durchwühlt,

Und hat das Band zerbrochen, das ihn am Himmel hielt.


Und als das Blatt betrachtend, er düster sinnend stand,

Braust durchs Gemach ein Windstoss, und reisst's ihm aus der Hand.

Und eine Flamme lodert, und ein Gelächter gellt,

Als jauchze triumphirend der Fürst der Unterwelt.[30]


Faustus weilt in der Zelle mit unmuthdüsterm Blick;

Wird nun erfällt sein Hoffen? Erfasst er nun sein Glück?

Lacht nicht der Dämon höhnend, den er aus Nacht beschwor?

Weh, wenn er an ein Wahnbild die Seligkeit verlor! –[31]


Quelle:
Bechstein, Ludwig: Faustus. Ein Gedicht, Leipzig 1833, S. 28-32.
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Faustus. Ein Gedicht
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