XI. Der Lustgarten.

[48] »Lasst Schellen hell erklingen bei buntem Mummenschanz!

Lasst muntre Gäste singen und springen froh im Tanz!«

So Faustus ruft, der Festlust als Lebenslust erkürt,

Und, jeden Schmerz betäubend, oft bunte Reigen führt.


Jetzt nah'n in vollen Schlitten sich Masken sonder Zahl,

Die grüsset Wagner höflich, weit öffnet er den Saal.

Die Winterhüllen fallen, manch schönes Auge strahlt,

Und röther unter Larven sich manche Wange malt.


»Willkommen, froh willkommen, Freundinnen, hold und fein!

Willkommen edle Frauen und Herren! Nur herein!

Auch Gruss den Musensöhnen, von edlem Blut entstammt!

Zu dienen hier dem Schönen ist einzig Euer Amt!«


Die Jungen wie die Alten grüsst so der Herr vom Haus;

»Den Winter nur, den kalten, ihr Freunde, lasst mir draus!

Er ist ein grämlichfinstrer, murrköpfiger Gesell;

Ich mag ihn nicht, und schaffte den Sommer uns zur Stell!«[48]


Und durch die weite Halle die Gäste staunend gehn;

Verwundrung fesselt alle, wie sie das Wunder sehn.

Hier grünen Bäume, Lauben, der Rasen bunt geschmückt;

Dort harren Purpurtrauben des Winzers, der sie pflückt.


Dort glühen saft'ge Pfirschen rings an der Mauerwand,

Dort neigen rothe Kirschen sich schwellend in die Hand.

Dort glänzen, hell wie Sterne, Orangen licht im Grün,

Dort flammt in höh'rer Röthe Granatengluthrubin.


Und Blumen blühn in Fülle, wie sie der Sommer zeugt.

Dort Tulpen, stolzaufragend, Narzissen, sanft gebeugt.

Wo hoch auf schlankem Stengel sich Kön'gin Rose wiegt,

Ist ihr als Mitregentin die Lilie zugefügt.


Und heitres Leben regt sich ringsum in Busch und Baum,

Singt, flattert, schwirrt und gaukelt umher im grünen Raum.

Dort Vöglein, goldgefiedert, dort seltner Käfer Glanz;

Dort buhlen Schmetterlinge, dort Mücken froh im Tanz.


Die Vögel singen freudig, die Quellen rieseln traut;

Die Mädchen winden Kränze, die Männer plaudern laut.

Und rings ist Scherz und Jubel, und Sommersonnenschein,

Nur von beschneiten Dächern schaut ernst der Winter drein.


Ernst hat sich mit dem Lachen für immerdar entzweit,

Und sich vor langen Zeiten befreundet mit der Zeit.

Die blickt, ein hartes Steinbild, erstarrend und erstarrt,

Trüb in den Sommernachttraum der kurzen Gegenwart. –[49]


An Faustus Seite schreitet ein wälscher Edelmann,

In Scharlachtuch gekleidet, viel goldne Tressen dran.

Wie schwankt die rothe Feder so stolz auf seinem Hut;

Wie steht dem kecken Fremdling sein freies Wesen gut!


Und hinkt sein Fass ein wenig von einem bösen Fall,

Doch scheinen ihm gewogen die holden Fräulein all'.

Er weiss gewandt zu reden, er macht sie scherzend roth,

Und dass ihm eine zürne, damit hat's keine Noth.


Ist's Noth auch, dass sich Geister aus ihrer Nacht bemühn,

Um Seelen zu verderben und sie dem Licht entziehn?

Es wohnt im Menschenherzen oft solch ein böser Geist,

Dass er auf eignen Flügeln es hin zum Abgrund reisst. –


Und zauberhafter zeigt sich das Gartens bunte Pracht,

Und höher wächst das Staunen ob Faustus Wundermacht.

Jetzt lockt sogar vom Kirschbaum die Feige, saftig weich;

Und Datteln trägt der Birnbaum, wenn Faustus winkt, sogleich.


Am Schleendorn sprosst ihm Lorbeer, Kastanien trägt der Buchs;

Der niedrige Lavendel hat einer Lilie Wuchs.

Die Mandel reift am Taxus, die Nuss am Myrthenstrauch,

Erdbeeren trägt der Ahorn, und Nelken trägt der Lauch. –


Weh, wer vom Pfad des Schönen ablenkt und irre geht,

Zur Unnatur sich wendend, sich selber nicht versteht.

Wer Gaukelei für Kunst hält, und Trug für Wahrheit schätzt,

Und auf der Thoren Beifall Vertrauen gläubig setzt.[50]


Faustus, wie sucht Dein Streben solch irre Bahnen nun?

Die Kraft des früh'ren Wollens spricht nicht aus Deinem Thun.

Er, der an Dich gekettet durch Deines Zaubers Macht,

Hat nicht Dich zu belehren, nur zu bethören, Acht.


»Lasst Schellen hell erklingen bei buntem Mummenschanz,

Lasst heitre Gäste singen und springen froh im Tanz.

Ist Jugend nicht im Winter der Zeit ein Zauberhain?

Ernst blickt von fernen Alphöhn der Schnee des Alters drein!« –[51]

Quelle:
Bechstein, Ludwig: Faustus. Ein Gedicht, Leipzig 1833, S. 48-52.
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Faustus. Ein Gedicht
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