[27] Auf der Kastelen-Alpe wohnte ein reicher Bauer, der hatte viele Herden und Matten, und drunten in Kriens hatte er eine arme Muhme, die war Witwe, hatte nur eine einzige Tochter und nährte sich mit dieser gar kümmerlich, lag auch schwer an der Gicht darnieder. Da entschloß sich das Maidli, hinauf auf die Alp zum reichen Vetter zu gehen und ihn um eine Unterstützung anzusprechen. Da stieg ein schrecklich Gewitter am Himmel auf, als sie auf der Alpe ankam, ihr aber ward kein Trost und keine Gabe, nur Hohn und Scheltworte, und sie ließen droben auch trotz des drohenden Wetters das Mägdlein wieder fortgehen. Das kam tüchtig in das Wetter und erreichte mit Not die Hütte eines Sennen, das war ihr Bube Aloys, der hatte noch einen kleinen Käs, den gab er ihr für sie und ihre Mutter. Raschen Schrittes eilte die Dirne abwärts, da glitt sie auf der glatten Trift, fiel hin, und der Käs rollte in die Tiefe, unaufhaltbar in unzugängliche Felsklüfte. Weinend und kummervoll schaute die arme Dirne dem entrollten Käse nach, da faßte etwas ihre Hand, und sie erschrak zum Tode, und bei ihr stand so ein klein winziges graues Herdmanndli, das hatte auf seiner Schulter das verlorengegangene Stückchen Alpenkäse, etwa so groß wie ein Viertelsmühlstein und in der Hand ein Büschel Kräuter, und sprach: Magst den Käs mit heimnehmen und deiner Mutter von den Kräutern einen Tee kochen, sollst nicht mehr hülflos weinen. – Hoch droben im Gebirg aber tobte das Unwetter noch fort, über alle Maßen greulich, und war ein Donnern, Tosen und Krachen, als ginge die Welt unter. Wie das Maidli zur Mutter kam, war der Käs ein Stück so schweres Gold geworden, und vom Kräutertee wurde die Mutter ganz gesund. Über die Kastelen-Alp aber hatte sich im Gewitter ein Bergsturz geschüttet, die Matten verwüstet, die Herden erschlagen und ein Stein, etwa so groß wie ein Alpenkäs, hatte dem geizigen Vetter einen Fuß abgeschlagen. Später ist er noch zu seiner Muhme Haus gehinkt gekommen und hat gebettelt.
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsches Sagenbuch
|